Leitsatz (amtlich)
›1. Eine Berufung ist nicht ordnungsgemäß eingelegt, wenn in der Berufungsschrift als Rechtsmittelbeklagter nicht der wirkliche Berufungsbeklagte (X. Y.), sondern ein mit diesem nicht identisches Unternehmen (Firma X. Y. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer) benannt ist und ersterer für das Berufungsgericht bis zum Ablauf der Berufungsfrist nicht erkennbar wird.
2. Zu den Anforderungen, die bei der Zustellung von Urteilen nach § 212a ZPO an die Unterschrift des Zustellungsempfängers zu richten sind.‹
Verfahrensgang
LG Saarbrücken |
Saarländisches OLG |
Tatbestand
Die Klägerin, eine Speditionsfirma, hat den Beklagten, den Transportunternehmer L. G., auf Rückerstattung angeblich überzahlter Frachten in Höhe von 19.596,91 DM in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 25. März 1982 die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht durch Urteil als unzulässig verworfen.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihr bisheriges Zahlungsbegehren weiterverfolgt. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Gegen das der Klägerin am 30. März 1982 zugestellte Urteil des Landgerichts habe die Klägerin am 28. April 1982, zwei Tage vor Ablauf der Berufungsfrist, Berufung eingelegt und das Rechtsmittel später auch fristgerecht begründet. Gleichwohl habe die Berufung als unzulässig verworfen werden müssen, da sie nicht in rechter Form eingelegt worden sei. Nach § 518 Abs. 2 ZPO gehöre zur ordnungsgemäßen Einlegung eines Rechtsmittels die Bezeichnung der Parteien der Rechtsmittelinstanz, also die Angabe, für und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werde. Zumindest müsse dem Rechtsmittelgericht vor Ablauf der Rechtsmittelfrist anhand der Rechtsmittelschrift oder sonstiger Unterlagen die Feststellung möglich sein, wer Rechtsmittelkläger und wer -beklagter sei. Das sei hinsichtlich des letzteren vorliegend nicht der Fall gewesen. In der Berufungsschrift habe die Klägerin nicht den Beklagten der I. Instanz aufgeführt, gegen den sich die Berufung gerichtet habe, sondern als Beklagte und Berufungsbeklagte eine mit dem Transportunternehmer L. G. nicht identische Firma L. G. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer. Auch auf Grund sonstiger Umstände sei vor Ablauf der Berufungsfrist für das Berufungsgericht die Person des richtigen Berufungsbeklagten nicht erkennbar gewesen. Eine Ausfertigung oder Abschrift des angefochtenen Urteils habe der Berufungsschrift nicht beigelegen und die am 30. April 1982 angeforderten Akten des Landgerichts sowie eine Stellungnahme des Beklagten zur Berufung der Klägerin seien erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangen.
II. Die gegen dieses Urteil gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen.
1. Nach § 518 Abs. 2 ZPO muß die Berufungsschrift die Bezeichnung des angefochtenen Urteils und die Erklärung enthalten, daß dagegen Berufung eingelegt werde. Diesem Erfordernis ist nach der Rechtsprechung nur dann genügt, wenn bei der Einlegung des Rechtsmittels aus der Rechtsmittelschrift - aus dieser allein oder in Verbindung mit sonstigen Unterlagen oder Umständen - sowohl der Rechtsmittelkläger als auch der Rechtsmittelbeklagte erkennbar sind oder doch jedenfalls bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erkennbar werden (RGZ 144, 314, 315; BGHZ 65, 114, 115; BGH Beschl. v. 26. September 1961 - V ZB 24/61, LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 1 Nr. 3 = NJW 1961, 2347 = VersR 1961, 1092, 1093; Urt. v. 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81, LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 1 Nr. 8 = NJW 1984, 58 = VersR 1983, 984, 985; BAGE 21, 368, 369; BAG AP ZPO § 518 Nr. 21 = NJW 1973, 2318, 2319).
An der Einhaltung dieser an den Inhalt der Berufungsschrift zu stellenden Anforderungen hat das Berufungsgericht mit Recht festgehalten. Sie dienen - sowohl im Interesse der Erkennbarkeit der in zweiter Instanz am Rechtsstreit Beteiligten durch das Berufungsgericht als auch im Interesse der Parteien - einem geregelten Ablauf des Verfahrens, der Rechtssicherheit und den schutzwürdigen Belangen des Rechtsmittelbeklagten an alsbaldiger Zustellung der Rechtsmittelschrift. Werden sie nicht beachtet, ist das Rechtsmittel unzulässig, wie das Reichsgericht, der Bundesgerichtshof und das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen haben (vgl. außer den vorgenannten Entscheidungen BGHZ 21, 168, 173; BGH, Urt. v. 19. Juni 1974 - I ZR 62/73, VersR 1974, 1098, 1099; BAGE 21, 193, 196).
Die Voraussetzungen, von denen die Zulässigkeit der Berufung in formeller Hinsicht danach abhängt, sind - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat - im Streitfall nicht erfüllt. In der Berufungsschrift ist nicht der Beklagte der I. Instanz aufgeführt, gegen den sich die Berufung richtete, sondern eine mit diesem nicht identische Firma L. G. GmbH. Es fehlte also an einer zutreffenden Bezeichnung des Berufungsbeklagten. Daß es sich dabei um eine unrichtige Bezeichnung handelte und die Berufung in Wirklichkeit gegen den Transportunternehmer L. G. gerichtet war, konnte das Berufungsgericht nach den getroffenen Feststellungen innerhalb der Berufungsfrist weder der Berufungsschrift noch den Begleitumständen entnehmen. Eine Ausfertigung oder Abschrift des angefochtenen Urteils war entgegen der Bestimmung des § 518 Abs. 3 ZPO bei Einlegung der Berufung nicht mit vorgelegt worden, und die Akten des Landgerichts sind beim Berufungsgericht erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangen. Entgegen der Ansicht der Revision macht daher auch die in der Berufungsschrift enthaltene Bezeichnung des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten diesen für das Berufungsgericht nicht als Berufungsbeklagten erkennbar. Auch die Tatsache, daß nach dem Vortrag der Revision eine Firma L. G. GmbH unter diesem Namen nicht existierte, wohl aber eine Firma L. G. Transportgesellschaft mbH, ließ keine Rückschlüsse in dem hier erörterten Sinne zu. Daß gegen eine solche Firma in I. Instanz - sei es unter diesem oder unter jenem Namen - kein Rechtsstreit geschwebt hatte, sondern nur ein Prozeß gegen den Transportunternehmer L. G., und daß daher auch nur dieser als Berufungsbeklagter hatte in Betracht kommen können, war dem Berufungsgericht bei Einlegung der Berufung unbekannt und bis zum Ablauf der Berufungsfrist auch nicht bekannt geworden.
Soweit schließlich die Revision geltend macht, daß an die Bezeichnung des Rechtsmittelbeklagten in der Berufungsschrift weniger strenge Anforderungen zu stellen seien als an die des Rechtsmittelklägers, kann sie auch damit keinen Erfolg haben. Wie der Bundesgerichtshof ausgesprochen hat, bedarf es zwar für die Zulässigkeit der Berufung nicht der Angabe der ladungsfähigen Anschriften des Berufungsbeklagten oder seines Prozeßbevollmächtigten (BGHZ 65, 114, 116; BGH, Urt. v. 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81, LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 1 Nr. 8 = NJW 1984, 58 = VersR 1983, 984, 985; anders das Bundesarbeitsgericht für das arbeitsgerichtliche Verfahren: BAG, Urt. v. 4. Dezember 1975 - 2 AZR 462/74, BAGE 27, 351, 353, 354 = AP ZPO § 518 Nr. 33 mit Anm. Grunsky = NJW 1976, 727 L; BAG, Urt. v. 5. August 1976 - 3 AZR 340/75, AP ZPO § 518 Nr. 37; BAG, Urt. v. 7. Dezember 1978 - 3 AZR 995/77, AP ZPO § 518 Nr. 43 mit Anm. Vollkommer = NJW 1979, 2000). Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, daß es für die Zulässigkeit der Berufung genügte, wenn in der Berufungsschrift nicht der wirkliche Berufungsbeklagte (hier der Transportunternehmer L. G.) aufgeführt wird, sondern ein Unternehmen (hier die Firma L. G. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer), das - vorliegend unter der Firmenbezeichnung L. G. Transportgesellschaft mbH und mit gleicher Anschrift - tatsächlich existierte und zu Verwechslungen Anlaß geben konnte.
2. Die Revision meint weiter, daß das Berufungsgericht die Berufung aber jedenfalls deshalb nicht als unzulässig habe verwerfen dürfen, weil im Zeitpunkt der Klarstellung der Tatsache, daß Berufungsbeklagter der Transportunternehmer L. G. sei, die Berufungsfrist - mangels einer wirksamen Zustellung des Urteils des Landgerichts am 30. März 1982 - noch nicht verstrichen gewesen sei. Rechtsanwalt Dr. S., der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, habe das ihm zum Zwecke der Beurkundung der Urteilszustellung gemäß § 212 a ZPO von Amts wegen übermittelte Empfangsbekenntnis entgegen den gesetzlichen Bestimmungen und entgegen den an die Unterzeichnung einer solchen Urkunde zu richtenden Anforderungen allenfalls abgezeichnet, aber nicht unterschrieben. Bei dem vorliegenden Schriftzug Dr. S. handele es sich allenfalls um eine Paraphe oder ein Handzeichen ohne jede individuelle Eigenart. Der Name des Unterzeichneten könne diesem Schriftzug auch nicht andeutungsweise entnommen werden.
Auch mit diesen Ausführungen kann die Revision keinen Erfolg haben. Sie stellt nicht in Abrede, daß der in den Eingangsstempel des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin hineinreichende Schriftzug auf dem Empfangsbekenntnis vom 30. März 1932 von der Hand Dr. S. stammt. Auch in der Berufungsinstanz hat die Klägerin etwas anderes nicht behauptet. Zu Unrecht macht sie geltend, daß dieser Schriftzug keine wirksame Unterschrift sei.
Nach § 212 a ZPO bedarf das Empfangsbekenntnis für die Wirksamkeit der zu beurkundenden Zustellung der eigenhändigen und handschriftlichen Unterzeichnung durch den Rechtsanwalt als den Zustellungsempfänger. Fehlt es an einer solchen Unterschrift oder kann ein vorhandener Schriftzug nicht als Unterschrift anerkannt werden, ist die Zustellung unwirksam. Das ist der Fall, wenn das Empfangsbekenntnis lediglich mit einem Handzeichen, der sogenannten Paraphe, abgezeichnet worden ist oder wenn das Schriftbild nur aus willkürlichen Linien und Strichen besteht, das nicht mehr als ein aus zusammenhängenden Buchstaben gebildeter Namenszug gedeutet werden kann. Andererseits ist es für die Wirksamkeit der Zustellung unerheblich, wenn die Unterschrift nicht lesbar oder nicht voll ausgeschrieben ist. Sinn und Zweck der Unterschrift ist es, die Identität desjenigen sicherzustellen, der die Verantwortung für die Erklärung trägt, die von der Unterschrift gedeckt werden soll. Deshalb ist es für die Wirksamkeit einer Unterschrift erforderlich, aber auch ausreichend, wenn diese einen individuellen Charakter aufweist, der sie von anderen Unterschriften unterscheidet, eine Nachahmung erschwert und die Absicht der vollen Unterschrift erkennen läßt, selbst wenn sie nur flüchtig oder verkürzt niedergelegt worden ist. Unter diesen Voraussetzungen ist nach der Rechtsprechung auch ein vereinfachter und nicht lesbarer Namensschriftzug als Unterschrift anzuerkennen (BGH, Urt. v. 4. Juni 1975 - I ZR 114/74, LM ZPO § 130 Nr. 7 = NJW 1975, 1705, 1706 = VersR 1975, 925, 926; Urt. v. 9. Mai 1980 - I ZR 89/79, LM ZPO § 234 A Nr. 15 = NJW 1980, 1846, 1847 = VersR 1980, 865, 866; Beschl. v. 24. Februar 1983 - I ZB 8/82, VersR 1983, 555).
Gemessen an diesen Anforderungen, die an das Vorliegen einer Unterschrift zu richten sind, kann die Zustellung des Urteils des Landgerichts nicht als unwirksam angesehen werden. Entgegen den Darlegungen der Revision stellt sich der Schriftzug Dr. S. unter dem Empfangsbekenntnis vom 30. März 1982 nach seinem Erscheinungsbild nicht lediglich als Handzeichen (Paraphe) dar, sondern als Unterzeichnung mit dem vollen Namen, mag dieser auch nur flüchtig und vereinfacht niedergelegt worden sein. Er besteht nicht aus willkürlichen Linien und Strichen; vielmehr läßt er, wenn auch verschwommen und nicht lesbar, seine Entstehung aus dem ursprünglichen Schriftzug erkennen. Insgesamt kann ihm auch der individuelle Charakter, der ihn von anderen Unterschriften unterscheidet und eine Nachahmung erschwert, nicht abgesprochen werden. Auch sonst pflegt Dr. S. seine Schriftsätze an das Gericht (siehe Schriftsatz vom 6. Mai 1982, GA I 172) oder - wie die Revision vorgetragen hat - an Mandanten in dieser Weise zu unterschreiben. Daß er, wie die Revision weiter geltend macht, Schriftsätze an das Gericht häufig auch in einer Weise unterzeichnet, die - bei Kenntnis des Namens - die einzelnen Buchstaben deutlicher hervortreten läßt, besagt nicht, daß das vorliegend als voller Namensschriftzug niedergelegte Schriftbild der für eine Unterschrift erforderlichen charakteristischen Eigenart entbehrte und daß deshalb mangels einer Unterschrift die Zustellung unwirksam wäre.
Die bewußte und gewollte Entgegennahme des erstinstanzlichen Urteils zum Zwecke der Urteilszustellung gemäß § 212 a ZPO ist durch das damit unterschriebene Empfangsbekenntnis von 30. März 1982 bewiesen (vgl. BGH, Urt. v. 9. Mai 1980 - I ZR 89/79, LM ZPO § 234 A Nr. 15 = NJW 1980, 1846, 1847 = VersR 1980, 865, 866).
III. Die Revision der Klägerin war danach als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2992775 |
BB 1985, 950 |
NJW 1985, 2651 |
DRsp IV(416)279a |
MDR 1986, 27 |
VersR 1985, 570 |