Leitsatz (amtlich)
Haben die Parteien im Hinblick auf die Reglementierung des Bodenverkehrs in der DDR zum Schein einen genehmigungsfähigen Preis in Mark/DDR beurkundet, in Wahrheit aber einen höheren Kaufpreis in Deutscher Mark vereinbart, so ist die Berufung des zwischenzeitlich als Eigentümer im Grundbuch eingetragenen Käufers auf § 305 Abs. 3 ZGB in der Regel treuwidrig.
Normenkette
ZGB DDR § 305 Abs. 3; BGB § 242
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Aktenzeichen V ZR 205/98) |
LG Magdeburg (Aktenzeichen 5 O 3575/96) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 19. Mai 1998 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 10. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger verlangen vom Beklagten die Zahlung eines restlichen Kaufpreises in Höhe von 25.000 DM aus einem Grundstückskaufvertrag.
Sie waren Eigentümer eines Einfamilienhauses in S. und hatten sich im Frühjahr 1990 zur Veräußerung entschlossen, weil sie die DDR verlassen wollten. Nachdem sie sich mit einer Familie A. über den Kauf zu einem Preis von 50.000 DM einig geworden waren, bat der Beklagte unter Hinweis auf langjährige freundschaftliche Beziehungen zwischen den Familien, das Hausgrundstück ihm und seiner Ehefrau zu veräußern. Die Parteien (auf seiten der Käuferseite auch die Ehefrau des Beklagten) schlossen dann am 15. Mai 1990 vor dem Staatlichen Notariat einen Kaufvertrag, in dem als Kaufpreis der von einem Sachverständigen am 1. November 1988 ermittelte Zeitwert von 30.050 Mark/DDR angegeben war. Er sollte in jährlichen Raten von 5.000 Mark, beginnend ab dem 1. September 1991, bezahlt werden. Am Tag der Beurkundung unterzeichneten die Käufer eine handschriftliche Vereinbarung, wonach beim Ableben der Verkäufer „die Verpflichtung der Ratenzahlung von 5.000 Mark jährlich bis zur Tilgung der Gesamtsumme von 50.000 Mark Kaufpreis automatisch auf die Erben” übergehen sollte. Bereits vorher hatte der Beklagte 20.000 Mark/DDR an die Kläger zur Ablösung von auf dem Hause ruhenden Verbindlichkeiten bezahlt, die unstreitig neben dem Kaufpreis beglichen werden sollten. Am 25. September 1990 wurden der Beklagte und seine Ehefrau in das Grundbuch eingetragen. Er hat bis 1995 fünf Raten von je 5.000 DM bezahlt und mit Schreiben vom 6. September 1996 weitere Zahlungen abgelehnt, weil wegen des Einigungsvertrages der Kaufpreis halbiert werden müsse.
Die Kläger behaupten, der im Kaufvertrag als Kaufpreis benannte Betrag sei nur wegen der Preisbestimmungen in der DDR angegeben, in Wahrheit sei aber ein Kaufpreis von 50.000 DM vereinbart worden. Sie haben beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 25.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Kläger, die ihren Berufungsantrag weiterverfolgen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet, die Kläger können vom Beklagten die Zahlung eines restlichen Kaufpreises in Höhe von 25.000 DM verlangen (Art. 232 § 1 EGBGB; § 139 Abs. 2, § 434 Abs. 1 ZGB).
1. Das Berufungsgericht stellt fest, daß sich die Parteien auf einen tatsächlich zu entrichtenden Kaufpreis von 50.000 DM geeinigt hätten. Diese Vereinbarung sei formnichtig, es gelte jedoch nach § 305 Abs. 3 ZGB der Vertrag mit dem beurkundeten Kaufpreis. Diese vom Gesetzgeber der DDR im Gegensatz zu § 68 Abs. 2 Satz 2 ZGB und § 69 Abs. 2 ZGB aufrechterhaltene Bestimmung sei hier anzuwenden. Etwas anderes folge weder aus der Tatsache der Grundbucheintragung noch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Die Entscheidung BGHZ 124, 321 ff beziehe sich nur auf eine Scheinschenkung, nicht aber auf einen Kaufvertrag mit vorgetäuschtem Preis.
2. Diese Ausführungen halten der Revision nicht stand. Es widerspricht Treu und Glauben, wenn der Beklagte trotz Vereinbarung eines Kaufpreises von 50.000 DM die Kläger nunmehr an dem beurkundeten Preis festhalten will, obwohl der Vertrag durch Eintragung im Grundbuch vollzogen worden ist. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lassen sich die Grundgedanken aus dem Senatsurteil BGHZ 124, 321 ff (= NJW 1994, 655 ff) auf den vorliegenden Fall übertragen.
Für ein Schuldverhältnis, das vor dem Wirksamwerden des Beitritts entstanden ist, bleibt zwar das bisherige Recht im Beitrittsgebiet maßgebend (Art. 232 § 1 EGBGB). Dies schließt jedoch nicht aus, das Verhalten des Beklagten nunmehr am Maßstab von § 242 BGB zu prüfen (vgl. auch BGHZ 124, 321; 121, 378, 391; 120, 10, 22; Palandt/Putzo, BGB 58. Aufl. Art. 232 § 1 EGBGB Rdn. 10 m.w.N.). Nach Auffassung des Senats handelt der Beklagte treuwidrig.
Dabei kann dahinstehen weshalb der DDR-Gesetzgeber einerseits die Bestimmungen der §§ 68 Abs. 2 Satz 2 und 69 Abs. 2 ZGB als Sanktion von Preisverstößen aufgehoben und andererseits § 305 Abs. 3 ZGB aufrechterhalten hat. Es geht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht darum, § 305 Abs. 3 ZGB am Maßstab der Wertentscheidungen des Grundgesetzes zu überprüfen (vgl. etwa BGHZ 117, 35, 39; 123, 65, 68), oder „zu einem Erwerbsvorgang zwei gültige Verträge bestehen” zu lassen. Im Verhältnis der Parteien geht es allein um die Frage, ob das wirklich gewollte Geschäft Bestand haben soll. Bejahendenfalls regelt es dann allein ihre Rechtsbeziehungen. Dafür kann es keinen Unterschied machen, ob die Parteien zur Umgehung der staatlichen Preislenkung einen nicht gewollten Schenkungsvertrag oder einen Kaufvertrag mit vorgetäuschtem Kaufpreis beurkunden lassen, um damit ein wirklich gewolltes Geschäft zu verdecken. Das Verhalten beider Parteien ist nur vor dem Hintergrund der DDR-Preisbestimmungen verständlich. Beide hatten zu DDR-Zeiten ein Interesse daran, den wahren Sachverhalt nicht offen zu legen, was ihnen einen gewissen Bestandsschutz für das einmal vollzogene Geschäft gewährte, der erst mit dem Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse entfiel (Senat BGHZ 124, 321, 325). Muß demnach in den Fällen vorgetäuschter Schenkung in aller Regel ein Bestandsschutz angenommen werden, dann erst recht für die Fälle eines vorgetäuschten Kaufpreises. In den Schenkungsfällen bliebe nämlich ohne Anwendung von § 305 Abs. 3 ZGB (vgl. Senatsurt. aaO S. 323) als Alternative wenigstens die Rückabwicklung des Grundstücksgeschäfts, bei einem vorgetäuschten Kaufpreis wäre nach Auffassung des Berufungsgerichts dagegen das Geschäft in seiner beurkundeten Form zum alleinigen Vorteil des Käufers und zum entsprechenden Nachteil des Verkäufers gültig. Eine solche unterschiedliche Behandlung je nach der Art der Scheingeschäfte, die aber aus völlig identischer Motivation (Umgehung der Preisvorschriften) abgeschlossen worden sind, wäre insbesondere nach dem Wegfall des preisrechtlichen Hintergrunds nicht mehr zu begründen. § 305 Abs. 3 ZGB diente der Durchsetzung der Preisanordnung Nr. 415 vom 6. Mai 1955 (GBl I S. 330) und damit allein dem staatlichen Interesse an der Reglementierung des Bodenverkehrs. Der Beklagte wollte diese Sanktion zusammen mit den Klägern bewußt umgehen und darf sie nunmehr nicht zu seinem alleinigen Vorteil nutzen. Das zeigt auch folgende Überlegung: Das Bürgerliche Gesetzbuch verteilt mit seiner Regelung zum Scheingeschäft bei Grundstücksverträgen (§ 117 Abs. 2, § 313 Satz 1 und Satz 2 BGB) das Risiko auf beide Vertragsparteien, weil das Geschäft wegen Formnichtigkeit grundsätzlich rückabgewickelt werden muß, nach der Heilung des verdeckten Vertrages durch Auflassung und Eintragung aber mit seinem vereinbarten Inhalt Bestand hat (§ 313 Satz 2 BGB). Könnte der Beklagte unter Berufung auf § 305 Abs. 3 ZGB das Hausgrundstück zum beurkundeten Preis behalten, dann würden allein die Kläger für die Umgehung der DDR-Preisbestimmungen „bestraft”, weil sich ihnen gegenüber die heute gegenstandslos gewordene Sanktion der ehemaligen Preisregulierung durchsetzen würde. Der Beklagte wäre deren alleiniger Nutznießer im krassen Gegensatz zum wirklich gewollten Geschäftsinhalt. Das widerspricht dem Zweck des Gesetzes, jedenfalls aber Treu und Glauben.
Muß sich der Beklagte an dem verdeckt abgeschlossenen Geschäft festhalten lassen, ist der Kaufvertrag in seiner gewollten Form als wirksam zu behandeln. Aus ihm folgt der Anspruch auf vollständige Kaufpreiszahlung (vgl. auch BGHZ 124, 321, 326).
3. Den Käufern war der Kaufpreis zwar gestundet, und ihnen waren Ratenzahlungen eingeräumt worden. Die Kläger waren jedoch berechtigt, diese Abrede zu widerrufen, weil der Beklagte die Kaufpreisforderung ernsthaft und endgültig bestritten hatte und damit die Durchsetzung des Anspruchs gefährdete. Damit entfiel die Grundlage der Stundung (vgl. BGH, Urt. v. 5. März 1981, III ZR 115/80, NJW 1981, 1666, 1667; RGZ 90, 177, 180; MünchKomm/Keller, BGB 3. Aufl. § 271 Rdn. 21; Soergel/Wolf, BGB 12. Aufl. § 271 Rdn. 19; Staudinger/Selb, BGB 1995, 271 Rdn. 6).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Schneider, Krüger, Klein
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 07.05.1999 durch Torka, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538908 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 1999, 613 |
WM 1999, 1720 |
ZAP-Ost 1999, 551 |
ZfIR 1999, 577 |
MDR 1999, 1130 |
NJ 1999, 651 |
www.judicialis.de 1999 |