Verfahrensgang
KG Berlin (Entscheidung vom 12.05.2005; Aktenzeichen 16 U 44/04) |
LG Berlin (Entscheidung vom 25.03.2004; Aktenzeichen 19 O 430/03) |
Tatbestand
Die Klägerin nimmt für das Land B. die Aufgabe der Entsorgung von Hausmüll und Bioabfällen wahr. Die Beklagte ist professionelle Hausverwalterin und Eigentümerin einer Vielzahl von Wohnungen. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Entgelte für die Müllentsorgung betreffend das Grundstück in B. für den Zeitraum vom 1. April 1997 bis 31. Dezember 1997. Am 28. Dezember 2000 hat die Klägerin den Erlass eines Mahnbescheids über die vorgenannten Forderungen beantragt. Dieser Mahnbescheid ist der Beklagten am 8. Januar 2001 zugestellt worden. Die Hauptforderung ist dort wie folgt bezeichnet worden:
"Dienstleistungsvertrag
1) gem. Rechnung Nr. 1623767720 vom 13.03.97 1.280,40 DM
2) gem. Rechnung Nr. 1623761720 vom 13.03.97 16.562,40 DM
3) gem. Rechnung Nr. 1623767720 vom 13.03.97 1.280,40 DM
4) gem. Rechnung Nr. 1623761720 vom 13.03.97 16.562,40 DM
5) gem. Rechnung Nr. 1623767720 vom 13.03.97 1.280,40 DM
6) gem. Rechnung Nr. 1623761720 vom 13.03.97 16.562,40 DM"
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Sie behauptet, sie habe die Rechnungen vom 13. März 1997 erstmalig mit der Anspruchsbegründung erhalten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klageforderung verjährt sei. Das Berufungsgericht hat der Klage in der Hauptsache in vollem Umfang stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der diese weiterhin die Klageabweisung erreichen will. Die Klägerin tritt dem entgegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die Verjährung der mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Forderungen verneint.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Durch die Zustellung des Mahnbescheids sei die Verjährungsfrist von vier Jahren gehemmt worden. Diese Wirkung sei mit Einreichung des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids eingetreten. Zwar erfordere die Hemmung der Verjährung die Zustellung eines ordnungsgemäßen Mahnbescheids. Dies setze nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Anspruch gegenüber anderen Ansprüchen abgrenzbar sei, damit der Schuldner erkennen könne, ob und wie er sich gegen ihn verteidigen könne. Diese Anforderungen erfülle der Mahnbescheid jedoch. Dieser enthalte Rechnungsnummern, Rechnungsdatum und Rechnungsbeträge. Es sei für die Individualisierung unerheblich, ob die Beklagte über eine Vielzahl von Grundstücken verfüge und ob die Ermittlung des Anspruchs umfangreiche buchhalterische Tätigkeiten erfordere. Die Beklagte habe aus den gleich lautenden Rechnungsdaten und den dreifach identischen Rechnungsnummern und Zahlbeträgen entnehmen können, dass die Rechnungen sich auf das 2. bis 4. Quartal 1997 bezogen hätten. Dass es sich um Kosten für die Entsorgung von Müll gehandelt habe, ergebe sich aus einer Aufaddierung der veröffentlichten Quartalstarife und aus einem Vergleich mit den Abrechnungen für die Straßenreinigung. Bei ordnungsgemäßer Verwaltung habe der Beklagten bekannt sein müssen, dass für den hier in Rede stehenden Gebäudekomplex eine Abrechnung der Betriebskosten gegenüber den Mietern in Bezug auf die Abfallentsorgung für das Jahr 1997 wegen einer fehlenden Rechnungslegung durch die Klägerin noch nicht habe erfolgen können. Aus alledem habe sie darauf schließen können und müssen, welche Forderungen die Klägerin mit dem Mahnbescheid geltend gemacht habe.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterbricht oder hemmt ein Mahnbescheid den Lauf der Verjährung nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinreichend individualisiert worden ist. Er muss durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein und der Schuldner erkennen kann, welcher Anspruch durch den Mahnbescheid geltend gemacht wird, damit er beurteilen kann, ob und in welchem Umfang er sich zur Wehr setzen will (BGH, Urt. v. 05.12.1991 - VII ZR 106/91, NJW 1992, 1111; Urt. v. 28.10.1993 - IX ZR 21/93, NJW 1994, 323, 324; Urt. v. 08.05.1996 - XII ZR 8/95, NJW 1996, 2152, 2153; Urt. v. 30.11.1999 - VI ZR 207/98, NJW 2000, 1420; Urt. v. 17.10.2000 - XI ZR 312/99, NJW 2001, 305, m.w.N.). Bei einer Mehrzahl von Forderungen ist jede Einzelforderung zu bezeichnen. Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist nicht - wie die Revisionserwiderung ausführt - ausschließlich oder in erster Linie das Interesse des in Anspruch genommenen Schuldners, die Belastung mit Prozesskosten zu vermeiden, sondern die Eröffnung der Möglichkeit für den Schuldner, die Berechtigung der geltend gemachten Forderung zu prüfen und so eine Grundlage für die Entscheidung zu gewinnen, ob und in welchem Umfang er sich gegebenenfalls gegen diese verteidigen will.
Nach dieser Rechtsprechung trifft bereits der vom Berufungsgericht aufgestellte Grundsatz, es sei unerheblich, ob die Ermittlung der geltend gemachten Ansprüche umfangreiche buchhalterische Tätigkeiten erfordere, jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zu. Die Anforderungen an die Erkennbarkeit richten sich im Einzelnen nach dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des konkreten Anspruchs, wobei die jeweiligen Umstände entscheidend sind (BGH, Urt. v. 05.12.1991, aaO.; Urt. v. 28.10.1993, aaO.).
Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Beklagte die im Mahnbescheid angegebenen Rechnungen erhalten hatte. Dagegen hat die Klägerin keine Gegenrügen erhoben. Hatte die Beklagte vor Zustellung des Mahnbescheids die Rechnungen nicht erhalten, konnte sie die im Mahnbescheid angegebenen Rechnungsdaten und Rechnungsnummern nicht, insbesondere keinem bestimmten Objekt, zuordnen. Auch hinsichtlich der Art der Ansprüche und des Zeitraums, für den sie geltend gemacht wurden, konnte die Beklagte dem Mahnbescheid nichts entnehmen außer dem Rechnungsdatum und dem Umstand, dass je drei der insgesamt sechs Rechnungsbeträge identisch waren, also wohl regelmäßig anfallende gleich hohe Entgelte betrafen. Danach konnte sie nicht erkennen, welche Forderungen mit dem Mahnbescheid geltend gemacht wurden. Auch soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die Beklagte habe aus den Rechnungsbeträgen darauf schließen können, dass es um Müllentsorgung für ein bestimmtes Objekt gegangen sei, war dies allein aus den dreifach identischen Rechnungsbeträgen nicht zu entnehmen, solange nicht auch das Objekt bekannt war, auf das sich die Forderung beziehen sollte. Aus diesen Umständen durfte das Berufungsgericht daher nicht darauf schließen, dass die Beklagte habe erkennen können, welche Forderungen dem Mahnbescheid zugrunde lagen.
Die Beklagte musste auch nicht, wie das Berufungsgericht angenommen hat, ständig die Übersicht darüber haben, bei welchen der von ihr verwalteten Objekte noch eine Forderung der Klägerin für die Vergangenheit offenstand. Vielmehr oblag es der Klägerin, ihre Forderung so deutlich zu bezeichnen, dass die Beklagte die Berechtigung ohne Weiteres prüfen konnte. Das Risiko, dass die Beklagte hierzu aufgrund der Angaben im Mahnbescheid nicht in der Lage war, trägt die Klägerin.
Soweit das Berufungsgericht ausführt, die Zulässigkeit der Klage erfordere ebenfalls nur, dass der Klageanspruch eindeutig individualisiert sei, und in Bezug auf die Ordnungsgemäßheit eines Mahnbescheids könnten keine höheren Anforderungen gelten, ist dem entgegenzuhalten, dass auch die Individualisierung der Klageforderung eine Bestimmung des Streitgegenstandes voraussetzt (BGH, Urt. v. 17.10.2000 - XI ZR 312/99, aaO.). Im Mahnverfahren wird die ausreichende Bezeichnung des Anspruchs vom Mahngericht vor Erlass des Mahnbescheids geprüft. In diesem Zeitpunkt muss der Anspruch individualisiert sein. Ein Mahnbescheid, der diesen Anforderungen nicht genügt, unterbricht oder hemmt den Lauf der Verjährung nicht.
Andere Umstände, die den Schluss rechtfertigen könnten, es sei für die Beklagte erkennbar gewesen, welche Ansprüche mit dem Mahnbescheid geltend gemacht wurden, sind nicht ersichtlich. Deshalb kann der Senat selbst entscheiden und die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts zurückweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Fundstellen
BauR 2008, 409 |
IBR 2008, 193 |
GuT 2008, 47 |