Leitsatz (amtlich)
a) Zur Frage des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes bei einem technischen Erzeugnis (hier: Bremszangen).
b) Die wettbewerbliche Eigenart eines Erzeugnisses kann grundsätzlich nur durch äußere für den Verkehr sichtbare Gestaltungsmerkmale begründet werden.
Normenkette
UWG § 1
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 20.10.1999) |
LG Hannover |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 20. Oktober 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, ein in Großbritannien ansässiges Unternehmen, stellt Industrieanlagen, Industriebremsen und Schiffsantriebe her. Sie verkauft in der Bundesrepublik Deutschland Bremszangen der Baureihen MR, MS und GMR, mit denen sie auf dem deutschen Markt Marktführerin ist. Zur Baureihe MR der Klägerin gehören verschiedene Typen von Bremszangen, die folgende Merkmale aufweisen:
- Die die Bremsbeläge tragenden Hebel werden im Gehäuse durch eine Pfannenlagerung gelagert;
- die Belagträger sind schwenkbeweglich an den Hebeln befestigt;
- die Beläge sind über Klammern befestigt. Dadurch ergibt sich ein Stecksystem der einzelnen Bauteile.
Die zur Baureihe MS gehörenden Bremszangen-Typen weisen unter anderem folgende Merkmale auf:
- Der Aufbau erfolgt mit einem Schwenklager und einem darin schwenkbar gelagerten ersten Winkelhebel und einem zweiten Winkelhebel, wobei die Belagträger starr an den Winkelhebeln befestigt sind;
- die Beläge sind über Klammern an den Belagträgern befestigt.
Die zur Baureihe GMR zählenden Typen GMR-S und GMR-SD haben folgende Merkmale:
- Vorhanden sind zwei gegeneinander verstellbare, kreuzförmig ausgebildete Hebelarme, wobei an den kürzeren Kreuzarmen die Lagerung erfolgt und an dem kürzeren der beiden anderen Arme der Belagträger mit einer Pfannenlagerung schwenkbeweglich durch eine Klammer festgelegt ist, wodurch sich eine leicht lösbare Steckverbindung von Träger und Belag ergibt.
Die Beklagte, die ihren Sitz in Dänemark hat und in der Bundesrepublik Deutschland eine selbständige Zweigniederlassung unterhält, stellt ebenfalls Bremszangen für den Einsatz in Maschinenanlagen und Schiffsantrieben her, die sie seit 1994 auch in Deutschland anbietet und verkauft. Ihre Produkte sind mit den zu den Baureihen MR, MS und GMR der Klägerin gehörenden Typen vergleichbar und weisen gleiche Merkmale auf. Die Bremszangen der Parteien sind mit deutlich sichtbarem Hersteller- bzw. Vertreibernamen sowie Typenbezeichnungen, die die Beklagte zwischenzeitlich geändert hat, versehen. Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte bzw. ihr Lieferant die Befestigung der Bremsbeläge auf den Trägern von Klemm- auf Magnetbefestigung umgestellt.
Die Klägerin wendet sich unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes gegen das Anbieten und den Vertrieb der Bremszangen der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hält die von der Beklagten angebotenen Produkte für identische bzw. fast identische Nachbauten ihrer Bremszangen. Dazu hat die Klägerin vorgetragen, die aufgeführten Merkmale der Typen ihrer genannten Baureihen seien eigentümlich und einzigartig. Die maßgeblichen Kundenkreise verbänden damit Herkunfts- und Gütevorstellungen. Vergleichbare Bremsen anderer Hersteller wiesen nicht die bei ihren Produkten vorhandenen einzigartigen Merkmale auf. Lediglich bei den Bremszangen der Beklagten sei dies der Fall.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz. Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Landgericht hat auf den Hilfsantrag der Klägerin mit Beschluß vom 30. Januar 1996 einen Teil des Rechtsstreits (Antrag zu I 1 b in der Klageschrift und den darauf jeweils rückbezogenen Auskunfts- und Feststellungsantrag) abgetrennt und an das gemäß § 140 Abs. 1, 2 MarkenG i.V. mit der Niedersächsischen Verordnung vom 10. März 1995 (GVBl. 1995, S. 53) zuständige Landgericht Braunschweig verwiesen. Im übrigen hat es die Klage als unbegründet abgewiesen.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin (zuletzt) beantragt,
die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
Bremszangen mit den Merkmalen:
Bremszangen mit den Merkmalen:
Bremszangen mit den Merkmalen:
Zwei gegeneinander verstellbare kreuzförmig ausgebildete Hebelarme, wobei an den kürzeren Kreuzarmen die Lagerung erfolgt und an dem kürzeren der beiden anderen Arme der Belagträger mit einer Pfannenlagerung schwenkbeweglich durch eine Klammer festgelegt ist,
in der Bundesrepublik Deutschland gewerbsmäßig feilzuhalten und in den Verkehr zu bringen;
- der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu 1 bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe der Liefermengen, -zeiten und -preise und der Namen und Anschriften der Abnehmer, ferner der Zahl und des Inhalts von Angeboten, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, einschließlich der Gestehungskosten und einschließlich sämtlicher Kostenfaktoren und des erzielten Gewinns, ferner unter Angabe der Art und des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren, Bundesländern und Werbeträgern, wobei der Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Angebotsempfänger nicht der Klägerin, sondern einem von ihr zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die Kosten dafür trägt und ihn zugleich ermächtigt, der Klägerin auf konkretes Befragen Auskunft darüber zu geben, ob ein bestimmt bezeichneter Name, eine bestimmt bezeichnete Anschrift oder eine bestimmt bezeichnete Lieferung in der Rechnungslegung enthalten ist;
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Klageansprüche nach § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes begründet seien, weil die Beklagte die Produkte der Klägerin fast identisch nachgebaut habe, was sowohl unter dem Aspekt der Herkunftstäuschung und der Rufausnutzung als auch unter dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen Behinderung wettbewerbswidrig sei. Dazu hat es ausgeführt:
Den Produkten der Klägerin komme wettbewerbliche Eigenart zu. Der Sachverständige Prof. Dr. F. habe festgestellt, daß die Bremsen der Klägerin nur ihnen eigene technisch-funktionale Merkmale aufwiesen, die nicht durch die Lösung der technischen Aufgabe zwangsläufig vorgegeben seien. Von Wettbewerbern der Parteien würden deshalb bei der Ausgestaltung der Bremsen sowohl in der Funktion als auch in der Form andere Lösungen bevorzugt.
Aufgrund des Sachverständigengutachtens stehe zudem fest, daß die Beklagte, als sie – ebenso wie die Klägerin – noch Klammern für die Befestigung der Beläge verwendet habe, die Produkte der Klägerin in deren Baureihen MS, MR und GMR fast identisch nachgebaut habe. Der Nachbau gehe nach den Feststellungen des Sachverständigen sogar so weit, daß die Beklagte bei der Umsetzung der funktionalen Gestaltungsmerkmale selbst technische Unzulänglichkeiten der Klägerin übernommen habe. Der fast identische Nachbau sei nicht zur angemessenen Verwirklichung der gestellten technischen Aufgabe erforderlich gewesen. Dies ergebe sich daraus, daß Produkte von Wettbewerbern der Parteien im Einzelfall immer Abweichungen in der Konstruktion im Vergleich zu den Bremsen der Parteien aufwiesen.
Auch wenn die Bremszangen nur an Fachleute vertrieben würden (Hersteller von Maschinen), bestehe grundsätzlich die Gefahr der Herkunftstäuschung, wenn die äußere Gestalt des Produkts die Erwartungen an die Herkunft präge. Die Verwechslungsgefahr werde trotz unterschiedlicher Herstellerangaben, Typenbezeichnung und Farbe nicht ausgeräumt, da hier neben den technischen Merkmalen auch die äußere Gestaltung und Formgebung weitgehend identisch sei.
Die sittenwidrige Behinderung der Klägerin ergebe sich im Streitfall insbesondere daraus, daß die Beklagte die erfolgreichen Bremszangen der Klägerin in allen drei Baureihen weitgehend systematisch nachgebaut habe.
Die Beklagte sei wegen ihres beanstandeten Verhaltens grundsätzlich zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet, da sie zumindest fahrlässig gehandelt habe. Dementsprechend seien auch das Feststellungsbegehren der Klägerin und der dazu akzessorische Auskunftsanspruch, den die Beklagte bislang noch nicht vollständig erfüllt habe, begründet.
Schließlich sei noch klarzustellen, daß sich das Begehren der Klägerin nicht mehr auf diejenigen Bremszangen beziehe, die von der Beklagten mit veränderter Belagträgerbefestigung in den Verkehr gebracht würden.
II. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Auf der Grundlage des bislang festgestellten Sachverhalts können der Klägerin Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz (§ 1 UWG) nicht zuerkannt werden.
Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß der Nachbau fremder, nicht (mehr) unter Sonderrechtsschutz stehender technischer Erzeugnisse nach § 1 UWG wettbewerbswidrig sein kann, wenn die Erzeugnisse von wettbewerblicher Eigenart sind und besondere Umstände hinzutreten, die den Nachbau unlauter erscheinen lassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1995 – I ZR 240/93, GRUR 1996, 210, 211 = WRP 1996, 279 – Vakuumpumpen; Urt. v. 14.1.1999 – I ZR 203/96, GRUR 1999, 751, 752 = WRP 1999, 816 – Güllepumpen; Urt. v. 17.6.1999 – I ZR 213/96, GRUR 1999, 1106, 1108 = WRP 1999, 1031 – Rollstuhlnachbau; Urt. v. 8.12.1999 – I ZR 101/97, GRUR 2000, 521, 523 = WRP 2000, 493 – Modulgerüst; Urt. v. 12.7.2001 – I ZR 40/99, GRUR 2002, 86, 89 = WRP 2001, 1294 – Laubhefter). Zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen besteht eine Wechselwirkung. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme ist, desto geringer sind die Anforderungen an die besonderen Umstände, die die Wettbewerbswidrigkeit begründen (vgl. BGH GRUR 1999, 1106, 1108 – Rollstuhlnachbau; BGH, Urt. v. 15.6.2000 – I ZR 90/98, GRUR 2001, 251, 253 = WRP 2001, 153 – Messerkennzeichnung).
a) Die Revision beanstandet bereits mit Erfolg, daß die Annahme des Berufungsgerichts, den von der Klägerin vertriebenen Bremszangen komme hinreichende wettbewerbliche Eigenart zu, von den festgestellten Umständen nicht getragen wird.
aa) Auch technische Erzeugnisse wie die Bremszangen der Klägerin können – wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu Recht angenommen hat – wettbewerbliche Eigenart besitzen.
Eine solche wettbewerbliche Eigenart setzt voraus, daß die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (st. Rspr.; vgl. BGHZ 138, 143, 148 – Les-Paul-Gitarren; BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst; BGH GRUR 2002, 86, 89 f. – Laubhefter, m.w.N.). Die wettbewerbliche Eigenart kann sich auch aus den technischen Merkmalen des Erzeugnisses ergeben (vgl. BGH GRUR 1999, 1106, 1108 – Rollstuhlnachbau; BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst; BGH GRUR 2002, 86, 90 – Laubhefter; BGH, Urt. v. 8.11.2001 – I ZR 199/99, GRUR 2002, 275, 276 = WRP 2002, 207 – Noppenbahnen). Für technisch notwendige Gestaltungselemente entfällt allerdings ein Schutz nach § 1 UWG, weil nach dem Grundsatz der Freiheit des Standes der Technik die Übernahme solcher nicht (mehr) unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungsmerkmale wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Dementsprechend können technisch notwendige Merkmale, also solche Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen, aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Dies gilt jedoch nicht bei technischen Gestaltungselementen, die zwar technisch bedingt, aber willkürlich wählbar und austauschbar sind (BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst; BGH GRUR 2002, 275, 276 – Noppenbahnen).
Der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz aus § 1 UWG wird aber bei technischen Erzeugnissen dadurch beschränkt, daß die technische Lehre und der Stand der Technik frei sind (vgl. BGHZ 50, 125, 128 f. – Pulverbehälter; BGH GRUR 1996, 210, 211 – Vakuumpumpen; BGH GRUR 1999, 1106, 1108 – Rollstuhlnachbau; BGH GRUR 2002, 86, 90 – Laubhefter; BGH GRUR 2002, 275, 276 – Noppenbahnen). Ist ein Erzeugnis aufgrund technischer Merkmale wettbewerblich eigenartig, so kann es grundsätzlich nicht als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden, wenn solche Merkmale übernommen werden, die dem freizuhaltenden Stand der Technik angehören und – unter Berücksichtigung des Gebrauchszwecks, der Verkäuflichkeit der Ware sowie der Verbrauchererwartung – der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen (vgl. BGHZ 50, 125, 128 f. – Pulverbehälter; BGH GRUR 1996, 210, 213 – Vakuumpumpen; BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst; BGH GRUR 2002, 275, 276 – Noppenbahnen).
bb) Dem angefochtenen Urteil läßt sich bereits nicht hinreichend deutlich entnehmen, ob das Berufungsgericht seiner Entscheidung diese Grundsätze zugrunde gelegt hat. Es hat im rechtlichen Ansatz lediglich angenommen (BU 18, 3. Abs.), daß technische Erzeugnisse wie die Bremszangen der Klägerin dann wettbewerbliche Eigenart aufwiesen, wenn ihre technischen Merkmale nicht notwendig, sondern willkürlich und frei wählbar seien. Damit werden die Anforderungen an den Begriff der wettbewerblichen Eigenart nur unvollständig erfaßt. Auch bei technischen Erzeugnissen setzt die wettbewerbliche Eigenart zunächst voraus, daß die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen.
Der unzureichende rechtliche Ausgangspunkt hat auch die tatsächlichen Feststellungen beeinflußt. Das Berufungsgericht hat sich mit der knappen Feststellung begnügt, der Senat sei aufgrund des Sachverständigengutachtens Prof. Dr. F. davon überzeugt, daß den Produkten der Klägerin wettbewerbliche Eigenart zukomme. Der Sachverständige habe festgestellt, daß die Bremsen der Klägerin nur ihnen eigene technisch-funktionale Merkmale aufwiesen, die nicht durch die Lösung der technischen Aufgabe zwangsläufig vorgegeben seien und deshalb von Wettbewerbern der Parteien bei der Ausgestaltung der Bremse sowohl in Funktion als auch in der Form andere Lösungen bevorzugt würden.
Die Revision rügt mit Recht, daß diese Darlegungen zur Begründung der wettbewerblichen Eigenart der Produkte der Klägerin nicht ausreichen. Es fehlt an hinreichenden Feststellungen, welche konkreten Gestaltungsmerkmale charakteristisch für die Gesamtgestaltung der Klagemodelle sind. Der Begründung des Berufungsgerichts läßt sich insoweit nicht entnehmen, welche konkrete Ausgestaltung oder bestimmten Merkmale der Produkte der Klägerin geeignet sind, bei den interessierten Verkehrskreisen auf die betriebliche Herkunft der Erzeugnisse hinzuweisen oder besondere Gütevorstellungen hervorzurufen. Sollte das Berufungsgericht gemeint haben, daß die im Urteilstenor angeführten Merkmale die wettbewerbliche Eigenart begründen, hätte es dazu näherer Ausführungen bedurft. Denn die Beklagte hat bestritten, daß die dort genannten Merkmale weder für sich allein noch in Kombination geeignet sind, bei den beteiligten Verkehrskreisen – in erster Linie Ingenieure und technisch fachkundige Personen – Herkunfts- oder Gütevorstellungen hervorzurufen. Der Verkehr kann sich im übrigen grundsätzlich nur an den äußeren Gestaltungsmerkmalen orientieren (BGH GRUR 1999, 751, 752 – Güllepumpen). Ob dies beispielsweise bei dem im Antrag enthaltenen Merkmal „Lagerung der die Bremsbeläge tragenden Hebel im Gehäuse durch eine Pfannenlagerung” möglich ist, ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Ob gemeinfreie technische Gestaltungselemente – z.B. in ihrer Kombination – ausnahmsweise wettbewerbliche Eigenart aufweisen, bedarf einer umfassenden Prüfung unter Berücksichtigung der gesamten Einzelfallumstände, die das Berufungsgericht im Streitfall bislang nicht vorgenommen hat.
b) Daraus ergibt sich zugleich, daß es auch an hinreichenden Feststellungen zu der vom Berufungsgericht bejahten Gefahr der Herkunftstäuschung und damit zum Vorliegen besonderer Unlauterkeitsumstände fehlt.
aa) Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu der Annahme gelangen, daß die in Rede stehenden Erzeugnisse der Klägerin wettbewerbliche Eigenart aufweisen, wird es zu berücksichtigen haben, daß der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz gegen eine vermeidbare Herkunftstäuschung auch zur Voraussetzung hat, daß das nachgeahmte Erzeugnis bei den maßgeblichen Verkehrskreisen eine gewisse Bekanntheit erlangt hat, da andernfalls die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht bestehen könnte (vgl. BGHZ 50, 125, 130 f. – Pulverbehälter; BGH GRUR 2002, 275, 276 – Noppenbahnen, m.w.N.). Feststellungen dazu, in welchem Maße die Erzeugnisse der Klägerin bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise Bekanntheit erreicht haben, hat das Berufungsgericht bislang nicht getroffen.
bb) Die Revision wendet sich auch mit Recht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die unterschiedliche Herstellerangabe, Typenbezeichnung und Farbgebung reichten nicht aus, um der Gefahr einer Herkunftstäuschung zu begegnen.
Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt zwar darin beizutreten, daß bei weitgehenden Übereinstimmungen in der Technik und der äußeren Formgestaltung grundsätzlich die Gefahr einer Herkunftstäuschung bestehen kann, weil sich dem interessierten Betrachter zwangsläufig der Eindruck aufdrängt, die sich gegenüberstehenden Produkte seien gleichen Herstellerursprungs (vgl. BGH GRUR 1999, 751, 753 – Güllepumpen). Es hat sich jedoch nicht mit den von ihm festgestellten Unterschieden im einzelnen auseinandergesetzt, sondern allein darauf abgestellt, daß selbst Fachleute dem Irrtum unterliegen könnten, die Beklagte verbreite Produkte der Klägerin als Zweitmarke, wenn Technik und Form ineinandergriffen, obwohl die Form nicht zwingend der technischen Funktion folgen müsse. Dabei hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht beachtet, daß die Beurteilung der Frage, welche Bedeutung der Verkehr der Anbringung von (unterscheidenden) Kennzeichnungen und der (abweichenden) Farbgestaltung beimißt, einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls bedarf, um feststellen zu können, ob dadurch eine Täuschung des Verkehrs vermieden wird (vgl. BGH, Urt. v. 24.4.1970 – I ZR 105/68, GRUR 1970, 510, 512 = WRP 1970, 308 – Fußstützen; Urt. v. 11.2.1977 – I ZR 39/75, GRUR 1977, 666, 667 = WRP 1977, 484 – Einbauleuchten; BGH GRUR 1999, 751, 753 – Güllepumpen; BGH, Urt. v. 19.10.2000 – I ZR 225/98, GRUR 2001, 443, 445 = WRP 2001, 534 – Viennetta). An solchen Feststellungen fehlt es hier. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung könnte die Annahme nahe liegen, daß die Verwendung unterscheidender Merkmale, wie hier orangerot statt blau und die – hinreichend sichtbare – Anbringung der Herstellerbezeichnung aus dem Bereich der Herkunftstäuschung hinausführen kann (vgl. BGH GRUR 1999, 751, 753 – Güllepumpen). Hat die Beklagte alle zur Vermeidung von Herkunftstäuschungen zumutbaren Maßnahmen getroffen, so wird das Berufungsgericht gegebenenfalls auch zu prüfen haben, ob eine eventuell verbleibende Verwechslungsgefahr, insbesondere hinsichtlich geschäftlicher oder organisatorischer Beziehungen zwischen den Beteiligten, hingenommen werden kann (vgl. BGH GRUR 2002, 275, 277 – Noppenbahnen).
c) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, der fast identische Nachbau der Klägerprodukte sei auch unter dem Aspekt der Rufausnutzung wettbewerbswidrig, finden sich dazu in dem angefochtenen Urteil keine Ausführungen, die einer revisionsrechtlichen Nachprüfung zugänglich wären.
d) Die bislang getroffenen Feststellungen reichen auch nicht aus, um eine sittenwidrige Behinderung bejahen zu können. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend angeführt, daß eine solche Behinderung insbesondere beim systematischen Nachbau einer Vielzahl eigenartiger Erzeugnisse eines Mitbewerbers in Betracht kommen kann (vgl. BGH GRUR 1996, 210, 212 – Vakuumpumpen; BGH GRUR 1999, 751, 753 – Güllepumpen). Die Beurteilung, ob eine sittenwidrige Behinderung in der Form des systematischen Nachbaus von Erzeugnissen eines Mitbewerbers gegeben ist, erfordert aber eine umfassende Gesamtwürdigung aller in Betracht kommenden Umstände unter Einbeziehung der Wechselwirkung mit dem Grad der wettbewerblichen Eigenart und mit dem der Nachahmung. Zu den besonders zu berücksichtigenden Umständen gehören vor allem das von der Klägerin behauptete zielbewußte Anhängen an eine Vielzahl ihrer Produkte, die freie Wählbarkeit einer Fülle von Gestaltungselementen und die aufgrund der Ersparung kostspieliger, eigener Entwicklungsarbeit mögliche erhebliche Preisunterbietung in Verbindung mit den daraus erzielten Wettbewerbsvorteilen (vgl. BGH GRUR 1996, 210, 212 – Vakuumpumpen). An einer solchen umfassenden Gesamtwürdigung fehlt es bislang.
2. Ohne Erfolg beanstandet die Revision dagegen, daß der Tenor des angefochtenen Urteils weder auf die konkrete Ausgestaltung der Verletzungsgegenstände noch auf diejenige der Bremszangen Bezug nehme, für die die Klägerin Leistungsschutz beanspruche. Die Revision läßt bei ihrer Rüge unberücksichtigt, daß die Klageform im Antrag selbst nicht beschrieben sein muß. Antrag und Verbot haben sich allein an der konkreten Verletzungsform auszurichten, und zwar nach Maßgabe der die Wettbewerbswidrigkeit begründenden Umstände (v. Gamm, UWG, 3. Aufl., § 1 Rdn. 86; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 1 Rdn. 591). Erforderlich ist daher, daß jedenfalls die übernommenen Merkmale, die bei der Klageform die wettbewerbliche Eigenart begründen, im Antrag enthalten sind (vgl. näher BGH GRUR 2002, 86, 88 f. – Laubhefter). Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich, daß die im Antrag genannten Merkmale dem entsprechen sollen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist im Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfen.
Vergeblich macht die Revision auch geltend, daß der Antrag keine Einschränkungen hinsichtlich der Maßnahmen enthält, durch die eine Herkunftstäuschung vermieden werden könnte. Sie meint, ohne derartige Einschränkungen bedeute das Verbot, daß der Vertrieb jedweder Bremszange mit den im Urteilstenor aufgeführten Merkmalen zu unterlassen sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Klägerin das auf das Verletzungsverhalten bezogene Verbot grundsätzlich einschränkungslos begehren kann, da es Sache des Verletzers ist, einen Weg zu finden, der ihn aus dem Verbotsbereich herausführt (vgl. Köhler/Piper aaO Vor § 13 Rdn. 289).
III. Danach war das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant, Schaffert
Fundstellen
Haufe-Index 770850 |
BGHR 2002, 837 |
BGHR |
NJW-RR 2002, 1332 |
GRUR 2002, 820 |
Nachschlagewerk BGH |
WRP 2002, 1054 |
Mitt. 2003, 136 |