Entscheidungsstichwort (Thema)
Immissionsschutz
Leitsatz (amtlich)
Wegen der Besonderheiten der immissionsrechtlichen Unterlassungsklage sind in diesem Bereich Klageanträge mit dem Gebot, allgemein Störungen bestimmter Art, beispielsweise Geräusche und Gerüche, zu unterlassen, zulässig.
a) Zur Beurteilung der Wesentlichkeit von Lärmimmissionen auf ein Wohngrundstück, das in der Randlage zum Außenbereich liegt, in dem später der emittierende Jugendzeltplatz gebaut wurde.
b) Bei der notwendigen Wertung kann im Interesse der Allgemeinheit an einer kinder- und jugendfreundlichen Umgebung auch den Bewohnern eines reinen Wohngebiets Lärm als Begleiterscheinung kindlichen und jugendlichen Freizeitverhaltens in höherem Maße zugemutet werden, als er generell in reinen Wohngebieten zulässig ist (Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen).
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 906
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 06.02.1991) |
LG Koblenz |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 6. Februar 1991 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt und der Hilfsantrag der Klägerin hinsichtlich der Geruchsbelästigung abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Tatbestand
Die Klägerin ist zusammen mit ihrem Ehemann Eigentümerin des Anwesens Im S. … in L. … -F. …, einem Seitental der Lahn. Sie wohnt dort seit 1962. Das Haus bildet den Abschluß der Bebauung des S. Nach dem Flächennutzungsplan der Beklagten liegt das Grundstück der Klägerin im landwirtschaftlich genutzten Außenbereich. Die Entfernung zu den nächsten Häusern beträgt jeweils rund 150 m.
Der im Jahre 1981 von der Beklagten errichtete Jugendzeltplatz liegt südlich des Hauses der Klägerin und beginnt in einer Entfernung von etwa 50 m. Zu dem Zeltplatz gehören 2.000 qm Spielwiese, auf der zeitweise auch gezeltet wird, des weiteren etwa 200 m von dem Haus der Klägerin entfernt ein als Blockhütte ausgestaltetes Wirtschaftsgebäude mit Aufenthaltsraum, das etwa 80 Personen Platz bietet, fünf sogenannte Köhlerhütten, d. h. aus Holz gebaute Rundzelte, die in den östlichen Hang des. Platzes integriert sind und in denen sich je nach Größe 14 bzw. 7 Schlafstellen befinden, sowie ein Grillplatz, der sich jetzt 400 m vom Haus der Klägerin entfernt südlich des Wirtschaftsgebäudes befindet.
Der Zeltplatz ist in der Regel während der Zeit von März bis Oktober belegt, wobei die Durchschnittsgruppe aus 30 Personen bestehen dürfte. Bereits 1986 wurden etwa 3.500 Übernachtungen gezählt.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind Geräusch- und Geruchsimmissionen, die von dem Zeltplatz ausgehen und sich auf das Grundstück der Klägerin erstrecken.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Betrieb und die Vermietung des Jugendzeltplatzes zu unterlassen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit der Berufung hat die Klägerin diesen Antrag wiederholt und hilfsweise beantragt, die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, daß von dem Betrieb des Jugendzeltplatzes Lärm und Gerüche auf das Grundstück der Klägerin dringen, die dessen Benutzung beeinträchtigen und ihre Gesundheit, insbesondere durch nächtliche Ruhestörungen, verletzen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte verurteilt, geeignete Maßnahmen vorzunehmen, die gewährleisten, daß von dem Jugendzeltplatz nachts (22 Uhr bis 6 Uhr) keine höheren Beurteilungspegel als 35 dB(A) und tagsüber (6 Uhr bis 22 Uhr) keine höheren Beurteilungspegel als 50 dB(A) ausgehen (gemessen vom Balkon im ersten Obergeschoß des Hauses der Klägerin, der dem Zeltplatz zugewandt ist) und nachts auch einzelne Geräuschspitzen den Wert von 55 dB(A) nicht überschreiten. Im übrigen hat es die Klage ab- und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten mit dem Ziel der Klageabweisung und die Anschlußrevision der Klägerin, mit der sie ihren Hauptantrag und ihren Hilfsantrag weiterverfolgt, soweit dieser abgewiesen wurde. Der Senat hat die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin nur insoweit angenommen, als sie damit ihren Hilfsantrag hinsichtlich der Geruchsbelästigung weiterverfolgt. Mit dieser Maßgabe verfolgen die Parteien ihre Revisionsanträge weiter und beantragen wechselseitig die Zurückweisung ihrer Rechtsmittel.
Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision der Beklagten ist begründet.
1. Zu Unrecht wendet sie sich allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten bejaht hat (§ 13 GVG, § 40 VwGO). Der Senat muß diese Frage prüfen, da § 17 a Abs. 5 GVG auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbar ist, weil bei Abschluß des ersten Rechtszuges (Urteil vom 20. März 1987) diese Neuregelung noch nicht in Kraft getreten war (vgl. BGH, Urt. v. 28. Februar 1991, III ZR 53/90, NJW 1991, 1686).
Das Berufungsgericht hat eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit mit der Begründung angenommen, daß der Klageanspruch die Rechtsfolge eines Sachverhalts sei, der nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften (§§ 903, 906, 1004 BGB) für die Entstehung eines solchen Anspruchs die Grundlage abgebe. Maßgebend für die Abgrenzung ist allerdings die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstellt, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtlich oder eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (BGHZ 97, 312, 313/314; 108, 284, 286 m.w.N.). Es mag sein, daß die Beklagte mit der Errichtung des Zeltplatzes eine öffentlich-rechtliche Aufgabe erfüllt (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 6 JWG nun § 11 Abs. 3 Nr. 2 KJHG). Das allein vermag eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit noch nicht zu begründen. Im Gegensatz zu der von der Revision angezogenen Entscheidung des Senats (Urt. v. 12. Dezember 1975, V ZR 114/74, NJW 1976, 570) oder dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 1989 (NJW 1989, 1291) gibt es hier keine Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte den Zeltplatz öffentlichen Zwecken gewidmet hat und ihn schlicht hoheitlich betreibt. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, daß für die Errichtung des Platzes eine Baugenehmigung vorliegt oder – wie die Beklagte behauptet hat – der Platz im Kreisjugendplan als förderungswürdig anerkannt ist. Die Beklagte betätigt sich hier vielmehr wie jeder andere Grundstückseigentümer auf dem Gebiete des Privatrechts, indem sie den – nicht in einem Bebauungsplan ausgewiesenen und somit auch nicht in einem öffentlich-rechtlichen Planungs- und Funktionszusammenhang stehenden – Platz an die einzelnen Benutzer auf der Grundlage von privatrechtlichen Mietverträgen vergibt. Die Bestimmung über die Nutzung des Grundstücks erfolgte damit nicht in den Formen des öffentlichen Rechts und die Vollstreckung des den Klageantrag stattgebenden Urteils führt auch nicht zur Aufhebung oder Änderung einer hoheitlichen Maßnahme (BGHZ 41, 264 ff).
2. Erfolglos macht die Revision auch geltend, der von der Klägerin gestellte Hilfsantrag sei zu unbestimmt und damit unzulässig. Zwar erscheint auf den ersten Blick die allgemeine Fassung des Klageantrags mit dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO schwer zu vereinbaren und dazu angelegt, einen Teil der Entscheidung des Rechtsstreits in das Vollstreckungsverfahren zu verlagern, was im allgemeinen als nicht zulässig angesehen wird (vgl. auch BGH, Urteile v. 12. Juli 1990, I ZR 236/88, NJW 1991, 296 und v. 11. Oktober 1990, I ZR 35/89, NJW 1991, 1114, 1115). Die Besonderheiten der immissionsrechtlichen Unterlassungsklage erfordern aber eine unterschiedliche Beurteilung. Wie der Senat schon im Urteil vom 30. April 1958 (V ZR 142/56, LM BGB § 906 Nr. 5 m.w.N.) ausgeführt hat, werden in diesem Bereich Anträge mit dem Gebot, allgemein Störungen bestimmter Art, beispielsweise durch Geräusche und Gerüche, zu unterlassen, als zulässig erachtet. Von dieser Rechtsprechung abzuweichen besteht kein Anlaß. Es ist vielfach unmöglich mit Worten das Maß unzulässiger Einwirkungen so zu bestimmen, daß der Beeinträchtigte hinreichend geschützt wird und nicht schon eine geringfügige Änderung der Einwirkung trotz einer fortdauernden nicht zu duldenden Belästigung das Verbot hinfällig macht. Für die Fälle von Geruchsbelästigungen erscheint dies ohne weiteres einsichtig. Auch für die Abwehr von Lärmimmissionen kann nicht geltend gemacht werden, der technische Stand der Lärmmessung lasse im Zusammenhang mit Immissionsrichtwerten eine Angabe von eindeutigen Grenzwerten zu. Der Senat hat immer wieder darauf hingewiesen, daß die Meßbarkeit von Lärm und die bestehenden Richtwerte nicht die allein entscheidende Rolle spielen können (vgl. z. B. Senatsurt. v. 8. Mai 1992, V ZR 89/91, WM 1992, 1612, 1613). Eine Überschreitung der Richtwerte indiziert zwar eine wesentliche Beeinträchtigung nach § 906 Abs. 1 BGB, ihre Unterschreitung zwingt aber im Einzelfall nicht zur Annahme, die Lärmimmission sei unwesentlich. Maßgebend sind alle Umstände des Einzelfalles, die den Tatrichter in den meisten Fällen auch dazu zwingen, sich über einen Ortstermin einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Es muß deshalb hingenommen werden, daß auch der Streit über die Wesentlichkeit von Lärmimmissionen gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren erneut entschieden werden muß. Über die Gründe des Unterlassungsurteils erhält der Vollstreckungsrichter (§ 890 ZPO) Anhaltspunkte dafür, von welchem Maßstab sich das Prozeßgericht hat leiten lassen.
3. Ohne Erfolg rügt die Revision auch, das Berufungsgericht habe § 308 ZPO verletzt. Entgegen ihrer Auffassung muß der Hilfsantrag dahin verstanden werden, daß die Klägerin entsprechend dem Gesetzeswortlaut (§ 906 Abs. 1 BGB) nur wesentliche Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen abwehren will. Dies folgt schon aus dem Zusatz über eine mögliche Gesundheitsbeeinträchtigung. Der Senat versteht diesen Zusatz auch nicht als eine Beschränkung des Antrags in dem Sinne, daß die Klägerin nur Beeinträchtigungen abwehren will, die ihre Gesundheit verletzen. Auf dieser Grundlage ist nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht im Rahmen eines zulässigerweise allgemein gehaltenen Antrags schließlich nach tatrichterlicher Würdigung bestimmte Grenzwerte festlegt, die dem technischen Stand (hier Lärmmessung nach dB(A)) entsprechen. Dies ist im wesentlichen mit der Lage vergleichbar, die auch im Rahmen eines zulässigerweise erhobenen unbestimmten Zahlungsantrags gegeben ist, und entspricht dem praktischen Bedürfnis, für die Vollstreckung des Urteils nach Möglichkeit klare Grundlagen zu schaffen. Das Berufungsgericht hat damit der Klägerin nicht etwas anderes zugesprochen als sie verlangt hat.
4. Sachlich hält das Berufungsurteil aber der Revision nicht stand.
Ob Geräuschimmissionen die Benutzung eines Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen oder nicht, ist zunächst eine Tatfrage. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (BGHZ 111, 63, 66).
a) Nicht zu beanstanden ist, daß sich das Berufungsgericht an Richtwerten orientiert. Die von ihm herangezogene TA-Lärm betrifft zwar unmittelbar nur Geräuschimmissionen von gewerblichen und industriellen Anlagen. Ist sich der Tatrichter dieser Einschränkung und der daraus folgenden Besonderheiten bewußt, so bestehen keine Bedenken dagegen, diese Richtlinien auch auf andere Lärmquellen anzuwenden (vgl. Senatsurt. v. 20. November 1992, V ZR 82/91 zur Veröffentlichtung in der Amtl. Sammlung bestimmt, Umdruck S. 25). Es hätte freilich näher gelegen, hier die „Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche” (sog. LAI Hinweise, vgl. NVwZ 1988, 135) heranzuziehen. Dies macht im Ergebnis keinen Unterschied, weil diese im wesentlichen von denselben Richtwerten ausgehen wie die TA-Lärm (vgl. TA-Lärm Ziff. 4.1 und LAI-Hinweise Ziff. 2.321). Das vom Sachverständigen gewählte Meßverfahren entspricht dem der LAI-Hinweise (vgl. dort Ziff. 3).
b) Mit Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß sich das Berufungsgericht an den Richtwerten für reine Wohn gebiete orientiert.
Da im vorliegenden Fall ein Bebauungsplan für das betreffende Gebiet fehlt, kann nach dem zutreffenden Ausgangspunkt des Berufungsgerichts für den Gebietscharakter allerdings nur auf die tatsächliche bauliche Nutzung abgestellt werden, ohne daß entschieden werden muß, ob die Festlegung eines Bebauungsplans insoweit allein verbindlich wäre (wie das Berufungsgericht meint; vgl. dazu auch Erman/Hagen, BGB 8. Aufl. § 906 Rdn. 21). Die tatsächliche bauliche Nutzung stellt das Berufungsgericht auf der Grundlage eines Ortstermins fest.
Die dagegen von der Revision erhobenen Rügen sind nicht begründet. Das Berufungsgericht bezieht sich auf die beim Ortstermin gewonnenen Erkenntnisse. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß es den Begriff des reinen Wohngebiets verkannt hat. Besondere Ausführungen darüber, daß auch alle übrigen Häuser und Grundstücke im S. nur dem Wohnen dienen, waren nicht erforderlich. Die Revision zeigt keinen Vortrag darüber auf, daß im betreffenden Gebiet auch andere als Wohngrundstücke liegen. Das Berufungsgericht berücksichtigt auch, daß die Entfernung zwischen dem Grundstück der Klägerin und den nächsten Häusern jeweils rd. 150 m beträgt, und spricht deshalb von einem „locker zusammenhängenden Wohngebiet”. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, daß diese Feststellung erfahrungswidrig sei. Das Berufungsgericht hat auch nicht verkannt, daß das Haus der Klägerin im Außenbereich liegen würde, falls der bisherige Flächennutzungsplan unverändert in einen Bebauungsplan umgesetzt werden sollte.
Nicht ausreichend in Betracht gezogen hat das Berufungsgericht aber, daß das Grundstück der Klägerin in einer Randlage zum Außenbereich liegt. Die von der Beklagten betriebene Jugendfreizeitstätte muß aus den verschiedensten Gründen und nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Belästigungen für die Nachbarschaft bevorzugt im Außenbereich angesiedelt werden. Der Eigentümer eines Grundstücks am Rande zum Außenbereich kann aber nicht damit rechnen, daß in seiner Nachbarschaft keine emittierende Nutzung oder allenfalls eine reine Wohnnutzung stattfindet; er darf lediglich darauf vertrauen, daß dort keine Nutzung entsteht, die mit der Wohnnutzung nicht mehr verträglich ist (BVerwG NJW 1989, 1291, 1293 m.w.N.). In den Bereichen, in denen Gebiete von unterschiedlicher Qualität und Schutzwürdigkeit zusammentreffen, ist die Grundstücksnutzung mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, die u. a. dazu führt, daß der Belästigte Nachteile hinnehmen muß, die er außerhalb eines derartigen Grenzbereichs nicht hinnehmen müßte (BVerwGE 50, 49). Dieser im öffentlichen Recht entwickelte Grundsatz gilt nicht nur dort, sondern im Zuge der vom Senat angestrebten Vereinheitlichung zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Beurteilungsmaßstäbe (vgl. BGHZ 111, 63, 65; Senatsurt. v. 20. November 1992, V ZR 82/91, Umdruck S. 23) auch im privaten Nachbarrecht. Er hat auch nicht nur dort Bedeutung, wo sich die belästigten Grundstückseigentümer später in der Nähe von Belästigungsquellen angesiedelt haben, sondern gilt auch im vorliegenden Fall. Anderenfalls hätte eine notwendigerweise in den Außenbereich verlagerte Störungsquelle, in deren Nähe sich ein reines Wohngebiet befindet, den diesem Gebiet angemessenen Richtwert unabhängig davon einzuhalten, wie die übrige Umgebung beschaffen ist. Das liefe im Ergebnis darauf hinaus, den Grundstückseigentümern im Grenzbereich von Gebieten mit verschiedener Qualität und Schutzwürdigkeit einen Anspruch darauf einzuräumen, daß alles so bleibt, wie es ist. Dieser Anspruch besteht jedoch nicht. Die Klägerin muß mit ihrem Grundstück im Grenzbereich vielmehr damit rechnen, daß im daran angrenzen den Außenbereich Belästigungsquellen entstehen, so daß die Schutzwürdigkeit ihres Grundstücks im Sinne der Bildung einer „Art von Mittelwert” vorbelastet und gemindert ist (vgl. BVerwGE 50, 49, 54; BVerwG ZfBR 83, 95, 96/97; Erman/Hagen, BGB 8. Aufl. § 906 Rdn. 19). Es geht dabei nicht um eine rein rechnerische Mittelwertbildung, vielmehr um einen Zwischenwert unter Berücksichtigung des Gesetzes der Schallausbreitung und der Einzelheiten der Situation in der die Grundstücke der Gebietsnachbarn liegen (vgl. Bethge/Meurers, TA-Lärm 4. Aufl. Nr. 2.321 Rdn. 14/15). Freilich gibt es keine Richtwerte für den Außenbereich. Anzuknüpfen ist aber an die Notwendigkeit, daß die im Außenbereich entstehende Nutzung mit der Wohnnutzung auf dem Grundstück der Klägerin „verträglich” bleiben muß. Es bleibt im wesentlichen tatrichterlicher Würdigung überlassen, wie von diesem Ausgangspunkt aus im Rahmen des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme im Einzelfall Eckwerte zur Bildung eines Zwischenwerts zu bestimmen sind. Zu denken wäre hier etwa an die Werte für Mischgebiete (LAI Hinweise Ziff. 4.1 Buchst. c), die auch für eine Wohnnutzung noch verträglich sein müssen. Damit stellt sich die Frage nach der Wesentlichkeit der Lärmbelastung neu. Der Hinweis des Berufungsgerichts, nach dem Sachverständigengutachten seien die Richtwerte für Mischgebiete in zwei Fällen nachts um 2 bzw. 3 dB(A) überschritten, ist nicht ausreichend.
Hinzuweisen bleibt in diesem Zusammenhang, daß eine Mittelungsmethode, wie sie der TA-Lärm und auch den LAI-Hinweisen zugrunde liegt, ihre Aussagefähigkeit für die Bewertung der Zumutbarkeit von Lärm um so mehr verliert, je mehr es um die Zumutbarkeit von Lärm geht, der von wechselnden Ereignissen wie etwa Sportplätzen oder hier dem Jugendzeltplatz ausgeht und jeweils von ganz unterschiedlicher Art und Stärke ist (BVerwG NJW 1989, 1291, 1292). Gerade in Grenzbereichen ist der Tatrichter deshalb gehalten, sich durch einen Ortstermin einen eigenen Eindruck von Art und Intensität des Lärms zu verschaffen (vgl. Senatsurt. v. 8. Mai 1992, V ZR 89/91, WM 1992, 1612, 1613).
Von Bedeutung könnte auch noch folgender Gesichtspunkt sein: Das Berufungsgericht orientiert sich am Empfinden eines normalen durchschnittlichen Menschen. Dies entspricht nicht mehr der neuesten Rechtsprechung des Senats, der insoweit entsprechend der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung eine wesentliche Immission mit einer erheblichen Belästigung im Sinne des öffentlichen Rechts gleichstellt und unter Einbeziehung wertender Momente auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abstellt (Senatsurt. v. 20. November 1992, V ZR 82/91 Umdruck S. 23). Es geht im vorliegenden Fall um den von einer Jugendfreizeitstätte ausgehenden Lärm. Im Rahmen einer wertenden Abgrenzung könnte jedenfalls für den Lärm bis 22 Uhr das Interesse der Allgemeinheit an einer kinder- und jugendfreundlichen Umgebung eine gewisse Rolle spielen, die die Klägerin zur Hinnahme von etwas höheren Grenzwerten für Lärm als Begleiterscheinung kindlichen und jugendlichen Freizeitverhaltens zwingt, als sie generell in reinen Wohngebieten zulässig sind (vgl. Erman/Hagen aaO Rdn. 15; MünchKomm-BGB/Säcker. 2. Aufl. § 906 Rdn. 44; Staudinger/Roth, BGB 12. Aufl. § 906 Rdn. 149 m.w.N.).
5. Im Rahmen der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird die Beklagte Gelegenheit haben, auf ihren Vortrag zurückzukommen, soweit sie die Feststellung des Berufungsgerichts rügt, eine „vom Senat des Berufungsgerichts” durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung von 34 Zeugen (insoweit falsch: vernommen wurden 23 Zeugen durch den Einzelrichter des früher zuständigen 7. Zivilsenats, GA II 224 ff, und 10 Zeugen durch den Einzelrichter des erkennenden Senats des Berufungsgerichts, GA II 383 ff) habe ein „eindeutiges” Ergebnis dahin erbracht, daß der von dem Zeltplatz ausgehende Lärm von der weit überwiegenden Mehrzahl der Zeugen als zu laut, störend und lästig empfunden werde (BU 11).
6. Mit Recht verweist die Revision hinsichtlich der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts darauf, daß die Klägerin erst auf der Grundlage des in zweiter Instanz gestellten Hilfsantrags obsiegt hat und deshalb (auch vom Standpunkt des Berufungsgerichts) jedenfalls eine Anwendung von § 97 Abs. 2 ZPO zwingend hätte erwogen werden müssen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 51. Aufl. § 97 Rdn. 56; MünchKomm/Belz, ZPO § 97 Rdn. 18; Zöller/Herget, ZPO 17. Aufl. § 97 Rdn. 11; Stein/Jonas, ZPO 20. Aufl. § 97 Rdn. 13).
II.
Im angenommenen Umfang ist auch die Anschlußrevision der Klägerin begründet.
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin hinsichtlich der Geruchsimmission. Es meint, möglicherweise sei insoweit eine Beeinträchtigung des Grundstücks der Klägerin vor Verlegung des Grillplatzes in südlicher Richtung stärker gewesen als heute. Von den 34 Zeugen hätten lediglich fünf gewisse Geruchsimmissionen bestätigen können; dies reiche jedoch nicht zur Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung aus.
Mit diesen Ausführungen hat das Berufungsgericht schon die Beweislast verkannt. Gibt es nach Verlegung des Grillplatzes noch eine auf das Grundstück der Klägerin einwirkende Geruchsbelästigung, so ist es Sache der Beklagten, darzulegen und zu beweisen, daß sie unwesentlich ist (vgl. Senatsurt. v. 12. Juli 1985, V ZR 172/84, NJW 1985, 2823, 2825 m.w.N.).
Das Berufungsgericht hat sich auch keine Gedanken darüber gemacht, ob es nach der Aussage von fünf Zeugen eine Geruchsbelästigung feststellen kann. Wäre das der Fall, so ließe sich die Frage der Wesentlichkeit der Immission nicht allein über die Auswertung der Zeugenaussagen beurteilen, vielmehr wäre das Berufungsgericht verpflichtet gewesen, sich dazu über einen Ortstermin einen eigenen Eindruck zu verschaffen (vgl. Senatsurt. v. 8. Mai 1992, V ZR 89/91, WM 1992, 1612, 1613).
Unterschriften
Hagen, Vogt, Lambert-Lang, Tropf, Schneider
Fundstellen
Haufe-Index 731140 |
BGHZ |
BGHZ, 248 |
NJW 1993, 1656 |
BGHR |
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