Orientierungssatz
1. Bloße Zweifel an der Zweckmäßigkeit eines Gesellschafterbeschlusses, der sich aber immerhin noch im Rahmen des wirtschaftlich vertretbaren gehalten hat, vermögen die Anfechtbarkeit nicht zu begründen. (Vergleiche BGH, 1974-02-14, II ZR 76/72, DB 1974, 716)
2. Die Zubilligung einer Umsatzprovision ist jedenfalls nicht so außergewöhnlich und unüblich, daß sie allein schon auf einen Mißbrauch des Stimmrechts schließen lassen könnte.
Tatbestand
Der Kläger ist mit 10% am Stammkapital der beklagten GmbH beteiligt. Mehrheitsgesellschafterin mit einem Anteil von 90% ist Frau I. F., die ihren Geschäftsanteil im März 1972 als Erbin ihres Vaters G. F. erworben hat.
G. F. erhielt als alleiniger Geschäftsführer neben einem Festgehalt eine Tantieme von 3% aus den Verkaufserlösen eines jeden Jahres. Nach seinem Tod wurde seine Tochter am 25. Juni 1972 zur einzigen Geschäftsführerin bestellt. Der am selben Tag abgeschlossene und vom Kläger mitunterzeichnete Anstellungsvertrag sicherte ihr ein festes Gehalt von monatlich 3.600 DM zu, das später auf 5.000 DM erhöht wurde. Außerdem übernahm die Gesellschaft die Prämie zu einer ausreichenden Krankenversorgung und die Zahlung der jeweiligen Höchstbeträge zur Angestelltenversicherung. Hinzutreten sollte eine noch zu bestimmende Tantieme. Am 17. Februar 1973 beschloß die Gesellschafterversammlung mit der Stimme von Frau F. und gegen die des Klägers, der sich für eine gewinnabhängige Tantieme aussprach, daß Frau F. vom Zeitpunkt ihrer Bestellung an eine Tantieme in Höhe von 2% des Jahresumsatzes erhalten sollte.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Kläger mit dem Antrag, ihn für nichtig zu erklären. Er hat geltend gemacht, durch diesen Beschluß habe sich Frau F. zum Schaden der Gesellschaft und zu seinem Schaden mit Hilfe ihres Mehrheitsstimmrechts einen unangemessenen Vorteil verschafft. Eine Umsatztantieme sei völlig unüblich und wirtschaftlich unsinnig, weil sie dem Geschäftsführer einen Anreiz zur Steigerung des Umsatzes ohne Rücksicht auf die Kostenentwicklung gebe. Sie führe hier zu einer krassen Gewinnverlagerung zu Gunsten der geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafterin, zumal wenn sich das Geschäftsergebnis in Zukunft durch einen beschlossenen Neubau wesentlich verschlechtern werde. Was für den früheren langjährigen Geschäftsführer unter besonderen Verhältnissen angemessen gewesen sei, lasse sich nicht ohne weiteres auf seine Tochter übertragen. Kein Geschäftsführer, der nicht Gesellschafter sei, würde ohne entsprechende Ausbildung und Erfahrung so hohe Gesamtbezüge erhalten, wie Frau F. sie sich selbst zugebilligt habe.
Die Beklagte hat erwidert, der angefochtene Beschluß setze lediglich eine zuvor jahrelang mit dem Einverständnis des Klägers geübte Praxis fort. Der geringeren Erfahrung von Frau F. sei durch eine Ermäßigung der Umsatztantieme von 3% auf 2% genügend Rechnung getragen.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Anfechtungsklage weiter.
Entscheidungsgründe
1. Nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts läßt sich aus der zwingenden Vorschrift des § 86 Abs 2 AktG jedenfalls für das GmbH-Recht nicht die Unzulässigkeit einer auf den Umsatz bezogenen Tantiemeregelung herleiten. Das GmbH-Recht ist mehr als das Aktienrecht darauf angelegt, den Beteiligten freien Raum für die Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen zu lassen. Damit vertrüge es sich nicht, die Bestimmungsfreiheit der Gesellschafter nach § 46 Nr 5 GmbHG durch eine zwingende Tantiemeregelung zu beschränken (Baumbach/Hueck, GmbHG 13. Aufl Anh § 35 A 3 B aE).
2. Das Berufungsgericht meint, auch einen Mißbrauch des Stimmrechts durch die Mehrheitsgesellschafterin oder einen sonstigen Verstoß gegen Gesetz, Satzung oder gute Sitten, der den Tantiemebeschluß nach den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften des § 243 Abs 1 und 2 AktG anfechtbar machen könnte, nicht feststellen zu können. Dabei geht es zutreffend davon aus, daß bloße Zweifel an der Zweckmäßigkeit eines Gesellschafterbeschlusses, der sich aber immerhin noch im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren gehalten hat, die Anfechtbarkeit nicht zu begründen vermögen (vgl Urt d Sen v 25.5.70 – II ZR 155/69, WM 1970, 1165 u v 14.2.74 – II ZR 76/72, LM GmbHG § 29 Nr 3 = WM 1974, 392). Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet es die Zubilligung einer Umsatztantieme für einen Geschäftsführer als eine Maßnahme, die der überstimmte Gesellschafter grundsätzlich hinnehmen müsse. Insoweit hält das Urteil den Angriffen der Revision stand.
Zahlt eine Gesellschaft ihrem Geschäftsführer neben einem festen Gehalt (oder an dessen Stelle) eine bewegliche Vergütung, so kann dies verschiedene Gründe haben. Gewöhnlich steht hierbei der Gedanke im Vordergrund, den Geschäftsführer am Erfolg seiner Tätigkeit für das Unternehmen teilhaben zu lassen und ihm auf diese Weise einen Anreiz zu entsprechenden Leistungen zu geben. Diesen Zweck kann sowohl eine Gewinnbeteiligung als auch eine umsatzabhängige „Tantieme” (genauer: Umsatzprovision) erfüllen: Bei einer gewinnabhängigen Tantieme schlägt sich jedes bilanzmäßige Geschäftsergebnis unmittelbar in der Höhe der Vergütung nieder; das Gewinnrisiko oder Verlustrisiko ist auf beide Seiten verteilt. Bei der Umsatzprovision wird ebenfalls das persönliche Interesse des Geschäftsführers an einem guten Geschäftsgang wachgehalten; auch hier tragen beide Teile bis zu einem gewissen Grad das Risiko der Geschäftsentwicklung. Freilich haftet einer Umsatzvergütung der Nachteil an, daß Umsatzzahlen nicht unbedingt den kaufmännischen Erfolg widerspiegeln; trotz hoher Umsätze kann der Ertrag gering oder sogar ein Verlust zu verzeichnen sein, ohne daß der Geschäftsführer hierdurch ein sofortiges Absinken seiner Bezüge zu befürchten braucht. Infolgedessen könnte er versucht sein, die Umsätze auf Kosten der Rentabilität in die Höhe zu treiben, nur um sich eine möglichst hohe Umsatzprovision zu sichern. Deshalb wird die Meinung vertreten, die Vereinbarung einer Gewinntantieme sei jedenfalls dort im allgemeinen vorzuziehen, wo der Geschäftsführer für den Gesamtbetrieb und nicht zB nur für den Verkauf verantwortlich ist (vgl Sudhoff, Rechte und Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH, 8. Aufl, S 16f).
Das bedeutet indessen noch nicht, daß sich unter Verhältnissen, wie sie hier vorliegen, die Zubilligung einer Umsatzprovision bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung überhaupt nicht rechtfertigen ließe und deshalb dem mit der Klage angefochtenen Gesellschafterbeschluß allein schon wegen der gewählten Vergütungsart die Wirksamkeit abzusprechen wäre. Mit Recht hat das Berufungsgericht die Gefahr, die Geschäftsführerin könnte ohne Rücksicht auf eine gesunde Gesamtentwicklung des Unternehmens allein auf Umsatzausweitung bedacht sein, hier besonders gering veranschlagt, weil Frau F. als mit 90% beteiligte Gesellschafterin auf längere Sicht die Folgen einer verfehlten Geschäftspolitik hauptsächlich selbst hätte tragen müssen. Zutreffend hat auch schon das Landgericht – Kammer für Handelssachen – darauf hingewiesen, daß in der wirtschaftlichen Praxis Geschäftsführertantiemen zwar überwiegen, aber nicht ausschließlich am Gewinn ausgerichtet sind. So haben nach Untersuchungen der K. Unternehmensberatung GmbH (GmbHRdsch 1972, 227) im Jahre 1972 immerhin 8,5% aller erfaßten GmbH-Geschäftsführer eine reine Umsatztantieme bezogen, wogegen freilich 60,7% eine gewinnabhängige Tantieme erhielten (vgl Grätz/Mennecke, Die Gehaltsfestsetzung bei Geschäftsführern der GmbH und GmbH & Co, 1976, S 27, 28). Hiernach ist die Zubilligung einer Umsatzprovision jedenfalls nicht so außergewöhnlich und unüblich, daß sie allein schon auf einen Mißbrauch des Stimmrechts schließen lassen könnte.
3. Unabhängig von dem Berechnungsmaßstab könnte der angefochtene Tantiemebeschluß fehlerhaft sein, wenn durch ihn die Gesamtbezüge der geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafterin eine solche Höhe erreicht hätten, daß hierin ein Stimmrechtsmißbrauch zu sehen wäre. Das hat das Berufungsgericht nicht geprüft und dies damit begründet, der Kläger wende sich ausschließlich gegen die Bemessungsgrundlage der Tantieme, nicht aber gegen deren Höhe; daß die Gesamtbezüge der Geschäftsführerin betragsmäßig übersetzt seien, habe er weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Mit Recht erblickt die Revision in diesen Ausführungen einen Verstoß gegen § 286 ZPO.
Weder aus der Fassung des Klageantrags noch aus der Klagebegründung ergibt sich, wie die Revisionserwiderung meint, eine Beschränkung auf die Vergütungsart. Der Klageantrag bezieht mit den Worten: „eine Tantieme von 2% vom Umsatz” auch die Höhe ein. Den Ausführungen des Berufungsgerichts in den Entscheidungsgründen, daß der Kläger zur Höhe der Tantieme nichts vorgetragen habe, ist keine Beweiskraft gemäß § 314 ZPO beizumessen. Denn sie widersprechen dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers, das nach dem Urteilstatbestand in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluß vom 8. Januar 1975 Gegenstand der mündlichen Verhandlung war (vgl Urt d Sen v 21.5.73 – II ZR 22/72, WM 1973, 778 zu II 1c). Zwar hat der Kläger in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 30. April 1975 ausgeführt, es gehe ihm darum, wie die Tantieme berechnet werde. Schon in demselben Schriftsatz hat er aber weiterhin auch die Höhe der insgesamt bewilligten Geschäftsführerbezüge beanstandet und dazu unter Hinweis auf in der Presse veröffentlichte Vergleichszahlen vorgetragen, keine Gesellschafterversammlung wäre bereit, einem Fremdgeschäftsführer ohne jede Vorbildung und Erfahrung neben einem Monatsgehalt von 5.000 DM zuzüglich dem Höchstsatz für die Sozialversicherung eine Tantieme von 2% des Umsatzes zu zahlen; die Summe dieser Vergütungen stehe offensichtlich in einem Mißverhältnis zur Leistung und liege über den durchschnittlichen Bezügen eines Vorstandsmitglieds der Deutschen Lufthansa, wie vorsorglich durch einen Sachverständigen unter Beweis gestellt werde. Mit der Berufungsbegründung (S 10, 15ff) hat der Kläger dieses Vorbringen wiederholt und dazu weiter ausgeführt, das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung bestimme sich nicht nach der Bemessungsgrundlage der Tantieme, sondern nach deren Angemessenheit, wobei allerdings eine Umsatzvergütung als „verdächtig” gelte.
Dieser vom Berufungsgericht nicht gewürdigte Vortrag ist erheblich, da sich Frau F., wenn er richtig wäre, unter Ausnutzung ihres mehrheitlichen Stimmrechts zum Schaden des Klägers eine übermäßige Vergütung verschafft hätte. Daß ihr Vater eine noch höhere Vergütung erhalten hat, ist, wie auch das Berufungsgericht erkannt hat, unbeachtlich, da bei ihm als Mitgründer andere Verhältnisse vorlagen und zudem der Kläger der damaligen Regelung im Gegensatz zur jetzigen zugestimmt hatte. Bei einem Festgehalt von jährlich (13*5.000 =) 65.000 DM und einer Umsatzprovision von über 90.000 DM im Jahr (gemessen an dem bei mehr als 4,5 Mio DM liegenden Durchschnitt der Jahresumsätze 1972 und 1973) liegt die Summe der Bezüge auch nicht offensichtlich in einer Höhe, die ohne weiteres als sachlich vertretbar anzusehen wäre. Vielmehr kommt es nach Lage des Falles darauf an, in umfassender Würdigung aller Umstände, wie insbesondere Art, Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebes, Alter, Berufserfahrung und Fähigkeiten der Geschäftsführerin sowie Umfang und Bedeutung ihrer Tätigkeit, zu prüfen, ob die ihr zugebilligten Bezüge einschließlich aller geldwerten Vorteile (vgl Spitaler/Niemann, die Angemessenheit der Bezüge geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, 4. Aufl S 41; Glade, GmbHRdsch 1970, 165, 167) in einem deutlichen Mißverhältnis zu der vergüteten Dienstleistung standen.
Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die hiernach notwendigen Feststellungen, gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen, nachholen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 648058 |
JR 1977, 68 |
JZ 1977, 267 |
JZ 1977, 60 |