Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorkaufsrecht eines Erben nach Veräußerung des Erbanteils

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Verkauf des letzten noch verbliebenen Erbanteils an den Erwerber der anderen Erbanteile steht einem Miterben, der seinen Erbanteil schon vorher veräußert und übertragen hat, kein Vorkaufsrecht zu.

 

Normenkette

BGB § 2034 Abs. 1

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. März 1981 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob einem Miterben, der seinen Erbanteil an andere Miterben übertragen hat, ein Vorkaufsrecht zusteht, wenn später ein Erbteilserwerber auch den letzten noch verbliebenen Erbanteil käuflich erwirbt und damit alle Erbanteile in seiner Hand vereinigt.

Der Kläger ist ein Enkel des am 9. Dezember 1949 verstorbenen Erblassers Dominikus R., der zu gleichen Teilen von seinen Kindern Heinrich R., Anna S. und Dominikus R. sowie dem Kläger beerbt wurde. Der bisher ungeteilte Nachlaß besteht im wesentlichen aus einem für monatlich 800,- DM vermieteten Hausgrundstück im Wert von 300.000,- DM.

Seinen eigenen 1/4-Erbanteil hat der Kläger am 1. März 1950 zu gleichen Teilen auf die Miterben Heinrich R. und Anna S. übertragen. Anna S. hat ihren 3/8-Anteil ebenso wie der Miterbe Dominikus R. seinen 1/4-Anteil am 8. Oktober 1976 dem Beklagten übertragen,

Der verbliebene 3/8-Erbanteil des Heinrich R. fiel nach dessen Tod am 29. November 1956 zunächst seiner Witwe Hildegard R. als Alleinerbin und nach deren Ableben am 5. Oktober 1977 ihren sechs Kindern zu. In einer gemeinsamen Urkunde verkauften und übertrugen diese Erbeserben des Heinrich R. seinen 3/8-Erbanteil am 10. März 1978 ebenfalls dem Beklagten. Der - neben dem Kläger - verbliebene ursprüngliche Miterbe Dominikus R. erklärte am 17. März 1980 seinen Verzicht auf ein ihm etwa zustehendes Vorkaufsrecht. Die Miterbin Anna S. ist am 23. Oktober 1979 verstorben und vom Kläger allein beerbt worden.

Der Kläger ist der Ansicht, daß ihm hinsichtlich der Veräußerung des 3/8-Erbanteils nach Heinrich R. ein Vorkaufsrecht als Miterbe zustehe. Er begehrt daher die Übertragung dieses Erbanteils auf sich, Zug um Zug gegen Erstattung der dem Beklagten entstandenen Aufwendungen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß bei Verkauf des letzten noch verbliebenen Erbanteils an den Erwerber der anderen Erbanteile kein Vorkaufsrecht nach § 2034 Abs. 1 BGB besteht.

Nach § 2034 Abs. 1 BGB sind bei Verkauf eines Miterbenanteils an einen Dritten die übrigen Miterben zum Vorkaufe berechtigt. Da ein Miterbe, der schon vorher seinen Erbanteil auf einen anderen übertragen hat, weiterhin Miterbe bleibt (vgl. BGH Urteil vom 19.10.1955 - IV ZR 89/55; BGHZ 56, 115, 117), könnte der Wortlaut des § 2034 Abs. 1 BGB dafür sprechen, ihm auch in einem Fall der vorliegenden Art ein Vorkaufsrecht zuzuerkennen. Das wäre jedoch mit dem Sinn und Zweck des Vorkaufsrechts nach § 2034 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren. Es soll den Miterben die Möglichkeit geben, das Eindringen unerwünschter Dritter und eine Überfremdung der Erbengemeinschaft sowie eine Veränderung der quotenmäßigen Beteiligung zu verhindern, um insbesondere auch den Fortbestand oder die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht vom Willen eines Nichterben abhängig zu machen (vgl. dazu zuletzt Senatsurteil vom 28.10.1981 - IVa ZR 163/80 = NJW 1982, 330). Aus dieser Zweckbestimmung des Vorkaufsrechts nach § 2034 Abs. 1 BGB ergibt sich, daß es nicht bestehen kann, wenn der Käufer des letzten ihm noch nicht gehörenden Erbanteils weder erstmals in die Erbengemeinschaft eindringt, noch seine bereits bestehende quotenmäßige Beteiligung an einer fortbestehenden Erbengemeinschaft verändert, sondern die Inhaber der Erbanteile die Erbengemeinschaft im Wege der Auseinandersetzung auflösen. Das kann, sofern nicht Teilungsanordnungen des Erblassers oder die Befugnisse eines Testamentsvollstreckers entgegenstehen, dadurch geschehen, daß einer der Erbteilsinhaber sämtliche Nachlaßgegenstände übernimmt und die anderen Erbteilsinhaber auszahlt. Daß in diesem Fall einem Miterben, der schon vorher seinen Erbanteil an andere Miterben oder auch an einen Dritten übertragen hat, ein Vorkaufsrecht ebensowenig zustehen kann wie bei einer zur. Auflösung des Nachlasses erfolgten gemeinsamen Veräußerung aller Nachlaßgegenstände, bedarf keiner näheren Darlegung.

Eine andere Betrachtungsweise ist entgegen der Ansicht der Revision auch dann nicht geboten, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Inhaber der einzelnen Erbanteile statt eines förmlichen Auseinandersetzungsvertrages den einfacheren und billigeren Weg wählen, der darin besteht, daß der bis dahin dem Erbteilserwerber noch nicht zustehende Erbanteil auf diesen übertragen wird, so daß er sämtliche Erbanteile in seiner Hand vereinigt. Denn auch in diesem Fall liegt wegen der Verteilung des gesamten Nachlaßvermögens eine Erbauseinandersetzung vor, die lediglich in die Form eines Erbteilskaufs gekleidet ist (vgl. Soergel/Wolf, 11. Aufl. Rdn. 15 zu § 2042 BGB). Daher kann in Anbetracht der Zweckbestimmung des Vorkaufsrechts nach § 2034 Abs. 1 BGB dem Kläger auch in diesem Fall ein Vorkaufsrecht ebensowenig zuerkannt werden wie in den oben dargelegten anderen Fällen einer Erbauseinandersetzung.

Die Revision war daher zurückzuweisen, ohne daß es auf weiteres ankam.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Rottmüller

Dehner

Dr. Schmidt-Kessel

Rassow

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456167

BGHZ, 379

NJW 1983, 1555

DNotZ 1983, 628

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