Entscheidungsstichwort (Thema)
Negative Hoferklärung
Leitsatz (amtlich)
Die negative Hoferklärung wirkt für alle Rechtsnachfolger, die das Eigentum am Hof im Wege der (vorweggenommenen) Erbfolge erwerben.
Normenkette
HöfeO § 1 Abs. 4
Gründe
I.
Durch notariellen Vertrag vom 17. Mai 1947 in der Fassung des Vertrages vom 3. September 1949 verteilte und veräußerte - der am 27. Februar 1950 verstorbene - J. E. Eigentümer eines Erbhofes, seinen Grundbesitz an seine Kinder. Den Hof erhielt L. E.. Am 19. August 1949 ging bei dem Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - J. eine schriftliche Erklärung von J.E. ein, daß die - zu dieser Zeit noch in seinem Eigentum befindliche - Besitzung nicht mehr die Eigenschaft eines Hofes haben sollte. Am 13. Januar 1950 wurde der Hofvermerk in das Grundbuch eingetragen und sogleich wieder gelöscht. L. verstarb am 6. Oktober 1973. Zu den Erben gehören neben W. E. auch die Antragsteller. Die Erben schlossen am 1. Februar 1974 einen notariellen Abfindungsvertrag, in dem sie davon ausgingen, daß der landwirtschaftliche Besitz des L. ein Hof und W. Hoferbe sei. Falls keine Hofeigenschaft bestanden habe, sollte der Vertrag gegenstandslos sein. W. E. erhielt das Hoffolgezeugnis und wurde gleichzeitig mit einem Hofvermerk in das Grundbuch eingetragen. Nach seinem Tode am 5. März 1988 wurde seiner Witwe K. E. das Hoffolgezeugnis als Hofvorerbin erteilt. Nach deren Tod bemühen sich nunmehr die Antragsgegner, die Kinder von W. und K. E. um die Erteilung des Hoffolgezeugnisses für den Beteiligten zu 4.
Die Antragsteller vertreten die Auffassung, die Hofaufhebungserklärung des J. vom 28. Juli 1949 wirke über dessen Tod hinaus auch für die auf L. E. übertragenen Grundstücke fort, sodaß bei dessen Tod kein Hof im Sinne der Höfeordnung existiert habe.
Sie haben beantragt, festzustellen, daß der landwirtschaftliche Betrieb des L. E. zum Zeitpunkt seines Todes kein Hof gewesen ist.
Das Landwirtschaftsgericht hat unter Abweisung dieses Antrags durch Beschluß vom 30. Juli 1990 festgestellt, daß der landwirtschaftliche Betrieb des L. E. bei seinem Tod ein Hof im Sinne der Höfeordnung gewesen sei. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Oberlandesgericht das Gegenteil festgestellt.
Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsgegner ihren Antrag auf Zurückweisung der sofortigen Beschwerde weiter. Die Antragsteller beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Das Beschwerdegericht vertritt die Auffassung, die landwirtschaftliche Besitzung habe ihre Hofeigenschaft mit der Erklärung vom 19. August 1949 verloren. Die seinerzeit in Nordrhein-Westfalen nach § 1 HöfeO a.F. in Verbindung mit der Verordnung vom 4. März 1949 geltende Rechtslage sei mit der des § 1 Abs. 4 HöfeO n.F. vergleichbar. Danach könne die einmal durch Erklärung und Löschung aufgehobene Hofeigenschaft nur durch einen "actus contrarius" wiederaufleben.
III.
Demgegenüber hält die Rechtsbeschwerde schon das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung nicht für gegeben, weil mit der Erteilung des Hoffolgezeugnisses für W. E. die vereinbarte Bedingung für die Wirksamkeit des notariellen Vertrages vom 1. Februar 1974 eingetreten sei. Folglich stehe das Gegenteil der begehrten Feststellung fest.
Im übrigen, so meint die Rechtsbeschwerde, habe das Beschwerdegericht das Zusammenspiel von obligatorischem und fakultativem Höferecht verkannt. Die Änderung der Höfeordnung im Jahre 1976 habe die bis dahin für die Oberlandesgerichtsbezirke Köln und Düsseldorf (sowie seit 1971 auch Hamm) geltende Rechtslage auf das gesamte norddeutsche Bundesgebiet ausgedehnt. Die neu eingefügte Bestimmung in § 1 Abs. 4 HöfeO enthalte danach nur eine für die Einführung des fakultativen Höferechts notwendige Folgerung, daß nämlich der Eigentümer, der die Hofeigenschaft aufgehoben habe, sie auch wieder herstellen dürfe. Da das Höferecht einen sozialtypischerweise vermuteten erbrechtlichen Willen norddeutscher Hofeigentümer codifiziere, bestehe kein Grund, die Wahl eines anderen Erbrechtsstatuts auch für den Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger fortwirken zu lassen. Mit dem Eintritt des Erbfalls oder mit der Veräußerung der Besitzung verliere die Hofaufhebungserklärung ihre Wirkung. Die Hofeigenschaft hänge wieder ausschließlich davon ab, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
IV.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1.
Der Feststellungsantrag ist gemäß § 11 Abs. 1 HöfeVfO zulässig. Die Antragsteller haben ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, weil hiervon abhängt, ob der Hof zu dem Nachlaß gehört, der den Antragstellern als gesetzliche Erben von L. zugefallen ist. Daß W. E. ein Hoffolgezeugnis erteilt wurde, ist für die materielle Rechtslage ohne Belang. Das Hoffolgezeugnis ist ein auf die Hoffolge beschränkter Erbschein, der bei sachlicher Unrichtigkeit der Einziehung unterliegt (§ 2361 BGB).
2.
Die Frage, ob die von dem Hofeigentümer erklärte Aufhebung der Hofeigenschaft auch für seine Rechtsnachfolger im Hofeigentum Wirkung hat, ist umstritten (vgl. OLG Köln, RdL 59, 22; OLG Düsseldorf, MittRh NotK 1975, 522; Kroeschell u. a. , AgrarR 1982, 226 f; Schrimpf, AgrarR 1984, 85, 86). Der Bundesgerichtshof hat hierzu bisher noch keine Stellung bezogen. Der von den Beschwerdegegnern in Bezug genommenen Senatsentscheidung vom 19. Juli 1991 (BLw 8/90, WM 1991, 1968) lag der Fall zugrunde, daß der Hofeigentümer, der die Aufhebungserklärung abgegeben hatte, die Hofeigenschaft auch wieder begründet hat.
Vorliegend geht es dagegen darum, ob der durch die am 19. August 1949 bei dem Amtsgericht eingegangene Hofaufhebungserklärung des J. E. bewirkte Verlust der Hofeigenschaft über den Tod des Erblassers hinaus fortbestand oder ob die Hofeigenschaft in der Person des nachfolgenden Eigentümers L. E. neu entstanden ist. Dies ist nach §§ 1 Abs. 3, 19 Abs. 5 HöfeO vom 24. April 1947 i.V.m. § 1 der Verordnung über die Aufhebung der Hofeigenschaft NRW vom 4. März 1949 (VO) zu beurteilen.
a)
Nach § 1 Abs. 2 HöfeO a.F. war bei Höfen mit einem steuerlichen Einheitswert von mindestens 10.000 DM die Eigenschaft als Hof von Amts wegen im Grundbuch zu vermerken ("Ist-Höfe"). Bei Höfen mit einem niedrigeren steuerlichen Einheitswert wurde die Eigenschaft als Hof auf Antrag des Eigentümers eingetragen ("Kann-Höfe", § 1 Abs. 3 HöfeO a.F.). Der Vermerk hatte hier rechtsbegründende Bedeutung und konnte auf Antrag des Eigentümers wieder gelöscht werden.
Aufgrund der in § 19 Abs. 5 HöfeO a.F. enthaltenen Ermächtigung erließ die oberste Landesjustizbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen im Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde für Ernährung und Landwirtschaft am 4. März 1949 eine Verordnung, die in § 1 Abs. 1 das Recht zur Aufhebung der Hofeigenschaft in den Bezirken der Oberlandesgerichte Düsseldorf und Köln auch den Eigentümern von Ist-Höfen einräumte. Ein solcher Hof verlor mit dem Eingang der entsprechenden Erklärung bei Gericht die Eigenschaft eines Hofes im Sinne der Höfeordnung (§ 3 Abs. 1 VO). Nach § 1 Abs. 2 dieser Verordnung konnte der Eigentümer einer solchen Besitzung jederzeit beantragen, daß die Eigenschaft als Hof wieder eingetragen wird.
b)
Wortlaut und systematische Trennung der Regelung über die Aufhebung und Wiederbegründung der Hofeigenschaft in verschiedenen Absätzen von § 1 VO sprechen dafür, daß die Wiederbegründung nicht nur dem Eigentümer, der die Hofeigenschaft aufgehoben hatte, vorbehalten bleiben, sondern auch seinen Rechtsnachfolgern, also dem jeweiligen Eigentümer, möglich sein sollte. Das setzt aber voraus, daß der eingetretene Verlust der Hofeigenschaft solange Wirkung hatte, als nicht durch eine gegenteilige Erklärung die Hofeigenschaft wieder hergestellt wurde. Da die Verordnung nur die "Ist-Höfe" betraf und bei dem zur Stellung eines Antrags auf Wiedereintragung der Hofeigenschaft befugten Eigentümer nicht nach der Art des Eigentumserwerbs differenzierte, ist es nur konsequent, anzunehmen, daß die Besitzung die Hofeigenschaft in der Person des Rechtsnachfolgers auch dann nicht wieder erlangen sollte, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen eines Ist-Hofes vorlagen. Der Senat teilt daher die zum alten Höferecht vertretene herrschende Meinung, daß die Erklärung aufgrund ihrer erbrechtlichen Wirkungen für alle Rechtsnachfolger Geltung hatte, die das Eigentum im Wege eines (vorweggenommenen) Erbganges erworben haben, wobei es auf die konkrete Ausgestaltung des Erwerbsvorganges (vorweggenommene Erbfolge, Schenkung von Todes wegen, Erbeinsetzung, Erbvertrag, Vermächtnis, Erbauseinandersetzung) nicht ankommt (vgl. OLG Köln aaO; OLG Düsseldorf aaO; Steffen, AgrarR 1982, 227, 228; Moll/Peter, AgrarR 1982, 235; Faßbender, AgrarR 1982, 238). Umstritten war lediglich, ob die Hofaufhebungserklärung auch dort Wirkung hatte, wo ein Eigentumsübergang im Wege der (vorweggenommenen) Erbfolge nicht in Rede stand, sondern es um ein Verkehrsgeschäft unter Lebenden ging (vgl. OLG Köln aaO; Steffen aaO; Faßbender aaO). Dies bedarf hier jedoch keiner Entscheidung, weil der von J. E. mit seinen Kindern abgeschlossene notarielle Vertrag nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts als vorweggenommene erbrechtliche Regelung anzusehen ist, die den landwirtschaftlichen Betrieb einschließlich der Hofstelle L. E. zugeordnet hat.
c)
Gegen die Fortwirkung der Aufhebungserklärung über den Tod von J. hinaus spricht auch nicht der Umstand, daß der Aufhebungserklärung damit unter Umständen weitere Wirkungen zukamen als einer Verfügung von Todes wegen (vgl. Becker, AgrarR 1982, 233; Moll/Peter, AgrarR 1982, 235). Denn jede Gleichsetzung der Aufhebungserklärung mit einer Verfügung von Todes wegen ("Dauertestament", Wöhrmann, Das Landwirtschaftsrecht 1. Aufl., § 1 Anm. IX Ziff. 7; Faßbender, AgrarR 1982, 238, 239; ders. AgrarR 1987, 295, 296) entbehrt einer ausreichenden sachlichen Grundlage (Otte, NJW 1988, 672, 673). Im übrigen ginge § 1 Abs. 1 VO als lex specialis des Anerbenrechts erbrechtlichen Grundsätzen vor. Davon abgesehen kennt aber auch das Erbrecht die Möglichkeit der Bindung eines Erben über seinen Tod hinaus (vgl. Vor- und Nacherbschaft). Erst recht besteht kein Grund, die Wirkung der Aufhebungserklärung bis zum Eintritt der unmittelbaren Rechtsnachfolge zu begrenzen, wenn diese auf einem - vorweggenommenen - Erbgang beruht. Der Erbe übernahm den landwirtschaftlichen Grundbesitz in der Eigenschaft als Nichthof, die er bei Eintritt des Erbfalles hatte. Es lag an ihm, dies zu ändern. Eine automatische Änderung hätte der gesetzlichen Grundlage bedurft. Diese liegt aber nicht schon in § 1 Abs. 2 HöfeO a.F. , weil das obligatorische Höferecht mit der Einführung des fakultativen Höferechts für den Erbgang zumindest eingeschränkt wurde. Die Verordnung verfolgte - wie auch die Höfeordnung n.F. - (vgl. dazu Lüdtke-Handjery, AgrarR 1982, 230, 231) nicht mehr den Schutz landwirtschaftlicher Betriebe schlechthin, sondern ermöglichte es nur, förderungswürdige Besitzungen unter dem Vorbehalt einer abweichenden Erklärung durch den Hofeigentümer geschlossen zu vererben. Dadurch erhielt die Dispositionsbefugnis des Eigentümers Vorrang vor den agrarökonomischen Interessen der Allgemeinheit an dem Fortbestand des Hofes. Wenn daher das Gesetz die grundsätzlich unbeschränkte Dispositionsbefugnis des Eigentümers hinsichtlich ihrer Wirkungen auf die Dauer seines Eigentums hätte begrenzen wollen, hätte dies unmißverständlich zum Ausdruck kommen müssen. Dies ist aber nicht geschehen. Der Hof bleibt daher in der Hand von Erben solange Nicht-Hof, als nicht ein Erbe - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - wieder die Eintragung der Hofeigenschaft beantragt.
Nach alledem war der landwirtschaftliche Betrieb von L. E. zum Zeitpunkt seines Todes am 6. Oktober 1973 kein Hof im Sinne der Höfeordnung.
3.
Die Rechtsbeschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus §§ 44, 45 LwVG zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 19 HöfeVfO, §§ 30, 19 Abs. 4 KostO.
Fundstellen