Leitsatz (amtlich)
Bei den als erspart anzurechnenden Aufwendungen ist auch beim Architektenvertrag auf den konkreten Vertrag abzustellen. Welche ersparten Aufwendungen und welchen anderweitigen Erwerb er sich anrechnen läßt, hat der Architekt vorzutragen und zu beziffern. Trägt er nur einen bestimmten Prozentsatz vor (hier 40 %), so genügt das nicht, weil nicht ersichtlich ist, wie er für den konkreten Vertrag gerade zu diesem Prozentsatz gekommen ist und ob er von dem richtigen Begriff der Ersparnisse ausgegangen ist (im Anschluß an Senatsurteil vom 21. Dezember 1995 – VII ZR 198/94, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt – Aufgabe der Rechtsprechung, Senatsurteile vom 6. Juni 1966 – VII ZR 136/65 = Schäfer/Finnern Z 301 Bl. 351 und vom 5. Dezember 1968 – VII ZR 127, 128/66 = NJW 1969, 419).
Normenkette
BGB § 649 S. 2
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 08.08.1994) |
LG Heidelberg |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 8. August 1994 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Nach einem Brandschaden an ihrem Wohnhaus schrieb die Beklagte am 3. Dezember 1987 an den in M. als Architekt tätigen Kläger:
„…
ich beauftrage Sie mit der Feststellung der Schäden aus obigem Brand sowie dem Abbruch bzw. Räumung und Wiederaufbau meines Wohnhauses.
…”.
In der Folgezeit wurde der Kläger für die Beklagte tätig. Dabei ging es insbesondere um die Feststellung des Schadens, um Notmaßnahmen, Verhandlungen mit dem Gebäudeversicherer und Planung des Abrisses. Darüber kam es zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten, in deren Folge die Beklagte dem Kläger kündigte.
Der Kläger widersprach zunächst der Kündigung, übersandte der Beklagten aber dann mit Begleitschreiben vom 30. November 1988 eine Rechnung für bereits erbrachte Leistungen in Höhe von 13.680 DM. Hierauf bezahlte die Beklagte 7.318,80 DM.
Der Kläger macht nunmehr eine Gesamtforderung aus seiner Abrechnung für erbrachte Leistungen sowie aus seiner Abrechnung für Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen nach Kündigung geltend. Damit hatte er in beiden Vorinstanzen überwiegend Erfolg. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten. Die Anschlußrevision des Klägers hat der Senat nicht angenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht führt aus:
Die Beklagte habe dem Kläger einen Auftrag für Vollarchitektur erteilt, umfassend Maßnahmen infolge des Schadens einschließlich des Wiederaufbaus. Sie habe keinen wichtigen Grund gehabt, diesen Auftrag zu kündigen. Auch habe der Kläger seine Forderung prüfbar berechnet. Insbesondere habe der Kläger seine ersparten Aufwendungen mit 40 % des Honoraranteils für erbrachte Leistungen berechnen können. Die Beklagte habe nicht dargelegt, inwiefern dieser Abzug zu gering sei.
II.
Das halt der rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
1. Zu Unrecht macht die Revision geltend, die Beklagte habe nur einen Teilauftrag erteilt. Die gegenteilige Würdigung des Auftragsschreibens der Beklagten durch das Berufungsgericht läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
Es trifft auch nicht zu, daß wegen Ungewißheit über die letztlich zu erbringenden Leistungen ein Vollauftrag aus Rechtsgründen nicht hätte erteilt werden können. Diese Folgerung ergibt sich allerdings nicht daraus, daß es, wie das Berufungsgericht meint, zum „Wesen” eines Architektenvertrags gehöre, daß Planung und Kosten bei Auftragserteilung offen seien. Das ist kein Wesensmerkmal eines Architektenvertrags. Auch in einem Architektenvertrag kann vielmehr die Leistung von vornherein bestimmt vereinbart werden.
Die Vereinbarung der Parteien legt den Vertragsinhalt jedoch hier hinreichend bestimmt fest. Dafür genügt die Bestimmbarkeit der zu erbringenden Leistungen (vgl. etwa MünchKomm/Kramer, 3. Aufl., § 145 Rdn. 3). Die danach erforderliche Bestimmbarkeit ist hier in dem Sinne gegeben, daß der Kläger neben den Notmaßnahmen mit den nach Sachlage anfallenden Leistungen beauftragt werden sollte. So war das für den Kläger zu verstehen und so konnte es deshalb auch Vertragsinhalt werden.
2. Ohne Erfolg beanstandet die Revision auch, daß das Berufungsgericht einen wichtigen Grund zur Kündigung des Architektenvertrags verneint hat. Wenn das Berufungsgericht den Gesamtzusammenhang der Vorwürfe dahin würdigt, daß keine Störung des vertraglichen Vertrauensverhältnisses gegeben war, die eine Kündigung aus wichtigem Grund hätte rechtfertigen können, ist das aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Das gilt auch für die Eigenmächtigkeiten des Klägers bei der Errichtung des Notdachs. Insoweit hat der Kläger zwar in keineswegs unerheblichem Maße gegen seine Vertragspflichten verstoßen. Die Beklagte hat aber, wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt, die Eigenmächtigkeiten hingenommen, vor allem auch die Rechnungen bezahlt und über lange Zeit keinen Anlaß gesehen, aus diesem Grunde zu kündigen. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß nach acht Monaten bei diesen Gesamtumständen die Eigenmächtigkeiten des Klägers nicht mehr zum Anlaß für eine Kündigung aus wichtigem Grund herangezogen werden konnten.
Da eine Kündigung aus wichtigem Grund ausscheidet, hat das Berufungsgericht die Kündigung der Beklagten zu Recht als eine Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB gewertet.
3. Zu Recht wendet die Revision sich jedoch dagegen, daß das Berufungsgericht die Abrechnung des Klägers für prüffähig hält. Das ist sie nicht. Der Anspruch des Klägers ist deshalb derzeit nicht fällig.
Nach der Senatsrechtsprechung hat der Architekt, dem nach teilweise erbrachten Leistungen gemäß § 649 Satz 1 BGB gekündigt wurde, seine gesamten Leistungen, also die erbrachten wie die nicht erbrachten insgesamt abzurechnen und in diese Abrechnung die geleisteten Abschlagszahlungen einzustellen (BGH, Urteil vom 9. Juni 1994 – VII ZR 87/93 = BauR 1994, 655 = ZfBR 1994, 219 = NJW-RR 1994, 1238). Diesen Anforderungen genügen die Berechnungen des Klägers nicht.
4. Das Berufungsgericht hat darüber hinaus die Abrechnung des Klägers nach § 649 Satz 2 BGB zu Unrecht als schlüssig angesehen.
Nach § 649 Satz 2 BGB hat der Werkunternehmer, dem nach § 649 Satz 1 BGB gekündigt wurde, einen Anspruch auf die vertragliche Vergütung. Er muß sich darauf aber unter anderem anrechnen lassen, was er durch die Kündigung an Aufwendungen erspart. Als erspart anrechnungspflichtig sind die Aufwendungen, die der Unternehmer bei Ausführung des Vertrages hätte machen müssen und die er wegen der Kündigung nicht mehr machen muß. Dabei ist auf die Aufwendungen abzustellen, die durch die Nichtausführung des konkreten Vertrages entfallen sind (vgl. z.B. Staudinger/Peters, BGB, 13. Bearb., § 649 Rdn. 19). Was er sich in diesem Sinne als Aufwendung anrechnen läßt, hat der Unternehmer vorzutragen und zu beziffern, denn in der Regel ist nur er dazu in der Lage (vgl. im einzelnen Senatsurteil vom 21. Dezember 1995 – VII ZR 198/94, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
Der Kläger hat zwar seine ersparten Aufwendungen mit 40 % angesetzt, er hat aber nichts dafür vorgetragen, wie er gerade zu diesem Prozentsatz unter Bezug auf den konkreten Auftrag gekommen ist. Es ist nicht ersichtlich, ob der Kläger von dem richtigen Begriff der ersparten Aufwendungen (bzw. anderweitigen Erwerbs und böswillig unterlassenen Erwerbs) ausgegangen ist. Auch erlaubt der Vortrag dem für höhere Beträge darlegungsbelasteten, aber über die Einzelheiten des Betriebs des Klägers nicht informierten Beklagten kein sachgerechtes Eingehen auf den Sachvortrag des Klägers.
Der Senat hat allerdings in früheren Entscheidungen (vgl. Senatsurteile vom 6. Juni 1966 – VII ZR 136/65 = Schäfer/Finnern Z 301 Bl. 351 und vom 5. Dezember 1968 – VII ZR 127, 128/66 = NJW 1969, 419) es für die Abrechnung eines Architektenvertrages genügen lassen, wenn lediglich ein Prozentsatz für ersparte Aufwendungen vorgetragen wird. Dies entspricht aber nicht mehr der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 649 BGB (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 21. Dezember 1995 – VII ZR 198/94, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Der Senat hält deshalb auch für den Architektenvertrag an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest.
Es reicht auch nicht, daß es beim Architektenvertrag weitgehend üblich ist, ersparte Aufwendungen mit einem Prozentsatz von 40 % zu vereinbaren. Anders als für den Vergütungsanspruch nach § 632 BGB und dem folgend nach § 649 Satz 2 BGB gilt nämlich für die ersparten Aufwendungen, daß sie konkret und nicht nach Maßgabe der Üblichkeit abzurechnen sind.
Nach alledem hat der Kläger zu seinen ersparten Aufwendungen nicht hinreichend vorgetragen.
III.
Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Lang, Quack, Thode, Hausmann, Wiebel
Fundstellen
Haufe-Index 1644085 |
BB 1996, 1299 |
NJW 1996, 1751 |
Nachschlagewerk BGH |