Leitsatz (amtlich)

›Für die Klage auf Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung wegen eines Wettbewerbsverstoßes kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Kläger im Wege der Leistungsklage wegen desselben Verstoßes einen Vertragsstrafeanspruch geltend machen kann.‹

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf

LG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, verlegen und vertreiben Kundenzeitschriften für Apotheken. Sie stellen diese Zeitschriften mit einem sogenannten Überstand her, auf dem der Name der Apotheke und Werbung für diese enthalten ist.

Im Verlaufe einer gerichtlichen Auseinandersetzung (LG Düsseldorf = OLG Düsseldorf) in den Jahren 1982/1983 über die Gestaltung der von der Beklagten zu 1) damals verbreiteten Zeitschrift "P." gab diese am 14. Juli 1983 eine von der Klägerin angenommene Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, es bei Meidung bei einer Vertragsstrafe in Höhe von 3000,-- DM für jeden Fall der zukünftigen schuldhaften Zuwiderhandlung zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in der Zeitschrift für Apotheker "P." redaktionelle Beiträge unter Beifügung der faksimilierten Unterschrift und/oder eines Lichtbildes des jeweiligen Beziehers, der den so gekennzeichneten Beitrag nicht geliefert hat, zu veröffentlichen.

Im Jahre 1990 beanstandete die Klägerin eine Gestaltung der von den Beklagten nunmehr verbreiteten Zeitschrift "G.". Auf ihren Antrag sind die Beklagten auf mündliche Verhandlung vom 20. Februar 1992 durch ein in Rechtskraft erwachsenes Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. März 1992 verurteilt worden, Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 14. Juli 1983 in der beanstandeten Form Hefte verbreitet haben; ferner ist eine Verpflichtung zur Schadensersatzleistung festgestellt worden.

Vorliegend hat die Klägerin die Beklagten unter anderem ebenfalls auf Auskunft und Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung in Anspruch genommen.

Zur Begründung des auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten vorgetragenen Anspruchs hat die Klägerin geltend gemacht, die hohe Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ergebe sich aus den Wettbewerbsverstößen der Beklagten, die in einem engen Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin stünden, da es keine Wettbewerber gebe, die vergleichbare Zeitschriften anböten.

Die Beklagten haben die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts bestritten.

Das Landgericht hat dem Feststellungsbegehren der Klägerin entsprochen.

Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten ist mit der Maßgabe ohne Erfolg geblieben, daß das Berufungsgericht im Blick auf von den Parteien abgegebene Erledigungserklärungen ausgesprochen hat, daß die Schadensersatzfeststellung im Falle der Beklagten zu 1) Handlungen betreffe, die seit dem 21. Februar 1992 begangen worden sind, und im Fall des Beklagten zu 2) solche, die seit dem 5. August 1990 (sechs Monate vor Klageeinreichung) begangen worden sind.

Mit der Revision, die der Senat nur insoweit angenommen hat, als es die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung betrifft, verfolgen die Beklagten weiterhin Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Verpflichtung der Beklagten zu 1), der Klägerin Schadensersatz zu leisten, ausgeführt: Die Beklagte zu 1) habe gegen die am 14. Juli 1983 übernommene Unterlassungsverpflichtung auch in der Zeit nach dem 20. Februar 1992 verstoßen. Damit sei auch die für die Zulässigkeit der begehrten Feststellung erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts gegeben. Weil sich die Erzeugnisse der Parteien vollständig von allen anderen Kundenzeitschriften innerhalb und außerhalb des Apothekenbereichs unterschieden, liege es auf der Hand, daß Wettbewerbsmaßnahmen des einen den anderen beeinträchtigten. Die Beklagte zu 1) habe auch schuldhaft gegen die übernommene Unterlassungsverpflichtung verstoßen, da die Unterwerfungserklärung vom 14. Juli 1983 ihrem Wortlaut nach eindeutig gewesen sei und nach ihrem Sinn habe erkennen lassen, daß die Beklagte zu 1 ihr nicht durch eine Namensänderung der Zeitschrift entgehen könne. Der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung stehe die entsprechende Feststellung in dem am 18. August 1983 bestätigten Urteil des Landgerichts Düsseldorf in dem Verfahren nicht entgegen, da sie nur Handlungen bis zu diesem Zeitpunkt betroffen habe.

Auch der Beklagte zu 2) sei zum Schadensersatz verpflichtet, weil er als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) für deren Wettbewerbsverletzung verantwortlich gewesen sei, ihm alle Tatumstände, die die Irreführung begründeten, bekannt gewesen seien und ihm die Überlegung, daß der Verkehr durch die Gesetzesverstöße irregeführt werden könne, zumutbar gewesen sei.

II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nur hinsichtlich des Beklagten zu 2) stand, während hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zu 1) das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war.

1. Die vom Landgericht ausgesprochene und vom Berufungsgericht bestätigte Feststellung, daß die Beklagte zu 1) gesamtverbindlich mit dem Beklagten zu 2) verpflichtet sei, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr daraus entstanden ist oder entstehen wird, daß sie in der Kundenzeitschrift für Apotheker "G." redaktionelle Beiträge unter Beifügung der faksimilierten Unterschrift und/oder eines Lichtbildes des jeweiligen Beziehers, der den so gekennzeichneten Beitrag nicht geliefert hat, veröffentlicht, setzt voraus, daß die Klägerin an dieser Feststellung ein rechtliches Interesse hat (§ 256 Abs. 1 ZPO). Dieses fehlt, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann (BGHZ 5, 314, 315; BGH, Urt. v. 13. 5. 1987 - I ZR 75/85, GRUR 1987, 938, 939 - Videorechte). So liegt der Fall hier, soweit ein Schaden in Höhe von 3000,-- DM in Frage steht. Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend beachtet, daß der Klägerin vorliegend die Möglichkeit offensteht, Leistungsklage zu erheben. Sie kann aufgrund des in der Unterlassungsverpflichtungserklärung enthaltenen Vertragsstrafeversprechens für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Zahlung von 3000, -- DM verlangen. Aus diesem Grunde kann ein Rechtsschutzbedürfnis für das Feststellungsbegehren der Beklagten zu 1) nicht ohne weiteres bejaht werden. Die von den Parteien vereinbarte Vertragsstrafe beruht auf einer doppelten Zielrichtung. Sie soll einmal als Druckmittel den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der vorgesehenen Leistungen anhalten. Zum andern soll sie dem Gläubiger aber auch im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadensdurchsetzung ohne Einzelnachweis eröffnen (BGHZ 63, 256, 259; BGHZ 85, 305, 312; BGHZ 105, 25, 27; BGH, Urt. v. 28. 1. 1993 - I ZR 294/90, ZIP 1993, 703, 704). Ohne auf die Notwendigkeit der Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung angewiesen zu sein, kann daher die Klägerin den ihr zustehenden Zahlungsanspruch durchsetzen. Gründe, die der Durchsetzung des Vertragsstrafeanspruchs entgegenstehen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind auch sonst nicht erkennbar.

Gleichwohl kann der Rechtsstreit insoweit noch nicht abschließend entschieden werden. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage könnte trotz Möglichkeit der Leistungsklage insoweit zu bejahen sein, als die Schadensersatzansprüche über die Vertragsstrafeansprüche der Klägerin hinausreichten. Daß diese Möglichkeit besteht, kann vorliegend nicht ohne weiteres verneint werden. Von der Annahme, daß die Klägerin durch Zahlung von Vertragsstrafe in vollem Umfang schadlos gestellt würde, könnte nur dann ausgegangen werden, wenn sie auf Grund des Vertragsstrafeversprechens für jede einzelne tatsächliche Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung Zahlung von 3000, -- DM verlangen könnte. Ob das der Fall ist, hängt von der vom Tatrichter noch vorzunehmenden Auslegung des Vertragsstrafeversprechens ab. Diese könnte ergeben, daß die Parteien Einzelhandlungen unter dem Gesichtspunkt der Fortsetzungstat hatten zusammenfassen wollen. In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, daß der im Strafrecht entwickelte Rechtsbegriff der Fortsetzungstat auch im Bereich der zivilrechten Vertragsstrafe in Betracht zu ziehen ist, wenn dem der Parteiwille nicht entgegensteht (vgl. BGHZ 33, 163, 168 - Krankenwagen II; BGH, Urt. v. 1. 6. 1983 - I ZR 78/81, GRUR 1984, 73, 74 = WRP 1984, 14 - Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung; Urt. v. 10. 12. 1992 - I ZR 186/90, WRP 1993, 240, 241 - Fortsetzungszusammenhang m.w.N. aus Rechtsprechung und Schrifttum). Das Berufungsgericht wird deshalb zu prüfen haben, ob nach Lage des Falles unter Berücksichtigung der Interessen der Parteien, der Art der Verletzung und der Möglichkeiten des Schadenseintritts (vgl. dazu im einzelnen Großkomm/Köhler, Vor § 13 UWG, B, Rdn. 116, 117) eine Zusammenfassung geeigneter Einzelhandlungen ohne Rücksicht auf einen Gesamtvorsatz auch bei nur fahrlässiger Begehung die Vertragsstrafe in Höhe von 3000,-- DM auslösen sollte und ob ein möglicher Schaden der Klägerin dann ausgeglichen ist.

2. Keinen Erfolg dagegen hat die Revision des Beklagten zu 2).

Bedenken gegen die Zulässigkeit des gegen ihn gerichteten Feststellungsanspruchs bestehen nicht. Gegen den Beklagten zu 2) steht der Klägerin ein Vertragsstrafeanspruch nicht zu. Gegen ihn ist die Feststellungsklage auch begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt in Wettbewerbssachen für die Feststellung einer Schadensersatzpflicht die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, die nicht hoch zu sein braucht (BGH, Urt. v. 7. 9. 1960 , - I ZR 56/59, GRUR 1961, 241, 243 - Sosil; Urt. v. 10. 5. 1974 - I ZR 18/73, GRUR 1974, 735, 736 = WRP 1974, 403 - Pharmedan; Urt. v. 5.7. 1984 - I ZR 88/82, GRUR 1984, 741, 742 = WRP 1984, 601 - patented; Urt. v. 20. 6. 1991 - I ZR 277/89, GRUR 1992, 61, 63 = WRP 1991, 654 - Preisvergleichsliste). Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Wegen des auch von dem Beklagten zu 2 nicht bestrittenen Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien liegt die Möglichkeit nahe, daß die Beklagten durch die vom Berufungsgericht festgestellte irreführende Gestaltung der von ihnen verbreiteten Apothekerzeitschrift Umsätze zu Lasten der Klägerin haben auf sich ziehen können.

Für die zum Schadensersatz verpflichtende Wettbewerbshandlung des Beklagten zu 2) haftet die Beklagte zu 1) als juristische Person, für die der Beklagte zu 2) als Organ handelte, § 31 BGB (vgl. BGHZ 98, 148, 151). Zur Vorbereitung dieses Schadensersatzanspruchs ist sie der Klägerin auch zur Auskunftserteilung, wie sie vom Berufungsgericht der Klägerin rechtskräftig zuerkannt worden ist, verpflichtet.

III. Danach war auf die Revision der Beklagten zu 1) unter Zurückweisung der Revision des Beklagten zu 2) das angefochtene Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht hinsichtlich der Schadensersatzfeststellungsklage zum Nachteil der Beklagten zu 1) erkannt hat. Insoweit war die Sache an das Berufungsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993198

DB 1993, 2120

NJW 1993, 2993

BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 27

BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Schadensersatz 3

GRUR 1993, 926

MDR 1993, 1069

WRP 1993, 762

PharmaR 1993, 344

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