Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung eines Mitglieds einer Scheinsozietät für die Veruntreuung von Mandantengeldern durch den sachbearbeitenden Rechtsanwalt bei der Verwaltung und Abwicklung eines Nachlasses
Leitsatz (amtlich)
Zur vertraglichen Haftung des Mitglieds einer Scheinsozietät für die Veruntreuung von Mandantengeldern durch den sachbearbeitenden Rechtsanwalt bei der Verwaltung und Abwicklung eines Nachlasses.
Normenkette
BGB § 675
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 30. September 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Klageantrag zu 3 (BU 9) auf Zahlung von 62.000 DM sowie im Rahmen des Klageantrags zu 1 folgende Zahlungsansprüche abgewiesen worden sind:
wegen Veruntreuung von Nachlaßvermögen 58.060,90 DM;
wegen unterlassener oder verspäteter Tilgung von Nachlaßverbindlichkeiten
aus rückständigen Steuern der Erblasserin insgesamt 19.797,– DM
(= 18.629 DM + 589 DM + 429 DM + 150 DM)
sowie aus Pflichtteilsansprüchen insgesamt 197.262,17 DM
(= 27.685,15 DM + 169.577,02 DM).
Im Rahmen der Aufhebung des Berufungsurteils wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der beklagten Rechtsanwältin (fortan: die Beklagte oder Beklagte zu 2) Schadensersatz wegen Verletzung von Mandatspflichten sowie wegen Veruntreuung von Mandantengeldern durch den früheren Rechtsanwalt und Beklagten zu 1 M. (im folgenden: Beklagter zu 1), dessen freie Mitarbeiterin die Beklagte nach ihrer Behauptung war.
Nachdem die Klägerin und ihr Bruder ein beträchtliches Vermögen geerbt hatten, wandte sich die Klägerin im Einvernehmen mit ihrem Bruder durch Schreiben vom 9. Juli 1991 an die beiden Beklagten. Die Klägerin stellte dem Beklagten zu 1 am 15. Juli 1991 eine „Prozeß-Vollmacht und Verhandlungsvollmacht” aus. Am 30. September 1991 erteilten die Klägerin und ihr Bruder dem Beklagten zu 1 eine notariell beurkundete Vollmacht bezüglich des Nachlasses, in der es heißt:
„Wir erteilen hiermit Herrn Rechtsanwalt … Vollmacht, uns in allen Angelegenheiten, die den Nachlaß der vorgenannten Erblasserin betreffen, gegenüber Behörden, Banken und Privaten zu vertreten.
Er kann auch Prozesse für uns führen.”
In Vorprozessen gegen den Vater der Klägerin wegen Ansprüchen auf Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung wurden die Erben durch die beiden Beklagten vertreten.
Das Landgericht hat einer Schadensersatzklage der Klägerin gegen den Beklagten zu 1 durch Teilversäumnis- und Schlußurteil – unter Abweisung im übrigen – dahin stattgegeben, daß an die Klägerin 185.000 DM und an die Erbengemeinschaft 290.861,40 DM – jeweils nebst Zinsen – zu zahlen sind; die Klage gegen die Beklagte zu 2 hat das Landgericht abgewiesen. Nach Abtrennung des Verfahrens gegen den Beklagten zu 1 hat das Oberlandesgericht die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zurückgewiesen. Mit ihrer Revision, soweit sie angenommen worden ist, verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur (teilweisen) Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§§ 564, 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I.
Im Rahmen des Klageantrags zu 1 verfolgt die Revision noch zugunsten der Erbengemeinschaft Ansprüche auf Ersatz von 58.060,90 DM, die der Beklagte zu 1 aufgrund eines Vertrages mit den Erben aus dem Nachlaßvermögen in der Zeit vom 11. September 1991 bis 29. August 1994 erlangt und veruntreut haben soll, sowie auf Ersatz von Steuer- und Zinsschäden, die nach dem Klagevortrag entstanden sind, weil der Beklagte zu 1 rückständige Steuern der Erblasserin und titulierte Pflichtteilsansprüche des Vaters der Erben vertragswidrig nicht aus dem verwalteten Nachlaßvermögen bezahlt habe. Insoweit hat sich die Klägerin auf die entsprechende Verurteilung des Beklagten zu 1 durch das Landgericht bezogen und dessen Schadensberechnung übernommen.
1. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die geltend gemachten Ansprüche, sollten sie bestehen, zum Nachlaßvermögen gehören (§ 2041 BGB) und die Klägerin Leistung an die ungeteilte Erbengemeinschaft verlangen darf (§ 2039 BGB).
2. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob gemäß dem – bestrittenen – Klagevortrag eine Sozietät zwischen den Beklagten bestanden hat; deswegen ist im Revisionsverfahren von der Richtigkeit dieses Vorbringens auszugehen. In diesem Falle kann die Beklagte für die ordnungsmäßige Erfüllung der Anwaltspflichten des Beklagten zu 1 als Gesamtschuldnerin haften, weil ein Sozietätsanwalt in der Regel ein ihm angetragenes Mandat auch im Namen der übrigen Sozietätsmitglieder annimmt (BGHZ 56, 355, 358 ff; 70, 247, 248 f; 124, 47, 48 f m.w.N.). Dies gilt auch, soweit das Mandat eine Treuhandtätigkeit umfaßt hat (BGH, Urt. v. 10. März 1988 - III ZR 195/86, WM 1988, 986).
Unabhängig davon kann die Beklagte auch haften aufgrund der rechtsfehlerfreien Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe zumindest nach außen den Anschein einer solchen Sozietät erweckt, weil sie mit dem Beklagten zu 1 ein gemeinsames Praxisschild und gemeinsame Briefbögen benutzt habe. Dann muß sich die Beklagte nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht an dem von ihr gesetzten Rechtsschein einer Sozietät festhalten lassen (BGHZ 70, 247, 249; BGH, Urt. v. 24. Januar 1991 - IX ZR 121/90, NJW 1991, 1225). Daran ändert es nichts, wenn die Beklagte – gemäß ihrer Behauptung – als freie Mitarbeiterin tätig war (vgl. BGHZ 124, 47, 51).
3. Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch auf Zahlung von 58.060,90 DM wegen Veruntreuung von Nachlaßvermögen durch den Beklagten zu 1 abgewiesen, weil dieser die Nachlaßgelder nicht zur Ausübung einer anwaltstypischen Berufstätigkeit, sondern zu einer anwaltsfremden Verwaltung des Nachlaßvermögens für die Erben erhalten habe; dies spreche für ein Einzelmandat an den Beklagten zu 1. Insoweit habe die Klägerin Rechtsbeziehungen zur Beklagten nicht schlüssig dargelegt.
Die Revision rügt mit Erfolg, daß diese tatrichterliche Feststellung auf einem Verstoß gegen § 286 ZPO beruht, weil das Berufungsgericht den Klagevortrag nicht umfassend gewürdigt hat, und daß die rechtliche Bewertung des vorgebrachten Sachverhalts durch das Berufungsgericht fehlerhaft ist.
Die Klägerin hat zuletzt im wesentlichen – unter Beweisantritt – vorgebracht: Sie habe mit Einverständnis ihres Bruders beide Beklagte beauftragt, nachdem ihr Vater Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend gemacht habe. Das erste Gespräch habe sie – die Klägerin – etwa Ende Juni 1991 in der Anwaltskanzlei mit dem dort tätigen Referendar geführt. Diesem habe sie ihr Anliegen erläutert sowie Ablichtungen der Testamente der Erblasserin, der Nachlaßvollmachten, die die Erben ihrem Vater erteilt hatten, und einen Steuerbescheid überreicht. Sie habe das Mandat erteilt, die Interessen der Erben gegenüber ihrem pflichtteilsberechtigten Vater – unter Widerruf der diesem erteilten Vollmachten – wahrzunehmen, die gesamte Nachlaßabwicklung für die ungeteilte Erbengemeinschaft durchzuführen und diese vor Gerichten und Behörden zu vertreten.
Der Beklagte zu 1 habe damals den Erben erklärt, die Nachlaßgelder müßten sofort von den Bankkonten auf das Konto der Sozietät überwiesen werden, um sie vor dem Zugriff des Vaters der Erben zu sichern. Daraufhin hätten diese am folgenden Tage eine entsprechende Überweisung auf ein – unstreitig auf dem Briefbogen der beiden Beklagten angegebenes – Konto Nr. … bei der Stadtsparkasse N. veranlaßt. Damals habe die Höhe des Nachlaßwertes noch nicht festgestanden, weil das Finanzamt rückständige Steuern verlangt und der Vater Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend gemacht habe.
Die Beklagte sei im Rahmen der Nachlaßverwaltung tätig geworden. Sie habe in dieser Angelegenheit – dies ist unstreitig – am 2. September 1993 der Sparkasse N. – auf einem Briefbogen der beiden Beklagten – geschrieben; dieses Schreiben wird folgendermaßen eingeleitet:
„Wir vertreten die Interessen von Herrn E. G. sowie von Frau U. E. Entsprechende Vollmachten sind diesem Schreiben beigefügt.”
Der Bruder der Klägerin habe im Zusammenwirken mit dem Beklagten zu 1 versucht, einen großen Teil des Vermögens an seine Ehefrau zu verschieben, um die Vollstreckung eines Titels seines Vaters – wegen des Pflichtteilsanspruchs – zu verhindern; eine entsprechende „Schenkungsvereinbarung” vom 20. November 1992 hätten – dies ist unstreitig – beide Beklagte mit ihrer Unterschrift „bestätigt”.
a) Dieses Klagevorbringen ist dahin zu werten, daß ein einheitliches Mandat beiden Beklagten erteilt worden sei und die gesamte Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses – bis zur ausstehenden Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Miterben – umfaßt habe, insbesondere sich auf die notfalls gerichtliche Regelung der Ansprüche des pflichtteilsberechtigten Vaters und der Steuerforderungen erstreckt habe. Es ist nicht interessengerecht, diesen einheitlichen Sachverhalt in einen selbständigen Auftrag zur Vermögensverwaltung allein an den Beklagten zu 1 und in ein weiteres Mandat an beide Beklagte zur Führung der Vorprozesse gegen den Vater der Erben aufzuspalten.
b) Die Revision beanstandet weiterhin zu Recht die Wertung des Berufungsgerichts, der behauptete Auftrag habe eine anwaltsfremde Vermögensverwaltung zum Gegenstand gehabt, so daß von einem Einzelmandat an den Beklagten zu 1 auszugehen sei.
Die Auslegung der wechselseitigen Erklärungen bei Abschluß eines Anwaltsvertrages kann wegen besonderer Umstände des Einzelfalls ergeben, daß einem Sozietätsanwalt ein Einzelmandat erteilt wird (BGHZ 56, 355, 361; 124, 47, 49). Dies ist im vorliegenden Falle, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht schon deswegen anzunehmen, weil die Klägerin die Prozeß- und Verhandlungsvollmacht vom 15. Juli 1991 allein dem Beklagten zu 1 erteilt hat (vgl. BGHZ 56, 355, 358). Ein Mandant will in der Regel die Vorteile eines Vertrages mit allen Sozietätsanwälten auch dann nutzen, wenn er weiß oder sogar Wert darauf legt, daß nur ein bestimmtes Mitglied der Sozietät seine Sache bearbeitet (BGHZ 124, 47, 50); die Erteilung einer Vollmacht an diesen Anwalt dient dann nur der Legitimation nach außen (BGHZ 56, 355, 358). Im vorliegenden Falle hatte die Klägerin ihr erstes Schreiben vom 9. Juli 1991 an beide Beklagte gerichtet.
Zwar kann ausnahmsweise die Annahme eines Einzelmandats an einen Sozietätsanwalt dann naheliegen, wenn dieser mit einer Tätigkeit betraut wird, die an sich außerhalb der eigentlichen Aufgaben eines Rechtsanwalts liegt (BGH, Urt. v. 10. März 1988, aaO). Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, daß die von der Klägerin behauptete Verwaltung und Abwicklung des Nachlaßvermögens eine anwaltsfremde Aufgabe gewesen sei.
aa) Ob im Einzelfall ein Anwaltsvertrag vorliegt mit der anwaltstypischen Verpflichtung, dem Auftraggeber rechtlichen Beistand zu leisten (§ 3 Abs. 1 BRAO), hängt vom Inhalt der Aufgabe ab, die dem Rechtsanwalt übertragen und von diesem durchgeführt wird. Die Rechtsberatung und -vertretung muß nicht der Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit sein. Ein Anwaltsvertrag kann auch anwaltsfremde Maßnahmen umfassen, falls diese in einem engen inneren Zusammenhang mit der rechtlichen Beistandspflicht stehen und auch Rechtsfragen aufwerfen können. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Rechtsbetreuung völlig in den Hintergrund tritt und deswegen als unwesentlich erscheint. Läßt die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls nicht die Feststellung zu, ob ein Anwaltsvertrag vorliegt oder nicht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß derjenige, der die Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch nimmt, ihn auch in dieser Eigenschaft beauftragen will, weil er erwartet, daß der Rechtsanwalt bei seiner Tätigkeit auch die rechtlichen Interessen des Auftraggebers wahrnehmen werde (BGH, Urt. v. 2. Juli 1998 - IX ZR 63/97, NJW 1998, 3486 m.w.N.).
bb) Auch eine Vermögensverwaltung kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts zur typischen Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts gehören.
Aus § 1 Abs. 2 BRAGO ergibt sich nichts anderes. Diese Vorschrift bestimmt, daß die Tätigkeit eines Rechtsanwalts u.a. als Treuhänder oder in ähnlicher Stellung nicht nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) zu vergüten ist; eine Vergütung nach dieser Gebührenordnung setzt eine vertragliche Anwaltstätigkeit mit der dafür typischen Rechtsbeistandspflicht voraus (§ 1 Abs. 1 BRAGO; BGH, Urt. v. 2. Juli 1998, aaO). Auch die Anwendung der für den Rechtsanwalt vorteilhaften Verjährungsregelung des § 51 b BRAO (= § 51 BRAO a.F.) hängt von dieser Voraussetzung ab (BGH, Urt. v. 27. Januar 1994 - IX ZR 195/93, NJW 1994, 1405, 1406). Diese Vorschriften schließen es nicht aus, daß Mandant und Rechtsanwalt im Einzelfall einen Vertrag über Vermögensverwaltung und/oder Treuhandtätigkeit mit einer Pflicht zur Rechtsbetreuung abschließen. Ein Rechtsanwalt kann eine treuhänderische Tätigkeit ohne Rechtsberatung und -vertretung übernehmen (BGH, Urt. v. 1. Dezember 1994 - III ZR 93/93, WM 1995, 344, 347); ihm kann eine Treuhandschaft aber auch mit der Aufgabe der Rechtsbetreuung übertragen werden (BGHZ 120, 157, 159). Dies gilt entsprechend für anwaltliche Anlageberatung (BGH, Urt. v. 17. April 1980 - III ZR 73/79, NJW 1980, 1855, 1856; v. 27. Januar 1994, aaO) und Maklertätigkeit (BGH, Urt. v. 16. Februar 1977 - IV ZR 55/75, WM 1977, 551, 552; v. 10. Juni 1985 - III ZR 73/84, NJW 1985, 2642; v. 31. Oktober 1991 - IX ZR 303/90, NJW 1992, 681, 682).
Auch ein Mandat zur Vermögensverwaltung kann im Einzelfall mit einer Rechtsbeistandspflicht des Rechtsanwalts verbunden und deswegen auf eine anwaltstypische Tätigkeit gerichtet sein. Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Dezember 1966 (VII ZR 195/64, BGHZ 46, 268 = NJW 1967, 876), auf das das Berufungsgericht verweist, ergibt sich nichts anderes. In dieser Entscheidung wird ausgeführt, daß eine vertragliche Vermögensverwaltung in der Regel nicht zur Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts gehöre, wenn das Interesse des Auftraggebers dahin gehe, das vorhandene Vermögen zu erhalten und eine angemessene Verzinsung zu erzielen; dieser Fall lag im damals entschiedenen Streit vor, weil Miethäuser nach den Grundsätzen der Rentabilität zu verwalten waren (BGHZ 46, 268, 270 f, 276). Zugleich wird in jenem Urteil aber klargestellt, daß ausnahmsweise eine anwaltliche Vermögensverwaltung („Wirtschaftsmandat”) auch eine Pflicht zur Rechtsbetreuung umfassen kann (BGHZ 46, 268, 270 f).
cc) Im vorliegenden Streitfall hat der von der Klägerin behauptete Auftrag zur Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses in erheblichem Umfang auch eine Rechtsberatung und -vertretung gegenüber dem Vater der Erben wegen der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche und gegenüber der Finanzbehörde wegen der Steuerforderungen zum Gegenstand gehabt, so daß das Mandat entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts zumindest auch auf eine anwaltstypische Tätigkeit gerichtet war; dementsprechend ist dieses gemäß dem Klagevortrag durch die Beklagten – auch unter Inanspruchnahme der Gerichte – durchgeführt worden. Danach kann es dahinstehen, ob, wie das Berufungsgericht meint, Sozietätsmitglieder nicht für eine anwaltsuntypische Vertragstätigkeit eines Kollegen haften.
c) Nach alledem hat die Klägerin schlüssig dargelegt, daß die Beklagte für die vertragswidrige Veruntreuung von Nachlaßvermögen durch den Beklagten zu 1 aus dem einheitlichen Anwaltsvertrag als Gesamtschulderin haftet. Die vertragliche Mithaftung aufgrund einer tatsächlichen oder scheinbaren Sozietät erstreckt sich darauf, daß ein Sozietätsanwalt durch vorsätzliche Verletzung seiner Vertragspflichten Mandantengelder beeinträchtigt (BGHZ 70, 247, 251 f). Daran ändert es nichts, daß eine solche Vertragsverletzung zugleich eine unerlaubte Handlung und Straftat sein kann (§ 823 Abs. 2 BGB mit §§ 246, 263, 266 StGB, § 826 BGB). Ein rein deliktisches, vertragsunabhängiges Verhalten des Beklagten zu 1, für das eine Mithaftung der Beklagten entfallen kann (vgl. BGZ 45, 311, 312 f), ist insoweit nicht behauptet worden.
d) Zur Bescheidung des Klageanspruchs sind tatrichterliche Feststellungen erforderlich, weil die Beklagte dem Klagevorbringen entgegengetreten ist.
aa) Ihre Behauptung, sie sei mit dem Beklagten zu 1 nicht in einer Sozietät verbunden gewesen, ist allerdings unerheblich, weil das Berufungsgericht aufgrund des vorliegenden Sach- und Streitstandes eine Scheinsozietät rechtsfehlerfrei festgestellt hat.
bb) Rechtserheblich ist das unter Beweis gestellte Vorbringen der Beklagten, bei Vertragsschluß hätten die Klägerin und der Beklagte zu 1 deutlich gemacht, daß ein Vertrag nur zwischen ihnen geschlossen werden solle. Da die Beklagte damit den Ausnahmefall eines Einzelmandats behauptet, hat sie dieses zu beweisen. Insoweit hat sie Beweis angetreten (GA III 466, 468). Bei der Würdigung des Beweisergebnisses kann das Berufungsgericht berücksichtigen, daß einerseits die Vollmachten der Erben allein dem Beklagten zu 1 ausgestellt worden sind, andererseits die Beklagte an der Durchführung des Mandats mitgewirkt hat.
cc) Rechtserheblich ist weiterhin der Vortrag der Beklagten, die Klägerin und ihr Bruder hätten von vornherein den Beklagten zu 1 eingeschaltet, um mit dessen Hilfe die Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs des Vaters der Erben in unzulässiger Weise zu vereiteln. Unstreitig haben die Erben im Oktober 1991 und April 1993 – und die Ehefrau des Bruders der Klägerin im August 1993 – dem Beklagten zu 1 hohe Darlehen gewährt; nach dem Vorbringen der Klägerin sollten diese Darlehen, die zurückgezahlt sein sollen, einen Zugriff des Vaters auf Nachlaßmittel verhindern. Nach der Behauptung der Beklagten hat die Klägerin ihre Lohnansprüche an den Beklagten zu 1 abgetreten, um gegenüber dem Vater als mittellos zu erscheinen.
Sollte sich das Vorbringen der Beklagten, Vertragsgegenstand sei von Anfang an eine unzulässige Vereitelung der Ansprüche des Vaters der Erben gewesen, als richtig erweisen, so kann der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB) oder wegen anwaltsfremden Inhalts allein mit dem Beklagten zu 1 geschlossen worden sein. Die Beweislast trägt insoweit die Beklagte.
4. Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend, soweit der Beklagte zu 1 nach dem Klagevortrag infolge schuldhafter Verletzung seiner Vertragspflichten Nachlaßverbindlichkeiten nicht oder nicht rechtzeitig aus dem Nachlaßvermögen erfüllt hat.
a) Dies betrifft zunächst die Tilgung der Steuerrückstände der Erblasserin. Insoweit hat die Klägerin Ansprüche auf Ersatz von Säumniszuschlägen in Höhe von 18.629 DM (GA II 258) sowie von Vollstreckungskosten in Höhe von insgesamt 1.168 DM schlüssig dargelegt.
b) Dies gilt auch für die Ansprüche auf Ersatz von Zinsen in Höhe von insgesamt 197.262,17 DM, die entstanden sein sollen, weil der Beklagte zu 1 infolge schuldhafter Vertragsverletzung titulierte Pflichtteilsansprüche des Vaters der Erben nicht aus dem Nachlaßvermögen beglichen habe.
c) Auch insoweit erfordert das dargelegte rechtserhebliche Vorbringen der Beklagten tatrichterliche Feststellungen.
II.
Nach den vorstehenden Ausführungen hat das Berufungsgericht auch den mit dem Klageantrag zu 3 (BU 9) verfolgten Klageanspruch auf Ersatz eines Teilbetrages von 62.000 DM, den der Beklagte zu 1 an den Bruder der Klägerin statt an die Erbengemeinschaft ausgezahlt haben soll, mit der unzutreffenden Begründung abgewiesen, ein solches Vorgehen falle ausschließlich in den anwaltsuntypischen Aufgabenbereich eines Vertrages mit dem Beklagten zu 1 über die Verwaltung des Nachlaßvermögens.
1. Nach dem Klagevortrag haben die Erben mit den Beklagten bezüglich der Verwaltung des Nachlasses einen Anwaltsvertrag mit der anwaltstypischen Pflicht zur Rechtsbetreuung geschlossen. Ist dieser Vertrag rechtswirksam, so hat die Beklagte für dessen ordnungsmäßige Abwicklung einzustehen, wenn sie mit dem Beklagten zu 1 tatsächlich oder scheinbar in einer Sozietät verbunden war. Die einschlägigen vorstehenden Ausführungen (zu Ziffer I) gelten entsprechend.
2. a) Die Klägerin hat bezüglich dieses Schadensersatzanspruchs eine schuldhafte Verletzung der Pflichten aus dem behaupteten Anwaltsvertrag schlüssig dargelegt.
Sie hat dazu vorgetragen: Jedem Erben hätten aus der Erbschaft 478.906,45 DM zugestanden. Die Beklagten hätten jedoch an den Bruder der Klägerin 571.447 DM gezahlt; von der Zuvielleistung in Höhe von 92.540,54 DM (richtig: 92.540,55 DM) solle ein Teilbetrag von 62.000 DM der Erbengemeinschaft erstattet werden. Die Ehefrau des Bruders der Klägerin habe den gezahlten Betrag zur Errichtung eines Hauses verwendet; der Bruder der Klägerin habe die eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO abgegeben.
Sollte dieses Vorbringen richtig sein, so beruhte die Auszahlung allein an den Bruder der Klägerin statt an die Erbengemeinschaft auf einer zumindest fahrlässigen anwaltlichen Pflichtverletzung. Da im vorliegenden Falle der verwaltete Nachlaß gemeinschaftliches Vermögen beider Miterben und Mandanten in ungeteilter Erbengemeinschaft war (§ 2032 Abs. 1 BGB), hatten Zahlungen aus dem Nachlaß nicht an einen Miterben allein, sondern in einer Weise zu erfolgen, die dem Recht der Miterben zur gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses (§ 2038 BGB) entsprach und eine ordnungsmäßige Auseinandersetzung des Nachlaßvermögens zwischen den Miterben (§ 2042 BGB) sicherstellte. Bei einer Zuwendung von Nachlaßmitteln an nur einen Miterben bestand erkennbar die – nach der Behauptung der Klägerin eingetretene – Gefahr, daß dieses Nachlaßvermögen der Mitverwaltung durch den anderen Miterben und wegen Insolvenz des begünstigten Miterben der Auseinandersetzung entzogen wird.
b) Da die Beklagte insoweit einen Schaden der Klägerin bestritten hat, wird die Klägerin im weiteren Berufungsverfahren für ihren Schadensersatzanspruch noch substantiiert darzulegen haben, daß ihrem Bruder und Miterben bei der Auseinandersetzung des Nachlaßvermögens gemäß § 2042 BGB nur ein Betrag zugeflossen wäre, der geringer ist als die erhaltene Summe von 571.447 DM.
Unterschriften
Paulusch, Kreft, Stodolkowitz, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 08.07.1999 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539325 |
DB 1999, 1947 |
NJW 1999, 3040 |
FamRZ 2000, 151 |
EWiR 1999, 1165 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1846 |
WuB 1999, 1375 |
ZEV 1999, 446 |
AnwBl 2000, 130 |
MDR 1999, 1350 |
VersR 2000, 598 |
AdVoice 2000, 15 |
MittRKKöln 1999, 332 |
BRAK-Mitt. 1999, 257 |
WPK-Mitt. 2000, 71 |