Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage der Verjährung nach § 196 BGB im Rahmen von Sukzessivlieferungsverträgen.
Normenkette
BGB § 196
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. September 1971 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die beklagte Bundesrepublik, vertreten durch das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung, schloß am 31. März und 5. Juli 1962 mit der Firma M… Verträge über die Fertigung und Lieferung von Stapelpaletten ab, und zwar mit einem Auftragsvolumen zwischen 4 und 5 Millionen DM. Von den aus diesen Verträgen zu erwartenden Kaufpreisansprüchen trat die Firma M… alsbald mit Zustimmung des Bundesamtes Forderungen in Höhe von 2.130.847,15 DM und 2.254.518 DM an zwei Zulieferfirmen und ca. 930.000 DM an eine Bank zur Sicherheit ab. In der Folgezeit ergab sich, daß die Firma, die bald darauf in Konkurs fiel, zur vollständigen Erfüllung der Aufträge wirtschaftlich nicht in der Lage war. Die Klägerin, die als Handelsunternehmen einer der Hauptgläubiger der Firma M… war, und der die Vorausabtretungen zu diesem Zeitpunkt bekannt waren, beabsichtigte daher, die Aufträge zu übernehmen. Durch sog. „Ergänzungsverträge” vom 20./21. September 1962 vereinbarten demgemäß die Parteien und die Firma M…, daß die Klägerin in alle Rechte und Verbindlichkeiten dieser Firma eintrat. Als kurz darauf die Zessionare ihre Rechte aus den Vorausabtretungen gegenüber des Beklagten, geltend machten, verweigerte diese die Auszählung der für die einzelnen Lieferungen fällig werdenden Rechnungsbeträge an die Klägerin und hinterlegte diese bei Gericht, bestand jedoch weiterhin auf Einhaltung der vorgesehenen Liefertermine. Die Klägerin schloß daraufhin Anfang 1963 mit den Zessionären, sog. „Abfindungsvergleiche” ab, in deren Rehen sie insgesamt 379.502,76 DM an diese gezahlt haben will.
Wegen dieser Zahlungen nimmt die Klägerin, die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Sie behauptet, Bedienstete der Beklagten hätten ihr auf Befragen bei Abschluß der „Ergänzungsverträge” erklärt, damit wurden die Vorausabtretungen hinfällig. Da die Beklagte gleichwohl Zahlungen an sie – die Klägerin – verweigert habe, sei sie, um ihrer Lieferpflicht nach Zukommen und ihre Verbindlichkeiten gegenüber ihren Subunternehmern erfüllen zu können, zur Zahlung der Abfindungsbeträge genötigt gewesen. Die Beklagte bestreitet eine derartige Auskunftserteilung und meint, die Klägerin habe – wenn überhaupt – nur gezahlt, um sich die gleichwohl noch gewinnversprechenden Aufträge zu sichern. Im übrigen beruft sie sich auf Verjährung.
Mit der am 28. Februar 1966 bei Gericht eingegangenen Teilklage hat die Klägerin von der Beklagten Zahlung von 20.000 DM nebst Zinsen verlangt und im Berufungsrechtszug die Klageforderung auf 26.000 DM erhöht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht sieht in den „Ergänzungsverträgen” vom 20./21: September 1962 eine sog. Vertragsübernahme, – und zwar dergestalt, daß damit die Firma aus den mit der Beklagten abgeschlossenen Werklieferungsverträgen ausschied und an ihrer Stelle die Klägerin in die Verträge eintrat. Eine dahingehende Vertragsauslegung ist, wie der Senat in seinem Urteil vom 29. Oktober 1957 (VIII ZR 292/56 = LM BGB § 581 Nr. 16 = MDR 1958, 90) ausgeführt hat, jedenfalls bei Dauerschuldverhältnissen – und Entsprechendes muß, wie hier, für Sukzessivlieferungsverträge gelten – rechtlich möglich (vgl. auch BGH Urteil vom 28. November 1969 – V ZR 20/66 = WM 1970, 195 = Betrieb 1970, 441 mit weiteren Nachweisen). Sie ist aber auch naheliegend. Ersichtlich waren die Beteiligten angesichts des zunehmendem Vermögensverfalls der Firma M… bestrebt, diese aus den umfangreichen und langfristigen Lieferungsverträgen zu entlassen und an ihrer Stelle die Klägerin mit der reibungslosen Durchführung zu betrauen, gleichzeitig jedoch der Firma M… die Möglichkeit offenzuhalten, sich als Subunternehmerin der Klägerin weiterhin an den Lieferungen zu beteiligen und damit ihren Fabrikationsbetrieb aufrechtzuerhalten. Dieses Ziel aber konnte am besten durch völlige Auswechslung der Vertragspartner erreicht werden.
2. Geht man von einer derartigen Vertragsgestaltung aus, so war – wie das Berufungsgericht zutreffend darlegt – die nach der Behauptung der Klägerin von der Beklagten erteilte Auskunft, mit Abschluß der „Ergänzungsverträge” seien die von der Firma vorgenommenen Vorausabtretungen der Klägerin gegenüber hinfällig, nicht falsch, sondern zutreffend. Abtretungen künftiger Forderungen werden erst wirksam, wenn und sofern die abgetretenen Forderungen tatsächlich entstehen (BGHZ 32, 367, 369). Wird daher der Vertrag, auf dem die im voraus abgetretenen Forderungen beruhen sollen, vorher beendet, oder scheidet – wie hier – der Zedent im Rahmen einer Vertragsübernahme aus dem Vertrag aus, so gehen die von ihm vorgenommenen Vorausabtretungen ins Leere. Davon geht auch die Revision aus. Die Vergütung für die nach dem 20. September 1962 von der Klägerin erbrachten Leistungen – und nur um sie geht es hier – stand daher nicht den Zessionaren, sondern der Klägerin zu. Damit ist der Streit der Parteien, welche Auskünfte die Bediensteten des Bundesamtes der Klägerin bei Abschluß der „Ergänzungsverträge” gegeben haben, für den Revisionsrechtszug gegenstandslos.
3. War somit die Klägerin Inhaberin der Vergütungsansprüche für die von ihr erbrachten Lieferungen, so erscheint es, wie der Revision einzuräumen ist, in der Tat zweifelhaft, ob das Bundesamt – von einer eigenen Rechtsabteilung rechtskundig beraten – zur Hinterlegung der Rechnungsbeträge gemäß § 372 Satz 2 BGB befugt war und dadurch die Verzugsfolgen von sich abwenden konnte (§ 378 BGB). Wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHZ 7, 302, 307 ausgeführt hat, liegt eine „Ungewißheit über die Person des Gläubigers” nicht schon bei jedem Prätendentenstreit, sondern nur dann vor, wenn beim Schuldner trotz sorgfältiger Prüfung Zweifel über die Person des Berechtigten obwalten, die „objektiv verständig” sind und es für den Schuldner unzumutbar erscheinen lassen, auf eigenes Risiko zu zahlen (vgl. auch Wilde zu LM BGB § 372 Nr. 3). Ob diese Voraussetzungen hier vorlagen, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung; denn auch wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, daß die Beklagte nicht zur Hinterlegung befugt war und sich damit einer Verletzung ihrer Vertragspflichten schuldig gemacht hat, so wären doch jedenfalls etwaige, sich daraus ergebende Schadensersatzansprüche der Klägerin verjährt.
4. Entgegen der Ansicht der Revision würden sich allerdings derartige Schadensersatzansprüche – das tatsächliche Vorbringen der Klägerin insoweit als richtig unterstellt – nicht aus positiver Vertragsverletzung seitens der Beklagten, sondern aus Verzug ergeben.
a) War die Beklagte nicht in der Lage, durch Hinterlegung ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen (§ 372 Satz 2, § 378 BGB), so geriet sie jeweils hinsichtlich derjenigen Teilieferungen, die die Klägerin im Rahmen des Sukzessivlieferungsvertrages erbrachte, mit ihrer entsprechenden Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises (§ 651 Abs. 1 Satz 2. 1. Halbsatz in Verbindung mit § 433 Abs. 2 BGB) in Verzug. Einer ausdrücklichen Mahnung (§ 284 BGB) bedurfte es insoweit nicht, da die Beklagte ihre mangelnde Zahlungsbereitschaft durch die Hinterlegungen hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hatte.
b) Damit war die Klägerin gemäß § 286 Abs. 1 BGB berechtigt, von der Beklagten Ersatz des ihr durch den Zahlungsverzug adäquat verursachten Schadens zu verlangen. Der Ansicht des Berufungsgerichts, sie sei darauf beschränkt gewesen, entweder die Beklagte auf Zahlung der Vergütung zu verklagen oder aber von ihr gemäß § 326 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen bzw. vom Vertrag zurückzutreten, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr war die Klägerin auch berechtigt, an den Verträgen festzuhalten und – neben dem fortbestehenden Anspruch auf Erfüllung – gemäß § 286 Abs. 1 BGB Ersatz des Verzugsschadens zu verlangen. Da die Beklagte die Zahlungen an die Klägerin von der vorherigen Beilegung des Prätendentenstreits abhängig machte, gleichwohl aber auf Erfüllung der Lieferpflichten bestand, und da die Klägerin als reine Handelsfirma ihrerseits ihren laufenden Verbindlichkeiten gegenüber ihren Subunternehmern nachzukommen hatte, spricht manches für die Annahme, daß die Aufwendungen, die sie nach ihrer Darstellung an die Zedenten für deren Verzicht auf die ihnen vermeintlich zustehenden Forderungen erbracht haben will, noch als ein adäquat durch den Verzug der Beklagten verursachter Schaden angesehen werden können.
c) Derartige Ansprüche auf Ersatz des Verzugsschadens verjähren jedoch, wie der Senat im Urteil vom 11. Februar 1958 (VIII ZR 34/57 = WM 1958, 533 = Betrieb 1958, 307 = BB 1958, 281) dargelegt hat, in derselben Frist wie die Ansprüche, aus denen sie herrühren. Der gleiche Grund, aus dem Geschäfte des täglichen Lebens gemäß § 196 BGB in kurzer Zeit verjähren, nämlich die bei derartigen Geschäften unvermeidliche baldige Verdunkelung des Sachverhalts nach Möglichkeit zu verhindern und die glatte und beschleunigte Abwicklung der Geschäfte zu fördern, rechtfertigt eine kurze Verjährung auch für die aus diesen Geschäften entspringenden Schadensersatzansprüche wegen Verzuges (vgl. auch BGHZ 57, 191, 195 mit weiteren Nachweisen).
d) Im vorliegenden Fall unterlagen die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung des Kaufpreises – und zwar im Rahmen der Sukzessivlieferungsverträge für jede Teillieferung gesondert – der zweijährigen Verjährung des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Sie wären somit, soweit sie vor dem 31. Dezember 1962 fällig geworden sind, gemäß § 201 BGB Ende 1964 verjährt. Diese Verjährungsfrist ist auch für den auf den Zahlungsverzug gestützten Schadensersatzanspruch maßgebend. Dabei ist allerdings hinsichtlich des Beginns der Verjährung nicht auf die Fälligkeit der zugrunde liegenden Zahlungsansprüche abzustellen. Entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt, an dem der Verzugsschaden entstanden ist (RGZ 128, 76, 79; Augustin bei Soergel/Siebert, 10. Aufl. § 198 Nr. 21). Da die Klägerin sich nach ihrem eigenen Vorbringen bereits im Januar 1963 in mehreren Abfindungsvergleichen zur Zahlung der streitigen Beträge an die Zessionare verpflichtet hatte und damit der Schaden bei ihr entstanden war, lief die Verjährungsfrist – unter Berücksichtigung des auch insoweit entsprechenden heranzuziehenden § 201 BGB (vgl. RGZ 128, 79) – Ende 1965 ab. Der Schadensersatzanspruch war daher, als die Klägerin ihn am 28. Februar 1966 erstmalig klageweise geltend machte, bereits verjährt.
5. Die Revision kann somit keinen Erfolg haben. Sie war daher – mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO – zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 609689 |
WM 1973, 489 |