Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen, die an den Inhalt einer Berufungsbegründung zu stellen sind.
Normenkette
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
OLG München (Aktenzeichen 20 U 2850/98) |
LG Landshut (Aktenzeichen 43 O 3577/97) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 16. September 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Prozeßparteien erwarben am 7. Januar 1997 ein Rennpferd zu dem nach Behauptung des Beklagten vereinbarten Kaufpreis von 24.000,– DM, wovon der Kläger 16.000,– DM übernahm. Das Pferd wurde im Rennstallbetrieb des Beklagten untergebracht. Durch „Besitzervertrag” vom 18. Januar 1997 wurde der Anteil des Klägers mit 2/3, der des Beklagten mit 1/3 festgelegt. In der Folge nahm das Pferd mit geringem Erfolg an Qualifikationsläufen teil.
Der Kläger hat u.a. vorgetragen, der Beklagte habe ihn zu der Beteiligung an dem Pferd durch falsche Angaben über dessen Renntauglichkeit veranlaßt. Mit seiner Klage begehrt er von dem Beklagten im Wege des Schadensersatzes Erstattung seines Kaufpreisanteils sowie verauslagter Pensions- und Fütterungskosten, insgesamt 22.038,50 DM. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers durch Urteil als unzulässig verworfen, weil ihre Begründung den Erfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht genüge. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Da der Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntmachung nicht vertreten war, ist über die Revision des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 82).
II.
Das gem. § 547 ZPO zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Von Rechtsirrtum beeinflußt ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die Berufung des Klägers sei unzulässig, weil ihre Begründung nicht die bestimmte Bezeichnung im einzelnen angeführter Anfechtungsgründe (§ 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO), insbesondere keine Auseinandersetzung mit der zur Klagabweisung führenden, erstinstanzlichen Beweiswürdigung enthalte. Das der Konzentration des Streitstoffs in der Berufungsinstanz dienende Erfordernis einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung (vgl. BGH, Beschlüsse v. 27. November 1996 - VIII ZB 38/96, VersR 1997, 853; v. 6. März 1997 - VII ZB 26/96, NJW 1997, 1787) entfällt, soweit die Berufung auf neue Tatsachen oder Erkenntnisse gestützt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Juni 1967 - VII ZB 8/67, MDR 1967, 755; Urt. v. 5. Dezember 1996 - VII ZR 108/95, NJW 1997, 859 zu II 1). So liegt der Fall hier. Die Berufungsbegründung des Klägers erschöpft sich nicht in formelhaften Wendungen oder einer bloßen Wiederholung der erstinstanzlichen Behauptungen, was zur Unzulässigkeit der Berufung führen würde (vgl. BGH, Beschl. v. 6. März 1997 aaO).
1. Der Kläger hat in seiner Berufungsbegründung vorgetragen, nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils habe aus Anlaß von Unregelmäßigkeiten im Betrieb des Beklagten eine Sitzung des Ordnungsausschusses beim D. e.V. in K. stattgefunden. Dabei sei ihm bestätigt worden, daß das Pferd niemals den Preis von 24.000,– DM, sondern allenfalls 5.000,– DM Wert gewesen sei (Beweis: Zeugenaussage und Sachverständigengutachten). Daraus folgert der Kläger, daß der ihn bei Abschluß des Kaufvertrages vertretende Beklagte ihm einen höheren als den tatsächlich mit dem Verkäufer vereinbarten Kaufpreis vorgespiegelt habe, zumal der Beklagte keinen ordnungsgemäßen Kaufvertrag vorgelegt und nach den Feststellungen in der vorgelegten Entscheidung des Ordnungsausschusses kein Geld gehabt habe, um einen Kaufpreisanteil von 8.000,– DM zu übernehmen. Weiter ergebe sich aus der Entscheidung des Ordnungsausschusses, daß der Beklagte, der als Pferde-Trainingsbetrieb firmiere und sich dem Kläger gegenüber vor dem gemeinschaftlichen Pferdekauf als Pferdetrainer und -kenner empfohlen habe, weder im Besitz einer Trainerlizenz sei noch auf andere Weise einen geordneten Trainingsbetrieb gewährleisten könne. Die sonach feststehenden Falschangaben des Beklagten ließen die erstinstanzlichen Aussagen der von ihm benannten Zeugen „in einem anderen Licht erscheinen”. Ein vom Beklagten benannter, aber nicht vernommener Zeuge habe der Zeugin Z. gegenüber bei der Verhandlung des Ordnungsausschusses eingeräumt, daß er die in sein Wissen gestellten Tatsachen nicht hätte bestätigen können.
Insgesamt hat sonach der Kläger in seiner Berufungsbegründung, wenn auch zum Teil mit neben der Sache liegenden Ausführungen, versucht, das erstinstanzliche Beweisergebnis auf der Grundlage neuer Erkenntnisse in Zweifel zu ziehen, um eine teils wiederholte (§ 398 Abs. 1 ZPO), teils neue Zeugenvernehmung zu erreichen. Dies genügt noch den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Ob die Ausführungen des Klägers schlüssig, hinreichend substantiiert oder rechtlich haltbar sind, ist für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urt. v. 27. November 1990 - XI ZR 115/89, NJW 1991, 1106 zu II 2 b; Beschl. v. 27. November 1996 - VIII ZB 38/96, VersR 1997, 853 zu 3.; Zöller/Gummer, ZPO 21. Aufl. § 519 Rdn. 34).
2. Darüber hinaus hat der Kläger in zweiter Instanz eine neue Klagebegründung (bei identischem Streitgegenstand) eingeführt, indem er unter Beweisantritt vorgetragen hat, er hätte sich auf eine Beteiligung am Kauf des Pferdes – unabhängig von den Qualitätszusicherungen des Beklagten – niemals eingelassen, wenn dieser ihm nicht wahrheitswidrig versichert hätte, einen ordnungsgemäßen Trainingsbetrieb gewährleisten zu können.
III.
Das angefochtene Urteil kann daher nicht bestehenbleiben. Eine abschließende Entscheidung in der Sache selbst ist dem Senat verwehrt. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das im Rahmen der Begründetheitsprüfung der Berufung darüber zu entscheiden haben wird, inwieweit der Vortrag des Klägers beweiserheblich und weiterer Beweis zu erheben ist.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Goette, Kurzwelly, Kraemer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.10.1999 durch Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538691 |
BB 1999, 2479 |
NJW 1999, 3784 |
BGHR |
EBE/BGH 1999, 362 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1999, 1521 |
SGb 2000, 172 |
VersR 2001, 120 |
MittRKKöln 2000, 55 |