Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung der Mietzinsforderung durch längere Hinnahme einer Mietzinsminderung
Leitsatz (redaktionell)
Die Verwirkung der Forderung auf den Mietzins setzt voraus, dass zum Ablauf einer gewissen Zeit (Zeitmoment) besondere, auf dem Verhalten des Forderungsberechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Widerspricht der Berechtigte der Minderung des Mietzinses durch den Verpflichteten, ist ein solcher Vertrauenstatbestand nicht gegeben.
Normenkette
BGB § 539
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 27.03.2003) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 61 des LG Berlin v. 27.3.2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagten mieteten von der Klägerin gemäß Mietvertrag v. 14./25.11.1996 eine Zwei-Zimmer-Dachgeschosswohnung in B. . Ab Dezember 1998 minderten die Beklagten unter Hinweis auf angebliche Mängel die Miete um 30 %. Mit Schreiben v. 30.3.2001 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges fristlos.
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Räumung der Wohnung sowie auf Zahlung rückständiger Miete und Nebenkosten für die Zeit von Dezember 1998 bis einschließlich März 2001 in Anspruch.
Das AG hat der Klage hinsichtlich des Räumungsantrags sowie des Antrags auf Mietzinszahlungen i. H. v. 13.663,20 DM nebst Zinsen stattgegeben; hinsichtlich der Nebenkostennachforderungen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG die Zahlungsklage abgewiesen, soweit die Beklagten zur Zahlung von mehr als 6.330,71 EUR (= 12.381,80 DM) nebst Zinsen verurteilt worden sind.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - ausgeführt:
Der Mietzins sei wegen mangelhafter Fenster um 5 % ab Februar 1999 gemindert. Weitere Minderungsrechte bestünden nicht. Der Vortrag der Beklagten zur angeblich mangelhaften Beheizung der Wohnung sei unsubstanziiert und ermögliche weder eine Beweisaufnahme noch die Bemessung einer Minderung. Die angeblich mangelhafte Isolierung des Dachgeschosses berechtige die Beklagten nicht zur Minderung, da nicht dargelegt sei, in welcher Weise sich dies konkret auf den vertragsgemäßen Gebrauch ausgewirkt habe.
Der Mietzinsanspruch sei auch nicht verwirkt oder in umgekehrter Analogie zu § 539 BGB a. F. erloschen. Für Verwirkung fehle es an dem sog. Umstandsmoment. Die Beklagten beriefen sich allein auf den Zeitablauf. Dieser könne jedoch ohne weitere Umstände nicht das berechtigte Vertrauen der Beklagten begründen, vor Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
Eine umgekehrte Analogie zu § 539 BGB a. F. scheide aus, da es an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte fehle. § 539 BGB a. F. regele die Hinnahme der Mietsache als vertragsgemäß, die der Mieter - "in einfacher Analogie zu § 539 BGB a. F." - dadurch dokumentieren könne, dass er den Mietzins trotz eines im laufenden Mietverhältnis entstehenden Mangels vorbehaltlos weiterhin vollständig zahle. Ein entsprechender Erklärungswert, einen in zu geringer Höhe gezahlten Mietzins als vertragsgemäß hinzunehmen, könne dem vorbehaltlosen Erbringen der Vermieterleistung nicht beigemessen werden, weil der Vermieter bei seiner Leistung nicht die Möglichkeit habe, den Leistungsumfang zu reduzieren.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht eine Verwirkung des Mietzinsanspruchs der Klägerin verneint. Die Verwirkung einer Forderung setzt voraus, dass zum Ablauf einer gewissen Zeit (Zeitmoment) besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2002 - VII ZR 23/02, MDR 2003, 207 = BGHReport 2003, 214 = NJW 2003, 824 unter II 1, m. w. N.). Ein solcher Vertrauenstatbestand ist hier, wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, schon deshalb nicht gegeben, weil die Klägerin sowohl mit Schreiben v. 22.12.1998 wie mit Schreiben v. 2.2.2000 den von den Beklagten vorgenommenen Mietminderungen widersprochen hat. Die Beklagten konnten daher nicht davon ausgehen, dass die Klägerin auf ihren restlichen Mietzinsforderungen nicht mehr bestehen werde. Wenn die Klägerin ihre Ansprüche erst mit Mahnbescheiden v. 14.11.2000 gerichtlich geltend gemacht hat, begründete der eingetretene Zeitablauf daher noch nicht den Verwirkungstatbestand (vgl. BGH v. 11.4.1984 - VIII ARZ 16/83, BGHZ 91, 62 [71] = MDR 1984, 836, m. w. N.; Urt. v. 29.2.1984 - VIII ZR 310/82, MDR 1984, 930 = WM 1984, 818 unter 2b und c; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rz. 532).
2. Eine umgekehrt analoge Anwendung des § 539 BGB a. F. scheidet entgegen der Ansicht der Revision ebenfalls aus.
Zwar wird in der Rechtsprechung vereinzelt die Ansicht vertreten, dass der Vermieter nach längerer widerspruchsloser Hinnahme einer Mietzinsminderung seinen Anspruch auf den restlichen Mietbetrag verliert (vgl. OLG Hamburg ZMR 1999, 328; LG Hamburg v. 21.3.1991 - 334 S 63/90, WuM 1994, 608; offen gelassen in BGH, Urt. v. 26.2.2003 - XII ZR 66/01, BGHReport 2003, 585 = NJW-RR 2003, 727 unter 2c; Palandt/Weidenkaff, BGB, 63. Aufl., § 536 Rz. 33; a. A. Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III B Rz. 1367; Schmidt-Futterer/Gather, Mietrecht, 8. Aufl., § 548 Rz. 130; Wiechert, ZMR 2000, 65 [68]).
Diese Frage, wegen der das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, kann im vorliegenden Fall jedoch offen bleiben, weil die Klägerin, wie zuvor ausgeführt, den Mietzinsminderungen der Beklagten mit ihren Schreiben v. 22.12.1998 und v. 2.2.2000 ausdrücklich widersprochen hat. Eine vorbehaltlose Hinnahme der geleisteten Mietzinszahlungen der Beklagten durch die Klägerin liegt daher nicht vor, so dass ein Vertrauenstatbestand zu Gunsten der Beklagten nicht gegeben ist.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich dagegen, dass das Berufungsgericht eine Mietminderung erst für die Zeit ab Februar 1999 als berechtigt angesehen hat.
Die dagegen erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 564 ZPO).
4. Mit Rücksicht auf den festgestellten Mietrückstand war die Klägerin daher zur fristlosen Kündigung am 30.3.2001 berechtigt (§ 554 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F.), so dass auch der Räumungsanspruch gerechtfertigt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1124922 |
WuM 2004, 198 |
MietRB 2004, 161 |
AIM 2004, 77 |
JWO-MietR 2004, 98 |