Leitsatz (amtlich)
Zum Nachweis des Zugangs einer Erklärung der Inanspruchnahme einer Diensterfindung.
Normenkette
Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) § 6; BGB § 130; ZPO § 286
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.09.1982) |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 1982 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte hat bei dem Deutschen Patentamt am 29. November 1979 eine Erfindung, betreffend eine Schaltungsanordnung zur geregelten Speisung eines Verbrauchers, zum Patent angemeldet. Es handelt sich um eine Erfindung, die er als Arbeitnehmer der Klägerin gemacht hat. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin die – ihr als Diensterfindung am 16. und 20. Februar 1979 gemeldete – Erfindung in Anspruch genommen hat. Während die Klägerin behauptet, ihre unstreitig an den Beklagten zur Absendung gebrachten Inanspruchnahmeerklärungen vom 19. April 1979 seien diesem auch zugegangen, bestreitet der Beklagte den Zugang.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß sie die Arbeitnehmererfindungen des Beklagten „elektronisch geregelter Wandler”, gemeldet am 13./16. Februar 1979, sowie „elektronische Ladestromabschaltung”, gemeldet am 19./20. Februar 1979, wirksam unbeschränkt in Anspruch genommen habe und diese nicht frei geworden seien,
- den Beklagten zu verurteilen, ihr den Anspruch auf Erteilung eines Patents auf die deutsche Patentanmeldung P 29 48 054.4-32 vom 29. November 1979 „Schaltungsanordnung zur geregelten Speisung eines Verbrauchers” abzutreten und in die Umschreibung der Anmeldung auf sie beim Deutschen Patentamt einzuwilligen;
- festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr daraus entstanden sei und noch entstehen werde, daß er trotz wirksamer unbeschränkter Inanspruchnahme seiner Diensterfindungen diese am 29. November 1979 unter dem vorerwähnten Aktenzeichen beim Deutschen Patentamt zur Erteilung eines Patents angemeldet habe.
Der Beklagte hat
Klagabweisung
beantragt.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage – jeweils nach Beweisaufnahme – abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Der Beklagte möchte die Revision zurückgewiesen haben.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, daß die Klägerin den Nachweis des Zugangs der Inanspruchnahmeerklärungen führen müsse. Die weiteren Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht begründet hat, daß es den Zugang der Inanspruchnahmeerklärungen nicht als bewiesen ansieht, begegnen jedoch Bedenken.
Das Berufungsgericht hat einige Umstände, aus denen die Klägerin den Zugang herleitet, erörtert, und sie je für sich nicht als hinreichend beweiskräftig angesehen, weil sie nicht zwingend den daraus von der Klägerin gezogenen Schluß zuließen: Die Absendung der Erklärungen durch die Hauspost beweise den Zugang nicht und erbringe auch keinen Anscheinsbeweis hierfür; Fehlleitungen der Hauspost seien nach den zutage getretenen Umständen nicht auszuschließen. Ein Mitarbeiter der Klägerin, der Patentanwalt Sc., habe zwar bekundet, er habe in einem Gespräch mit dem Beklagten nach dem 19. April 1979 – dem Datum der Inanspruchnahmeerklärungen – den Eindruck gewonnen, der Beklagte wisse von der Inanspruchnahme, und die Angestellte Bender habe ausgesagt, sie habe, nachdem ihr Schickedanz von seinem Gespräch mit dem Beklagten berichtet habe, die Vorfrist für die Gegenkontrolle der Inanspruchnahmebestätigung gestrichen, entweder auf ausdrückliche Weisung des Patentanwalts oder weil dieser erklärt habe, es gehe mit der Inanspruchnahme in Ordnung. Auch diese Aussagen ließen indes keinen sicheren Schluß auf den Zugang der Erklärungen zu. Sc. könne, in Kenntnis der Absendung und der sicheren Annahme des Zugangs der Erklärungen, die Äußerungen des Beklagten falsch gedeutet haben, dem es in dem Gespräch möglicherweise nur um die Frage der Anmeldung seiner Erfindung zum Patent gegangen sei. Schließlich, so hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt, sei auch das Schreiben des Beklagten an die Klägerin vom 26. Oktober 1979 nicht ausreichend beweiskräftig, in welchem er, unter Hinweis auf die bisher fehlende Mitteilung der Patentanmeldung durch die Klägerin, dieser eine Nachfrist setzte und sich vorbehielt, die Erfindung selbst anzumelden. Der Brief könne zwar auf genaue Kenntnis des § 13 ArbEG und der Inanspruchnahme deuten, lasse jedoch auch die Auslegung zu, daß der Beklagte die ihn vielleicht allein interessierende Frage der Patentanmeldung zur Sprache habe bringen wollen.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts mögen vom Standpunkt des Revisionsgerichts für sich gesehen nicht zu beanstanden sein. Die Folgerung, jeder einzelne der untersuchten Umstände lasse je für sich nicht mit hinreichender Sicherheit den Schluß zu, daß der Beklagte die Inanspruchnahmeerklärungen erhalten habe, mag möglich erscheinen, wenn auch die Ausführungen zu dem Schreiben vom 26. Oktober 1979 kaum eine befriedigende Erklärung dafür bieten, daß der Beklagte bei dessen Abfassung keine Kenntnis von der erfolgten Inanspruchnahme hatte.
Das Berufungsurteil läßt indes jedenfalls die notwendige zusammenfassende Betrachtung der von ihm erörterten Umstände vermissen. Wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, stellen die Absendung der Erklärungen durch die Hauspost, die Erinnerung des Patentanwalts Schickedanz an das Gespräch mit dem Beklagten und die kurz nach diesem Gespräch erfolgte Löschung der Kontrollfrist sowie das Schreiben des Beklagten vom 26. Oktober 1979, welches Rechtslage und mögliche Rechtsfolgen so umschreibt, daß eine geschehene Inanspruchnahme vorausgesetzt wird, Anzeichen dar, die für einen Zugang der Erklärungen sprechen. Das Berufungsgericht hätte, wenn es schon den Zugang aus den einzelnen Umständen noch nicht gemeint hat, folgern zu können, Anlaß gehabt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob nicht wenigstens die Häufung derart auffälliger Anzeichen für den Zugang dessen Beweis erbringt. Diese notwendige Untersuchung hat das Berufungsgericht unterlassen. In der Erörterung des Schreibens vom 26. Oktober 1979 findet sich zwar die Wendung, der Brief erbringe „auch bei Berücksichtigung aller anderen Umstände” nicht den Beweis des Zugangs. Diese nur formelhafte Aussage vermag indes eine eingehende Auseinandersetzung mit der Frage, ob die festgestellten Indiztatsachen einander ergänzend und bestätigend in ihrer Gesamtheit den Beweis erbringen, nicht zu ersetzen.
Hinzu kommt, daß das Berufungsgericht eine weitere Tatsache, die möglicherweise für den Zugang spricht, weder allein noch im Zusammenhang mit den übrigen Umständen in seine Erwägungen einbezogen hat: Unter dem 18. Oktober 1979 hat der Beklagte an seinen Vorgesetzten Dr. Forberich ein Schreiben gerichtet, in welchem er sich mit der geplanten Aufnahme der Serienfertigung des Erfindungsgegenstandes durch die Klägerin befaßt und Bedenken fertigungstechnischer Art, hinsichtlich des erforderlichen Know-how und der Produktionsreife vorbringt. Die Aufnahme der Fertigung setzte das Benutzungsrecht der Klägerin voraus. Dieser Frage widmet der Beklagte in dem Schreiben jedoch keine Aufmerksamkeit, geht vielmehr stillschweigend von einem von der Klägerin erworbenen Nutzungsrecht aus. Der Brief kann daher – ebenso wie das nach seinem Inhalt von derselben Rechtslage ausgehende Schreiben vom 26. Oktober 1979 – für sich allein, mehr aber noch im Zusammenhang mit den anderen Anzeichen, darauf deuten, daß dem Beklagten die Inanspruchnahme bekannt war. Die Einbeziehung dieses Briefes in die Einzel- und Gesamtwürdigung ist daher geboten.
Das angefochtene Urteil kann mithin keinen Bestand haben. Da die erforderliche, unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen neu vorzunehmende Beweiswürdigung dem Tatrichter vorbehalten ist, muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch geben dem Senat Veranlassung zu folgendem Hinweis: Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, daß der Klagantrag zu 3) sich nicht auf Schäden bezieht, die der Klägerin nach ihrem Vortrag dadurch entstanden sind, daß der Beklagte ihr seine Patentanmeldung verschwiegen hat. Das Berufungsgericht hätte indes Anlaß zu einem Hinweis nach § 139 ZPO gehabt, da die Klägerin bereits in der Klageschrift ihr Schadensersatzbegehren in ausführlicher Darlegung auch auf diesen Sachverhalt gestützt und sich hierauf in der Berufungsbegründung bezogen hatte. Einem solchen Hinweis stand auch nicht entgegen, daß eine darauf etwa erfolgte Klageänderung Erwägungen über die Zuständigkeit des angerufenen ordentlichen Gerichts hätte auslösen können, abgesehen davon, daß ernstliche Bedenken dagegen, auch einen im Sinne des Klagevorbringens erweiterten Streitgegenstand in die Rechtsstreitigkeiten über Erfindungen eines Arbeitnehmers einzuordnen, nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht ersichtlich sind.
Da der endgültige Ausgang des Rechtsstreits noch nicht abzusehen ist, ist dem Berufungsgericht auch die Entscheidung über die Kosten der Revision vorzubehalten.
Unterschriften
Ballhaus, Windisch, Hesse, Brodeßer, von Albert
Fundstellen
Haufe-Index 1502311 |
GRUR 1984, 652 |
Nachschlagewerk BGH |