Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 08.12.1998) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. Dezember 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte, der Bayerische Rundfunk, betreibt bundesweit einen Fernsehsender. Er strahlte am 18. April 1997 die Fernsehsendung „OHNE GEWÄHR” aus, die die im Klageantrag zu 1 wiedergegebenen Beiträge enthielt. In der Sendung wurde unter anderem der Fall einer Familie, die einen Schaden durch einen Wasserrohrbruch erlitten hatte, dessen Regulierung von den betroffenen Versicherungen abgelehnt worden war, und die Reaktion der beteiligten Versicherungen aufgrund der Einschaltung des Beklagten dargestellt.
Die Kläger, Rechtsanwälte in D., haben das Verhalten des Beklagten als wettbewerbswidrig beanstandet. Sie sind der Ansicht, der Beklagte habe in der Sendung durch die beanstandeten Beiträge gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen.
Die Kläger haben – zuletzt – beantragt,
den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
in der von ihm ausgestrahlten Sendereihe „OHNE GEWÄHR”
über Fälle zu berichten, in denen der Beklagte oder die Redaktion der Sendung „OHNE GEWÄHR” oder einzelne Redaktionsmitglieder bei der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen von Personen unter den Zuschauern tätig geworden sind, wenn dies geschieht wie in der am 18. April 1997 ausgestrahlten Sendung gemäß den nachstehend auszugsweise wiedergegebenen Textbeiträgen:
„Wir haben uns gedacht, das können wir auch so nicht stehen lassen. Wir haben bei beiden Versicherungen, die in den Fall eingebunden sind, nachgehakt. Die B. Versicherung. war, das muß ich ganz offen sagen, wenig hilfsbereit. Sie versuchte bis zuletzt, den Schaden auf die G. abzuwälzen. Als Begründung nannte sie ganz dreist, es sei ja eben nicht sicher, ob es sich um einen Material- oder Installationsfehler handele; und deshalb sei eben nicht klar, welche Versicherung zuständig sei. Die Familie G. müsse deshalb eben selber für den Schaden aufkommen. Die V. Versicherung dagegen erklärte sich, das finde ich ehrenwert, spontan bereit, zu helfen. Die Sanierungskosten, rund 60.000 DM, werden der Familie G. jetzt überwiesen, damit der Streit der Versicherungen nicht auf dem Rücken der Familie ausgetragen wird.”;
im Zusammenhang mit Berichten wie vorstehend zu Ziffer 1. a) die Zuschauer wie folgt aufzufordern:
„Sie kennen das, man fühlt sich als Kunde großen und mächtigen Firmen ausgeliefert, man wird ungerecht behandelt oder man ärgert sich über langsame, unfreundliche Beamte. In diesen Fällen sind Sie bei uns genau richtig, denn „OHNE GEWÄHR” setzt sich für Sie ein. Wir machen uns für Sie stark und wir verhelfen Ihnen zu Ihrem Recht als Verbraucher. Wenn Sie also ein Problem haben, bei dem Sie selbst nicht mehr weiter kommen, dann rufen Sie uns an. Unter der Nummer … erreichen Sie unsere Redaktion. Die Kollegen werden Ihren Fall notieren.”;
gegenüber Dritten
- aufgrund der auf seine Aufforderung hin erfolgten Telefonanrufe von Zuschauern zum Zwecke der Wahrnehmung rechtlicher Interessen einer bestimmten Person tätig zu werden,
- eine solche Tätigkeit anzukündigen und/oder hiermit zu werben.
Der Beklagte, der der Klage entgegengetreten ist, hat geltend gemacht, bei der Sendung „OHNE GEWÄHR” handele es sich um eine Verbrauchersendung, in der anhand ausgewählter Geschehnisse der Umgang von Unternehmen und Behörden mit Verbrauchern gezeigt würde. Bei der Hilfestellung für die betroffenen Verbraucher durch die Sendung des Beklagten werde keine rechtliche Beratung erteilt, sondern die Wirkung einer (abträglichen) Berichterstattung auf die Unternehmen oder Behörden genutzt.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Seine Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.
Mit der Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG i.V. mit Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG bejaht. Es hat angenommen, daß der Klageantrag hinreichend bestimmt sei. Während der Klageantrag zu 1 darauf gerichtet sei, dem Beklagten im Rahmen der Sendereihe „OHNE GEWÄHR” in der konkret erfolgten Form die Aufforderung an Zuschauer zur Kontaktaufnahme und die Berichterstattung über Rechtsfälle zu untersagen, ziele der Klageantrag zu 2 auf das Verbot, eine rechtsbesorgende Tätigkeit für Zuschauer anzukündigen, vorzunehmen oder werbend herauszustellen. Der Klageantrag zu 2 richte sich jedoch nicht allgemein gegen die Befugnis des Beklagten zu einer irgendwie gearteten Rechtsbesorgung. Der Begriff der „Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten” sei in dem im Klageantrag zu 1 konkretisierten Sinne gemeint.
Der Beklagte habe in der Sendung vom 18. April 1997 aus der Reihe „OHNE GEWÄHR” angekündigt und zugleich damit geworben, zugunsten der Zuschauer rechtsberatend tätig zu sein und sich für die Durchsetzung der Ansprüche seiner Zuschauer einzusetzen. Er habe ziel- und zweckgerichtet fremde rechtliche Belange wahrgenommen, indem er sich zugunsten der durch den Rohrbruch geschädigten Familie eingeschaltet habe. Dies reiche für eine rechtsbesorgende Tätigkeit aus, ohne daß es auf eine fühlbare Beeinträchtigung des Anwaltsstands ankomme. Dieses rechtsbesorgende Tätigwerden habe der Beklagte werbend herausgestellt.
Das Verbot der rechtsbesorgenden Tätigkeit durch Fernsehanstalten sei geeignet und erforderlich, um das Ziel des Rechtsberatungsgesetzes zu verwirklichen, die Rechtsuchenden vor ungeeigneten Beratern und die Rechtsanwaltschaft vor Wettbewerb von Personen zu schützen, die keinen standesrechtlichen, gebührenrechtlichen und sonstigen im Interesse der Rechtspflege gesetzten Schranken unterlägen. Die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit rechtfertige keine Sonderbehandlung der Medien.
Der Beklagte habe zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt. Er habe sich durch die Ankündigung, fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen, in ein Wettbewerbsverhältnis zu den Angehörigen der rechtsberatenden Berufe gestellt.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, daß das angefochtene Urteil schon deshalb aufzuheben sei, weil es nicht mit einem Tatbestand versehen ist (§ 313 Abs. 1 Nr. 5 ZPO).
Das Berufungsgericht, das den Wert der Beschwer des Beklagten auf 50.000 DM festgesetzt und die Revision nicht wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung nach § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO zugelassen hat, hat von der Darstellung des Tatbestands und einer Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts abgesehen, weil es ersichtlich die Sache als nicht revisibel angesehen hat (§ 313a Abs. 1 ZPO). Diese Annahme ist unzutreffend, nachdem der Bundesgerichtshof die Beschwer des Beklagten auf einen 60.000 DM übersteigenden Betrag festgesetzt hat.
Ein Berufungsurteil ist grundsätzlich aufzuheben, wenn es keinen Tatbestand enthält, weil dem Urteil in der Regel nicht entnommen werden kann, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (vgl. BGHZ 73, 248, 250 ff.; BGH, Urt. v. 25.4.1991 – I ZR 232/89, NJW 1991, 3038 f.; Urt. v. 5.5.1998 – VI ZR 24/97, NJW 1998, 2368 f.). Von einer Aufhebung des Berufungsurteils allein wegen Fehlens des Tatbestands kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn das Ziel des Revisionsverfahrens, die Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt nachzuprüfen, im Einzelfall erreicht werden kann, weil sich der Sach- und Streitstand aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in einem für die Beurteilung der Rechtsfragen ausreichenden Umfang ergibt (vgl. BGH NJW 1991, 3038, 3039; NJW 1998, 2368, 2369). Ein solcher Fall ist vorliegend ausnahmsweise gegeben, weil der Senat auf der Grundlage der im Antrag wiedergegebenen Textbeiträge sowie des vom Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen wiedergegebenen Sachverhalts prüfen kann, ob das Berufungsgericht von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist.
2. Entgegen der Ansicht der Revision ist der in der Berufungsinstanz gestellte Klageantrag zu 2 allerdings hinreichend bestimmt. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag nicht so undeutlich gefaßt sein, daß der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1999 – I ZR 189/97, GRUR 2000, 438, 440 = WRP 2000, 389 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGHZ 144, 255, 263 – Abgasemissionen; BGH, Urt. v. 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 454 = WRP 2001, 400 – TCM-Zentrum; Urt. v. 9.11.2000 – I ZR 167/98, GRUR 2001, 529, 531 = WRP 2001, 531 – Herz-Kreislauf-Studie).
Der Klageantrag zu 2 ist, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nicht gegen jede rechtsbesorgende Tätigkeit des Beklagten gerichtet. Dieser Antrag wird durch den Klageantrag zu 1, der die beanstandete Verletzungsform enthält, und das klägerische Vorbringen ausreichend konkretisiert (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.1986 – I ZR 138/84, GRUR 1987, 172, 174 = WRP 1987, 446 – Unternehmensberatungsgesellschaft I, insoweit in BGHZ 98, 330 ff. nicht abgedruckt; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl. Kap. 51 Rdn. 8).
3. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG i.V. mit Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG bejaht. Es ist davon ausgegangen, daß der Beklagte unter Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG eine erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung angekündigt sowie hierfür geworben habe und schließlich auch rechtsbesorgend tätig geworden sei. Diese Annahme hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht stand.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist zur Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, weil eine Besorgung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist. Eine – erlaubnispflichtige – Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i.S. des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG liegt vor, wenn eine geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Es ist daher zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht. Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung kann in Anbetracht der Tatsache, daß nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und kaum eine wirtschaftliche Betätigung ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des Verhaltens abgestellt werden. Es bedarf vielmehr einer abwägenden Beurteilung des jeweils beanstandeten Verhaltens danach, ob es sich hierbei um Rechtsbesorgung handelt, oder ob es um eine Tätigkeit geht, welche von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann, ohne daß die Qualität der Dienstleistung oder die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten Rechtsberater beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Urt. v. 25.6.1998 – I ZR 62/96, GRUR 1998, 956, 957 = WRP 1998, 976 – Titelschutzanzeigen für Dritte; Urt. v. 30.3.2000 – I ZR 289/97, GRUR 2000, 729, 730 = WRP 2000, 727 – Sachverständigenbeauftragung, jeweils m.w.N.; vgl. auch Großkomm.UWG/Teplitzky § 1 Rdn. G 119).
Diese Grundsätze sind auch bei der Beurteilung heranzuziehen, ob der Beklagte durch die konkrete Gestaltung der beanstandeten Fernsehsendung gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen hat (vgl. hierzu auch: Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 3. Aufl., Art. 1 § 1 Rdn. 23). In die Abwägung sind dabei die das Rechtsberatungsgesetz tragenden Belange des Gemeinwohls einzubeziehen, den einzelnen und die Allgemeinheit vor ungeeigneten Rechtsberatern zu schützen und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu gefährden (vgl. BVerfGE 97, 12, 27; BVerfG NJW 2000, 1251). Dabei ist auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der rechtsberatenden Berufe Rücksicht zu nehmen.
Weiter zu berücksichtigen ist, daß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Rundfunkfreiheit gewährleistet, die der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dient (BVerfGE 90, 60, 87). Die sich aus allgemeinen Gesetzen ergebenden Grenzen des Grundrechts der Freiheit der Berichterstattung durch Presse und Rundfunk müssen im Licht dieses Grundrechts gesehen werden. Die allgemeinen Gesetze sind daher aus der Erkenntnis der Bedeutung dieses Grundrechts auszulegen und so in ihrer dieses Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken (vgl. BVerfGE 71, 206, 214). Die Einschränkung der Presse- und Rundfunkfreiheit muß zudem geeignet und erforderlich sein, den Schutz des allgemeinen Gesetzes – hier des Rechtsberatungsgesetzes – zu bewirken.
Ob im Streitfall die rechtliche Seite der Angelegenheiten der Zuschauer, die der Beklagte in seiner Sendung aufgreift, im Vordergrund steht, kann aufgrund der bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend entschieden werden.
Das Berufungsgericht ist – rechtsfehlerhaft – von zu geringen Anforderungen an ein rechtsbesorgendes Tätigwerden ausgegangen. Es hat angenommen, der Beklagte habe durch den im Klageantrag zu 1 b wiedergegebenen Beitrag angekündigt, sich für die Durchsetzung der Ansprüche seiner Zuschauer einsetzen zu wollen und habe damit werbend ein rechtsbesorgendes Tätigwerden herausgestellt. Nach dem in der Sendung vom 18. April 1997 vermittelten Eindruck sei der Beklagte auch zugunsten der durch den Rohrbruch geschädigten Familie rechtsbesorgend im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes tätig geworden. Der Beklagte habe sich nach der Darstellung in der Sendung bei der Durchsetzung der Ansprüche dieser Familie eingesetzt und sich an die beteiligten Versicherungsgesellschaften gewandt, um die rechtlichen Interessen der geschädigten Familie zu fördern und einseitig parteinehmend die Regulierung des Versicherungsschadens zu erreichen.
Zu Recht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe bei dieser Beurteilung rechtserheblichen Vortrag des Beklagten übergangen. Dieser hatte geltend gemacht, die Rechtslage und die rechtliche Seite der Fälle spielten in der Sendung keine Rolle. Eine juristische Diskussion finde nicht statt. Es werde lediglich eine journalistische Tätigkeit entfaltet. Die Redaktion der Sendung veranlasse eine Stellungnahme der betroffenen Unternehmen. In der Sendung werde über den Fall und über das durch die angekündigte öffentliche Berichterstattung erreichte Ergebnis berichtet. Jedermann wisse, daß die Publikation eines Falles im Fernsehen Reaktionen bei den Beteiligten auslöse. Dieser Mechanismus enthalte keine Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes.
Ob von einer Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes grundsätzlich auszugehen ist, wenn sich Presse, Rundfunk und Fernsehen zur Durchsetzung von Ansprüchen in einem Einzelfall einschalten und dabei ausschließlich durch die Berichterstattung versuchen, Forderungen durchzusetzen, ist umstritten (bejahend OLG Düsseldorf AfP 1998, 232, 234 und WRP 1998, 1086, 1089; OLG Köln NJW 1999, 502, 503 f.; Hirtz, EWiR 1998, 853, 854; Henssler/Holthausen, EWiR 1999, 419, 420; Flechsig, ZUM 1999, 273, 277; Bürglen, WRP 2000, 846, 851 ff.; a.A. Rennen/Caliebe aaO Art. 1 § 1 Rdn. 23; Bethge, AfP 1999, 309, 315 f.; Kleine-Cosack, NJW 2000, 1593, 1601; vgl. hierzu auch: Großkomm.UWG/Teplitzky § 1 Rdn. G 120 unter Hinweis auf den Nichtannahmebeschluß des Senats vom 11.2.1999 – I ZR 105/98, Umdr. S. 3 f.).
Wird nur die von der Berichterstattung in Medien ausgehende publizistische Wirkung benutzt, um Forderungen von Zuschauern durchzusetzen, ohne daß der Schwerpunkt der Hilfestellung des Senders im rechtlichen Bereich liegt, ist nicht von einer Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes auszugehen. Denn der Handelnde muß unmittelbar auf rechtlichem Gebiet tätig werden (vgl. Altenhoff/Busch/Chemnitz, Rechtsberatungsgesetz, 10. Aufl., Rdn. 62; Henssler/Prütting, BRAO, Art. 1 § 1 RBerG Rdn. 13 m.w.N.; Rennen/Caliebe aaO Art. 1 § 1 Rdn. 23 m.w.N.), woran es bei derartiger Berichterstattung fehlt. Diese berührt auch nicht den Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes, den einzelnen und die Allgemeinheit vor ungeeigneten Rechtsberatern zu schützen und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu gefährden. Soweit die Sendungen zur Folge haben, daß sich Zuschauer an Fernsehsender im Vertrauen darauf wenden, sie erhielten dort Hilfe, und dadurch Rechtsnachteile erleiden, weil sie nicht (rechtzeitig) einen Rechtsanwalt aufsuchen (vgl. zu dieser Befürchtung: Rennen/Caliebe aaO Art. 1 § 1 Rdn. 24; Hirtz, EWiR 1998, 853, 854), rechtfertigt dies nicht, das entsprechende Verhalten der Fernsehanstalt dem Rechtsberatungsgesetz zu unterwerfen. Dies ist vielmehr eine mögliche Konsequenz für den Betroffenen, wenn er seine Rechte in nicht rechtsförmlicher Weise durchzusetzen versucht. Auch die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die Belange der Rechtsanwaltschaft werden durch die beanstandete Berichterstattung in Medien nicht betroffen. Den Angehörigen der rechtsberatenden Berufe ist nicht jede Hilfeleistung vorbehalten, die sich rechtlich auswirken kann (vgl. BGH GRUR 1998, 956, 957 – Titelschutzanzeigen für Dritte). Das Rechtsberatungsgesetz sichert nicht, daß Streitigkeiten über die Durchsetzung von Forderungen und Verbraucherinteressen mit Schwerpunkt auf rechtlichem Gebiet und als Rechtsstreitigkeiten geführt werden. Auch eine etwaige mit den Sendungen verbundene Bloßstellung Beteiligter ist von den jeweils Betroffenen geltend zu machen; für die Anwendung des Rechtsberatungsgesetzes ist dies ohne Belang.
Das Berufungsgericht wird daher im erneut eröffneten Berufungsrechtszug zu prüfen haben, ob nach dem gesamten Erscheinungsbild der Sendung des Beklagten nicht lediglich die öffentliche Berichterstattung zur Durchsetzung von Forderungen eingesetzt wird und die Zuschauer als angesprochene Verkehrskreise die von den Klägern beanstandeten Textbeiträge auch nur in diesem Sinne und nicht als Angebot zur Rechtsberatung auffassen und der Beklagte in der Sendung nach deren Schwerpunkt tatsächlich auch keine fremden Rechtsangelegenheiten besorgt.
4. Sollte das Berufungsgericht erneut einen Verstoß gegen Art. 1 § 1 RBerG bejahen, ist entgegen der Ansicht der Revision von einem Handeln des Beklagten zu Zwecken des Wettbewerbs i.S. von § 1 UWG auszugehen. Dies liegt vor, wenn das Verhalten objektiv geeignet ist, den Absatz von Waren oder Dienstleistungen einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen und wenn der Handelnde in subjektiver Hinsicht zusätzlich in der Absicht vorgegangen ist, den eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen zu fördern, sofern diese Absicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktritt (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1983 – I ZR 194/80, GRUR 1983, 379, 380 = WRP 1983, 395 – Geldmafiosi; Urt. v. 20.3.1986 – I ZR 13/84, GRUR 1986, 812, 813 = WRP 1986, 547 – Gastrokritiker; Urt. v. 20.2.1997 – I ZR 12/95, GRUR 1997, 907, 908 = WRP 1997, 843 – Emil-Grünbär-Klub). Die im Streitfall gegebene objektive Eignung des Verhaltens des Beklagten, den Absatz seiner Dienstleistungen zum Nachteil der Kläger zu begünstigen, begründet wegen des dem Beklagten zukommenden allgemeinen Presse- und Rundfunkprivilegs nach Art. 5 Abs. 1 GG keine Vermutung für eine Wettbewerbsabsicht (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 10.11.1994 – I ZR 216/92, GRUR 1995, 270, 272 = WRP 1995, 186 – Dubioses Geschäftsgebaren). Daher bedarf es im Streitfall konkreter Umstände, wonach neben der Wahrnehmung der publizistischen Aufgabe des Beklagten, die Absicht eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, eine größere als nur notwendig begleitende Rolle gespielt hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.1997 – I ZR 196/94, GRUR 1997, 912, 913 = WRP 1997, 1048 – Die Besten I; Urt. v. 30.4.1997 – I ZR 154/95, GRUR 1997, 914, 915 = WRP 1997, 1051 – Die Besten II).
Sollte das Berufungsgericht feststellen, daß der Beklagte fremde Rechtsangelegenheiten i.S. von Art. 1 § 1 RBerG besorgt oder die Besorgung angekündigt und hierfür geworben hat, hat er einen eigenen Wettbewerb zu Lasten der Rechtsanwaltschaft gefördert und ist zu ihr in Konkurrenz getreten. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß dem Beklagten dies bewußt war und es ihm darauf ankam, weil er eine Sendung, in der die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten angeboten wird und erfolgt, nur im Wettbewerb zur Rechtsanwaltschaft ausüben kann.
III. Danach war das angefochtene Urteil auf die Revision des Beklagten aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant, Büscher
Fundstellen
Haufe-Index 760822 |
NJW 2002, 2884 |
BGHR 2002, 698 |
K&R 2002, 498 |
BRAK-Mitt. 2002, 192 |
KammerForum 2002, 279 |