Leitsatz (amtlich)
Der Bürge kann eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) darauf stützen, die verbürgte Hauptforderung sei nach seiner rechtskräftigen Verurteilung verjährt (Bestätigung von BGH, Urt. v. 9. Juli 1998 – IX ZR 272/96, WM 1998, 1766, z.V.b. in BGHZ).
Normenkette
BGB § 768; ZPO § 767
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 14. Januar 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit der Abwehrklage (§ 767 ZPO) gegen die Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Titel der Beklagten über eine Bürgschaftsforderung.
Die Beklagte überließ einem eingetragenen Verein aufgrund eines Leasingvertrages vom Februar 1992 einen PKW. Der Kläger übernahm am 13. Februar 1992 die selbstschuldnerische Bürgschaft für alle Verbindlichkeiten des Leasingnehmers aus diesem Vertrag. Die Beklagte kündigte im Juni 1993 den Leasingvertrag wegen Zahlungsrückstandes und machte im September 1993 eine restliche Forderung von 10.678,49 DM geltend. Der Leasingnehmer teilte der Beklagten am 27. September 1993 mit, daß die Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen beantragt und ein Sequester eingesetzt worden seien.
In dem Verfahren, in dem die Beklagte den Kläger als Bürgen in Anspruch nahm, verkündete dieser dem Leasingnehmer am 20. Oktober 1994 den Streit. Der Kläger wurde am 8. November 1994 rechtskräftig verurteilt, an die Beklagte 10.591,53 DM nebst Zinsen zu zahlen. Auf Bitte des Klägers vom 20. Januar 1995 einigten sich die Parteien auf eine monatliche Ratenzahlung, die bis November 1995 eingehalten wurde. Mit Schreiben vom 2. Januar 1996 machte der Kläger geltend, die verbürgte Forderung sei verjährt.
Land- und Oberlandesgericht haben die Zwangsvollstreckung aus dem Titel der Beklagten für unzulässig erklärt. Mit der – zugelassenen – Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Sie macht erfolglos geltend, der Kläger dürfe gegenüber der Titelforderung der Beklagten nicht die Verjährung der verbürgten Hauptforderung gegen den Leasingnehmer einwenden.
Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die verbürgte Forderung sei gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 6 BGB Ende 1995 verjährt; die Verjährung sei weder durch die Bürgschaftsklage und die Streitverkündung im Vorprozeß unterbrochen noch gemäß § 55 VerglO gehemmt worden. Der Kläger dürfe sich auf die nach seiner Verurteilung eingetretene Verjährung der verbürgten Forderung berufen (§§ 768 BGB, 767 Abs. 1, 2 ZPO). Als Bürge stehe der Kläger nicht einem Gesellschafter gleich, der gemäß § 128 HGB wegen einer Gesellschaftsschuld rechtskräftig verurteilt worden sei und eine Vollstreckungsabwehrklage nicht auf eine Verjährung der Forderung gegen die Gesellschaft stützen dürfe. Die unmittelbare Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft stehe gleichwertig neben derjenigen des Gesellschaftsvermögens; jedenfalls bei Verjährung einer Gesellschaftsschuld, die in unverjährter Zeit gegen einen Gesellschafter geltend gemacht werde, sei § 425 BGB anzuwenden. Dagegen sei die Verpflichtung des Bürgen – auch bei selbstschuldnerischer Haftung – eine Hilfsschuld, die nur Sicherheit für eine fremde Verbindlichkeit biete; insoweit gelte § 425 BGB bezüglich der Verjährung nicht.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die verbürgte Hauptforderung der Beklagten gegen den Leasingnehmer Ende 1995 verjährt ist (§ 196 Abs. 1 Nr. 6 BGB; vgl. BGHZ 97, 65, 78; BGH, Urt. v. 10. Juli 1996 – VIII ZR 282/95, NJW 1996, 2860, 2861). Insoweit beanstandet die Revision das Berufungsurteil nicht.
2. Die – der Zulassung der Revision zugrundeliegende – Rechtsfrage, ob der Bürge sich nach rechtskräftiger Verurteilung auf die Verjährung der verbürgten Hauptforderung berufen darf, hat das Berufungsgericht zu Recht bejaht.
Der selbstschuldnerische Bürge kann gegenüber dem Gläubiger die Verjährung des verbürgten Hauptanspruchs gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB auch dann einwenden, wenn diese erst nach Erhebung der Bürgschaftsklage – in der Tatsacheninstanz des Bürgschaftsprozesses – eingetreten ist (BGHZ 76, 222, 225 ff). Dies erfordert die Abhängigkeit der Bürgschaftsschuld von der Hauptverbindlichkeit (§ 767 BGB). Das gilt auch dann, wenn die verbürgte Forderung erst während des Revisionsverfahrens des Bürgschaftsprozesses verjährt ist und die Verjährungseinrede bereits in dessen Tatsacheninstanz erhoben worden war (BGH, Urt. v. 10. Mai 1990 – IX ZR 246/89, WM 1990, 1642, 1643). Hat sich der Bürge im Bürgschaftsprozeß nicht darauf berufen, daß die verbürgte Forderung während des Revisionsverfahrens verjährt ist, kann er diese Verjährung im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) geltend machen (BGH, Urt. v. 9. Juli 1998 – IX ZR 272/96, WM 1998, 1766, 1768 f – z.V.b. in BGHZ).
a) Der das Bürgschaftsrecht beherrschende Grundsatz der Akzessorietät von Bürgschaftsschuld und verbürgter Hauptverbindlichkeit muß auch dann Geltung erlangen, wenn – wie im vorliegenden Falle – die verbürgte Forderung erst nach rechtskräftiger Verurteilung des Bürgen verjährt ist (vgl. BGH, Urt. v. 9. Juli 1998, aaO 1767); der Bürge darf dann die Verjährungseinrede gegenüber dem titulierten Anspruch gemäß §§ 768 BGB, 767 ZPO einwenden. Dadurch wird entgegen der Ansicht der Revision nicht die Rechtskraft der Entscheidung durchbrochen, sondern nur deren Vollstreckbarkeit in den Grenzen des § 767 Abs. 2 ZPO eingeschränkt (vgl. BGHZ 100, 203, 212; BGH, Urt. v. 23. Mai 1989 – IX ZR 57/88, NJW-RR 1990, 48, 49).
b) Entsprechend der Meinung des Berufungsgerichts hat der Senat – nach Erlaß des Berufungsurteils – durch Urteil vom 9. Juli 1998 (aaO 1767) entschieden, daß – entgegen der Ansicht der Revision – die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGHZ 104, 76, 79 ff; BGH, Urt. v. 27. April 1981 – II ZR 177/80, NJW 1981, 2579), nach der ein persönlich haftender Gesellschafter einer handelsrechtlichen Personengesellschaft sich nicht auf die Verjährung der Gesellschaftsschuld berufen darf, wenn die Verjährung des ihm gegenüber bestehenden Anspruchs unterbrochen wurde, nicht auf die Bürgschaft zu übertragen ist. Die Unterschiede der Bürgen- und Gesellschafterhaftung rechtfertigen eine getrennte Beurteilung der Verjährung.
c) Entgegen der Ansicht der Revision ist es nicht gerechtfertigt, § 768 BGB zugunsten des Gläubigers dann einzuschränken, wenn die Akzessorietät der Bürgschaft und die berechtigten Interessen des Gläubigers in Widerstreit treten. Wegen der engen Verbindung zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterhaftung mag es zutreffen, daß die Belange des Gläubigers schutzwürdiger sind, wenn der Gesellschafter vor Ablauf der Verjährungsfrist verklagt und verurteilt worden ist (vgl. BGHZ 104, 76, 81; BGH, Urt. v. 27. April 1981, aaO). Dies kann aber auf die Bürgenhaftung wegen des Grundsatzes der Akzessorietät nicht übertragen werden. Insoweit wird der Sicherungszweck der Bürgschaft noch nicht aufgehoben (vgl. dazu Staudinger/Horn, BGB 13. Bearb. § 768 Rdnr. 5).
d) An der unterschiedlichen Beurteilung der Verjährung in der Bürgen- und Gesellschafterhaftung kann entgegen der Ansicht der Revision der Verjährungszweck auch dann nichts ändern, wenn – wie hier – ein selbstschuldnerischer Bürge bereits rechtskräftig verurteilt worden ist (BGH, Urt. v. 9. Juli 1998, aaO 1767). Da für die Forderung gegen den (nicht ausgeschiedenen) Gesellschafter grundsätzlich keine besondere Verjährungsfrist läuft, kann der Gläubigerschutz es rechtfertigen, den Gesellschafter nach seiner gerichtlichen Inanspruchnahme mit der Einrede der Verjährung des Anspruchs gegen die Gesellschaft auszuschließen. Dies kann für den Bürgen aber nicht gelten, weil die Verjährungsfristen für Bürgschafts- und Hauptschuld nicht notwendig gleich sind.
II.
1. Die Revision rügt erfolglos, daß das Berufungsgericht einen Verzicht des Klägers auf die Einrede der Verjährung der verbürgten Forderung – vor Eintritt der Verjährung Ende 1995 – verneint hat.
Das Berufungsgericht hat zugunsten der Beklagten unterstellt, daß ein solcher Verzicht trotz § 225 Satz 1 BGB wirksam wäre. Es hat jedoch rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Ankündigungen des Klägers, bei dem Hauptschuldner und anderen Personen Rückgriff zu nehmen, sowie die Ratenzahlungsvereinbarung der Parteien aufgrund des Schreibens des Klägers vom 20. Januar 1995 keinen schlüssigen Verzicht enthalten (vgl. BGH, Urt. v. 16. November 1995 – IX ZR 148/94, NJW 1996, 661, 663; v. 21. November 1996 – IX ZR 159/95, WM 1997, 330, 332). Die Verfahrensrügen der Revision wurden geprüft, greifen aber nicht durch (§ 565 a ZPO).
2. Vergeblich beanstandet die Revision auch die rechtsfehlerfreie Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger habe durch sein – dargelegtes – Verhalten die Beklagte nicht treuwidrig von der rechtzeitigen Einklagung der verbürgten Hauptforderung abgehalten oder nach objektiven Maßstäben das Vertrauen der Beklagten erweckt, deren Bürgschaftsforderung werde ohne ein solches Vorgehen gegen den Hauptschuldner und deswegen ohne Einrede der Verjährung des verbürgten Hauptanspruchs erfüllt werden (vgl. BGH, Urt. v. 29. Februar 1996 – IX ZR 180/95, WM 1996, 1106, 1108 m.w.N.). Auch die entsprechende tatrichterliche Würdigung der Ratenzahlungsvereinbarung läßt entgegen der Revisionsrüge keine Rechtsfehler erkennen.
Unterschriften
Paulusch, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.11.1998 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 609803 |
BB 1999, 18 |
DB 1999, 476 |
NJW 1999, 278 |
NJW-RR 1999, 644 |
EWiR 1999, 155 |
JR 1999, 510 |
KTS 1999, 102 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1998, 2540 |
WuB 1999, 223 |
ZAP 1999, 102 |
ZIP 1999, 19 |
ZMR 1999, 230 |
InVo 1999, 52 |
MDR 1999, 187 |
VuR 1999, 91 |
ZBB 1999, 44 |