Leitsatz (amtlich)
1. Über die Voraussetzungen der Erstattung von Folgeschäden aus dem Unfall eines Fuhrunternehmers.
2. Es besteht kein Erfahrungssatz des Inhalts, daß ein ordentlicher Ersatzfahrer weniger sorgfältig fährt als der Fahrzeughalter und daß die Einstellung eines solchen Fahrers das Unfallrisiko erhöht.
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 15.04.1969) |
Tenor
I.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt (Main) vom 15. April 1969 insoweit aufgehoben, als in Höhe von 33.699,62 DM nebst Zinsen und wegen der Kosten des Rechtsstreits zum Nachteil des Klägers entschieden wurde.
II.
Im übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.
III.
Soweit das unter I genannte Urteil aufgehoben wurde, wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
IV.
Die Kosten der Revision hat zu 11/14 der Kläger zu tragen. Die Entscheidung über die weiteren Kosten des Revisionsverfahrens (3/14) bleibt dem Berufungsgericht vorbehalten.
Tatbestand
Der Kläger beansprucht von den Beklagten Schadensersatz wegen eines Unfalls, den er am 31. Dezember 1953 erlitt, als sein Lastzug auf dem Frankfurter Fabrikgrundstück der Beklagten Firma P. mit Kisten beladen wurde. Als eine der Kisten abrutschte und auf seine Füße aufschlug, erlitt er mehrfache Brüche beider Fußwurzeln. Er mußte etwa 10 Monate im Krankenhaus liegen und ist auch jetzt noch in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkt.
Das Landgericht hat in seinem ersten Urteil die Schadensersatzklage des Klägers mit der Begründung abgewiesen, daß die Haftung der Beklagten nach §§ 898, 899 RVO ausgeschlossen sei. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht durch sein Urteil vom 21. Mai 1957 die damals geltend gemachten Zahlungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, den Anspruch auf Ersatz von Vermögens schaden gegenüber dem Beklagten S. jedoch nur zur Hälfte. Ferner ist antragsgemäß festgestellt worden, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren Schaden aus dem Unfall zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf öffentliche Versicherungsträger übergegangen ist oder übergeht. Die Revision der Beklagten gegen dieses Urteil des Oberlandesgerichts ist durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. März 1958 - VI ZR 216/57 - zurückgewiesen worden.
Im Laufe des Rechtsstreits haben sich die Parteien hinsichtlich des verlangten Schmerzensgeldes auf einen Betrag von 10.000 geeinigt. Diesen Betrag hat der Haftpflicht Versicherer der Beklagten an den Kläger gezahlt. Außerdem hat er an ihn folgende Zahlungen geleistet:
am |
10. |
Juli |
1958 |
15.000,00 DM |
am |
29. |
August |
1958 |
8.500,00 DM |
im |
|
März |
1961 |
1.500,00 DM |
bis |
20. |
Juni |
1962 |
7.395,72 DM |
Des weiteren erhielt der Kläger von der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen eine Rente, deren Höhe in den einzelnen Zeiträumen sich aus der Auskunft der Berufsgenossenschaft vom 11. April 1962 (Bl. 587, 588 Bd. III d.A) ergibt.
Die Parteien streiten jetzt mir noch darüber, ob und in welcher Höhe dem Kläger weitere Schadensersatzansprüche zustehen. Er hat von den Beklagten im Betragsverfahren Ersatz der durch die Einstellung von Ersatzfahrern entstandenen Kosten (Klageantrag Nr. 1), Ersatz des durch die Anfang November 1955 erfolgte Aufgabe des Fuhrunternehmens entstandenen Schadens (Klageanträge Nr. 2 und 3) und Erstattung von Heilungskosten (Klageantrag Nr. 4) verlangt.
Der Sachverhalt, aus dem diese Ansprüche hergeleitet werden, und das Vorbringen der Parteien zu diesen Ansprüchen ist in dem Tatbestand des jetzt angefochtenen Berufungsurteils (urteil des 4. Zivilsenats des OLG in Frankfurt/Main vom 15. April 1969) ausführlich wiedergegeben; hierauf wird, um Wiederholungen zu vermeiden, vertwiesen.
Das Landgericht hat die Klage im Betragsverfahren wiederum abgewiesen.
Die Berufung des Klägers, mit der er die im Berufungsurteil S. 33-35 wieder gegebenen Anträge gestellt hat, ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge aus dem Berufungsrechtszug weiter.
Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
1.
Die Parteien sind sich einig darüber, daß die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger zum mindesten die Mehraufwendungen zu ersetzen, die dadurch entstanden sind, daß der Kläger nach dem Unfall in seinem Fuhrunternehmen nicht mehr als Fahrer tätig sein konnte, sondern gezwungen war, an seiner Stelle einen Ersatzfahrer einzustellen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - auf die unter III noch näher eingegangen wird - war es nicht gerechtfertigt, das gut gehende unternehmen im Herbst 1955 zu veräußern. Das Berufungsgericht hat dem Kläger daher nicht den hierdurch entstandenen Schaden ersetzt, sondern geprüft, wie sich das Fuhrunternehmen entwickelt hätte, wenn der Kläger den - nicht gerechtfertigten - Verkauf des Unternehmens unterlassen und den Fern Verkehrsbetrieb über das Jahr 1955 hinaus weitergeführt hätte. Es hat ihm bis 31. Dezember 1959 Ersatz der für einen Ersatzfahrer notwendigen Aufwendungen - sechs Jahre je 4.645 DM = 28.870 DM - zugebilligt und angenommen, dieser Anspruch einschließlich der hieraus erwachsenen Zinsen sei durch die Zahlungen des Haftpflicht Versicherers der Beklagten erloschen.
2.
Für die Zeit ab 1. Januar 1960 hat das Berufungsgericht dem Kläger weitere Ersatzansprüche aberkannt. Die Gründe, aus denen es zu dieser Entscheidung gekommen ist, werden von der Revision mit Recht beanstandet.
Im Berufungsurteil wird diese Begrenzung der Ersatzpflicht wie folgt begründet: Der Sachverständige Dr. M. sei unter Zugrundelegung der dem Unternehmen des Klägers eigentümlichen wirtschaftlichen Verhältnisse in Verbindung mit der allgemeinen Entwirklung im Fernverkehrsgewerbe zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger, auch wenn er nicht mehr als Fahrer tätig gewesen wäre, ab 1960 schon wieder so viel verdient hätte, daß die Kosten eines Fahrers "glatt verdaut" worden wären. Sei das Unternehmen aber - ohne den Unfall - ab 1960 in der Lage gewesen, auch ohne eine Fahrertätigkeit des Klägers die Aufwendungen für einen angestellten Fahrer zu finanzieren, so komme von diesem Zeitpunkt ab dem Ausfall des Klägers durch den Unfall hinsichtlich der Lohnaufwendungen keine Bedeutung mehr zu. Daher könne eine Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz von Lohnaufwendungen für einen Fahrer nur für die Zeit bis Ende 1959 bejaht werden.
Diese Betrachtungsweise kann rechtlich nicht gebilligt werden. Wenn der Betrieb, wie das Berufungsgericht annimmt, ab 1960 einen angestellten. Fahrer "glatt verdaut" hätte, so bedeutet dies, daß das Unternehmen die Aufwendungen für den Fahrer ohne Schwierigkeiten hätte aufbringen können. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß der Kläger bei Fortführung des Betriebes von diesem Zeitpunkt an nicht mehr durch den Unfall geschädigt gewesen sei. Wenn er selbst unfallbedingt nicht mehr fahren konnte, liegt es nahe, daß sein Gewinn auch nach 1960 durch die Lohnaufwendungen für einen Fahrer geschmälert worden wäre. Darin hätte dann sein Schaden bestanden.
Es ist nichts dafür dargetan, daß der Kläger auch ohne den Unfall ab 1960 die eigene Fahrtätigkeit eingestellt und den Betrieb nur noch mit einem oder mehreren Fahrern aufrechterhalten hätte. Der Kläger stand im Jahre 1960 im 54. Lebensjahr. Auch der Sachverständige Dr. M. nimmt an, daß der Kläger ohne den Unfall mindestens bis zum 60. Lebensjahr gefahren wäre. Er verweist darauf, daß viele Fahrer auch nach dem 60. Lebensjahr noch in der Lage sind, Lastzüge im Fernverkehr regelmäßig zu fahren.
Hiernach können dem Kläger Ersatzansprüche für die Zeit ab 1. Januar 1960 nicht mit der Begründung versagt werden, die das Berufungsgericht in seinem Urteil gegeben hat.
3.
Bedenken sind auch gegen die Gründe zu erheben, aus denen das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Ersatz von Spesen verneint hat. Es hält nicht für dargetan, daß nach dem Unfall auf den Fernfahrten höhere Aufwendungen an Spesen angefallen seien, als der Kläger für sich und Frau hätte erbringen müssen, wenn sich der Unfall nicht ereignet hätte und der Kläger weiterhin als Fahrer hätte tätig sein können. Dabei ist jedoch, wie die Revision mit Recht rügt, ungeprüft geblieben, ob nicht die Ausgaben des Klägers und seiner Frau für Verzehr auf den Fernfahrten ihnen Ersparnisse im Haushalt einbrachten, die ihnen nach dem Unfall entgingen, weil die an den angestellten Fahrer gezahlten Spesen Ausgaben ohne Gegenvorteil waren. Das Berufungsgericht hätte dieser Behauptung des Klägers nachgehen und gegebenenfalls nach § 287 ZPO schätzen müssen, ob und inwieweit dem Kläger insoweit ein von den Beklagten zu ersetzender Schaden entstanden ist.
4.
Dagegen können die weiteren Angriffe der Revision gegen diesen Teil des Berufungsurteils (Klageantrag Nr. 1) keinen Erfolg haben.
a)
Das Berufungsgericht hatte über die Höhe des zu ersetzenden Schadens nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Oberzeugung zu entscheiden. Bei dem großen Ermessensspielraum, den diese Bestimmung dem Tatrichter gewährt, sind der Nachprüfung des Revisionsgerichts von vornherein enge Grenzen gezogen. Der Senat kann nur prüfen, ob die Ermittlung des Schadens auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und ob wesentliche Tatsachen außer acht gelassen worden sind. Daß das Berufungsurteil außer in den oben erwähnten Punkten weitere Rechtsfehler dieser Art zum Nachteil des Klägers enthalte, kann der Revision nicht zugegeben werden.
b)
Rechtsirrtumsfrei hat das Berufungsgericht angenommen, daß der Kläger keinen Ersatz von Aufwendungen für einen zweiten Fahrer beanspruchen kann.
Dem Kläger könnten insoweit Ersatzansprüche zustehen, wenn infolge seines Unfalls nicht nur er als Fahrer, sondern ab Oktober 1955 auch seine Ehefrau als Beifahrerin ausgefallen wäre. Das ist jedoch nicht festgestellt. Die damalige Ehefrau des Klägers hat früher ihren Mann und nach dessen Unfall den eingestellten Ersatzfahrer als Beifahrerin begleitet. Sie hat diese (Tätigkeit eingestellt, als der Ersatzfahrer Rehders im Oktober 1955 einen Unfall verursachte und der Kläger daraufhin den Betrieb einstellte und das Unternehmen verkaufte. Das Berufungsgericht hat sich nicht davon überzeugen können, daß die damalige Ehefrau des Klägers von dieser Zeit an aus Gründen, die auf den Unfall ihres Mannes zurückzuführen sind, nicht mehr hätte als Beifahrerin tätig sein können, so daß bei der unterstellten Fortführung des Betriebes jetzt ein zweiter Fahrer hätte eingestellt werden müssen. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zu dieser Frage halten sich im Rahmen der dem Tatrichter zustehenden freien richterlichen Beweiswürdigung; sie sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
c)
Vergebens wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht auf den Ersatzanspruch des Klägers für die Zeit bis 31. Dezember 1959 (27.870 DM und Zinsen) auch den Betrag von 8.500 DM verrechnet hat, den der Haftpflichtversicherer der Beklagten am 29. August 1958 gezahlt hat.
Der Kläger muß sich diese Zahlung auf die hier in Betracht kommende Schadensersatzforderung anrechnen lassen. Hiervon ist er zunächst selbst ausgegangen, denn er hat im ersten Rechtszug stets seinen Anspruch auf Ersatz des durch die Aufgabe des Unternehmens entstandenen Schadens um den Betrag von 8.500 DM gekürzt und ist erst im zweiten Rechtszug mit der Behauptung hervorgetreten, die Zahlung von 8.500 DM sei für die Anschaffung eines gebrauchten Personenkraftwagens Opel Kapitän bestimmt gewesen. Das Berufungsgericht verweist mit Recht darauf, daß der Kläger sich damit mit seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzte. Zudem ist aber auch nichts dafür dargetan, daß die Beklagten verpflichtet oder bereit gewesen wären, ihm die Kosten für die Anschaffung dieses Fahrzeugs zu ersetzen. Der Kläger war nach seinem eigenen Vorbringen schon seit 1955 im Besitz eines gebrauchten Opel-Kapitän und hat im Jahre 1956 wiederum einen Gebrauchtwagen dieses Typs erworben. Wenn sich der Kläger im Jahre 1958 erneut einen gebrauchten Opel-Kapitän angeschafft hat, so ist kein Rechtsgrund ersichtlich, aus dem die Beklagten verpflichtet sein könnten, ihm die Anschaffungskosten zu ersetzen.
d)
Nach der Meinung des Berufungsgerichts kann der Kläger auf seine Schadensersatzforderung nach §§ 288, 291 BGB 4 % Zinsen beanspruchen. Die darüber hinaus geforderten Zinsen hat es ihm aberkannt, weil er substantiiert nicht behauptet habe, wann und in welcher Höhe er unfallbedingt oder infolge Verzugs der Beklagten Kredite mit einem Zinsfuß von 12 % aufgenommen oder in anderer Höhe Verzugsschaden gehabt habe. Auch dagegen ist rechtlich nichts einzuwenden.
II.
Zu billigen ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, daß dem Kläger kein Anspruch auf Ersatz der Kosten für eine im Jahre 1954 durchgeführte Fahrzeugreparatur (4.070 DM) zusteht.
Diese Reparatur ist, wie der Kläger selbst vorträgt, durch unsorgfältiges Fahren des damaligen Ersatzfahrers Gleide notwendig geworden. Für die hierdurch entstandenen Kosten können nach der Ansicht, des Berufungsgerichts die Beklagten nicht haftbar gemacht werden, weil der Schaden durch ein unsachgemäßes Eingreifen eines Dritten entstanden und somit nicht adäquat ursächlich auf den Unfall des Klägers zurückzuführen sei.
Demgegenüber meint die Revision: Das Berufungsgericht habe verkannt, daß die Einstellung des Ersatzfahrer G. eine adäquate Folge des Unfalls vom 31. Dezember 1953 gewesen sei. Es liege nicht außerhalb jeder Erfahrung, daß ein solcher Ersatzfahrer unsorgfältig fahre und seinem Arbeitgeber Schaden verursache. Deshalb seien die Reparaturkosten von 4.070 DM als adäquater Schaden von den Beklagten zu erstatten.
Hierin kann der Revision nicht gefolgt werden. Ihr ist zuzugeben, daß eine durchgehende Ursachenreihe von der unerlaubten Handlung des Beklagten S. bis zu dem hier in Betracht kommenden schädlichen Erfolg führt, denn ohne, den von den Beklagten zu verantwortenden Unfall des Klägers wäre der Ersatzfahrer nicht eingestellt worden und es daher auch nicht zu dem konkreten Fahrzeugschaden gekommen, den er im Jahre 1954 verschuldet hat. Die Revision irrt aber mit ihrer Meinung, daß dieser Kausalzusammenhang als adäquat anzusehen und den Beklagten zuzurechnen sei. Es entspricht keineswegs allgemeiner Erfahrung, daß ein ordentlicher Ersatzfahrer unsorgfältiger fährt als der Fahrzeughalter und daß die Einstellung eines solchen Fahrers das Unfallrisiko erhöhe. Der von G. verursachte. Schaden ist deshalb nicht den Beklagten zuzurechnen.
Es ist nichts dafür dargetan, daß der Kläger gezwungen gewesen sei, einen unzuverlässigen Fahrer einzustellen. Daher kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der Kläger in einem solchen. Fall Ersatz der Reparatur kosten von den Beklagten beanspruchen könnte.
III.
1.
Den Anspruch auf Ersatz des durch den Verkauf des Fuhrunternehmens entstandenen Schadens bat der Kläger im wesentlichen auf die Behauptung gestutzt, die Einstellung des Betriebes im Oktober/November 1955 und die Veräußerung des Unternehmens sei aus kaufmännischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten infolge seines Unfalls vom 31. Dezember 1953, vor allem wegen der ausgebliebenen Ersatzleistungen der Beklagten, notwendig gewesen. Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen für einen solchen Schadensersatzanspruch nicht für gegeben. Nach seinen Feststellungen bestand für den Kläger im Oktober/November 1955 kein Anlaß, der es rechtfertigen konnte, das Fernverkehrsunternehmen aufzugeben und zu veräußern. Das Berufungsgericht hat die geschäftliche Entwicklung des Unternehmens in der Zeit vor und nach dem Unfall miteinander verglichen und - gestützt auf die Gutachten der Sachverständigen K. und Dr. M. - festgestellt, daß in den Jahren 1954 und 1955, in denen der Kläger das Unternehmen mit Hilfe eines angestellten Fahrers weiter betrieben hatte, der Umsatz und der Gewinn des Unternehmens erheblich gestiegen waren und sich auch das Vermögen des Klägers vermehrt hatte. Da bei diesem Ergebnis die Aufwendungen des Unternehmens für einen Ersatzfahrer berücksichtigt sind und trotzdem eine erhebliche Steigerung der Umsätze und der Gewinne erzielt wurde, war es nach der Ansicht des Berufungsgerichts nicht gerechtfertigt, das Unternehmen im Herbst 1955 stillzulegen und aufzugeben. Auf keinen Fall, so wird im Berufungsurteil ausgeführt, könne festgestellt werden, daß das Ausbleiben der Ersatzleistungen die Aufgabe des Betriebes notwendig gemacht habe.
2.
a)
Die Revision wirft dem Berufungsgericht in erster Linie vor, es habe die Grundsätze der Adäquanz verkannt. Sie meint: Es komme nicht darauf an, ob für einen objektiv gesunden Transportunternehmer die Stillegung des Betriebes im Bereich der Wahrscheinlichkeit gelegen und ob er Anlaß gehabt habe, den Betrieb stillzulegen. Dieses Wahrscheinlichkeitsurteil sei vielmehr auf der Grundlage der besonderen Lage des Klägers zur Zeit der Stillegung zu fällen.
Diese Rüge kann keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung gerade auf die besondere Lage abgestellt, in der sich der Kläger und sein Unternehmen im Oktober/November 1955 befanden. Es hat alle Umstände geprüft und gewürdigt, die nach der Behauptung des Klägers für die Beurteilung seiner damaligen Lage und für seinen Entschluß, den Betrieb aufzugeben, von Bedeutung waren (u.a. Wechsel Verbindlichkeiten, Ausfall des Fahrers, R., angeblicher Zusammenbruch der Ehefrau).
b)
Als Anlaß und eigentlicher Grund für die Aufgabe und die Veräußerung des Unternehmens verbleibt nach der Oberzeugung des Berufungsgerichts nur die Tatsache, daß R. im Oktober 1955 bei einem Unfall verletzt wurde und deshalb als Fahrer ausfiel. Das allein rechtfertigte es nicht, den wirtschaftlich gesunden Betrieb einzustellen. Ber Kläger war vielmehr den Beklagten gegenüber verpflichtet, an Stelle von R. einen anderen Fahrer einzustellen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus seiner Pflicht, den Schaden aus seinem Unfall vom 31. Dezember 1953 zu mindern (§ 254 Abs. 2 BGB). Baß es nicht möglich gewesen sei, in Hamburg einen geeigneten Ersatzfahrer zu finden, ist nicht dargetan. Ber Kläger hat nicht einmal substantiiert vorgetragen, ob und weiche Bemühungen er unternommen hat, um einen anderen Fahrer zu bekommen.
c)
Der Revision ist zuzugeben, daß gegen, eine Fortführung des Unternehmens Bedenken hätten bestehen müssen, wenn damals nicht nur der Fahrer R., sondern wegen eines Zusammenbruchs auch die Ehefrau des Klägers als Beifahrerin ausgefallen wäre und der Kläger deshalb zwei Fahrer hätte einstellen müssen. Baß dies notwendig war, ist jedoch nicht festgestellt. Das Berufungsgericht hält vielmehr aufgrund der Aussage, die die frühere Ehefrau des Klägers als Zeugin gemacht hat, für bewiesen, daß sie zu der Zeit, als Rehders nach seinem Unfall ausfiel, durchaus noch in der Lage war, als Fahrerin tätig zu sein. Sie hatte noch nach dem Ausscheiden von Rehders der beklagten Firma P. zweimal angeboten, als selbständige Unternehmerin, d.h. als Fahrerin, für sie tätig zu sein. Jedenfalls war, wie das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei feststellt, im Herbst 1955 nicht erkennbar, daß und wann sie aus Gesundheitsgründen für den Betrieb ausfallen werde.
d)
Wenn, wie rechtsfehlerfrei festgestellt ist, der Verkauf des Unternehmens, nach der Ertragslage objektiv nicht gerechtfertigt war, so könnten sich gleichwohl Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten ergeben, falls der Kläger bei seinem Unfall gesundheitliche Schäden davongetragen hätte, die ihn außerstande setzten, wie ein Gesunder alle wirtschaftlichen Möglichkeiten richtig abzuwägen. Dafür, daß er infolge seines Unfalls hierzu nicht mehr in der Lage gewesen sei, ist jedoch nichts dargetan. Die Revision verweist in diesem Zusammenhang auf die schweren Fußverletzungen des Klägers und meint, es sei verständlich und nicht außergewöhnlich, daß er nach seinem Ausscheiden als Fahrer resigniert und das Fernverkehr sunt ernennen aufgegeben habe. Dieses Vorbringen kann ihr jedoch nicht zum Erfolg verhelfen, denn daraus kann nicht hergeleitet werden, daß der Kläger berechtigt sei, die nachteiligen Folgen aus dem wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Verkauf des Unternehmens auf die Beklagten abzuwälzen.
e)
Von einer Vernehmung des Rechtsanwalts Dr. St. und des Steuerbevollmächtigten W. konnte das Berufungsgericht absehen, ohne dadurch gegen das Verfahrensrecht zu verstoßen. Es hat die durch diese Zeugen unter Beweis gestellten Tatsachen als wahr unterstellt. Dann ist aber in der Nicht Vernehmung dieser Zeugen kein Verstoß gegen § 286 ZPO zu erblicken.
IV.
Soweit der Kläger die Kosten einer Heilkur (4.394,24 DM) ersetzt verlangt, hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen, weil es nicht für erwiesen hält, daß diese Kur notwendig und zweckmäßig gewesen sei. Es hat ausgeführt: Die Berufsgenossenschaft habe, wie der Kläger selbst nicht bestreite, eine Heilkur mit der Begründung abgelehnt, daß eine Besserung nicht zu erwarten sei. Diese Entscheidung habe der Kläger nicht auszuräumen vermocht, zumal der Arzt, der ihm zu der Kur geraten habe, verstorben sei.
Mit Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht in dieser Frage die Möglichkeiten der Aufklärung nicht erschöpft hat. Allerdings hat der Kläger vorgetragen, die Kur sei ihm von dem inzwischen verstorbenen Professor M. verordnet worden.
Er hat aber gleichzeitig zum Beweis dafür, daß die Kur zur Behandlung der Unfallfolgen erforderlich war, beantragt, die Behandlungsunterlagen der Orthopädischen Klinik Hamburg-Eppendorf bei zuziehen und den behandelnden Arzt Dr. D. als sachverständigen Zeugen zu vernehmen. Diesen Beweis antragen hätte stattgegeben werden müssen.
V.
Im übrigen greifen die Angriffe der Revision gegen das Berufungsurteil nicht durch. Soweit es sich um Verfahrensrügen handelt, ist es nicht erforderlich, hierauf im einzelnen einzugehen (Art. 1 Nr. 4 des Entlastungsgesetzes).
VI.
Zusammenfassend ergibt sich, daß die Revision in drei Punkten Erfolg hat. Das Berufungsurteil kann nicht bestehen bleiben, soweit die Klage hinsichtlich der Ersatzansprüche für die Zeit ab 1. Januar 1960, hinsichtlich des Spesenersatzes und hinsichtlich der Kosten für eine Heilkur abgewiesen wurde. Da zu diesen fragen weitere tatsächliche Feststellungen erförderlich sind, war die Sache insoweit zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Betrag von 33.699,62 DM, dessentwegen das Berufungsurteil aufgehoben wurde, umfaßt 4.394,24 DM, die der Kläger als Kosten für eine Heilkur beansprucht, 5.183,82 DM, die als Spesenersatz gefordert werden, und 24.121,56 DM (18.121,56 DM plus 6.000 DM) für Lohnaufwendungen. Der Kläger hat mit seinem Klageantrag Nr. 1 zum Ersatz für Lohnaufwendungen für die Zeit vom 14. Februar 1961 bis 30. Juni 1962 18.121,56 DM verlangt (Bl. 1100). Da ihm auch für die vorhergehende Zeit (1. Januar 1960 bis 13. Februar 1961) ein Ersatzanspruch zustehen könnte, war das Berufungsurteil auch wegen des für diese Zeit in Betracht kommenden Betrages aufzuheben. Das Berufungsgericht hat für die Zeit bis einschließlich 1959 einen Schaden von jährlich 4.645 DM angenommen. Da sich für die spätere Zeit ein höherer Schaden ergeben könnte, erschien es angebracht, für die Zeit vom 1. Januar 1960 bis 13. Februar 1961 einstweilen einen Betrag von 6.000 DM zugrunde zu legen.
VII.
Soweit der Senat die Kosten des Revisionsverfahrens dem Kläger zur Last gelegt hat, beruht die Entscheidung auf §§ 97, 92, ZPO. Welche Partei die restlichen Kosten der Revision zu tragen hat, hängt von der neuen Entscheidung des Berufungsgerichts ab. Daher war ihm auch diese Entscheidung zu übertragen.
VIII.
In der neuen Verhandlung wird gegebenenfalls zu beachten sein, daß der Ersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten Sch. nach der Auffassung des Berufungsgerichts nur zur Hälfte begründet ist. Ferner wird zu berücksichtigen sein, daß der Kläger hilfsweise für den im neugegründeten Nahverkehrsunternehmen eingestellten Fahrer B. für die Zeit vom 1. Juli 1962 bis 30. Juli 1963 Aufwendungen in Höhe von 9.581,08 DM geltend gemacht hat (vgl. Schriftsatz vom 17. Mai 1967 S, 8 und 9).
Fundstellen
Haufe-Index 3018660 |
VersR 1971, 82-84 (Volltext mit amtl. LS) |