Leitsatz (amtlich)
Erklärt die Zedentin eines vollstreckbaren Anspruchs nach Abtretung den Rücktritt von dem den Anspruch begründenden Vertrag, so ist die weitere Vollstreckung den Anspruchs durch die Zessionarin jedenfalls dann nicht rechtsmißbräuchlich, wenn keine Umstände dafür sprechen, daß sich diese das Verhalten der Zedentin anrechnen lassen muß.
Normenkette
ZPO § 767
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats den Oberlandesgerichts München vom 3. Dezember 1975 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kostender Revision, an den 13. Zivilsenat den Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Eigentümer eines Elektrizitätswerks Dr. Eugen S. richtete an die Erstbeklagte ein übertragbares Verkaufsangebot über sein Kraftwerk; Kaufpreis war die Übernahme aller auf dem Grundbesitz lastenden Verbindlichkeiten. In der notariellen Urkunde vom 28. Mai 1973, die Gegenstand der vorliegenden Vollstreckungsabwehrklage ist, übertrug die Erstbeklagte ihre gesamten Rechte aus dem Verkaufsangebot an den Kläger.
Als Gegenleistung für diese Abtretung vereinbarten die Vertragsparteien einen Kaufpreis von 130.000 DM; davon wurden 20.000 DM sofort bezahlt, der Restbetrag sollte bis spätestens 1. Juli 1974 fällig sein. Ziffer IV Absätze 4 und 5 lauten:
„In dem heute vereinbarten Betrag von 130.000 DM sind sämtliche Aufwendungen, Kosten und Gebühren des Veräußerers enthalten, die mit dem Verkaufsangebot im Zusammenhang stehen, einschließlich der Kosten durch die Anwaltskanzlei F…/S…, sowie der persönlichen Kosten von Herrn W…
Unberührt bleiben jedoch Unkosten, die ab dem heutigen Tage neu entstehen.”
Der Kläger nahm das Angebot an; er wurde im August 1973 als Eigentümer der gekauften Grundstücke eingetragen.
Nachdem der Erstbeklagten, schon 1973 Vollstreckungsklausel erteilt worden war, trat sie Anfang 1974 alle Ansprüche, Forderungen und Rechte aller Art, die ihr aus einer Reihe von Verträgen, darunter auch dem vom 28. Mai 1973, zustanden, an die Zweitbeklagte ab. Dieser wurde im Juni 1974 eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt.
Der Kläger macht gegenüber dem vollstreckbaren Anspruch ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Er behauptet, in Nr. IV des Vertrags vom 28. Mai 1973 habe die Erstbeklagte, auch die Verpflichtung übernommen, die von Dr. S… an Rechtsanwalt F… geschuldeten Anwaltskosten, soweit sie bis zu diesem Zeitpunkt entstanden waren, zu zahlen, damit Dr. S… saniert würde und nicht er (der Kläger) nach § 419 BGB solche Honorarforderungen gegenüber Dr. S… zu erfüllen habe. Rechtsanwalt F… mache solche Ansprüche gegenüber Dr. S… geltend; er habe sich am 5. Mai 1974 ein vollstreckbares abstrakten Schuldanerkenntnis des Dr. S… über 170.000 DM verschafft, dem Honoraransprüche aus der Zeit vor dem 28. Mai 1973 zugrunde lägen.
Der Kläger hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde den Notars Wolf-Dieter H… Nr. 1032/H/73 vom 28. Mai 1973 für unzulässig zu erklären.
Das Landgericht hat die Klage entsprechend den Anträgen der Beklagten abgewiesen.
In der Berufungsinstanz hat die Beklagte zu 1 den Rücktritt von dem am 28. Mai 1973 abgeschlossenen Vertrag erklärt. Der Kläger hält diese Erklärung für unwirksam.
Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Er verfolgt mit der Revision den Klagantrag gegen die Beklagte zu 2 weiter. Die Beklagte zu 2 beantragt die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. a) Der Kläger wendet gegenüber dem in der Urkunde vom 28. Mai 1973 für vollstreckbar erklärten Anspruch in Höhe von noch 110.000 DM ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Anspruchs gegen die Beklagte zu 1 auf Freistellung des Dr. S… von bestimmten Schuldverpflichtungen in dieser Höhe (Anwaltshonorare der Anwälte F… und S…) ein. Diese oblägen Dr. S… gegenüber den Anwälten F… und S…, jedenfalls nach Erklärungen des Rechtsanwalts F…; sie lägen auch dem abstrakten Schuldanerkenntnis den Dr. S… vom 5. Mai 1974 zugrunde. Der Kläger leitet seinen Anspruch auf Freistellung des Dr. S… aus dem Vertrag vom 28. Mai 1973 ab und legt Ziffer IV dieses Vertrages dahin aus, daß mit der Zahlung der 130.000 DM auch sämtliche bis zum 28. Mai 1973 entstandenen Forderungen der Anwaltskanzlei F… gegen Dr. S… abgegolten sein sollten, weil mit dem Vertragswerk die Sanierung des Dr. S… und damit gleichzeitig auch des Klägers Schutz gegen eine Inanspruchnahme nach § 419 BGB durch die Gläubiger des Dr. S… bezweckt gewesen sei.
Das Berufungsgericht schließt sich in vollem Umfang den Ausführungen des landgerichtlichen Urteils an. Das Landgericht seinerseits unterstellt den klägerischen Vortrag über die Verpflichtungen der Beklagten zu 1 als richtig. Es würdigt diese unterstellte Verpflichtung der Beklagten zu 1 gegenüber dem Kläger als einfache Erfüllungsübernahme im Sinn des § 329 BGB, und zwar in der Form, daß sich der Verpflichtende dem Versprechensempfänger gegenüber bereit erklärt, den Gläubiger eines Dritten zu befriedigen. Das Landgericht läßt in seinen Ausführungen, auf die das Berufungsgericht Bezug nimmt weiter dahingestellt, ob die zu tilgende Schuld hinreichend konkretisiert und ob der behauptete Gegenanspruch des Klägers fällig ist. Nach Ansicht des Landgerichts scheitert der gegen die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde erhobene Einwand des Klägers daran, daß er die Forderung der Rechtsanwälte F… und S… gegen Dr. S…, die die Beklagte zu 1 nach klägerischem Vortrag zu erfüllen haben übernommen habe, nicht beziffern könne. Daher sei für eine Verurteilung Zug-um-Zug kein Raum.
Über die Verweisung auf die landgerichtlichen Ausführungen hinaus prüft das Berufungsgericht den Sachvortrag unter dem Gesichtspunkt eines „sogenannten echten Vertrages zugunsten eines Dritten in Richtung auf Dr. S…”; es vermißt in dieser Hinsicht konkreten Sachvortrag.
b) Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß das Berufungsgericht in den Gründen des angefochtenen Urteils die Unterstellung des Landgerichts aufrechterhält die Beklagte zu 1 habe entsprechend dem Vortrag des Klägers im Vertrag vom 28. Mai 1973 gegenüber dem Kläger die Pflicht übernommen Dr. S… von sämtlichen Forderungen der Anwaltskanzlei F…/S… freizustellen. In der Revisionsinstanz ist daher, was den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1 aus dem genannten Vertrag anbelangt, von diesem Sachverhalt auszugehen. Die Einrede des Zurückbehaltungsrechts oder des nicht erfüllten Vertrages vermag der Kläger gemäß § 404 BGB auch der Beklagten zu 2 entgegenzuhalten.
2. a) Das Zurückbehaltungsrecht des Klägers wegen eines Anspruchs auf Befreiung des Dr. S… von bestimmten, diesem gegenüber den Rechtsanwälten F… und S… obliegenden Verbindlichkeiten scheitert nach Ansicht des Berufungsgerichts daran, daß der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, daß die den beiden Rechtsanwälten gegen Dr. S… zustehenden Honorarforderungen bis zum 28. Mai 1973 tatsächlich auch eine Höhe von mindestens 110.000 DM erreicht hätten. Der Kläger hätte diese Honoraransprüche „detailliert in Grund und Höhe angeben müssen. Das abstrakte Schuldanerkenntnis des Dr. S… über 170.000 DM besage hier mangels des Rechtsgrundes der Verpflichtung nichts; dazu sei unstreitig, daß Rechtsanwalt F… erhebliche rückständige Honoraransprüche aufgrund von Rechtsbeziehungen habe geltend machen können, die hier ohne Bedeutung seien. Der erst in der Berufungsbegründung angetretene Beweis mit dem Zeugnis des Dr. S… sei verspätet und daher gemäß § 529 Abs. 2 a.F. ZPO zurückzuweisen. Es fehle eine Begründung, weshalb dieser Beweis trotz Veranlassung nicht schon in der ersten Instanz angeboten worden sei. Keiner weiteren Ausführung bedürfe, daß die Vernehmung des Dr. S… eine wesentliche Verzögerung des Rechtsstreits schon dadurch ergeben würde, daß sie zwangsläufig eine spätere weitere umfangreiche Beweisaufnahme erfordern würde. Darüber hinaus käme die Vernehmung des Dr. S… letztlich einem Ausforschungsbeweis gleich.
b) Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Was die Geltendmachung solcher Honorarforderung anbelangt, von denen der Kläger nach seinem unterstellten Vortrag hätte freigestellt werden sollen, verweist die Revision mit Erfolg auf den Sachvortrag des Klägers in der Berufungsbegründung und den vorgelegten Schriftwechsel den Klägers mit Rechtsanwalt F… vor Klagerhebung (Anlage 9 zur Klagschrift und Anlagen zur Berufungsbegründung). Darin bringt Rechtsanwalt F… zum Ausdruck, daß ihm Honoraransprüche gegen Dr. S… zustünden und er auf ihre Geltendmachung auch gegenüber dem Kläger bestehe.
Der Kläger hat in der Berufungsbegründung weiter durch das Zeugnis des Dr. S unter Beweis gestellt, daß auch dessen abstraktem Schuldanerkenntnis vom 5. März 1974 Honoraransprüche, die nur vor dem 28. Mai 1973 angefallen sein könnten, zugrunde lägen. Aus dem unter Beweis gestellten Sachvortrag über Grund und Höhe der von Rechtsanwalt F… gegenüber Dr. S… erhobenen Forderungen und über die angekündigte Geltendmachung dieser Forderungen auch gegenüber dem Kläger ist zu entnehmen, daß dem Kläger die Eintreibung von Forderungen droht – nach seinem weiteren Vortrag gemäß § 419 BGB – von denen er nach dem vom Berufungsgericht unterstellten vertraglichen Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten zu 1 durch diese befreit worden sollte. Es hätte einer Begründung dafür bedurft, daß die Berücksichtigung des Zeugnisbeweises – etwa durch Ladung des Zeugen nach § 272 b a.F. ZPO – die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte. Das Berufungsgericht führt in dieser Richtung aus, im Hinblick auf das Berufungserwiderungsvorbringen würde sich eine wesentliche Verzögerung des Rechtsstreits schon dadurch ergeben, daß die Vernehmung des Zeugen zwangsläufig eine spätere weitere umfangreiche Beweisaufnahme erfordern würde, was keiner weiteren Ausführungen bedürfe. Diese Begründung genügt nicht. Das Berufungsgericht hätte, wenn man die Ablehnung unter diesem Gesichtspunkt überhaupt in Betracht ziehen will (vgl. BGH LM ZPO § 529 Nr. 21 und KG NJW 1974, 2011 mit Anmerkung Schneider NJW 1975, 353), wenigstes darlegen müssen, inwiefern die Ladung des Zeugen Dr. S… eine spätere weitere Beweisaufnahme erfordert. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis ist in diesem Beweisantritt nicht zu sehen.
c) Der Sachvortrag den Klägers ergibt allerdings nicht, daß die begehrte Freistellung Zug-um-Zug gegen Zahlung der restlichen 110.000 DM erfolgen sollte. Das Berufungsgericht stellt vielmehr fest, daß auch nach der von dem Kläger zugrundegelegten Auslegung Voraussetzung für die Freistellung des Dr. S… und dementsprechend auch für die Freistellung des Klägers von seiner Haftung für bestimmte Honoraransprüche als Übernehmer sei, daß der Kläger seiner Zahlungsverpflichtung nachkomme. Dies schließt den Einwand des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB) jedoch entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht aus, weil die Beklagte zu 2 die geforderte Freistellung nicht anerkennt, diese vielmehr endgültig verweigert (BGH WM 1964, 1247; Erman/Battes, BGB 6. Aufl., § 320 Rdnr. 25).
3. a) In der Berufungsinstanz legte der Kläger die Erklärung der Beklagten zu 1 vom 4. Juli 1975 vor, wonach diese Beklagte vom Vertrag vom 25. Mai 1973 mit der Begründung zurücktrat, der Kläger habe seine Vertragspflichten nicht erfüllt. Dem Antrag des Klägers, bis zur Klärung der Wirksamkeit des Rücktritts das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, traten die Beklagten entgegen. Der Rücktritt, trug der Kläger vor, sei unbegründet, er stimme einem Rücktritt nicht zu.
Das Berufungsgericht führt dazu aus: Ganz abgesehen davon, daß der Kläger die Zulässigkeit, Wirksamkeit und Begründetheit den Rücktritts ausdrücklich bestreite und er die Vollstreckungsabwehrklage nicht auf den Einwand des inzwischen vorgenommenen Rücktritts stütze, könne dieser Einwand gemäß § 767 Abs. 3 ZPO nicht berücksichtigt werden, weil er sich als Klagänderung darstelle. Nach dem Gesamtvorbringen der Beklagten könne es keinem Zweifel unterliegen, daß die Beklagten nicht einwilligten. Dabei hat das Berufungsgericht übersehen, daß die Einwilligung der Beklagten in eine Änderung der Klage anzunehmen war, wenn sie, ohne der Änderung zu widersprechen, sich in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage einließen (§ 269 ZPO a.F.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im Schriftsatz vom 24. Juli 1975, dessen Vortrag in der mündlichen Verhandlung sich aus der Bezugnahme am Schluß des Tatbestands des angefochtenen Urteils ergibt, hat die Beklagte zu 2 ausgeführt, es solle in der Sache selbst entschieden werden. Wenn der Kläger die Rücktrittserklärung anerkenne, möge er dies klipp und klar zum Ausdruck bringen. Wenn er jedoch die Rücktrittserklärung als Erklärung bezeichne, die inhaltslos sei, sei sein eigenes Begehren auf Ruhen geradezu widersinnig. Das Gericht möge darauf hinwirken, daß der Kläger klipp und klar zu erklären habe, ob die Rücktrittserklärung für ihn rechtswirksam sei und somit seine Anerkennung finde oder ob er die Rücktrittserklärung in Bausch und Bogen als unwirksam betrachte. Damit hat die Beklagte zu 2, ohne sich einer etwaigen Änderung der Klage zu widersetzen, sich auf eine solche Änderung eingelassen.
b) Die neue Einwendung macht die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde nicht unzulässig, auch wenn der Prüfung dieser Frage die Auffassung zugrunde gelegt wird, daß die Beklagte zu 1 als Zedentin des Zahlungsanspruchs zum Rücktritt berechtigt blieb (vgl. dazu BGH NJW 1973, 1793).
Die Erklärung der Beklagten zu 1 als Zedentin der jetzigen Gläubigerin, von dem Vertrag, aus dem sich titulierte Anspruch ergibt, zurückzutreten, würde die Zwangsvollstreckung nur dann unzulässig machen, wenn der Rücktritt wirksam wäre. Der Kläger hat aber keine Tatsachen vorgetragen, die die Wirksamkeit des Rücktritts der Beklagten zu 1 ergäben. Er hat sich überdies selbst auf den Standpunkt gestellt, daß die Rücktrittserklärung schon im Hinblick auf § 454 BGB keine Wirksamkeit entfalten könne.
Auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, der im Verfahrensrecht zu beachten ist (BGHZ 42, 1; Baumbach/Lauterbach a.a.O. Einleitung III 6 A), stellt sich jedenfalls nicht aufgrund der Rücktrittserklärung der Zedentin des vollstreckbaren Anspruchs (Beklagte zu 1) die Vollstreckung als unzulässige Rechtsausübung der Zessionarin (Beklagte zu 2) dar, wenn keine Umstände dafür sprechen, daß die Zessionarin sich das Verhalten der Zedentin anrechnen lassen muß. Die Erklärung des Rücktritts erzeugt zwar eine Unsicherheit über den Bestand des Rechtsverhältnisses, das den vollstreckbaren Anspruch begründet. Diese Unsicherheit allein vermag jedoch die Kraft den Vollstreckungstitels unter den gegebenen Umständen nicht zu zerstören.
4. Die Rechtfertigung des vom Kläger erhobenen Einwands gegen die Zwangsvollstreckung und damit die Entscheidung über die Klage hängt sonach davon ab, ob der zugunsten den Klägers unterstellte Inhalt des Vertrags vom 28. Mai 1973 zutrifft. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur tatrichterlichen Klärung dieser Frage zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Fundstellen