Leitsatz (amtlich)
›Ein Unterhaltspflichtiger muß unter bestimmten Voraussetzungen als Beleg für die Höhe seiner Einkünfte auch seinen Dienst- oder Arbeitsvertrag vorlegen.‹
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe |
AG Heidelberg |
Tatbestand
Der im Jahre 1972 geborene Kläger ist der eheliche Sohn des Beklagten. Seit der Scheidung seiner Eltern im Jahre 1983 lebt er bei der Mutter, der bis zu seiner Volljährigkeit auch das Sorgerecht zustand; sie gewährt ihm, solange er noch das Gymnasium besucht, weiterhin Wohnung und Naturalunterhalt. Der in Rom wohnhafte Beklagte ist Landwirtschaftsexperte; er ist seit 1983 bei der ›Food and Agriculture Organization‹ (FAO) angestellt, der Sonderorganisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft.
Der Kläger, der aufgrund des Urteils des Amtsgerichts B. vom 31. Oktober 1986 monatlich 525 DM Unterhalt vom Beklagten erhält, erstrebt im Wege der Stufenklage eine Unterhaltserhöhung ab 1. Januar 1989. In der ersten Stufe hatte er ursprünglich mit der Behauptung, die Auskunft des Beklagten über seine Bezüge bei der FAO in den Jahren 1986 bis 1989 sei unklar, ein Teilurteil des Familiengerichts H. vom 6. April 1990 erwirkt, durch das der Beklagte u.a. verurteilt wurde, zuzustimmen, daß das Familiengericht als Beleg für die Auskunft des Beklagten über seine Dienstbezüge bei der FAO von dieser Behörde eine Kopie des Dienstvertrages einholt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insoweit mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte könne nicht gezwungen werden, durch seine Zustimmung an einer solchen gerichtlichen Maßnahme mitzuwirken, selbst wenn er verpflichtet wäre, den Arbeitsvertrag dem Kläger vorzulegen. In dem danach in erster Instanz fortgesetzten Verfahren hat der Kläger unter Hinweis darauf, daß der Beklagte seit dem 1. Februar 1991 zum ›Senior Officer‹ befördert worden sei und demgemäß erheblich höhere Bezüge erhalte, beantragt, den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger unter Vorlage seines Dienstvertrages mit der FAO und der dazugehörigen Zusatz- und Ergänzungsverträge Auskunft über seine Bezüge zu erteilen.
Das Amtsgericht hat den Beklagten durch Teilurteil verurteilt, dem Kläger seinen mit der FAO abgeschlossenen Dienstvertrag mit allen dazugehörigen Zusatz- und Ergänzungsverträgen vorzulegen; im übrigen hat es den Antrag auf Auskunftserteilung abgewiesen. Die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage erreichen. Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (BGHZ 44, 46), ist gegeben. Sie folgt sowohl aus Art. 5 Nr. 2 EGÜbk wie auch - im Falle seiner Anwendbarkeit neben dem genannten Übereinkommen (vgl. Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 15 Rdn. 15 ff) - aus § 15 ZPO, der für die Klage gegen den in Italien wohnhaften Beklagten eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts H. begründet. Denn der Beklagte, der aufgrund seiner Anstellung bei der FAO zu den unter § 15 ZPO fallenden Personen gehört (vgl. dazu Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., Einl. Rdn. 661, Stichwort Vereinte Nationen m.w.N.), hatte seinen letzten inländischen Wohnsitz im Bezirk dieses Amtsgerichts.
Der Beklagte ist nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit freigestellt. Als gehobener Angestellter der FAO genießt er zwar möglicherweise Immunität (vgl. Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Rom vom 27. Februar 1991 an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers). Das gilt aber nur für Handlungen in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit (vgl. Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen, 5. Aufl., S. 267). An der Zuständigkeit der deutschen Gerichte zur Entscheidung über Unterhaltsverpflichtungen des Beklagten gegenüber dem Kläger als seinem in Deutschland lebenden unterhaltsberechtigten ehelichen Kind besteht unter diesem Gesichtspunkt keine Beschränkung. Eine solche wird auch von der Revision nicht in Anspruch genommen.
II. 1. Die allein noch streitige Verpflichtung des Beklagten, seinen Dienstvertrag bei der FAO nebst Ergänzungen dem Kläger vorzulegen, kann nur als - wenn auch selbständige - Nebenpflicht zu einer Auskunftspflicht bestehen. Denn das Gesetz knüpft die Verpflichtung, auf Verlangen Belege über die Höhe der Einkünfte vorzulegen, in Satz 2 des § 1605 Abs. 1 BGB an die im ersten Satz dieser Vorschrift normierte Verpflichtung an, wonach Verwandte in gerader Linie einander auf Verlangen über die Höhe ihrer Einkünfte (und ihr Vermögen) Auskunft erteilen müssen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruches oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. § 1605 Abs. 2 BGB bestimmt zusätzlich, daß vor Ablauf von zwei Jahren Auskunft erneut nur verlangt werden kann, wenn glaubhaft gemacht wird, daß der zur Auskunft Verpflichtete später wesentlich höhere Einkünfte erworben hat.
Das Oberlandesgericht hat danach folgerichtig und rechtsfehlerfrei zunächst festgestellt, daß der Beklagte auskunftspflichtig ist. Dazu hat es ausgeführt, die Sperre des § 1605 Abs. 2 BGB stehe einem erneuten Auskunftsverlangen des Klägers nicht entgegen, weil sich die Einkünfte des Beklagten nach Erlaß des ersten Berufungsurteils vom 29. November 1990 dadurch erheblich verbessert hätten, daß er seit dem 1. Februar 1991 aufgrund der Beförderung zum Senior Officer Bezüge nach der Gehaltsgruppe P 5 erhalte, die nach der Gehaltsübersicht der FAO um rund 20 % höher lägen als in der bis dahin für den Beklagten maßgeblichen Gruppe P 4.
Die Revision erhebt hiergegen auch genausowenig Bedenken, wie gegen die weitere Feststellung des Berufungsgerichtes, es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die (erneute) Auskunft des Beklagten unter keinen Umständen für den Unterhaltsanspruch des Klägers von Bedeutung sei. Denn die Frage, ob der Beklagte über den bereits titulierten und von ihm auch gezahlten monatlichen Unterhalt von 525 DM hinaus Unterhalt an den Kläger leisten müsse, könne mit hinreichender Sicherheit erst beurteilt werden, wenn feststehe, welche Einkünfte der Beklagte tatsächlich habe. Diese Beurteilung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, nach der eine Auskunftsverpflichtung erst abzulehnen ist, wenn feststeht, daß die begehrte Auskunft den Unterhaltsanspruch unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann (Urteil vom 7. Juli 1982 - IVb ZR 738/80 - FamRZ 1982, 996, 997 m.w.N.).
2. Die Revision wendet sich gegen eine Verpflichtung des Beklagten, seinen Dienstvertrag mit der FAO als Beleg für seine Einkünfte vorzulegen.
a) Soweit die Revision zunächst geltend macht, der Beklagte habe sein Einkommen durch die von ihm im Laufe des Verfahrens beigebrachten Dokumente seiner Arbeitgeberin bereits ausreichend belegt, kann ihr nicht gefolgt werden. Das Oberlandesgericht ist zu der Beurteilung gelangt, daß die vom Beklagten vorgelegten Bescheinigungen der FAO aus den Jahren 1985 bis 1988 wie auch die unter dem 4. April 1991 und 6. November 1991 verfaßten Erklärungen sehr allgemein gehalten sind und nicht erkennen lassen, welcher Betrag (einschließlich aller möglichen Zulagen und Sonderzahlungen) konkret an den Beklagten ausgezahlt wurde; auch die schriftsätzlichen Erklärungen des Beklagten enthielten widersprüchliche Angaben, so daß weder das Gehaltsgefüge der FAO genügend durchschaubar noch für den Kläger eindeutig klar sei, welche Bezüge der Beklagte tatsächlich habe. Mit diesen zutreffenden und vom Berufungsgericht im einzelnen durch die widersprüchlichen Zahlenangaben des Beklagten belegten Ausführungen setzt sich die Revision nicht auseinander, so daß weiterhin unklar bleibt, welche Zahlen Geltung beanspruchen sollen und warum demgegenüber andere, verwirrende Beträge genannt werden. Entgegen der Auffassung der Revision kann daher nicht von einer - wenn auch unvollständigen - Erfüllung des Anspruchs auf Auskunft (samt ausreichenden Belegen) mit der Folge ausgegangen werden, daß sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur noch ein Verfahren über die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung anschließen könnte (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1983 - IVb ZR 391/81 - FamRZ 1983, 996, 998 m.w.N.).
b) Vergeblich bekämpft die Revision eine Verpflichtung des Beklagten, als Beleg über die Höhe der Einkünfte gemäß § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB seinen Dienstvertrag mit der FAO vorzulegen. Das Gesetz erläutert allerdings nicht näher, welche Art von Schriftstücken unter den Begriff ›Belege‹ fallen, sondern nennt nur beispielhaft (›insbesondere‹) Bescheinigungen des Arbeitgebers. Soweit eine Verdienstbescheinigung vorgelegt wird, die für den nachzuweisenden Zeitraum lückenlos sämtliche Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis ausweist, wird die Verpflichtung zur Vorlage von Belegen in der Regel damit erfüllt sein mit der Folge, daß der Auskunftsberechtigte nicht die Vorlage weiterer Dokumente - etwa des Arbeitsvertrages - verlangen kann. Liegt aber - wie hier vom Oberlandesgericht dargelegt - keine Verdienstbescheinigung vor, aus der sich zweifelsfrei entnehmen läßt, in welcher Höhe der Auskunftspflichtige für einen bestimmten Zeitraum Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis bezogen hat, kann grundsätzlich auch die Vorlage solcher Schriftstücke verlangt werden, aus denen. sich entsprechende Erkenntnisse gewinnen lassen. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung, die sicherstellen soll, daß der Berechtigte aufgrund der belegten Auskunft in die Lage versetzt wird, den Unterhaltsanspruch konkret zu berechnen und im Verfahren einen entsprechenden bezifferten Klageantrag zu stellen. In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, daß von einem selbständigen Gewerbetreibenden die Vorlage des Einkommenssteuerbescheides als Beleg verlangt werden kann (Senatsurteil vom 4. November 1981 - IVb ZR 624/80 - FamRZ 1982, 151, 152) und daneben im Regelfall auch die Vorlage der Kopie der zugrundeliegenden Einkommenssteuererklärung (Senatsurteil vom 7. April 1982 - IVb ZR 678/80 - FamRZ 1982, 680, 682 unter 3); von einem Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, der vom Gewinn der GmbH abhängige Einkünfte bezieht, kann auch die Vorlage von Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen der GmbH verlangt werden (Senatsurteile vom 7. April 1982 aaO S. 681 unter 2 und vom 29. Juni 1983 aaO). Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein unselbständig Erwerbstätiger seinen Dienst- oder Arbeitsvertrag vorlegen muß, hatte der Senat bisher zwar nicht zu entscheiden. Es bestehen jedoch keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine derartige Verpflichtung, wenn durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers die tatsächliche Höhe der insgesamt bezogenen Einkünfte nicht ausreichend belegt wird (vgl. Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 2. Aufl., Teil IV Rdnr. 504, 506; Griesche in Familiengerichtsbarkeit § 1605 BGB Rdnr. 17). Das trifft vor allem bei einer Tätigkeit im Ausland zu, wenn sich wie hier aus den vorgelegten Dokumenten nicht ergibt, welcher Betrag für welchen Zeitraum konkret ausgezahlt wurde, und ob daneben weitere Zahlungen erfolgen, weil sich das Gehaltsgefüge des Arbeitgebers möglicherweise aus mehreren im einzelnen nicht bekannten Elementen zusammensetzt und auch Aufwands- oder andere Entschädigungen geleistet werden (zutreffend OLG München FamRZ 1993, 202, 203). Dem steht nicht entgegen, daß ein Arbeitsvertrag regelmäßig nicht nur Bestimmungen zur Vergütung der Arbeitstätigkeit enthält. Soweit der Gesetzeszweck des § 1605 Abs. 1 BGB reicht, hat ein Interesse des Auskunfts- und Belegpflichtigen an der Verdeckung von individuellen Verhältnissen zurückzutreten.
c) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe den unter Beweisantritt gestellten Vortrag des Beklagten übergangen, es bestehe ein Verbot der FAO, seinen Dienstvertrag Dritten vorzulegen, und einem Angestellten, der diesem Verbot zuwiderhandele, drohe die Entlassung. Verfahrensrechtlich liegt insoweit schon deshalb kein Rechtsfehler vor, weil der Beklagte nur im ersten Rechtszug (so etwa im Schriftsatz vom 22. August 1991) einen entsprechenden Beweis (durch Auskunft der FAO) angeboten hat. In der Berufungsinstanz hat sich der Beklagte weder hierauf bezogen noch den Beweisantritt wiederholt, sondern lediglich auf das bereits vorliegende Schreiben der FAO vom 12. (richtig: 14.) Februar 1990 hingewiesen. Den Inhalt dieses Schreibens hat das Berufungsgericht indessen nicht nur wörtlich in den Entscheidungsgründen wiedergegeben, sondern eingehend gewürdigt; in tatrichterlicher Verantwortung ist es zu der Beurteilung gelangt, daß dem Beklagten nicht der Verlust des Arbeitsplatzes bei der FAO drohe, wenn er in Befolgung des Urteils eines deutschen Gerichtes in einem Unterhaltsrechtsstreit seinen Dienstvertrag dem Kläger vorlegen müsse. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
Fundstellen
Haufe-Index 2993227 |
NJW 1993, 3262 |
BGHR BGB § 1605 Abs. 1 Satz 2 Beleg 1 |
DRsp I(166)283a |
FamRZ 1994, 27 |
MDR 1994, 67 |
IPRspr. 1993, 132 |