Leitsatz (amtlich)
a) Ein BGB-Gesellschafter, der im Wege der actio pro socio von dem anderen Gesellschafter die Rückzahlung angeblich eigenmächtiger Entnahmen verlangt, hat zunächst das Vorliegen von Entnahmen darzutun und nachzuweisen. Stehen solche Entnahmen fest, obliegt dem Beklagten die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß er hierzu berechtigt war.
b) Der gerichtlichen Geltendmachung von Sozialansprüchen steht nicht der Einwand entgegen, der Kläger selbst sei Schuldner vergleichbarer Forderungen der Gesamthand.
Normenkette
BGB §§ 242, 705, 721
Verfahrensgang
OLG München (Aktenzeichen 18 U 2515/93) |
LG München I (Aktenzeichen 3 O 5703/91) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Mai 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind – der Kläger mit einem Anteil von 75 %, die beklagten Eheleute mit einem solchen von zusammen 25 % – Gesellschafter einer im Jahre 1980 gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die zunächst auf einem käuflich erworbenen Grundstück in G. eine Wohnanlage errichtete und seit der Fertigstellung im Jahre 1983 deren Vermietung betreibt. Nachdem die Parteien bis zum Jahre 1987 trotz der Erzielung von Mieterträgen keine Jahresabschlüsse und Gewinnverteilungen vorgenommen hatten, bewirkten die Beklagten am 1. Dezember 1987 über die Hausverwaltungsgesellschaft B. S.A. in G. eine Entnahme von CHF 85.969,– an sich; ferner ließen sie sich in den Jahren 1988 und 1989 pro Quartal CHF 5.000,– und im Jahr 1990 zwei weitere Quartalszahlungen von je CHF 5.000,– auszahlen, während der Kläger erstmals 1989 insgesamt CHF 149.020,– entnahm. Der Kläger hat die Beklagten im Wege der actio pro socio zunächst auf Rückzahlung der seiner Ansicht nach unberechtigten Entnahme aus dem Jahre 1987 in Höhe von CHF 85.969,– in Anspruch genommen. Auf Hinweis des Landgerichts hat er eine Gesamtabrechnung der Einnahmen und Ausgaben der Gesellschaft einschließlich der Entnahmen beider Parteien bis zum Jahr 1990 (Anlage K 23) erstellt und dementsprechend die Klage auf umgerechnet 153.740,61 DM nebst Zinsen erhöht. Das Landgericht hat die Klage wegen fehlender Nachvollziehbarkeit der Abrechnungen des Klägers abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger nach weiteren gerichtlichen Hinweisen eine erweiterte Abrechnung bis zum Jahr 1993 einschließlich vorgelegt (Anlage K 69) und seine Klageforderung auf CHF 126.016,19 nebst Zinsen umgestellt, während die Beklagten Hilfswiderklage auf Zahlung von 175.000,– DM sowie CHF 95.000,– in das Gesellschaftsvermögen erhoben haben. Das Oberlandesgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Richtigkeit der Aufstellung K 69 die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Oberlandesgericht meint, der Kläger könne die von ihm beanstandeten Entnahmen unabhängig von einer Klärung der umstrittenen Frage eines Entnahmerechts der Beklagten nicht uneingeschränkt in das Gesellschaftsvermögen zurückfordern. Da ihm seinerseits von den Beklagten unberechtigte Entnahmen in der Zeit von 1994 bis 1997 vorgeworfen würden, sei – über ein den Beklagten zustehendes Zurückbehaltungsrecht hinaus – vom Kläger nach Treu und Glauben eine Gesamtabrechnung der Einnahmen und Ausgaben der Gesellschaft unter Einschluß aller Entnahmen der Parteien bis zum Schluß der mündlichen Berufungsverhandlung für die Schlüssigkeit einer „saldierten Rückforderung” zu verlangen; dem entspreche bereits der vom Kläger in seiner Aufstellung K 69 zugrunde gelegte Stichtag – Ende 1993 – nicht.
II. Diese Beurteilung verkennt die Anforderungen an die Darlegungslast des klagenden Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der Sozialansprüche auf Rückführung von – seiner Behauptung nach unberechtigten – Entnahmen durch seine Mitgesellschafter in das Gesellschaftsvermögen geltend macht. Nach allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln war es zwar zunächst Sache des Klägers, die rechtlichen Grundlagen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich der von ihm geltend gemachte Anspruch der Gesamthand auf Rückzahlung von – zuletzt – insgesamt CHF 126.016,19 ergab. Diese Anforderungen sind indessen bereits dadurch erfüllt worden, daß die vom Kläger zunächst in der Klageschrift für das Jahr 1987 und anschließend – auf Veranlassung des Landgerichts – in Anlage K 23 für die Folgejahre bis 1990 behaupteten Entnahmen der Beklagten im Sinne selbständiger Verfügungen über Gesellschaftsmittel zu ihren Gunsten (Sen.Urt. v. 30. Mai 1994 - II ZR 205/93, NJW-RR 1994, 996) in einem die Klageforderung übersteigenden Umfang unstreitig geworden sind; spätestens seit der von den Beklagten zu den Akten gereichten Aufstellung vom 7. Juli 1994 über eigene Entnahmen stellen diese nicht mehr in Abrede, daß sie die Auszahlung der entsprechenden Beträge aus dem Gesellschaftsvermögen von der G. er Hausverwaltung B. S.A. verlangt und erhalten haben. Steht aber eine Entahme im Rechtssinne fest, so hat nach ständiger Senatsrechtsprechung der entnehmende Gesellschafter seine Berechtigung hierzu – die sich bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nur aus einer Vereinbarung der Gesellschafter ergeben kann – darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, weil er sich sonst durch eine solche Eigenmächtigkeit in eine günstigere Beweislage setzen könnte (Senat aaO, S. 996 m.w.N.).
Jährliche Rechnungsabschlüsse und Gewinnverteilungen der Parteien gemäß § 721 Abs. 2 BGB, die die Entnahmen der Beklagten in den betreffenden Jahren rechtfertigen könnten (vgl. BGHZ 80, 357, 358), hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Von einer Beweisaufnahme über die von den Beklagten behauptete Vereinbarung eines sonstigen selbständigen Entnahmerechts hat das Berufungsgericht zu Unrecht abgesehen. Sie erübrigte sich nicht deshalb, weil dem Kläger seinerseits für gewisse Zeiträume unberechtigte Entnahmen vorgeworfen werden. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, daß nur derjenige Rechte geltend machen kann, der sich selbst rechtstreu verhalten hat (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl. § 242 Rdn. 46 m. Rsprnw.). Ebensowenig stellt sich unter dem Blickwinkel der gesellschafterlichen Treuepflicht die Geltendmachung von Sozialansprüchen zugunsten der Gesamthand als mißbräuchliche Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB dar, falls der Kläger selbst vergleichbaren Sozialansprüchen der Gesamthand ausgesetzt ist. Eine derartige eigene Gesamthandsverbindlichkeit des Klägers gegenüber der Gesellschaft führt – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – mangels Gegenseitigkeit schon nicht zu einer Beschränkung der vom Kläger geltend gemachten Sozialansprüche unter dem Gesichtspunkt eines Zurückbehaltungsrechts der Beklagten gemäß § 273 BGB; um so weniger läßt sich aus § 242 BGB allein wegen des Bestehens einer Sozialverbindlichkeit des einen Gesellschafters ein vollständiger Ausschluß des Sozialanspruchs gegen den anderen Gesellschafter, der zu Lasten des Gesellschaftsvermögens gehen würde, ableiten. Sofern der Kläger einer eigenen Rückzahlungspflicht wegen ihm angelasteter unberechtigter Entnahmen nicht freiwillig nachkommt, können die Beklagten ihrerseits im Wege der actio pro socio deren Erfüllung einfordern – wie sie dies mit ihrer Hilfswiderklage bereits getan haben. Ein unzumutbarer Nachteil ist damit für sie nicht verbunden, weil das etwaige Insolvenzrisiko hinsichtlich der Durchsetzbarkeit der Sozialansprüche für Klage und Widerklage gleichgelagert ist. Die Darlegungs- und Beweislast bei einer solchen Widerklage entspricht spiegelbildlich derjenigen für die Klage, so daß hier der Kläger gegebenenfalls in seiner Stellung als Widerbeklagter seinerseits seine Entnahmeberechtigung nachweisen muß. Vor dem Hintergrund dieser gleichartigen Risikoverteilung bietet auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) keine Handhabe, einseitig vom Kläger eine Gesamtabrechnung aller Einnahmen und Ausgaben sowie der beiderseitigen Entnahmen für die Zeit seit Gründung der Gesellschaft bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung und damit die Darlegung einer „saldierten Rückforderung” zu verlangen. Da es – abgesehen von der praktischen Undurchführbarkeit der Aufstellung einer Gesamtbilanz für den Zeitpunkt der stets in der Zukunft liegenden (letzten) mündlichen Verhandlung – nicht um eine Gesamtabrechnung des Rechtsverhältnisses wie bei der Auseinandersetzung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geht, konnte der Kläger seine Gesamthandsklage auf einzelne Entnahmen aus bestimmten Geschäftsjahren der Vergangenheit, die noch nicht abgerechnet im Sinne des § 721 Abs. 2 BGB waren, beschränken – wie er dies im Ausgangspunkt seiner Klage für das Geschäftsjahr 1987 und später in teilweiser Erweiterung auf die Zeiträume bis Ende 1993 getan hat.
III. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen weiteren Feststellungen – gegebenenfalls auch zur Widerklage – treffen kann.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Goette, Kurzwelly, Kraemer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 08.11.1999 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538652 |
BB 2000, 58 |
DB 2000, 38 |
DStR 2000, 34 |
DStZ 2000, 108 |
NJW 2000, 505 |
BGHR |
EWiR 2000, 669 |
JurBüro 2000, 276 |
NZG 2000, 199 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 33 |
ZIP 2000, 136 |
DNotZ 2000, 524 |
JA 2000, 448 |
MDR 2000, 167 |
JAR 2000, 96 |
LL 2000, 237 |