Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtverletzung eines geschäftsführenden Gesellschafters

 

Leitsatz (amtlich)

Überschreitet der geschäftsführende Gesellschafter einer oHG die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag eingeräumten Befugnisse, so kommt es für die Frage einer daran anknüpfenden Ersatzpflicht allein darauf an, ob ihm der Kompetenzverstoß vorgeworfen werden kann; unerheblich ist dagegen, ob dem Gesellschafter bei der Durchführung der Geschäftsführungsmaßnahme selbst ein Verschulden zur Last fällt oder nicht.

 

Normenkette

BGB § 708

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 9. Dezember 1994 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage hinsichtlich der Schadenersatzansprüche aus den Komplexen „P.holz” und „H.wirt” in Höhe von 49 % nebst Zinsen bis zum 10. Januar 1988 abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

An der Klosterbrauerei R. E. B. oHG (im folgenden: oHG) waren Frau M. B. zu 51 % und die Klägerin zu 49 % beteiligt, nachdem letztere am 20. Dezember 1972 diese Beteiligung entgeltlich erworben hatte. Ebenfalls am 20. Dezember 1972 wurde der Gesellschaftsvertrag geändert, § 7 erhielt folgende Fassung:

„Die Geschäftsführung obliegt allein Fräulein M. B. … Jedoch ist bei Grundstücks- und Bauangelegenheiten im Wertansatz von über 150.000,– DM die Zustimmung des anderen Gesellschafters im Innenverhältnis erforderlich.”

Schließlich schlossen Frau B. (im folgenden: Erblasserin) und die Klägerin an demselben Tag einen Erbvertrag, nach dem der Klägerin der Gesellschaftsanteil der Erblasserin vermächtnisweise zugewandt wurde. 1985 verstarb die Erblasserin und wurde von der Beklagten als Alleinerbin beerbt. In Erfüllung des Vermächtnisses hat diese den Gesellschaftsanteil der Erblasserin an der oHG auf die Klägerin übertragen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Erblasserin habe ihre gesellschaftsvertraglichen Kompetenzen als geschäftsführende Gesellschafterin überschritten und in zahlreichen Einzelfällen unternehmerische Fehlentscheidungen getroffen. Wegen der ihrer Meinung nach daraus herzuleitenden Schadenersatzansprüche und aus dem Gesichtspunkt der Übernahme eines Verlustanteils hat sie die Beklagte als Erbin verklagt. In den Vorinstanzen hatte die Klägerin nur teilweise Erfolg; insbesondere hat das Berufungsgericht angenommen, die Klägerin könne Schadenersatz nur hinsichtlich der von ihr entgeltlich erworbenen Beteiligung (49 %), nicht aber hinsichtlich des in Erfüllung des Vermächtnisses erhaltenen Gesellschaftsanteils verlangen. Nach teilweiser Annahme der Revision der Klägerin und Nichtannahme der Anschlußrevision der Beklagten sind im Revisionsverfahren nur noch zwei Schadenpositionen – und zwar lediglich i.H.v. 49 % der geltend gemachten Beträge – im Streit. Dabei handelt es sich um den Ankauf eines Waldgrundstücks („P.holz”) und die Errichtung eines Anbaus am „H.wirt”. Beide Maßnahmen hat die Erblasserin ohne die nach dem Gesellschaftsvertrag vorgeschriebene Zustimmung ihrer Mitgesellschafterin in die Wege geleitet. Darin sieht die Klägerin unternehmerische Fehlentscheidungen, die zu Schäden geführt hätten, welche sie zuletzt mit 415.000,– DM beziffert hat.

 

Entscheidungsgründe

Im Umfang der Annahme ist die Revision begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Die Schadenersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich des Waldgrundstücks „P.holz” hat das Berufungsgericht mit der Erwägung verneint, der Erblasserin könne wegen der Vereinbarung eines Kaufpreises von 297.000,– DM schon deswegen kein Schuldvorwurf gemacht werden, weil sie sich zuvor sachverständig habe beraten lassen und die Auskunft erhalten habe, das Grundstück sei 260.000,– DM zzgl. eines Aufschlages von 10 bis 15 % wert.

Mit dieser Begründung läßt sich – wie die Revision mit Recht geltend macht – die Klageabweisung nicht halten. Zwar ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, daß die Erblasserin im Hinblick auf die Gepflogenheiten ihrer persönlichen Lebensführung und ihres Alters bei ihrer geschäftsführenden Tätigkeit für die oHG (§ 708 BGB) nur für grob fahrlässiges Verhalten einzustehen hat. Verfehlt ist aber, daß das Berufungsgericht bei der Prüfung der Schadenersatzpflicht darauf abgestellt hat, ob die Auskunft des von der Erblasserin hinsichtlich des Wertes des Grundstücks befragten Forstbeamten das Verschulden entfallen lasse. Entscheidend ist vielmehr, ob die Erblasserin – gemessen am Haftungsmaßstab des § 708 BGB – schuldhaft gegen die ihre Geschäftsführungsbefugnis beschränkende Bestimmung des § 7 des Gesellschaftsvertrages verstoßen hat, als sie ohne die erforderliche Zustimmung der Klägerin das Grundstück kaufte. Überschreitet nämlich der geschäftsführende Gesellschafter einer oHG bei einem Rechtsgeschäft die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag eingeräumten Befugnisse, so kommt es für die Frage einer daran anknüpfenden Ersatzpflicht darauf an, ob ihm der Kompetenzverstoß vorgeworfen werden kann; demgegenüber ist es ohne Bedeutung, ob dem geschäftsführenden Gesellschafter ein Verschulden hinsichtlich der Bedingungen, zu denen er für die Gesellschaft das Rechtsgeschäft vornimmt, zur Last gelegt werden kann.

Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht die Gelegenheit, die danach erforderlichen Feststellungen – auch zu der umstrittenen Schadenhöhe – nachzuholen.

II. Für die Errichtung des Saalbaus am „H.wirt” gelten die Ausführungen zu I entsprechend.

Darüber hinaus wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die zu diesem Komplex erhobenen Schadenersatzansprüche verwirkt sind; dazu besteht deswegen Anlaß, weil die Baumaßnahme bereits im Jahr 1974 von der Erblasserin veranlaßt worden ist, die Klägerin aber – soweit nach dem bisherigen Sachvortrag ersichtlich – sich hiergegen erstmals mit der Klageerhebung im Jahr 1986 gewandt hat.

III. Erfolglos bleibt die Revision hinsichtlich der Abweisung des Zinsanspruchs für die Zeit ab dem 11. Januar 1988.

Das Berufungsgericht hat hinsichtlich dieses Teils der Klageforderung in der Sache mit Recht die Berufung als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat entgegen dem Gebot des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 519 RdNr. 31; Zöller/Gummer, ZPO, 19. Aufl., § 519 RdNr. 38) ihren Angriff gegen die den Zinsanspruch schon dem Grunde nach verneinende Entscheidung des Landgerichts nicht begründet. Der Ausnahmefall, daß die Klageabweisung die Hauptsache insgesamt betrifft und damit zugleich auch der Nebenanspruch auf Zinsen abgewiesen ist (vgl. BGH, Urt. v. 18. März 1992 – IV ZR 101/91, MDR 1992, 796; Urt. v. 17. März 1994 – IX ZR 102/93, NJW 1994, 1656 f.), liegt hier ersichtlich nicht vor, da das Landgericht den Zinsanspruch mit einer gegenüber der Entscheidung zur Hauptsache eigenständigen Begründung abgewiesen hatte.

Hinsichtlich des Zeitraums bis einschließlich zum 10. Januar 1988 hat die Klägerin zwar bisher – wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat – einen über 4 % hinausgehenden Zinsschaden in der prozessual gebotenen Weise nicht dargelegt; die Zurückverweisung eröffnet ihr aber die Gelegenheit, für den noch nicht rechtskräftig entschiedenen Teil der Klage das Versäumte nachzuholen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649143

NJW 1997, 314

NWB 1997, 10

ZIP 1996, 2164

MDR 1997, 150

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