Leitsatz (amtlich)
a) Auch in den – seltenen – Fällen „klaren und eindeutigen” Wortlauts ist der Auslegung eines Testaments durch eben diesen Wortlaut keine Grenze gesetzt.
b) Erst nach der Ermittlung des Erblasserwillens kann entschieden werden, ob dieser im Testament eine hinreichende Stütze findet und damit formgültig erklärt ist (Anschluß an BGHZ 80, 242).
Der Grundsatz der Surrogation gilt im Höferecht nicht (Anschluß an BGHZ 59, 220). Dem Erblasser kann es aber mit einer Hoferbenbestimmung i.S.v. § 7 HöfeO zugleich auch darum zu tun sein, daß der Bedachte den Hof unabhängig von seiner höferechtlichen Einordnung im Sinne einer landwirtschaftlichen Einheit seiner vermögensmäßigen Substanz nach erhalten soll. In einem solchen Fall kann dem Bedachten der Erlös aus der Veräußerung von Teilen des Hofes nach allgemeinem Erbrecht zufallen.
Normenkette
BGB §§ 133, 2084, 125; HöfeO § 7; BGB § 2169
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 31.03.1981) |
LG Dortmund |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 31. März 1981 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der am 2. März 1979 im Alter von 67 Jahren verstorbene Landwirt Heinrich S. (Erblasser) war nicht verheiratet und hatte keine Abkömmlinge. Die beiden Beklagten sind die Kinder seines vorverstorbenen Bruders und seine einzigen Angehörigen. Der Kläger lebte lange Zeit mit dem schwer kriegsbeschädigten Erblasser auf dessen Hof in D.-D., pflegte ihn und kümmerte sich um die Bewirtschaftung dieses Anwesens, bei dem es sich um einen Hof im Sinne der Höfeordnung von über 70 Morgen Land handelt. Außerdem war der Erblasser Eigentümer eines weiteren Hofes im Sinne der Höfeordnung in A. Kreis U..
Der Erblasser hinterließ ein notarielles Testament vom 16. Mai 1968, in dem er den Kläger zum Hoferben seines Hofes in D.-D. (D.-Hof) und den Bauern L. zum Hoferben des Hofes in Allen (A.-Hof) bestimmte. Die Beklagten setzte er als Erben seines „sonstigen Vermögens” ein. Beide Hoferben beschwerte er mit Vermächtnissen, und zwar den Kläger u.a. mit je einem Vermächtnis von 25.000,– DM zugunsten der Beklagten. Für den Fall, daß ein Hoferbe die ihm zugefallenen Grundstücke oder Teile davon in den ersten 30 Jahren nach seinem Tode verkaufen oder mit einem Erbbaurecht belasten sollte, beschwerte er die Hofeigentümer mit der Pflicht, die Hälfte des Veräußerungserlöses entsprechend § 13 HöfeO an diejenigen Personen auszuzahlen, die dann seine gesetzlichen Erben sein würden.
Im Jahre 1976 drohte die Enteignung des D.-Hofes. Zur Abwendung der Enteignung veräußerte der Erblasser den größten Teil dieses Hofes (über 50 Morgen) einschließlich der beiden Hofstellen zum Preise von 3,1 Mio. DM an die R. AG. Von dem Erlös kaufte der Erblasser für 950,– DM ein kleines Grundstück in D. sowie mehrere Grundstücke in A. für fast 500.000,– DM hinzu. Außerdem erwarb er davon 1978 für 1,75 Mio. DM als Übergangslösung Gut Kempenfeldrom (Gut K.), das kein Hof im Sinne der Höfeordnung ist. Den restlichen Erlös deponierte er auf einem Bankkonto. Der Erblasser beabsichtigte, statt des Gutes später einen anderen Hof zu erwerben.
Der Kläger ist der Meinung, das Testament vom 16. Mai 1968 sei (eventuell ergänzend) dahin auszulegen, daß ihm auch die an die Stelle des veräußerten Teils des D.-Hofes getretenen Vermögenswerte zumindest als Vermächtnis zustehen sollen. Er nimmt die Beklagten deshalb auf Auflassung des Grundbesitzes Gut K. in Anspruch und verlangt die Feststellung, daß ihm der restliche Erlös zustehe. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage für unbegründet gehalten. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht verneint Ansprüche des Klägers aus §§ 2042, 2048 BGB auf Auflassung des Grundbesitzes Gut K. sowie Ansprüche auf den Erlös aus der Veräußerung von Teilen des Hofes. Hierzu führt es aus, das Testament könne nicht dahin ausgelegt werden, daß der gesamte Nachlaß einer Erbengemeinschaft, bestehend aus dem Kläger und dem Bauern L., habe zufallen und alsdann nach den Anordnungen des Erblassers habe geteilt werden sollen; eine solche Auslegung widerspreche dem Inhalt des Testaments und führe zudem nach den §§ 16, 4 HöfeO zur Unwirksamkeit des Testaments. Vielmehr habe der Erblasser den Kläger als Hoferben des D.-Hofes und den Bauern L. als Hoferben des A.-Hofes eindeutig bestimmt.
Das Testament könne aber auch nicht dahin ausgelegt werden, daß das hoffreie Vermögen einer Erbengemeinschaft zugefallen sei, an der auch der Kläger beteiligt sei. Eine solche Auslegung widerspreche eindeutig dem Wortlaut des Testaments, in dem die Beklagten als die (einzigen) Erben des hoffreien Vermögens eingesetzt seien. Zu dem sonstigen Vermögen gehöre sowohl der Grundbesitz Gut K. als auch der restliche Verkaufserlös. Eine dingliche Surrogation gebe es im Höferecht nicht; Gut K. sei auch nicht Bestandteil des D.-Hofes, weil an eine Bewirtschaftung von der Hofstelle in D. aus nicht gedacht gewesen sei.
Allerdings sei die Wortwahl allein für die Feststellung des Erblasserwillens nicht entscheidend. Eine Testamentsauslegung komme aber nur dann in Betracht, wenn die Verfügung von Todes wegen mehrdeutig sei. Das Ergebnis der Auslegung müsse dabei wenigstens eine geringe Grundlage in der Erklärung haben. Erst dann könnten Umstände außerhalb des Testaments zur Erforschung des Erblasserwillens herangezogen werden.
Die vom Kläger gewünschte Auslegung setze voraus, daß der Erblasser bei der Errichtung des Testaments die beiden Höfe und sein sonstiges Vermögen als getrennte Vermögensgruppen angesehen und daß er außerdem Vermögensverschiebungen zwischen diesen drei Vermögensgruppen zu seinen Lebzeiten habe ausschließen wollen. Dafür, daß der Erblasser hätte verfügen wollen, dem Kläger solle im Falle der Veräußerung von Teilen des D.-Hofes auch der Erlös und davon beschaffte (hoffreie) Ersatzgrundstücke zufallen, ließen sich in dem Testament keine Anhaltspunkte finden. Die dem Kläger auferlegten Vermächtnisse könne dieser ohne weiteres aus dem Resthof aufbringen.
Daß der Erblasser die Hoferben verpflichtet habe, bei Veräußerung von Hofgrundstücken Abfindungen zu leisten, spreche gegen die Annahme, der Erblasser habe den D.-Hof ein für allemal als getrennte Vermögensmasse angesehen. Wenn der Erblasser das Hofvermögen bei Testamentserrichtung als selbständige, ein für allemal festgeschriebene Vermögensgruppe angesehen hätte, wäre die Anordnung der Abfindungspflicht unverständlich.
Auch im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung lasse sich eine Beteiligung des Klägers an dem hoffreien Vermögen nicht begründen. Ergänzende Testamentsauslegung komme nur dann in Betracht, wenn der Erblasser eine spätere Entwicklung nicht bedacht habe. Hier sei sich der Erblasser aber schon vor der Errichtung des Testaments bewußt gewesen, daß er den D.-Hof auf die Dauer nicht werde halten können. Außerdem lasse sich auch eine entsprechende Willensrichtung des Erblassers dem Testament nicht entnehmen.
Diese Ausführungen begegnen in mehrfacher Hinsicht rechtlichen Bedenken.
II.
Unbedenklich ist es, wenn das Berufungsgericht dem Testament zwei Hoferbenbestimmungen im Sinne von § 7 HöfeO zugunsten des Klägers und des Bauern L. entnimmt und wenn es den Veräußerungserlös weder als Bestandteil noch als Zubehör des D.-Hofes (§§ 2, 3 HöfeO) ansieht. Nach der Rechtsprechung des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes (BGHZ 59, 220, 224), der sich der erkennende Senat anschließt, gilt der Grundsatz der Surrogation im Höferecht nicht. Auch Gut K. kann daher nicht schon deshalb, weil es aus diesem Erlös bezahlt worden ist, Hofbestandteil geworden sein. Zutreffend verneint das Berufungsgericht ferner die Bestandteilseigenschaft des Gutes K. gemäß § 2 HöfeO, weil das Gut nicht von der (oder den) Hofstelle (n) des D.-Hofes aus bewirtschaftet wurde.
In Betracht kommen dagegen Ansprüche nach allgemeinem Erbrecht.
1. Das Berufungsgericht hält das Testament, soweit es sich um die Einsetzung der Beklagten als einzige Erben des hoffreien Vermögens handelt, für eindeutig und deshalb nicht auslegungsfähig; gleichwohl nimmt es aber auch insoweit eine Auslegung vor. Das ist widersprüchlich.
Bereits in seiner BGHZ 80, 246, 249 veröffentlichten Entscheidung hat der erkennende Senat Bedenken dagegen erkennen lassen, ob es mit der in erster Linie dem Tatrichter aufgetragenen Auslegung eines Testaments (§§ 133, 2084 BGB) vereinbar ist, der Auslegung mit Hilfe des Wortlauts Grenzen zu setzen. Gemäß § 133 BGB ist bei der Auslegung der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Dieser Aufgabe kann der Richter nur dann voll gerecht werden, wenn er sich nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränkt, sondern auch alle ihm aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde heranzieht und sich auch ihrer zur Erforschung des wirklichen Willens des Erblassers bedient (Senatsurteil vom 29.5.1980 – IVa ZR 26/80 – LM BGB § 2247 Nr. 6 Bl. 2 m.w.N.). Gelingt es ihm trotz der Auswertung aller zur Aufdeckung des Erblasserwillens möglicherweise dienlichen Umstände nicht, sich von dem tatsächlich vorhandenen, wirklichen Willen zu überzeugen, dann muß er sich notfalls damit begnügen, den Sinn zu ermitteln, der dem (mutmaßlichen) Erblasserwillen am ehesten entspricht (Senatsurteil vom 8.7.1981 – IVa ZR 188/80 = LM BGB § 2258 Nr. 2 Bl. 2). Geben die Parteien dem Richter hierzu keine außerhalb der Urkunde liegenden Umstände an die Hand, dann bleibt er gegebenenfalls darauf angewiesen, sich allein auf eine Ausdeutung des Wortlauts zu beschränken (BGHZ 20, 109, 112). Auch in solchen Fällen wird er der Urkunde in aller Regel (von ganz besonders gelagerten Fällen widersprüchlicher oder sonst unverständlicher Erklärungen abgesehen, vgl. RG JW 1916, 405 ff.) einen vernünftigen Sinn entnehmen können. Indessen handelt es sich bei einem solchen Vorgehen des Richters, wenn es denn geboten ist, immer nur um eine „zweitbeste Lösung”, gewissermaßen um einen Notbehelf, weil der „mutmaßliche” Erblasserwille den wirklichen Willen des Erblassers eben weniger sicher trifft und ihm daher prinzipiell nicht ganz so nahe kommen kann, als wenn der tatsächliche Wille des Erblassers bewiesen (BGH, Urteile vom 18.3.1975 – VI ZR 228/73 = LM BGB § 133 (D) Nr. 7 und vom 14.3.1956 – VI ZR 336/54 = LM BGB § 157 (Gf) Nr. 2; BAG AP 30 zu § 133 BGB; SAG NJW 1971, 639, 640) oder sogar zugestanden (Senatsurteil vom 26.3.1981 – IVa ZR 141/80 = LM ZPO § 288 Nr. 5) wäre. Gerade weil es um die Erforschung des wirklichen Willens des Erblassers geht, und weil dieser auch in den seltenen (Urteil vom 31.1.1973 – IV ZR 34/72 – unveröffentlicht, vgl. Johannsen, WM 1977, 273) Fällen „klaren und eindeutigen” Wortlauts den Vorrang vor eben diesem Wortlaut hat (BGH Urteil vom 4.6.1980 – V ZR 67/79 = WM 1980, 1171), kann der Auslegung daher durch den Wortlaut keine Grenze gesetzt sein. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof in jüngster Zeit bereits wiederholt ausgesprochen, daß der Richter auch bei einer ihrem Wortlaut nach scheinbar eindeutigen Willenserklärung an den Wortlaut nicht gebunden ist, wenn – allerdings nur dann – sich aus den Umständen ergibt, daß der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht (BGHZ 71, 75, 77; BGH LM BGB § 133 (D) Nr. 7; BGH, Urteil vom 4.6.1980 – V ZR 67/79 = WM 1980, 1171; BGH Urteil vom 10.7.1981 – V ZR 51/80 = LM BGB § 1030 Nr. 1; Senatsurteil vom 23.10.1980 – IVa ZR 45/80 = LM BGB § 652 Nr. 70 Bl. 2 und vom 11.11.1981 – IVa ZR 182/80 = LM BGB § 516 Nr. 15).
Hinzu kommt, daß eine Auslegungsmethode, die eine formgebundene Erklärung unter Berufung auf die Formbedürftigkeit ohne Berücksichtigung der Umstände, die in der Urkunde keinen Niederschlag gefunden haben, ausdeuten wollte, die Frage nach der Formgültigkeit der Erklärung (§ 125 BGB) unzulässigerweise bereits im Vorfeld der Ermittlung ihres Inhalts abschneiden würde (vgl. dazu insbesondere Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte S. 155 ff.; Bernard, Formbedürftige Rechtsgeschäfte S. 1 ff.; 30).
Hiernach hätte das Berufungsgericht das Testament unter Berücksichtigung aller vom Kläger unter Antritt zahlreicher Beweise vorgetragenen Umstände im Zusammenhang würdigen müssen. Die vom Berufungsgericht unter Berufung auf Palandt/Keidel, BGB 41. Aufl. § 2084 Anm. 4 a geäußerte Meinung, Umstände außerhalb des Testaments seien erst dann zur Erforschung des Erblasserwillens heranzuziehen, wenn das vom Kläger angestrebte Auslegungsergebnis eine Grundlage im Testament habe, kann danach nicht gebilligt werden. Vielmehr stellt sich die Formfrage umgekehrt erst dann, wenn der Inhalt der Erklärung durch Auslegung ermittelt ist. Erst dann kann entschieden werden, ob der so ermittelte Erblasserwille eine hinreichende Stütze im Testament selbst findet, was allerdings erforderlich ist, damit er formgültig erklärt ist (vgl. zuletzt BGHZ 80, 242).
2. Der Wortlaut des Testaments ist auch nicht eindeutig in dem Sinne, wie das Berufungsgericht ihn versteht, was in der Revisionsinstanz voll nachprüfbar ist (BGHZ 32, 60). Er enthält vielmehr auch Anhaltspunkte dafür, daß der Erblasser seine Verfügungen so gemeint haben könnte, wie der Kläger behauptet.
Das Berufungsgericht stellt die drei Teile des Vermögens, die der Erblasser zur Zeit der Errichtung seines Testaments besessen und über die er verfügt hat, zutreffend nebeneinander, nämlich die beiden positiv umschriebenen Teile, die beiden Höfe einerseits und das lediglich negativ bezeichnete „sonstige”, also das Nicht-Hof-Vermögen andererseits. So gesehen scheint allerdings die Annahme, daß der Erblasser mit dem „sonstigen Vermögen” das hoffreie Vermögen gemeint hat, nahezuliegen. Indessen ist das nicht zwingend. Bei Lichte besehen gibt der Wortlaut bei grammatischer Auslegung nicht mehr her, als daß den Beklagten nur dasjenige zufallen sollte, was der Erblasser nicht zu den Höfen rechnete. Die Auslegung des Begriffs „sonstiges Vermögen” ist daher nach dem Wortlaut davon abhängig, was der Erblasser unter den anderweitig zugewendeten Höfen verstanden hat.
Das Berufungsgericht sieht die „Einsetzung” des Klägers und des Bauern L. „als Hoferben für meinen landwirtschaftlichen Hof in …” als Hoferbenbestimmung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 HöfeO an. Das ist unbedenklich, aber nicht erschöpfend.
Hätte der D.-Hof seine Eigenschaft als Hof im Sinne der Höfeordnung zu Lebzeiten des Erblassers verloren, wie es die Beklagten in dem landwirtschaftlichen Verfahren zur Erlangung der Hoffolgezeugnisse verfochten haben, etwa infolge der Veräußerung des größten Teiles dieses Hofes oder auch aus sonstigen Gründen, dann wäre dadurch die Frage aufgedeckt worden, ob der Erblasser bei der Einsetzung des Klägers als Hoferben lediglich an den Hof im höferechtlichen Sinne gedacht hat oder ob es ihm auch oder sogar in erster Linie darum zu tun war, dem Kläger den D.-Hof unabhängig von dessen höferechtlicher Einordnung im Sinne einer landwirtschaftlichen Einheit seiner vermögensmäßigen Substanz nach zuzuwenden, sei es nun auf dem Wege über eine (dann mögliche) Miterbeneinsetzung in Verbindung mit einer Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) oder auch als Vermächtnis. Aus dieser Sicht wird klar, daß der Wortlaut des Testaments auch einen derartigen Erblasserwillen anzunehmen nahelegt (vgl. zu einem derartigen Fall BGH, Urteil vom 22.10.1953 – IV ZR 67/53 = LM BGB § 2078 Nr. 3 sowie Faßbender/Pikalo HöfeO § 7 Rdn 27). Nichts anderes würde gelten, wenn der Hof enteignet oder entsprechend den behaupteten Plänen des Erblassers vollständig veräußert worden wäre und wenn der Erblasser stattdessen einen neuen Hof (im nichttechnischen Sinn) erworben hätte. Dann wäre dem Testament im Wege der Auslegung (notfalls auch der ergänzenden Auslegung) möglicherweise zu entnehmen, daß der Kläger diesen Ersatzhof erhalten soll; der Wortlaut des Testaments stünde dem jedenfalls nicht entgegen. Etwas anderes kann auch dann nicht gelten, wenn der Erblasser den D.-Hof – ganz oder (wie hier) teilweise – zwar veräußert, aber Ersatz dafür noch nicht gefunden gehabt hätte. Auch dann kann das Testament unter Umständen so zu verstehen sein, daß der für den Ersatzhof bestimmte Erlösanteil und auch ein davon lediglich als Übergangslösung beschafftes Gut ebenfalls dem Kläger zufallen soll. Daß das Testament für eine derartige Willensrichtung in den erörterten Klauseln keinerlei Anhalt biete, trifft jedenfalls nicht zu.
Hinzu kommen weitere Anhaltspunkte.
a) Mit Recht hat das Berufungsgericht in Betracht gezogen, daß der Erblasser den Kläger als Erben des D.-Hofes mit mehreren Vermächtnissen belastet hat. Es hat diesem Umstand aber weiter keine Bedeutung beigemessen, weil der Kläger diese Vermächtnisse „ohne weiteres” auch aus dem Resthof aufbringen könne. Indessen kommt es hier weniger darauf an, ob der Resthof die Vermächtnisse tragen kann. Vielmehr war, da der Erblasser das Verhältnis des Wertes der Vermächtnisse zu dem Wert des (vollständigen) Hofes bedacht haben könnte, zumindest auch auf die Verschiebung dieses Verhältnisses infolge der beträchtlichen Schrumpfung des Hofes auf einen Restbestand in Betracht zu ziehen.
b) Darüber hinaus hätte das Berufungsgericht erwägen sollen, daß der Erblasser den Kläger u.a. mit zwei Vermächtnissen in Höhe von je 25.000,– DM gerade zugunsten der Beklagten beschwert hat. Auch dieser Umstand könnte in Verbindung mit dem offenbar vergleichsweise geringfügigen Wert des „sonstigen Vermögens” des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung einen Anhalt dafür bieten, in welcher Größenordnung der Erblasser die Beklagten mit Zuwendungen bedenken wollte.
3. Ob die angeführten Anhaltspunkte im Wortlaut des Testaments in Verbindung mit den von den Parteien vorgetragenen Umständen für das vom Kläger gewünschte Auslegungsergebnis ausreichen, wird der Tatrichter zu prüfen haben. Dabei können gegebenenfalls auch die Erfahrungssätze hilfreich sein, die der für das Vermächtnisrecht geltenden Vorschrift des § 2169 BGB zugrunde liegen (vgl. dazu auch MK-Skibbe, BGB § 2169 Rdn. 15 a.E.). Die vom Berufungsgericht hierzu weiter angeführten Umstände bilden insoweit kein Hindernis.
a) Das gilt zunächst für die Annahme des Berufungsgerichts, das vom Kläger erstrebte Ergebnis setze auch voraus, daß der Erblasser „Vermögensverschiebungen” zwischen den drei Vermögensgruppen (zwei Höfe und das „sonstige” „zu seinen Lebzeiten habe ausschließen („ein für allemal” „festschreiben”) wollen”). Eine solche Voraussetzung kann indessen nicht aufgestellt werden. Auch wenn mit lebzeitigen Verschiebungen zwischen den drei Vermögensgruppen von vornherein zu rechnen war, schließt das nicht aus, daß der Kläger nach dem Willen des Erblassers außer dem Resthof auch noch den für den Ersatzhof bestimmten Teilerlös und Gut K. erhalten soll.
b) Auch die vom Erblasser verfügte Pflicht, bei Veräußerung von Hofgrundstücken gegebenenfalls Abfindungen leisten zu müssen, vermag die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu stützen. Diese Klausel mag dazu führen, daß der Kläger die Beklagten an dem ihm möglicherweise zukommenden Erlös beteiligen muß, und zwar entweder schon jetzt oder, wenn er von dem Erlös demnächst keinen Ersatzhof beschafft (§ 13 HöfeO). Sie besagt aber nicht, daß der Kläger nicht an der Substanz des ganzen (und nicht nur des Rest-)Hofes mindestens teilhaben soll. Die Abfindungsregelung spricht sogar eher für als gegen die Auffassung des Klägers.
4. Fehlerhaft ist das angefochtene Urteil schließlich auch deshalb, weil das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob dem Kläger nicht wenigstens ein Vermächtnis auf Gut K. und den restlichen Erlös zusteht.
5. Hiernach muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden, ohne daß es noch auf die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen ankommt.
Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht zu prüfen habe, ob das Testament in Verbindung mit allen zur Aufdeckung des Erblasserwillens möglicherweise dienlichen Umstände in dem Sinne auszulegen ist, gegebenenfalls im Wege der ergänzenden Auslegung, daß der Kläger außer dem Resthof auch Gut K. und den restlichen Veräußerungserlös zu beanspruchen hat. Der Erbschein, den das Landwirtschaftsgericht den Beklagten erteilt hat und der diese als die einzigen Erben des hoffreien Vermögens ausweist, schränkt die Pflicht der Gerichte, das zugrunde liegende Testament im Erkenntnisverfahren selbständig auszulegen, in keiner Weise ein (zuletzt: Senatsurteil vom 22.9.1982 – IVa ZR 26/81 = WM 1982, 1254).
Zur Klarstellung wird noch darauf hingewiesen, daß eine ergänzende Testamentsauslegung entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht nur dann in Betracht kommt, wenn der Erblasser eine spätere Entwicklung bei der Errichtung des Testaments nicht bedacht hat. Möglich ist eine ergänzende Testamentsauslegung vielmehr auch dann, wenn das Testament von Anfang an eine Lücke enthielt (BGH, Urteil vom 29.9.1977 – II ZR 214/75 = LM HGB § 139 Nr. 9 Bl. 4; Johannsen WM 1972, 66; Palandt/Keidel, BGB 41. Aufl. § 2084 Anm. 4 b).
Unterschriften
Dr. Hoegen, Rottmüller, Dehner, Dr. Schmidt-Kessel, Dr. Zopfs
Fundstellen
Haufe-Index 1742378 |
BGHZ |
BGHZ, 41 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1984, 38 |
JZ 1983, 709 |