Leitsatz (amtlich)
Zur Bedeutung von Vorverhandlungen, die ein nicht allein Vertretungsberechtigter führt, für den späteren Vertragsabschluß.
Normenkette
BGB § 157
Verfahrensgang
OLG München (Aktenzeichen 19 U 5927/96) |
LG München I (Aktenzeichen 30 O 3903/96) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. September 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die beklagte Bank, die erhebliche Forderungen gegen die I. GmbH i.L. hatte, war zur Verminderung von deren Schuldenlast an dem Verkauf der der GmbH gehörenden 50 Eigentumswohnungen nebst Stellplätzen in B. interessiert. Sie beauftragte die Klägerin, ihr einen Käufer für dieses Objekt zu suchen. Nach Gesprächen über die Modalitäten eines Verkaufs an die Klägerin oder einen von ihr zu benennenden Dritten sagte die Beklagte der Klägerin zunächst mit Schreiben vom 8. August 1995 für den Fall eines vollständigen Verkaufs der Resteinheiten an einen von der Klägerin benannten Interessenten die Auskehrung eines Teils des Kaufpreises, der über eine bestimmte Summe für die Wohnungen und Stellplätze hinausging, als Vergütung zu. Nachdem die Klägerin der Beklagten den Kaufinteressenten R. benannt hatte, der die Wohnungen mit Stellplätzen zu einem Gesamtpreis von 4.750.000 DM erwerben, zugleich bei der Beklagten aber einen Finanzierungskredit über 5.250.000 DM aufnehmen wollte, verhandelten die Parteien erneut über die an die Klägerin zu zahlende Vergütung. Im Schreiben der Beklagten vom 10. Oktober 1995, das auf diese Verhandlungen Bezug nimmt, heißt es:
Vom Gesamtkaufpreis werden vereinbarungsgemäß 25 % an Vertriebskosten an Sie ausgekehrt.
Der Kaufinteressent gab am 13. Oktober 1995 ein notarielles Kaufangebot ab, das die Beklagte, der die GmbH am 11. Oktober 1995 Verkaufsvollmacht erteilt hatte, am 20. Oktober 1995 annahm. Zur Durchführung des Kaufvertrags kam es bisher nicht, weil die Beklagte die mit dem Käufer abgeschlossenen Darlehensverträge vom 13. und 31. Oktober 1995 am 21. November 1995 fristlos kündigte und von ihnen am 17. Mai 1996 vorsorglich zurücktrat.
Die Klägerin berechnete der Beklagten am 23. November 1995 aus dem Kaufpreis eine Provision von 25 % (= 1.187.500 DM) zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer (= 178.125 DM). Die Parteien streiten darüber, ob der Provisionsanspruch mit Abschluß des Kaufvertrags oder erst nach Eingang des Kaufpreises entstehen sollte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht ihr in Höhe von 1.187.500 DM nebst Zinsen entsprochen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit der Klage entsprochen worden ist.
I.
Das Landgericht ist nach Beweisaufnahme auf der Grundlage der Aussage des Zeugen F. zu der Überzeugung gelangt, der Provisionsanspruch der Klägerin habe erst nach Eingang des Kaufpreises bei der Beklagten fällig werden sollen. Dies ergebe sich zum einen aus der Verwendung des Wortes „auskehren” in den Schreiben der Beklagten vom 8. August 1995 und 10. Oktober 1995; denn dieses Wort werde in der Rechtssprache in dem Sinn gebraucht, daß etwas Vorhandenes herausgegeben werde. Dafür spreche auch die völlig aus dem Rahmen fallende Provisionshöhe von 25 % des Kaufpreises. Den Angaben der Zeugen L. und S., nach denen der Provisionsanspruch mit Abschluß des Kaufvertrags habe fällig werden sollen, hat das Landgericht keinen Glauben geschenkt.
Auch das Berufungsgericht hält die Aussage des Zeugen F., des Mitarbeiters der Beklagten und des Verfassers der beiden genannten Schreiben, über die Verwendung des Wortes „auskehren” für glaubhaft, was durch die aus dem Rahmen fallende Provisionshöhe gestützt werde. Gleichwohl hält das Berufungsgericht es für bewiesen, daß die Provisionsvereinbarung zwischen den Parteien nicht mit einer entsprechenden aufschiebenden Bedingung zustande gekommen sei. Das Landgericht habe nämlich übersehen, daß der Zeuge F. ausgesagt habe, er habe die Beklagte bei den maßgebenden Vorgesprächen nicht allein vertreten können. Deswegen sei die Provisionsvereinbarung erst aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 10. Oktober 1995 zustande gekommen. Bei seiner Auslegung komme es darauf an, wie die Klägerin die streitige Formulierung in diesem Schreiben habe auffassen können. Insoweit habe die Klägerin den bei den Vertragsverhandlungen unstreitig nicht verwendeten Begriff des „Auskehrens” lediglich im Sinn von „bezahlen” oder „vergüten” verstehen dürfen. Dies entspreche der Wortbedeutung im täglichen Geschäftsverkehr unter nicht juristisch Ausgebildeten. Daß auch der Beklagten klar gewesen sei, der Begriff des „Auskehrens” könne in diesem Sinne verstanden werden, ergebe sich aus ihrem Schreiben vom 4. September 1995 in einer anderen Sache, in dem sie ausdrücklich formuliert habe, die anfallenden Vertriebsprovisionen würden ausgekehrt, sobald die Verkaufspreise vollständig und auflagenfrei bei ihr eingegangen seien.
II.
Diese Beurteilung hält den Rügen der Revision nicht stand.
1. Die Revision beanstandet mit Recht, daß das Berufungsgericht die Frage, wie die Klägerin das Schreiben vom 10. Oktober 1995 verstehen mußte, allein anhand des Wortlauts beantwortet hat, ohne die vorausgegangenen Verhandlungen zu berücksichtigen und die weiteren Umstände, die es in Übereinstimmung mit der Beurteilung des Landgerichts gesehen hat, in diese Würdigung einzubeziehen. Daß der Zeuge F. bekundet hat, er habe die Beklagte nicht allein vertreten können, rechtfertigt es nicht, den Inhalt der Vorgespräche bei der Auslegung des Schreibens vom 10. Oktober 1995 außer Betracht zu lassen. Zwar ist die Auffassung des Berufungsgerichts, mangels einer Bevollmächtigung des Zeugen F. sei eine wirksame Provisionsvereinbarung auf der Grundlage der mündlichen Vorbesprechungen noch nicht zustande gekommen, im Ausgangspunkt richtig. Daraus folgt aber nicht, daß die Vorbesprechungen für den Inhalt der dann auf der Grundlage des Schreibens vom 10. Oktober 1995 geschlossenen Vereinbarung völlig unerheblich wären. Das Berufungsgericht übersieht in diesem Zusammenhang, daß nach dem Inhalt des Schreibens vom 10. Oktober 1995 – wie die mehrfache Erwähnung des Wortes „vereinbarungsgemäß” zeigt – die mündlichen Vorgespräche wiedergegeben und zusammengefaßt wurden. Dafür spricht auch die Aussage des Zeugen F. vor dem Landgericht, er habe in den vorausgegangenen Verhandlungen mit der Klägerin vereinbart, daß diese 25 % des „eingegangenen” Kaufpreises bzw. einen bestimmten Teil hiervon erhalten sollte; er sei der Ansicht gewesen, mit den in den beiden Schreiben gewählten Formulierungen diese Vereinbarung wiedergegeben zu haben. Die Klägerin hat in den Tatsacheninstanzen – entgegen ihrer Sichtweise in der Revisionserwiderung – selbst nicht geltend gemacht, man sei sich bei den Vorbesprechungen über den möglichen Inhalt der Provisionsabrede – abgesehen von der noch einzuholenden Zustimmung der vertretungsberechtigten Organe der Beklagten – noch nicht einig gewesen und die Beklagte habe mit dem Schreiben vom 10. Oktober 1995 einen über ihr bisheriges Angebot hinausgehenden neuen und für sie günstigeren Vorschlag gemacht, den sie angenommen habe. Danach hängt die Auslegung des im Schreiben vom 10. Oktober 1995 verwendeten Begriffs des „Auskehrens”, auch soweit es um die maßgebliche Frage geht, wie die Klägerin dieses Schreiben verstehen mußte, entscheidend davon ab, welchen Inhalt die in Bezug genommenen Vorgespräche hatten, worüber das Landgericht Beweis erhoben hat. Dabei wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob bei der Auslegung nicht auf das Verständnis der Kreise abzustellen ist, die den in der allgemeinen Umgangssprache offenbar wenig gebräuchlichen Begriff verwenden.
2. Danach kann das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben. Zu einer abschließenden Entscheidung im Sinne der Beklagten ist der Senat nicht in der Lage, weil das Berufungsgericht die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme nicht umfassend gewürdigt hat und – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht auf die Einwendungen eingegangen ist, die die Klägerin in ihrer Berufung gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung erhoben hat. Bei der hiernach vorzunehmenden Würdigung, die zu einer erneuten Vernehmung der Zeugen zwingt, falls das Berufungsgericht die protokollierten Aussagen anders als das Landgericht verstehen oder die Glaubwürdigkeit der Zeugen anders beurteilen will, besteht auch Gelegenheit, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Bedeutung den im Schreiben der Beklagten vom 8. August 1995 angeführten Vorgesprächen zukommt, nach denen der Verkauf an die Klägerin oder einen von ihr zu benennenden Dritten vorgesehen war und der Klägerin (nur) bei einem Ankauf durch einen Dritten der über einen bestimmten Kaufpreisteil hinausgehende Mehrerlös ausgekehrt werden sollte.
Nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens hat der Senat keinen Anlaß, auf die von der Klägerin in der Revisionsverhandlung vorgetragene Erwägung einzugehen, die Beklagte habe durch Kündigung des Darlehensvertrages das Entstehen des Provisionsanspruchs der Klägerin treuwidrig vereitelt.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 08.07.1999 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538801 |
NJW 1999, 3191 |
BGHR |
EBE/BGH 1999, 267 |
EWiR 1999, 1041 |
NZM 1999, 1013 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1884 |
ZIP 1999, 1563 |
ZMR 1999, 720 |
ZfIR 2000, 98 |
MDR 1999, 1184 |
IPuR 1999, 45 |