Leitsatz (amtlich)

›Die Verteidigung gegen die negative Feststellungsklage unterbricht nicht die Verjährung den mit dieser Klage geleugneten Anspruchs. An der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dieser Frage wird festgehalten (vgl. RGZ 60, 387, 391; 71, 68, 73; 75, 302, 305; 90, 290, 292; 153, 375, 380; BGH, Urteile vom 6. November 1962 - VI ZR 30/62 = LM BGB § 209 Nr. 12; NJW 1972, 157, 159; 1972, 1043).‹

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 26.02.1976)

LG Kiel

 

Tatbestand

Mit Schreiben von 31. März/1. April 1970 übertrug die Beklagte dem Bauunternehmer K. in U. die Herstellung verschiedener Fußwege in ihrem Gemeindegebiet. K. erteilte an 20. Juni 1971 eine Schlußrechnung, die von dem Bauleiter der Beklagten auf 188.943,12 DM gekürzt wurde. Die Beklagte zahlte hierauf insgesamt 123.563,07 DM sowie - in Verlaufe des Rechtsstreits - aus einem Sicherheitseinbehalt von 9.500 DN weitere 7,994,13 DM und machte im Übrigen Gegenansprüche, insbesondere eine Vertragsstrafe geltend.

K. hat seinen restlichen Werklohnanspruch an die Klägerin abgetreten. Diese hat mit ihrer im Dezember 1971 erhobenen Klage zunächst einen Teilbetrag von 10.000 DM nebst Zinsen verlangt.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1972 Widerklage mit dem Antrag auf Feststellung erhoben, daß der Klägerin auch weitergehende Ansprüche bis zum Betrage von 90.635,57 DM nicht zuständen. Die Klägerin hat die Abweisung der Widerklage beantragt und ausgeführt, weshalb ihr nach ihrer Auffassung außer den eingeklagten 10.000 DM noch 50.642,48 DM zuständen.

Durch rechtskräftig gewordenes Teilurteil vom 27. September 1973 hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 10.000 DM nebst Zinsen verurteilt.

Mit Schriftsatz vom 25 März 1974 hat die Beklagte sich dem hinsichtlich der sonstigen Ansprüche der Klägerin auf Verjährung berufen. Die Klägerin hat nunmehr ihre Klage erweitert und beantragt, die Beklagte über die bereits zuerkannten 10.000 DM hinaus zur Zahlung von 50.642,48 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Die Beklagte hat auch insoweit um Klageabweisung gebeten und ihre Widerklage für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat daraufhin die Beklagte durch Schlußurteil vom 11. Juli 1974 zur Zahlung von 1.505,87 DM (restlicher Sicherheitseinbehalt, der erst 1973 fällig geworden und deshalb noch nicht verjährt war) nebst Zinsen verurteilt, die Klage im Übrigen - auch wegen einiger den Sicherheitseinbehalt betreffender Zinsen - abgewiesen, den Rechtsstreit hinsichtlich der Widerklage für erledigt erklärt und die Kosten des Rechtsstreits zu 7/8 der Klägerin, zu 1/8 der Beklagten auferlegt.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Schlußurteil des Landgerichts im Umfange der Klageabweisung abgeändert, insoweit den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs sowie über die Kosten des Rechtsstreits an das Landgericht zurückverwiesen. Das Berufungsurteil ist in NJW 1976, 970 veröffentlicht.

Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Klägerin bittet, beantragt die Beklagte, das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Nach dem insoweit übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien ist der jetzt noch streitige Teil der Werklohnforderung im Jahre 1971 fällig geworden. Zutreffend geht das Berufungsgericht daher davon aus, daß dieser Anspruch gemäß §§ 196 Abs. 1 Nr. 1, 201 Satz 1 BGB mit dem Schlusse des Jahres 1973 verjährt ist und die Klageerweiterung von April 1974 deshalb die Verjährung nicht mehr unterbrechen konnte, es sei denn, dass diese noch vor ihrem gewöhnlichen Ablauf aus anderen Gründen unterbrochen worden sein sollte oder doch hinreichend gehemmt gewesen wäre.

II.

Eine solche auf anderen Gründen beruhende Unterbrechung hat das Berufungsgericht zwar bejaht; seine Ansicht wird jedoch von der Revision zu Recht gerügt.

Nach § 209 Abs. 1 BGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Berechtigte auf Befriedigung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass eines Vollstreckungsurteils Klage erhebt. Einige andere Handlungen des Berechtigten stehen der Klageerhebung gleich (§§ 209 Abs. 2, 210, 220, 447 , 639Abs. 2.

Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß die Klägerin keine der in diesen Vorschriften aufgeführten Maßnahmen getroffen hat; es meint aber, dass § 209 Abs. 1 BGB hier entsprechend anzuwenden sei: Die Verjährung sei rechtzeitig unterbrochen worden, weil die Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 2. November 1972 die Abweisung der bezifferten negativen Feststellungswiderklage der Beklagten beantragt und diesen Antrag mit Schriftsatz vom 26. März 1973 damit begründet hat, daß ihr außer den eingeklagten 10.000 DM noch weitere 50.642,48 DM zuständen.

Das kann nicht gebilligt werden.

1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Verteidigung des Berechtigten gegenüber der negativen Feststellungsklage die Verjährung des mit dieser Klage geleugneten Anspruchs unterbreche, widerspricht der seit Jahrzehnten fast einhelligen Auffassung von Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. RGZ 60, 387, 391; 71, 68, 73; 75, 302, 305; 90, 290, 292; 153, 375, 380, 381; Urteile vom 6. November 1962 - VI ZR 30/62 -, LM BGB § 209 Nr. 12; 24. Mai 1963 - VI ZR 148/62 -, VersR 1963, 955, 957; NJW 1972, 157, 159; NJW 1972, 1043; Enneccerus/Nipperdey, BGB, Allgemeiner Teil, 15. Aufl., § 235 Rdn. 12; Palandt/Heinrichs, BGB, 37. Aufl., § 209 Anm. 1 a; Johannsen in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 209 Rdn. 3; Erman/Hefermehl, BGB, 6. Aufl., § 209 Rdn. 5; Soergel/Augustin, BGB, 10. Aufl., § 209 Rdn. 21; Staudinger/Coing, BGB, 11. Aufl., § 209 Rdn. 7; Ingenstau/Korbion, VOB, 8. Aufl., Teil B § 13 Rdn. 112; Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO, 19. Aufl., § 267 Anm. II 1 mit Fn. 26; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 36. Aufl., § 262 Anm. 1 f.; Meyer, NJW 1955, 1702, 1704). Dass der Bundesgerichtshof hieran neuerdings Zweifel geäußert habe, trifft entgegen der Annahme von Heinrichs (Palandt/Heinrichs, aaO.) nicht zu: Der II: Zivilsenat hat die vom IV. und VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs aufrechterhaltene Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Unterbrechung der Verjährung vielmehr ausdrücklich unerörtert gelassen, weil sie mit der von ihm zu entscheidenden Frage nach dem Umfang der Rechtskraft des eine negative Feststellungsklage aus sachlichen Gründen abweisenden Urteils nichts zu tun habe (NJW 1975, 1320, 1321). Wieczorek hat seine zunächst abweichende Ansicht (ZPO, 1. Aufl., § 256 Anm. E III b 1) in der 2. Auflage seines Kommentars nicht wiederholt, sondern nur noch auf die "herrschende Meinung" verwiesen (aaO., § 256 Anm. C I c 2 und E III b 1).

2. Seiner dieser Meinung entgegenstehenden Auffassung legt das Berufungsgericht zugrunde, dass Verjährung und Rechtskraft bei aller sonstigen Verschiedenheit der Begriffe gleichermaßen der Wiederherstellung des Rechtsfriedens dienen und damit, wie es sodann ausführt, nach ihrem Zweck in einem inneren Zusammenhang ständen. In den Motiven zum BGB werde die "Beitreibung der Feststellung des Anspruchs" zwar als dasjenige bezeichnet, was allein geeignet sei, die Unterbrechung herbeizuführen. Diese Voraussetzung werde aber auch dann erfüllt, wenn der Schuldner eine bezifferte Feststellungsklage erhebe, dadurch den Berechtigten dazu herausfordere, seinerseits zur Begründung des Abweisungsantrags die von ihm beanspruchte Summe zu beziffern, und er auf diese Weise das Gericht dazu zwinge, zwischen den Parteien verbindlich über den Anspruch des Berechtigten zu entscheiden. So werde ein Prozeß in Gang gesetzt, der den Rechtsfrieden zwischen den Parteien herstelle, ohne daß es dazu der Verjährung bedürfe. Da die aus sachlichen Gründen ausgesprochene Abweisung der negativen Feststellungsklage zur rechtskräftigen Feststellung des vom Schuldner geleugneten Anspruchs führe, sei der auf das Bestehen des Rechts gestützte Antrag auf Abweisung der negativen Feststellungsklage inhaltlich mit dem Antrag auf positive Feststellung des Anspruchs identisch. Zumindest sei die Verwandtschaft beider Anträge so eng, daß § 209 Abs. 1 BGB auf den vorliegenden Fall entsprechend angewendet worden müsse. Dass der Gesetzgeber die Handlungen, durch welche die Verjährung unterbrochen werden könne, vollständig hatte aufzählen wollen, spreche nicht dagegen, weil er die negative Feststellungsklage überhaupt nicht in Betracht gezogen habe.

Auch praktische Gründe sprächen, wie das Berufungsgericht meint, für das von ihm gefundene Ergebnis. So vermöge wenig zu überzeugen, daß der Ausgang einer negativen Feststellungsklage letztlich davon abhänge, ob das Gericht noch vor Ablauf der (kurzen) Verjährungsfrist zu einer die Einrede der Verjährung ausschließenden Entscheidung gelange, und zwar mit der Folge, daß mit der Rechtskraft der Klageabweisung für den nunmehr festgestellten Anspruch die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 218 BGB gelte. Mit dem Hinweis, daß es dem Berechtigten freistehe, seinerseits rechtzeitig auf Leistung oder Feststellung zu klagen, könnten seine Erwägungen nicht entkräftet werden. In Fällen der hier vorliegenden Art, in denen am Leistungswillen und an der Leistungsfähigkeit des Schuldners nach Feststellung seiner Verpflichtung kein Zweifel bestehe, komme als Klagegrund nur die Unterbrechung der Verjährung in Betracht. Wegen des zwischen Verjährung und Rechtskraft bestehenden Sinneszusammenhanges bestehe dann die nicht geringe Gefahr, daß der Gedanke an die Möglichkeit der Verjährung gar nicht erst aufkomme und demgemäß auch einer rechtlichen Prüfung nicht unterzogen werde.

3. Diese Ausführungen überzeugen nicht. An der herrschenden Meinung ist festzuhalten.

a) Die entsprechende Anwendung eines einzelnen Gesetzes oder mehrerer denselben Rechtsgedanken verfolgender Bestimmungen (Gesetzes- bzw. Rechtsanalogie) ist zulässig, wenn das positive Recht eine ausfüllungsbedürftige Lücke aufweist. Eine derartige Lücke besteht dort, wo das Recht "planwidrig unvollständig" ist (vgl. BGHZ 65, 300, 302; BAG, NJW 1969, 74, 75; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., S. 358; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 19 ff., 23). Das kann auch bei Ausnahmeregelungen der Fall sein, sofern ihnen nur ein gemeinsames engeres Prinzip zugrundeliegt (BGHZ 26, 78, 83 mit Nachw.; BAG, aaO.). Der Umstand, dass die als Ausnahmevorschriften aufzufassenden §§ 209, 210, 220, 477 , 639Abs. 2 die Unterbrechung der Verjährung durch den Berechtigten nach der Vorstellung des Gesetzgebers (vgl. RGZ 153, 375, 383, Motive I S. 327 ff.) abschließend aufführen sollten, würde daher ihrer analogen Anwendung nicht von vornherein entgegenstehen.

b) Der von Berufungsgericht in den Vordergrund seiner Überlegungen gerückte Zweck und Umfang der materiellen Rechtskraft eines auf Leistungs- oder positive Feststellungsklage hin ergangenen Urteils hat, wie die Rechtsprechung schon mehrfach betont hat (RGZ 153, 375, 382; BGH, NJW 1975, 1320, 1321), mit dem für die Unterbrechung der Verjährung maßgeblichen engeren Prinzip nichts zu tun.

aa) Bereits § 209 Abs. 1 BGB zeigt, daß das Gesetz nicht nur solchen Handlungen des Berechtigten eine Unterbrechungswirkung beilegt, die zur rechtskräftigen Zuerkennung des umstrittenen Anspruchs führen können. So betrifft die Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht etwa die Verurteilung zur Leistung aufgrund des ursprünglichen materiellen Anspruchs, sondern nur eine zur Vollstreckung des bereits rechtskräftig zuerkannten Anspruchs noch fehlende Voraussetzung (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 19. Aufl., § 731 Anm. I 3). Entsprechendes gilt für die in § 209 Abs. 1 BGB außerdem erwähnte Klage auf Erlass des Vollstreckungsurteils: Auch bei ihr wird der materielle Anspruch nicht Streitgegenstand (Stein/Jonas/Münzberg, aaO., § 722 Anm. I 1; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, aaO., § 722 Anm. 2 B) und damit der (erneuten) Rechtskraft fähig.

bb) Nicht anders liegen die sonstigen Fälle, in denen das Verhalten des Berechtigten zur Unterbrechung der Verjährung führt. Sie ergänzen die in § 209 Abs. 1 BGB getroffene Regelung und dürfen, was das Berufungsgericht übersieht, bei der Ermittlung des für die Unterbrechung der Verjährung maßgeblichen Prinzips nicht außer Acht gelassen werden. Auch unter ihnen gibt es zwar einige, die im Blick auf den späteren Eintritt der materiellen Rechtskraft letztlich der Klageerhebung gleichzustellen sind, wie die auf Veranlassung des Berechtigten bewirkte Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren (§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder die zur Eintragung in die Tabelle (vgl. § 145 Abs. 2 KO) führende Anmeldung des Anspruchs im Konkurs (§ 209 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Diesen Fällen gegenüber stehen aber andere, die für die Rechtskraft nur bedingt, wie bei der Streitverkündung (§ 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB, §§ 74, 68 ZPO), oder gar keine Rolle spielen, so bei der von § 209 Abs. 2 Nr. 3 BGB allein erfaßten im Prozeß nicht wirksam gewordenen Eventualaufrechnung, bei der Vornahme von Vollstreckungshandlungen (§ 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB) oder dem Antrag auf Einleitung des gerichtlichen Beweissicherungsverfahrens (§§ 477 Abs. 2, 639 Abs. 1 BGB).

c) Das in sämtlichen hier erwähnten Vorschriften zum Ausdruck gelangte Prinzip liegt vielmehr allein darin, dass - worauf Rechtsprechung und Schrifttum daher zutreffend verweisen - der Berechtigte die Feststellung oder Durchsetzung seines Anspruchs aktiv betreibt. Das gilt auch für die Aufrechnung. Aus den Motiven zum Entwurf des BGB tritt dieser Gedanke zweifelsfrei hervor (aaO., I S. 328 ff.), und auch das Berufungsgericht räumt letztlich ein, daß die Zusprechung des eigenen Rechts das Ziel der Prozeßhandlung des Berechtigten sein müsse, wenn er die Verjährung unterbrechen wolle. "Planwidrig unvollständig" wären die Vorschriften über die Unterbrechung der Verjährung im Hinblick auf die hier in Rede stehende Frage nur, wenn ihnen gemeinsam wäre, daß der Berechtigte den eigenen materiellen Anspruch auch durch bloße Abwehr einer gegen ihn gerichteten prozessualen Maßnahme vor der Verjährung bewahren könnte.

d) Das ist nicht der Fall. Eine "unbewußte Lücke" (Larenz, aaO., S. 358) liegt daher nicht vor, für eine analoge Anwendung ist hier kein Raum. Daß die Motive in diesem Punkt schweigen, ist nicht verwunderlich. Die besonderen Probleme der negativen Feststellungsklage, wie die vom Berufungsgericht erörterte Beweislast und der Umfang der Rechtskraft des klageabweisenden Urteils, waren durch die Urteile des Reichsgerichts vom 13. April 1883 und 4. Januar 1892 (RGZ 9, 337; 29, 345) und das Schrifttum (z.B. von Wilmosky/Levy, Civilprozeßordnung, 6. Aufl. (1892), § 231 Anm. 4) bereits im wesentlichen geklärt. Das Schweigen des Gesetzgebers ist hier "beredt" (Canaris, aaO., S. 39 mit Fn. 101; Larenz, aaO., S. 357): Der bloße Antrag auf Abweisung der negativen Feststellungsklage und die hierzu gegebene Begründung reichen zur Unterbrechung der Verjährung des mit der negativen Feststellungsklage geleugneten Anspruchs nicht aus.

e) Dieses Ergebnis entspricht auch den anzuerkennenden Interessen der Beteiligten. Wer die negative Feststellungsklage erhebt, gibt mit dem stärksten ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu erkennen, dass er den vermeintlichen Anspruch seines Gegners leugnet. Würde dessen Antrag auf Abweisung der Klage genügen, um die Verjährung des geleugneten Anspruchs zu unterbrechen, träte eine dem Feststellungskläger nachteilige Folge ein, zu der es ohne Klageerhebung möglicherweise nicht gekommen wäre. Mit Recht hebt die Revision hervor, daß er damit wider Willen zur Perpetuierung des gegen ihn gerichteten Anspruchs beitrüge und dass dieses Ergebnis ihn zwingen könnte, von der negativen Feststellungsklage ganz abzusehen. Dem Berechtigten ist es dagegen durchaus zuzumuten, der negativen Feststellungsklage entweder mit der Leistungsklage oder - wo dies nicht möglich ist - mit einer positiven Feststellungsklage zu begegnen. Wenn bei ihm der Gedanke an die Möglichkeit der Verjährung nicht auftaucht, hat er das sich selbst zuzuschreiben.

f) Die Auffassung des Berufungsgerichts läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß eine vor Eintritt der Verjährung erfolgende, auf sachlichen Gründen beruhende Abweisung der negativen Feststellungsklage zu einer 30-jährigen Verjährungsfrist für den damit rechtskräftig festgestellten Anspruch führt (§ 218 BGB). Dieses Risiko trägt der Kläger einer negativen Feststellungsklage zwangsläufig. Das besagt aber nicht, daß bereits die Verteidigung des Beklagten gegen die negative Feststellungsklage die Verjährung unterbrechen müsste.

g) Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts spricht ferner folgendes: Nicht schon der bloße Antrag auf Abweisung der negativen Feststellungsklage könnte die Verjährung unterbrechen, sondern allenfalls die zur Begründung des Abweisungsantrags vorgenommene schlüssige Darlegung der bezifferten Forderungen, deren der Beklagte sich berühmt. Dann könnten sich aber Unsicherheiten darüber ergeben, wann und in Bezug auf welche Forderungen die Unterbrechung eingetreten wäre. Auch deswegen erscheint es bedenklich, die Unterbrechung an die Verteidigung gegen die negative Feststellungsklage anzuknüpfen.

III.

Mit Recht nimmt das Berufungsgericht dagegen an, daß die Verjährung nicht gehemmt gewesen ist (§ 202 Abs. 1 BGB).

In Betracht käme dafür nur, wie es zutreffend ausführt, die Abrede der Parteien, daß die jetzt noch streitige Forderung zeitweise nicht weiterverfolgt werde (pactum de non petendo). Eine derartige Vereinbarung sei indessen nicht zustande gekommen. Der Prozeßbevollmächtigte der habe zwar mit Schreiben vom 4. Oktober 1973 vorgeschlagen, das Teilurteil vom 27. September 1973 nicht zuzustellen und zunächst die Durchführung der Beweisaufnahme über die Widerklage abzuwarten. Eine dahingehende Zusage habe der Anwalt der Beklagten aber mit seiner Antwort vom 10. Oktober 1973 ausdrücklich abgelehnt.

Diese Auslegung ist möglich; sie läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

IV.

In einer Hilfsbegründung meint das Berufungsgericht schließlich, die Beklagte sei nach Treu und Glauben gehindert, die Einrede der Verjährung zu erbeben.

Auch dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Der sich auf Verjährung berufende Schuldner handelt arglistig, wenn er - möglicherweise unbeabsichtigt - dem Gläubiger nach verständigem Ermessen, also nach objektiven Maßstäben, ausreichenden Anlaß gegeben hat, von einer Unterbrechung der Verjährung durch Klageerhebung abzusehen, weil dieser entsprechend dem Verhalten des Schuldners darauf vertrauen durfte, seine Ansprüche würden, wenn nicht befriedigt, so doch nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft werden und der Schuldner sei deshalb mit einem Hinausschieben der Klageerhebung einverstanden (ständige Rechtsprechung, z.B. BGH, Urteil vom 1. Februar 1977 - VI ZR 43/75 -, VersR 1977, 617, 619 mit Nachw.).

2. Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht zu Unrecht als erfüllt angesehen.

Die Beklagte hatte bereits in ihrer Klageerwiederung vom 20. April 1972 vortragen lassen:

"Da die Beklagte Wert darauf legt, sämtliche Differenzen in einem Verfahren zu berichtigen (richtig: zu bereinigen), mag die Klägerin alle ihr angeblich zustehenden Ansprüche im Wege der Klageerhöhung geltend machen. Falls das nicht in angemessener Zeit geschehen wird, wird die Beklagte negative Feststellungswiderklage erheben."

Da die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachkam, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1972 die angekündigte negative Feststellungsklage erhoben. Mit Schriftsatz vom 25. März 1974, ihrer ersten Stellungnahme zum Rechtsstreit seit Eintritt der Verjährung, hat sie sich dann auch hierauf berufen.

Unter diesen Umständen kann keine Rede davon seine dass die Beklagte der Klägerin Anlaß gegeben habe, von einer Unterbrechung der Verjährung durch Klageerhebung abzusehen. Die Beklagte hat sich vom Beginn des Prozesses an unmissverständlich verhalten. Das Berufungsgericht betont selbst, daß sie ihre Auffassung, der Klägerin nichts mehr zu schulden, mit Entschiedenheit vertreten habe. Dazu gehörte naturgemäß, dass sie sich - solange die Voraussetzungen der Verjährung noch nicht vorlagen - nur mit Sachargumenten zur Wehr setzte. Nachdem die Verjährung eingetreten war, durfte sie sich auch darauf berufen. Eine politische Gemeinde hat in dieser Beziehung nicht geringere Rechte als jeder andere Schuldner.

V.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts kann nach alledem nicht bestehen bleiben: Sie ist aufzuheben, die Berufung der Klägerin gegen das Schlussurteil des Landgerichts ist zurückzuweisen.

Das gilt auch hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges. Entgegen ihrer Ansicht hatte die Klägerin sich vor Erhebung der negativen Feststellungswiderklage nicht auf die Behauptung beschränkt, ihr ständen außer den zunächst eingeklagten 10.000 DM nur noch 50.642,48 DM zu, was zur Folge habe, dass die Kostenverteilung zu ihren Gunsten zu ändern sei. Mit ihrer die Widerklage veranlassenden Klage hatte sie sich eines erheblich weitergehenden Anspruchs berühmt.

Die Schlussrechnung vom 20. Juni 1971 belief sich auf 228.161,28 DM. Hiervon hatte die Beklagte zwar Abzüge gemacht; diese Kürzungen hatte die Klägerin aber in der Klageschrift (S. 11) als nicht gerechtfertigt bezeichnet und dafür Beweis angeboten. In ihrem Schriftsatz vom 27. April 1972 (S. 2) hatte sie daran festgehalten und ergänzend behauptet, die Beklagte habe erklärt, Mängel würden nicht geltend gemacht, sie sei mit den Arbeiten zufrieden. Diesen Vortrag hatte sie dann mit ihrem Schriftsatz vom 14. August 1972 (S. 1) wiederholt. Außerdem hatte die Klägerin ausgeführt, weshalb der Einwand der Beklagten, daß sie mit einer Vertragsstrafe von 18.000 DM aufrechnen könne, nicht durchgreife und ihre Teilklage demnach begründet sei.

Hieraus ergibt sich, daß die Klägerin anfangs nur bereit war, die Zahlungen der Beklagten in Höhe von unstreitig 123.563,07 DM sowie eine damals noch nicht fällige Sicherheitsleistung von 9.500 DM als abzugsfähig anzuerkennen. Sie nahm damit eine Restforderung von (228.161,28 DM ./. 123.563,07 DM ./. 9.500 DM =) 95.098,21 DM für sich in Anspruch, so daß Klage und Widerklage zusammen diesen Streitwert gehabt hätten, wenn nicht die Beklagte ihren Antrag zur Widerklage auf die Feststellung beschränkt hätte, daß der Klägerin über die mit der Klage geltend gemachten 10.000 DM hinaus weitere Ansprüche bis zum Betrage von 90.635,57 DM nicht zuständen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992691

BGHZ 72, 23

BGHZ 72, 23, 29

BGHZ, 23

NJW 1978, 1975

BauR 1978, 488

DRsp I(112)55Nr. 29

DRsp I(112)92c

WM 1978, 1018

MDR 1978, 830

ZfBR 1987, 25

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge