Entscheidungsstichwort (Thema)
Miterbe
Leitsatz (amtlich)
- Bei der verfrühten Geltendmachung des Anspruchs eines Miterben auf Ausgleichszahlung vor Abschluß der Erbauseinandersetzung kann eine danach unbegründete Zahlungsklage zugleich einen Feststellungsantrag enthalten, daß ein bestimmter Gegenstand im Rahmen der Auseinandersetzung mit einem bestimmten Betrag noch auszugleichen sei (Fortführung von BGH, NJW 84, 1455).
- Einen Zahlungsanspruch gem. § 812 BGB eines Miterben gegen einen anderen, weil dieser bei vorangegangenen Teilauseinandersetzungen mehr erhalten habe, als ihm bei Zugrundelegung der Teilungsquote zugestanden hätte, kann es im Grundsatz nicht geben, solange die Auseinandersetzung noch nicht abgeschlossen ist und der ungeteilte Nachlaßrest für die gebotene Ausgleichung möglicherweise ausreicht.
- Unterbleibt eine gebotene Ausgleichung bei der Teilauseinandersetzung, dann muß die Ausgleichung bei der Aufteilung des Restes des ungeteilten Nachlasses nachgeholt werden. Das hat zur Folge, daß sich die von der Erbquote verschiedene Teilungsquote (vgl. BGHZ 96, 174, 180 = NJW 1986, 931 = LM § 2050 BGB Nr. 6) weiter verschiebt.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1; BGB §§ 812, 2052
Tatbestand
Die Klägerin zu 2) und der Beklagte sind Geschwister. Ihre Eltern, der am 27. September 1971 vorverstorbene Apotheker Ludwig S. und dessen am 26. März 1980 verstorbene Ehefrau Maria S. geb. O. (Erblasserin), setzten einander durch Erbvertrag vom 21. Januar 1966 zu Alleinerben ein und beriefen den Beklagten (ebenfalls Apotheker), die Klägerin zu 2) und die Klägerin zu 1) (einziges Kind ihres im Jahre 1944 gefallenen Sohnes Hans), zu Erben des Längstlebenden zu je einem Drittel. Der Nachlaß der Erblasserin im Wert von etwa 2 Mio. DM ist bis auf ein 3.400 qm großes Grundstück in H., den sogenannten Prozeßgarten, auseinandergesetzt.
Mit der Klage haben die Klägerinnen den Beklagten auf Zahlung in Anspruch genommen, weil dieser im Rahmen der bisherigen Erbauseinandersetzung zu viel erhalten habe. Dabei sei nämlich nicht berücksichtigt worden, daß der Beklagte das Apothekengrundstück S., welches er aufgrund des Erbvertrages vom 21. Januar 1966 und des Überlassungsvertrages mit der Erblasserin vom 22. Dezember 1971 erhalten hat, mit einem Wert von 450.000 DM hätte ausgleichen müssen.
Soweit jetzt noch von Bedeutung, ist der Beklagte dem entgegengetreten mit der Behauptung, für das Grundstück S. sei höchstens ein Wert von 412.463 DM anzusetzen. Dieser Betrag sei durch Gegenleistungen an die Erblasserin (Leibrente, Leibgeding und Pflege) in Höhe von über 500.000 DM aber vollständig aufgewogen, so daß für eine Ausgleichung nichts übrig bleibe. Außerdem habe die Erblasserin den Klägerinnen je einen 1/3-Miteigentumsanteil an dem Grundstück E. in Benachteiligungsabsicht geschenkt, während er seinen 1/3-Anteil daran habe bezahlen müssen. Die Klägerin zu 1) habe ihren Anteil an ihn verkauft und dafür 93.102 DM erhalten. Ein Drittel von diesem Betrag, nämlich 31.034 DM, habe sie daher gemäß § 2287 BGB an ihn herauszugeben. Damit hat der Beklagte aufgerechnet. Hilfsweise aufgerechnet hat der Beklagte ferner mit einem Anspruch in Höhe von 70.000 DM auf Vergütung für die von ihm besorgte Verwaltung des Nachlasses.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin zu 1) 65.827 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die dagegen gerichtete Berufung hatte insoweit keinen Erfolg. Mit der Revision begehrt der Beklagte weiterhin, die Klage der Klägerin zu 1) abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt, soweit der Berufung der Erfolg versagt worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das Apothekengrundstück sei aufgrund ausdrücklicher Anordnung in dem Erbvertrag vom 21. Januar 1966 in Verbindung mit dem Nachtrag vom 21. Oktober 1970 auszugleichen mit dem Verkehrswert zur Zeit des Erbfalles. Es schätzt diesen Wert auf 450.000 DM und läßt die vom Beklagten angeführten Gegenleistungen außer Ansatz. Auf diese Weise kommt es (ohne den Prozeßgarten und die bereits gleichmäßig aufgeteilten Grundstücke, Möbel und Schmuckstücke) unter Hinzurechnung aller auszugleichenden Zuwendungen gemäß § 2055 Abs. 1 Satz 2 BGB zu dem beim Erbfall im Nachlaß vorhandenen Bargeld und zu dem unstreitigen Wert des Hausrats auf einen fiktiven auszugleichenden Nachlaß von 1.157.742 DM, von dem jeder Miterbe 385.914 DM zu erhalten gehabt habe. Von dem Betrag von 1.157.742 DM hätten der Beklagte 113.191 DM zuviel und die Klägerin 80.398 DM zu wenig erhalten. Da das Berufungsgericht auch die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen für unbegründet hält, hat es der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
Diese Begründung hält den Angriffen der Revision nicht stand.
2.
Mit Recht rügt die Revision, daß es einen Anspruch aus § 812 BGB wegen Unterlassung der gebotenen Ausgleichung im Grundsatz nicht geben kann, solange die Auseinandersetzung noch nicht abgeschlossen ist. Das Berufungsgericht hat übersehen, daß den bisher vorgenommenen Teilauseinandersetzungen Absprachen zugrunde liegen und daß diese Absprachen zugleich die Rechtfertigung dafür bilden, daß die beteiligten Miterben die ihnen dabei zugewiesenen Teile der Nachlaßsubstanz - zumindest bis zur Schlußabrechnung - behalten dürfen.
Die Ausgleichung gemäß §§ 2050ff. BGB verschafft den Ausgleichungsberechtigten im allgemeinen keinen Zahlungsanspruch, sondern verschiebt nur die Teilungsquote nach § 2047 Abs. 1 BGB (BGHZ 96, 174, 180). Unterbleibt die Ausgleichung bei Teilauseinandersetzungen und wird dabei - wie hier - die von der Teilungsquote verschiedene Erbquote zugrundegelegt, dann muß die Ausgleichung bei der Aufteilung des Restes des ungeteilten Nachlasses nachgeholt werden. Deshalb muß die Klägerin zu 1), wenn ihr Ausgleichungsverlangen begründet ist, die Ausgleichung bei dem letzten gemeinschaftlichen Nachlaßgegenstand, dem sogenannten Prozeßgarten, suchen. Sie hätte dann nicht nur ein Drittel von dessen Wert, sondern einen höheren Anteil davon oder unter Umständen sogar das ganze Grundstück zu beanspruchen.
Nur wenn der Wert des Grundstücks bei der künftigen Abrechnung der Beteiligten niedriger sein sollte, als dem berechtigten Ausgleichungsverlangen der Klägerin entspricht, und also die gebotene Ausgleichung zugunsten der Klägerin mit Hilfe einer Zuweisung des ungeteilten Nachlaßrestes an sie jedenfalls nicht vollständig herbeigeführt werden kann, kommt ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung in Betracht. Ob diese Voraussetzung eintreten wird und wie hoch ein etwaiger Bereicherungsanspruch alsdann sein würde, wird jedoch im allgemeinen zuverlässig erst mit der Schlußabrechnung der Beteiligten beurteilt werden können. Das gilt hier umso mehr, als die Klägerin zu 1) den Wert des Prozeßgartens vor dem Tatrichter im Gegensatz zum Beklagten (der von einem Schätzwert von 230.000 DM für das Jahr 1981 ausgeht) zwar auf nur 35.000 DM beziffert hat, aber damit rechnet, daß das Grundstück in zwei Jahren Bauland und daher im Wert steigen wird.
Unter diesen Umständen kann die Zahlungsklage der Klägerin zu 1) zur Zeit keinen Erfolg haben. Gleichwohl hat die Revision nicht zur Folge, daß die Klage in vollem Umfang abzuweisen wäre. Die Klage enthält nämlich bei sinnvoller Würdigung ihres Prozeßziels zugleich auch das Anliegen festzustellen, daß das Apothekengrundstück im Rahmen der Auseinandersetzung nach der Erblasserin mit einem Wert zum Erbfall (26. März 1980) in Höhe von 450.000 DM anzusetzen und auszugleichen sei. Ein derartiges Verständnis des Prozeßverhaltens der Klägerin zu 1) ist im Interesse einer Erleichterung der prozessualen Klärung streitiger Vorfragen für die Auseinandersetzung geboten und im Erbrecht ebenso bedenkenfrei wie im Gesellschaftsrecht (vgl. etwa BGH Urteil vom 6.2.1984 - II ZR 88/83 - NJW 1984, 1455 = LM BGB § 730 Nr. 10; Urteil vom 24.11.1980 - II ZR 194/79 - NJW 1981, 749 = LM BGB § 730 Nr. 8 und öfter). Gegen die Zulässigkeit einer derartigen Feststellungsklage bestehen keine Bedenken (vgl. Senatsurteil vom 27.6.1990 IV ZR 104/89 - FamRZ 1990, 1112 = BGHR ZPO § 256 Abs. 1 "Erbauseinandersetzung 1").
Über einen Feststellungsantrag dieser Art hat das Berufungsgericht noch nicht entschieden. Das wird nachzuholen sein.
3.
Für die neue Verhandlung vor dem Berufungsgericht wird zu beachten sein:
a)
In dem bisherigen Verfahren ist nicht erörtert worden, daß es sich bei der Übertragung des Apothekengrundstücks durch die Erblasserin auf den Beklagten um die Erfüllung eines Vermächtnisses des Vaters des Beklagten und nicht um eine Zuwendung aus dem Vermögen der Erblasserin handelt. Eine echte Ausgleichung im Sinne von §§ 2050ff. BGB im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung des Nachlasses der Mutter kommt daher nicht in Betracht. Das steht dem Anspruch aber nicht entgegen, wenn die Eltern des Beklagten (außerhalb von §§ 2050ff. BGB) insoweit einen Ausgleich entsprechend den Regeln und nach Art der "Ausgleichung" angeordnet haben. Insoweit bedürfen die Erklärungen beider Erblasser in dem Erbvertrag vom 21. Januar 1966 und seinen Zusätzen noch einer Auslegung durch das Berufungsgericht. In Betracht kommen könnte hier etwa ein Untervermächtnis des Vaters des Beklagten zugunsten der Klägerinnen, wonach der Beklagte diese so zu stellen hätte, als stammte das Apothekengrundstück aus dem Vermögen der Mutter.
b)
Soweit es bei der erneuten Prüfung durch das Berufungsgericht wiederum darauf ankommen sollte, welchen Wert das Apothekengrundstück zur Zeit des Erbfalles hatte, besteht Gelegenheit, auf die Angriffe der Revision gegen die bisherige Wertfeststellung einzugehen.
c)
Wenn das Berufungsgericht die "Gegenleistungen" des Beklagten an seine Mutter hier als unbeachtlich ansieht, dann ist das entgegen der Auffassung der Revision schon deshalb nicht zu beanstanden, weil die Leistungen des Beklagten sich im Rahmen des Nutzungswertes der Apotheke hielten und weil der Beklagte die Apotheke aus der Sicht seiner Eltern sozusagen vorweg erhalten hat und deshalb die daran hängenden Lasten (Versorgung der Mutter) daraus tragen konnte und sollte.
d)
Der geltend gemachte Gegenanspruch auf Zahlung von 31.034 DM aus dem Gesichtspunkt des § 2287 BGB kann im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung des Nachlasses der Erblasserin schon deshalb keine Berücksichtigung finden, weil ein derartiger Anspruch nicht zum Nachlaß gehört und weil er auch nicht gemäß §§ 2042 Abs. 2, 756 BGB in die Auseinandersetzung hineingezogen werden darf.
e)
Die Bedenken der Revision gegen die Verneinung des vom Beklagten geltend gemachten Vergütungsanspruchs hält der Senat nach dem bisherigen Sach- und Streitstand für unbegründet. Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe den Beklagten als Partei dazu vernehmen müssen, ob ihm eine Verwaltungsvergütung zugesagt worden ist, kann sie keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO rechtsfehlerfrei verneint. Auch für einen gesetzlichen Vergütungsanspruch des Beklagten besteht keine ausreichende Grundlage. §§ 2038, 748 BGB geben keinen Anspruch auf Vergütung eigener Verwaltungstätigkeit eines Miterben.
Fundstellen
Haufe-Index 1456054 |
NJW 1992, 2158 |
BGHWarn 1992, 157 |
DNotZ 1993, 169 |