Entscheidungsstichwort (Thema)
Beseitigung nachteiliger. gebrauchstauglichkeitswidriger Auswirkungen eines Baumangels durch Auftraggeber. Bestehende Mängelbeseitigungspflicht des Unternehmers
Leitsatz (amtlich)
Lässt der Besteller nur die nachteiligen Auswirkungen eines Baumangels auf die Gebrauchstauglichkeit des Gebäudes, an dem die Bauleistungen erbracht werden, durch bauliche Maßnahmen beseitigen (hier: Einbau längerer Türen bei einem mit zu geringer Höhe eingebrachten Estrichbelag), so liegt darin keine Ersatzvornahme i.S.d. § 633 Abs. 3 BGB a.F. In einem solchen Fall bleibt der Unternehmer zur Mängelbeseitigung verpflichtet, wenn die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben.
Normenkette
BGB § 633 Abs. 2, 3 a.F.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des OLG Köln vom 19.12.2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Klägerin ließ im Jahre 1997 zwei zur Vermietung bestimmte Eigentumswohnungen sanieren. Mit den Estricharbeiten beauftragte sie den Beklagten nach Maßgabe seines Angebots vom 15.5.1997. Danach sollte ein Anhydrit-Fließestrich als Heizestrich mit einer Dicke von 55 mm und einer Mindestüberdeckung der bauseits verlegten Fußbodenheizungsrohre von 35 mm eingebaut werden. Nach den insoweit im Berufungsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des LG einigten sich die Parteien nachträglich vor Ort darauf, dass der Estrich bis zu einer Höhe von 101 cm unterhalb des Meterrisses eingebracht werden sollte. Tatsächlich liegt die Oberkante des vom Beklagten im Juni 1997 eingebauten Estrichs 23 mm bis 30 mm tiefer.
[2] Nach Fertigstellung der Werkleistungen erteilte der Beklagte der Klägerin unter dem 11.7.1997 eine Schlussrechnung über 4.998,22 DM (2.555,55 EUR). Die Klägerin verweigerte mit Schreiben vom 24.7.1997 die Abnahme und beanstandete u.a., dass der Estrich nicht in genügender, den vertraglichen Vereinbarungen entsprechender Dicke eingebracht worden sei. Dadurch seien die für den Einbau in die bereits vorhandenen Zargen vorgesehenen Türen um ca. 30 mm zu kurz. Auf Vorschlag des Beklagten ließ die Klägerin die Türen mit einem Kostenaufwand von 1.691,65 EUR gegen solche mit passenden Sondermaßen austauschen. Der Estrichboden wurde mit Fliesen belegt und die Wohnungen wurden von Mietern bezogen. Die Schlussrechnung bezahlte die Klägerin nicht. Der Beklagte erhob wegen des offenstehenden Schlussrechnungsbetrages im Jahre 2000 Vergütungsklage vor dem AG. Dort berief sich die hiesige Klägerin u.a. wegen der zu geringen Dicke des Estrichs auf ein Leistungsverweigerungsrecht. Darüber hinaus erklärte sie hilfsweise die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Erstattung der durch den Austausch der Türen angefallenen Kosten. Das AG hielt die Einwendungen der jetzigen Klägerin nach Beweisaufnahme für nicht gerechtfertigt und verurteilte sie zur Zahlung eines Betrages von 2.340,61 EUR nebst Zinsen. Daraufhin leitete die Klägerin im Jahre 2002 ein selbständiges Beweisverfahren ein, in dem der gerichtliche Sachverständige die Kosten für die nachträgliche Herstellung eines Estrichbelages mit der nach Auffassung der Klägerin vereinbarten Dicke und Höhenlage auf 21.400 EUR bezifferte.
[3] Diesen Betrag zzgl. Verzugszinsen hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren als Vorschuss auf die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht. Das LG hat der Klage in Höhe eines Betrages von 20.508,14 EUR nebst anteiligen Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
[4] Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts, § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
[5] Das für die Beurteilung maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
[6] Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses auf die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten nach § 633 Abs. 3 BGB nicht zu, weil sie von dem Beklagten keine Mängelbeseitigung mehr verlangen könne. Die Klägerin habe die von ihr geltend gemachten Mängel im Wege der Ersatzvornahme beseitigen lassen, indem sie veranlasst habe, das Bodenniveau durch einen Fliesenbelag anzuheben und die Türen zu verlängern. Dadurch sei ein neuer baulicher Zustand geschaffen worden, bei dem es sich nicht nur um ein Provisorium gehandelt habe. Vielmehr sei das Objekt in dem von der Klägerin geschaffenen Zustand durch Vermietung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Verwertung zugeführt und über Jahre nicht mehr verändert worden. Infolge der Ersatzvornahme seien das Mängelbeseitigungsstadium und die vertraglichen Herstellungsansprüche der Klägerin schon in tatsächlicher Hinsicht überholt. Der nochmalige Rückgriff auf den Herstellungs- und Nachbesserungsanspruch sei der Klägerin nach der Systematik des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts aus rechtlichen Gründen versagt. Sie habe die Ersatzvornahme zu einem Zeitpunkt veranlasst, in dem sich der Beklagte mangels fristgebundener Mängelbeseitigungsaufforderung nicht in Verzug mit der Mängelbeseitigung befunden habe. Die eigenmächtig und vorschnell vorgenommene Ersatzvornahme habe zum Verlust des Aufwendungsersatzanspruches i.S.v. § 633 Abs. 3 BGB und somit dazu geführt, dass die Klägerin die Kosten der ungerechtfertigten Ersatzvornahme zu tragen habe. Dieses Ergebnis könne sie nicht dadurch unterlaufen, dass sie die bereits erfolgte Mängelbeseitigung gleichsam ignoriere und nun in anderer Weise erneut betreibe.
II.
[7] Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Erwägung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die in Rede stehenden Mängel der Werkleistungen des Beklagten selbst im Wege der (unberechtigten) Ersatzvornahme beseitigt, trifft nicht zu. Infolgedessen hätte es den geltend gemachten Vorschussanspruch nicht mit der Begründung versagen dürfen, der Beklagte sei schon wegen einer bereits durchgeführten Ersatzvornahme nicht mehr zur Mängelbeseitigung verpflichtet.
[8] 1. Nur im Ausgangspunkt zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass der mangelbedingte Vorschussanspruch des Bestellers nach § 633 Abs. 3 BGB das Bestehen eines entsprechenden Mangelbeseitigungsanspruches gem. § 633 Abs. 2 BGB voraussetzt. Es hat verkannt, dass die Werkleistung des Beklagten auch jetzt noch mit einem Mangel behaftet ist, zu dessen Beseitigung er grundsätzlich verpflichtet ist.
[9] a) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass der Beklagte sein Werk mangelhaft i.S.d. § 633 Abs. 1 BGB hergestellt hat, weil dem Estrichbelag eine zugesicherte Eigenschaft fehlt.
[10] aa) Die rechtsgeschäftliche Vereinbarung, den Estrichbelag bis zu einer Höhe von 101 cm unterhalb des Meterrisses zu verlegen, beinhaltet eine entsprechende Eigenschaftszusicherung des Beklagten i.S.d. § 633 Abs. 1 BGB. Zwar stellt nicht jede Beschreibung der geschuldeten Werkleistung ohne Weiteres die Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft dar. Erforderlich ist vielmehr, dass der Besteller erkennbar großen Wert auf die Einhaltung der Leistungsbeschreibung legt, weil es ihm darauf ankommt, dass das Werk nach der Dimensionierung der Leistungsbeschreibung gestaltet wird und der Unternehmer die Einhaltung dieser Leistungsvorgaben verspricht (BGH, Urt. v. 17.5.1994 - X ZR 39/93, NJW-RR 1994, 1134, 1135). Das war hier der Fall, wie sich ohne Weiteres aus dem Umstand ergibt, dass die bautechnischen Vorgaben für den weiteren Innenausbau der Mietwohnungen (Türmaße; Montagehöhen für Toiletten, Waschtische, Steckdosen; Festlegung des Fliesenspiegels etc.) maßgeblich von der Herstellung des Estrichbelages mit dem vereinbarten Höhenniveau abhingen. Vor diesem Hintergrund konnte der Beklagte keinem Zweifel darüber unterliegen, dass es der Klägerin in besonderem Maße auf die Einhaltung der für den Estrichbelag vereinbarten Einbauhöhe ankam. Dann aber lag in seinem diesbezüglichen Einverständnis zugleich die Zusicherung, diese Vorgaben einhalten zu wollen. Einer "gesteigerten Einstandspflicht" i.S.d. § 459 Abs. 2 BGB bedurfte es hierfür nicht (BGH, Urt. v. 17.5.1994 - X ZR 39/93, a.a.O.).
[11] bb) Das Werk des Beklagten hat diese zugesicherte Eigenschaft nicht. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Oberkante des Estrichbelages 23 bis 30 mm tiefer liegt, als sie nach der Vereinbarung hätte liegen dürfen.
[12] b) Der in der zusicherungswidrigen Höhenabweichung liegende Werkmangel besteht auch jetzt noch. Die entgegenstehende Auffassung des Berufungsgerichts beruht auf einer fehlerhaften Beurteilung des werkvertraglichen Mangelbegriffs und der hieran gem. § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB anknüpfenden Mängelbeseitigungspflicht des Unternehmers.
[13] Nach § 633 Abs. 1 BGB muss der Unternehmer sein Werk so herstellen, dass es die zugesicherten Eigenschaften hat. Fehlt eine solche, so ist seine Werkleistung mangelhaft. Seiner sich dann aus § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebenden Verpflichtung zur Beseitigung eines solchen Mangels kann der Unternehmer grundsätzlich nur dadurch nachkommen, dass er seinem Werk die fehlende Eigenschaft nachträglich verschafft. Im vorliegenden Fall besteht eine in diesem Sinne taugliche Mängelbeseitigung also darin, den Estrichbelag so nachzubearbeiten, dass seine Oberkante auf der vereinbarten Höhe von 101 cm unterhalb des ehemaligen Meterrisses liegt. Diese Eigenschaft besitzt der vom Beklagten hergestellte Estrichbelag weiterhin nicht.
[14] Durch die von der Klägerin in Ansehung der Höhendifferenz veranlassten baulichen Maßnahmen (Einbau eines Fliesenbelages und verlängerter Türen) ist nicht der in dieser Höhenabweichung liegende Mangel, sondern sind lediglich seine nachteiligen Auswirkungen auf die Gebrauchstauglichkeit der Wohnungen (teilweise) beseitigt worden. Dass darin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine Ersatzvornahme i.S.d. § 633 Abs. 3 BGB liegt, ist offenkundig und bedarf keiner weiteren Begründung. Deshalb kommt es für die Entscheidung auch nicht darauf an, ob sich der Beklagte mit der Mängelbeseitigung in Verzug befand, als die Klägerin den Fliesenbelag und verlängerte Türen hat einbauen lassen. Die ihr hierdurch entstandenen Kosten macht sie, wie auch das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht geltend.
[15] c) Die Parteien haben sich nicht feststellbar auf eine andere Art der Mängelbeseitigung geeinigt. Aus dem Umstand, dass die Klägerin mit dem Einbau verlängerter Türen einem Vorschlag des Beklagten gefolgt ist, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Denn der Beklagte hat ihr mit seinem Vorschlag ersichtlich keine andere Art der in seine Verantwortung fallenden Mängelbeseitigung andienen, sondern lediglich eine Möglichkeit aufzeigen wollen, die für eine Nutzung der Wohnungen nachteiligen Folgen eines mit zu geringer Höhe eingebauten Estrichbelages zu beheben, ohne sich an den hierdurch bedingten Kosten beteiligen zu müssen. Dass die Klägerin von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, konnte der Beklagte redlicherweise nicht als Einverständnis der Klägerin auffassen, die Mängelbeseitigung in der beschriebenen Weise auf eigene Kosten vorzunehmen. Erst Recht lag darin kein Verzicht auf die Geltendmachung etwaiger Gewährleistungsrechte.
[16] d) Schließlich wirft das Berufungsgericht der Klägerin zu Unrecht vor, sie habe die für eine wirtschaftliche Verwertung des Mietobjekts nachteiligen Folgen des Werkmangels beseitigt und könne nach nun acht Jahren kein berechtigtes Interesse mehr daran haben, eine gänzlich andere Art der Mängelbeseitigung zu betreiben. Das Berufungsgericht übersieht mit seiner Argumentation, dass die Klägerin sich stets dagegen gewehrt hat, die mangelhafte Werkleistung des Beklagten ersatzlos hinnehmen zu müssen. Sie hat den in Rede stehenden Mangel bereits mit Schreiben vom 24.7.1997 gerügt und deshalb die Abnahme verweigert. Im Werklohnprozess hat sie sich erfolglos mit der Geltendmachung eines mangelbedingten Leistungsverweigerungsrechts und der hilfsweisen Aufrechnung mit Erstattungsansprüchen verteidigt und sodann zeitnah ein selbständiges Beweisverfahren mit dem Ziel eingeleitet, den Mangelbeseitigungsaufwand sachverständig klären zu lassen. Nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens hat sie auf der Grundlage der so gewonnenen Erkenntnisse die vorliegende Klage erhoben. Es kann also keine Rede davon sein, dass sie durch ihr Verhalten zu erkennen gegeben habe, kein Interesse an einer Mängelbeseitigung mehr zu haben. Das gilt erst Recht, weil entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gute Gründe dafür bestanden, die Wohnungen schadensmindernd unter Verzicht auf eine streitige Auseinandersetzung mit dem Beklagten zunächst durch entsprechende Behelfsmaßnahmen in einen zur Vermietung geeigneten Zustand zu bringen. Nachdem der Beklagte sich im Werklohnprozess mit Erfolg dagegen gewehrt hatte, die hierdurch entstandenen Kosten tragen zu müssen, kann es der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen, dass sie nun die Mängelbeseitigung nach Maßgabe des § 633 Abs. 2, Abs. 3 BGB betreibt.
[17] 2. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden. Deshalb ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Fundstellen
Haufe-Index 2171580 |
BGHR 2009, 817 |
BauR 2009, 1295 |
DWW 2009, 266 |
EBE/BGH 2009 |
NJW-RR 2009, 1175 |
IBR 2009, 376 |
JurBüro 2009, 558 |
NZM 2009, 553 |
ZAP 2009, 775 |
MDR 2009, 862 |
MDR 2010, 365 |
NJ 2009, 380 |
VersR 2010, 83 |
WuM 2009, 361 |
ZfBR 2009, 572 |
BauSV 2009, 72 |
NJW-Spezial 2009, 408 |
NZBau 2009, 507 |
UBB 2009, 4 |
ZGS 2009, 341 |
BBB 2009, 50 |