Leitsatz (amtlich)
Die Erhöhung der Prozeßgebühr bei mehreren Wohnungseigentumern als Auftraggebern hängt weder von dem tatsächlichen Eintritt einer Mehrbelastung des Rechtsanwalts durch die mehreren Auftraggeber noch einer dann jedenfalls im „Regelfall” eintretenden Mehrbelastung ab.
Normenkette
BRAGO § 6 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 06.05.1982; Aktenzeichen 10 O 77/82) |
Tenor
Die Sprungrevision der Kläger gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 6. Mai 1982 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsrechtszuges.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der beklagte Rechtsanwalt vertrat die – eine Wohnungseigentümergemeinschaft bildenden – 24 Kläger als Prozeßbevollmächtigter in einem Rechtsstreit, in dem diese Gewährleistungsansprüche gegen ihren Bauträger geltend machten. In seiner Kostenrechnung vom 7. Februar 1979 verlangte der Beklagte u. a. wegen der Vertretung mehrerer Auftraggeber eine erhöhte Prozeßgebühr, insgesamt 2.961,20 DM. Die Kläger zahlten nur einen Betrag von 1.950 DM.
In dem am Ende des Vorprozesses durchgeführten Kostenfestsetzungsverfahren versagte das Oberlandesgericht Köln den Klägern, die obsiegt hatten, eine Erstattung der Mehr vertretungskosten.
Die Kläger haben vorgetragen, sie schuldeten dem Beklagten keine Gebühr für die Vertretung mehrerer Auftraggeber. Auch dürfe der Beklagte von ihnen nicht mehr fordern, als ihnen im Vorprozeß erstattet worden sei.
Die Kläger haben beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie den rechnerisch unstreitigen überzahlten Betrag von 748,40 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Sprungrevision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihren Klagantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Auf Antrag der Kläger war angesichts des Ausbleibens des trotz rechtzeitiger Ladung zur Revisionsverhandlung nicht erschienenen Beklagten durch Versäumnisurteil sachlich zu entscheiden (BGHZ 37, 79).
Die Sprungrevision ist unbegründet.
I.
Die Kläger können dem Beklagten nicht entgegenhalten, daß ihnen die Erstattung der Mehrvertretungskosten im Vorprozeß versagt worden ist. Das Landgericht ist ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß dieser Umstand für das Rechtsverhältnis der Parteien dieses Rechtsstreits ohne Bedeutung ist. Eine gerichtliche Kostenentscheidung ordnet die Kostenpflicht und den Umfang der Erstattung der Kosten stets nur im Verhältnis der Prozeßparteien zueinander an; sie stellt nicht Grund und Höhe der von jeder Partei ihrem Prozeßbevollmächtigten geschuldeten Gebühren fest (Stein/Jonas/Leipold ZPO 20. Aufl. vor § 91 Rdn. 22, 32; Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO 41. Aufl. § 91 Anm. 1 E).
II.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BRAGO erhält der Rechtsanwalt, wenn er in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, die Gebühren nur einmal. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO erhöht sich die Prozeßgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) durch jeden weiteren Auftraggeber um 3/10, wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist; mehrere Erhöhungen dürfen den Betrag von zwei vollen Gebühren nicht übersteigen. Entgegen der Meinung der Revision ist dem Beklagten nach diesen Vorschriften eine erhöhte Prozeßgebühr erwachsen.
1. Unter den Parteien herrscht kein Streit darüber, daß der Beklagte im Vorprozeß für die Kläger in derselben Angelegenheit (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BRAGO) tätig geworden ist. Auch hat sich diese Angelegenheit auf denselben Gegenstand bezogen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO).
2. Auftraggeber des Beklagten im Vorprozeß sind die 24 Mitglieder der Gemeinschaft, also mehrere Auftraggeber, gewesen.
a) Auftraggeber des Rechtsanwalts kann nur eine rechtsfähige Person sein. Eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern ist eine besonders ausgestaltete Miteigentümergemeinschaft nach Bruchteilen. Eine solche Gemeinschaft ist nicht rechtsfähig (allg. Meinung; vgl. RGRK-BGB 12. Aufl. WEG § 10 Rdn. 1, § 21 Rdn. 4). Auch kann eine solche Gemeinschaft nicht wie eine Handelsgesellschaft nach §§ 124, 161 HGB im Rechtsverkehr als Einheit auftreten.
b) Entgegen der Auffassung der Revision, die insoweit dem Oberlandesgericht Köln folgt (Beschluß im Vorprozeß vom 6. April 1981 – 17 W 451/80), kann eine Mehrheit von Vohnungseigentümern jedenfalls dann, wenn sie, wie es im Vorprozeß der Fall war, ohne Mitwirkung eines Verwalters klagt, nicht nach dem „Normzweck” des § 6 BRAGO als nur ein Auftraggeber angesehen werden.
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Prozeßgebühr bei mehreren Auftraggebern erhöht werden, weil der Rechtsanwalt durch seine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber mehr als sonst belastet wird (BT-Drucks. 7/2016 S. 99; BT-Drucks. 7/3243 S. 7). Der Bundesrat wollte der Erhöhung der Prozeßgebühr zunächst nur zustimmen, wenn sie, wie es nach dem Rechtszustand bis zum 5. September 1975, dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes vom 20. August 1975 (BGBl I S. 2189), der Fall war, auf nacheinander erteilte Aufträge beschränkt werde, da bei gleichzeitiger Auftragserteilung „im Regelfall” dem Rechtsanwalt „keine erhebliche Mehrarbeit” erwachse, die Erhöhung bei mehreren Auftraggebern sich aber nur bei erheblicher Mehrbelastung rechtfertigen lasse (BT-Drucks 7/3498 S. 12). Der Bundestag hatte sich demgegenüber dafür ausgesprochen, die Gebühren auch bei gleichzeitiger Auftragserteilung zu erhöhen (BT-Drucks. 7/3243 S. 76). Im Vermittlung sausschuß setzte sich die Auffassung des Bundestages mit der hier unwesentlichen Modifikation durch, daß das Maß der Erhöhung für jeden weiteren Auftraggeber von der Hälfte auf ein Drittel der Prozeßgebühr herabgesetzt wurde (BT-Drucks. 7/3803 S. 6).
Der Gesetzgeber hat danach eine Mehrbelastung des Rechtsanwalts bei einer Tätigkeit für mehrere Auftraggeber aufgrund der Lebenserfahrung allgemein unterstellt. Die Erhöhung der Prozeßgebühr bei mehreren Auftraggebern hängt daher nicht davon ab, ob im Einzelfall eine Mehrbelastung des Rechtsanwalts tatsächlich eintritt oder ob bei bestimmten Sachverhalten im „Regelfall” eine Mehrbelastung angenommen werden kann.
Es geht deshalb nicht an, einem Rechtsanwalt wegen des „Normzwecks” des Gesetzes beim Fehlen einer tatsächlichen Mehrbelastung die Erhöhung der Prozeßgebühr bei mehreren Auftraggebern zu versagen, wenn die übrigen Voraussetzungen dafür eingetreten sind.
c) Eine Berücksichtigung der tatsächlich eingetretenen Mehrbelastung durch mehrere Auftraggeber bei der Bemessung der Prozeßgebühr würde auch dem System des Gebührenrechts fremd sein. Die Vorschrift des § 6 BRAGO sieht eine sog. Pauschgebühr vor. Solche Gebühren gelten, anders als Rahmengebühren nach § 12 BRAGO, die vom Gebührentatbestand erfaßte Tätigkeit ab, ohne daß es darauf ankommt, ob der Rechtsanwalt im Einzelfall viel oder wenig Arbeit und Mühe aufwenden mußte (Gerold/Schmidt BRAGO 7. Aufl. § 13 Rdn. 2; Schumann/Geißinger BRAGO 2. Aufl. § 13 Rdn. 2; Swolana BRAGO 6. Aufl. § 13 Anm. 1).
d) Entgegen der Meinung der Revision hängt eine Gebührenerhöhung nach § 6 BRAGO auch nicht davon ab, ob die mehreren Auftraggeber an den Rechtsanwalt aufgrund einer einheitlichen Willensbildung herangetreten sind. Die Informationsaufnahme des Rechtsanwalts mag in solchen Fällen einfacher sein als sonst. Eine durch die Tätigkeit führ mehrere Auftraggeber mögliche Mehrbelastung entfällt deshalb aber noch nicht, weil der Rechtsanwalt auch dann die Rechte jedes einzelnen Auftraggebers beachten und ihn von der Ausführung des Auftrags unterrichten muß.
e) Die ganz überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung und dem Schrifttum billigt dem Rechtsanwalt aus diesen Gründen eine erhöhte Prozeßgebühr bei mehreren Auftraggebern zu, ohne darauf abzustellen, ob und in welchem Umfang er durch das Vorhandensein der mehreren Auftraggeber tatsächlich mehr belastet worden ist (in diesem Sinne bei mehreren Wohnungseigentümern als Auftraggebern; OLG Bamberg JurBüro 1978, 1016; Hans.OLG Hamburg aaO S. 1018; OLG Frankfurt am Main JurBüro 1979, 199; OLG Karlsruhe AnwBl 1979, 435; OLG Düsseldorf AnwBl 1980, 75; Gerold/Schmidt aaO § 6 Rdn. 13; Göttlich/Mümmler BRAGO 14. Aufl. unter; Mehrere Auftraggeber Nr. 6.2; Hartmann, Kostengesetze, 21. Aufl. § 6 Anm. 2 unter Wohnungseigentümer; ebenso der Sache nach Riedel/Sußbauer BRAGO 4. Aufl. § 6 Rdn. 11; Swolana BRAGO 6. Aufl. § 6 Anm. 2).
3. Die Revision mußte daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden.
Unterschriften
K, T, B, Richter Dr. E hat Urlaub und kann nicht unterschreiben. K, W
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 06.10.1983 durch Schorm, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512420 |
Nachschlagewerk BGH |