Leitsatz (amtlich)
Der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte kann die Beschränkung seiner Haftung grundsätzlich nicht erst im Revisionsrechtszug geltend machen.
Normenkette
ZPO § 780
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 10. Januar 1961 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte ist Erbe der am 6. Februar 1959 verstorbenen Frau L…. In einem „Übergabsvertrag mit Auflassung” vom 4. Februar 1948 hatte ihr Stiefsohn Konrad L… ihr auf ihre Lebensdauer „das unentgeltliche nur persönlich auszuübende Nutznießungsrecht” an einem „Holzgrundstück” eingeräumt. Frau L… verkaufte durch schriftlichen Kaufvertrag vom 22. November 1955 „sämtlich anfallendes Langholz und Faserholz” dieses Grundstücks für 14.500 DM an den Kläger. Das Landratsamt K… als zuständige Forst–Polizeibehörde hatte durch Beschluß vom 17. Mai 1952 den Wald bis zum 20. Mai 1957 zum Schutzwald erklärt; bis dahin war zu jedem Holzeinschlag eine besondere Genehmigung des Forstamts erforderlich. Mit Rücksicht hierauf enthielt der Kaufvertrag unter „sonstige Kaufbedingungen” den Vermerk: „Schlagerlaubnis Mai 1957”. Einschlag und Abfuhr des Holzes waren Sache des Klägers. Der Kläger bezahlte den ganzen Kaufpreis in Raten im Jahre 1956. Auf Grund von Sondergenehmigungen des Forstamts ließ er einen Teil des Holzes vor Mai 1957 einschlagen. Den Rest einzuschlagen, untersagte ihm das Forstamt mit dem Hinweis, daß es dem Landratsamt die Verlängerung der Schutzwaldeigenschaft vorgeschlagen habe. Das Landratsamt teilte dies durch Schreiben vom 11. Februar 1957 Frau L… mit und ersuchte sie um Kenntnisnahme. Nach dem Tode von Frau L… holzte ihr Stiefsohn den Wald ab.
Der Kläger verlangt vom Beklagten als Erben der Frau L… den Teil des Kaufpreises (6.336 DM) zurück, der auf das von ihm nicht mehr eingeschlagene Holz entfällt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht dagegen den Beklagten nach Antrag verurteilt.
Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Zurückweisung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts, der Kläger beantragt die Revision zurückzuweisen. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ferner hilfsweise beantragt, ihm die Beschränkung der Haftung auf den Nachlaß vorzubehalten.
Entscheidungsgründe
Es kann dahingestellt bleiben, ob die vom Berufungsgericht gegebene Begründung die Verurteilung des Beklagten rechtfertigt, da das Berufungsurteil sich jedenfalls aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt (§ 323 Abs. 3 BGB) als richtig erweist (§ 563 ZPO).
1. Nach § 323 Abs. 1 und Abs. 3 BGB – angewandt auf den Kaufvertrag – kann der Käufer, der den vollen Kaufpreis gezahlt, aber den Kaufgegenstand wegen von keiner Vertragspartei zu vertretender teilweiser Unmöglichkeit nur teilweise erhalten hat, den Kaufpreis nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückfordern, soweit dieser auf die unmöglich gewordene Teilleistung entfällt. Demnach findet die Klageforderung in § 323 Abs. 3 BGB eine ausreichende Grundlage, wenn a) Frau Linder die ihr nach dem Kaufvertrag obliegende Leistung teilweise noch nicht erbracht hat und b) ihr dies infolge von Umständen unmöglich geworden ist, die weder sie noch der Kläger zu vertreten haben.
a) Über die vom Verkäufer einer Sache geschuldete Leistung bestimmt § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB, daß er verpflichtet ist, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Ob eine Übergabe, d. h. Verschaffung des unmittelbaren Besitzes an dem Holz erfolgt ist, kann offen bleiben, weil Frau L… jedenfalls ihre weitere Pflicht nicht erfüllt hat, dem Kläger das Eigentum an dem Holz zu verschaffen.
Es steht fest, daß der Kläger niemals Eigentümer des Holzes geworden ist. Als Zeitpunkt für den Eigentumserwerb käme gemäß § 956 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 1. Fall BGB nur der Augenblick in Frage, als der Stiefsohn L… das Holz einschlug (§ 956 Abs. 1 Satz 1 2. Fall BGB scheidet aus weil der –Kläger nie den Besitz an dem geschlagenen Holz erlangt hat). Die Voraussetzungen des § 956 Abs. 1 Satz 1 1. Fall BGB sind jedoch auch dann nicht gegeben, wenn der Kläger den unmittelbaren Besitz an dem Waldgrundstück (§ 854 Abs. 2 BGB) oder – was dem für diesen Fall gleichsteht (Wolff-Reiser, Sachenrecht, 10. Bearb. § 77 IV 1 a) – an dem noch nicht eingeschlagenen Holz (§§ 865, 854 Abs. 2 BGB) erlangt haben sollte. Denn der Besitz an der Muttersache bzw. dem noch nicht getrennten Erzeugnis muß noch im Augenblick der Trennung bei dem liegen, der auf Grund einer Aneignungsgestattung nach § 956 BGB Eigentum erwerben will (Westermann Sachenrecht 4. Aufl. 57 III 3 a, Zitelmann, Übereignungsgeschäft u. Eigentumserwerb an Bestandteilen in Iher. Jb. 70, 42). Der Kläger war aber im Augenblick des Einschlags weder Besitzer des Waldgrundstückes noch des Holzes. SoIlte er es vorher gewesen sein, so hat ihn doch der Stiefsohn L… seines Besitzes entsetzt. Dabei ist ohne Bedeutung, ob er nicht wußte, daß seine Stiefmutter dem Kläger das Holz verkauft hatte, oder ob er diesen Vertrag nicht als für sich verbindlich anerkannte. Der Kläger ist demnach nicht Eigentümer des Holzes geworden.
Das rechtfertigt allerdings noch nicht den Schluß, daß Frau L… ihre Eigentumsverschaffungspflicht auf § 433 BGB nicht erfüllt habe. Denn der Verkäufer schuldet nicht den Eigentumsübergang selbst, sondern nur die Handlungen, die erforderlich sind, damit das Eigentum am Kaufgegenstand auf den Käufer übergeht. Welche Handlungen das sind, kann nach dem Kaufgegenstand und nach der Gestaltung des Vertrages verschieden sein. Hier war Holz auf dem Stamm verkauft, und zwar nicht vom Eigentümer, sondern von Frau L…, die nur ein persönliches „Nutznießungsrecht” an dem Grundstück hatte. Als solche konnte Frau L… dem Kläger das Eigentum nur über §§ 956 Abs. 2, Abs. 1, 957 BGB verschaffen. Sie schuldete, demnach die Handlungen, die es dem Kläger ermöglichten, auf Grund dieser Bestimmungen Eigentümer zu werden.
§ 956 BGB gab ihr dafür zwei Möglichkeiten an die Hand. Beide haben als gemeinsame Voraussetzung die Gestattung seitens dessen, der dem anderen das Eigentum an den Erzeugnissen verschaffen will. Die Gestattung ist eine Willenserklärung und war von Frau L… bereits bei Abschluß des Kaufvertrages dem Kläger erteilt. Es ist jedoch fraglich, ob diese Gestattung nach ihrem Tode noch wirksam war, da die ihr vom Eigentümer ihrem Stiefsohn erteilte Gestattung befristet war und mit ihrem Tode hinfällig wurde (s. dazu BGHZ 27, 360 366; Wolff-Raiser § 77 IV 4, Staudinger 10. Aufl. § 956 Nr. 3 einerseits – Westermann Sachenrecht, 4. Aufl. § 57 III 2 c andererseits, der im Gegensatz zu den Vorgenannten als Zeitpunkt für die Gültigkeitsvoraussetzungen der Gestattung den Zeitpunkt des Zugehens der Erklärung für maßgeblich hält). Der Streitfall bietet keinen Anlaß diese Frage zu entscheiden, weil Frau L… von der Gestattung abgesehen – die weiteren Voraussetzungen für einen Eigentumserwerb des Klägers nicht geschaffen hat. Diese sind in den beiden Fällen des § 956 Abs. 1 Satz 1 BGB verschieden: Im ersten Fall bedarf es für den Gestattungsempfänger der Überlassung der Muttersache, im zweiten der Ergreifung des Besitzes an den Erzeugnissen. Aus diesen sachenrechtlichen Vorschriften für den Eigentumserwerb sind Rückschlüsse zu ziehen auf den Inhalt der schuldrechtlichen Verpflichtungen eines Verkäufers, der Erzeugnisse vor der Trennung verkauft. Dieser muß nämlich seinerseits alles tun, was erforderlich ist, damit das Eigentum nach der genannten Bestimmung auf den Käufer übergehen kann”.
Im vorliegenden Fall war der Kläger bis Mai 1957 rechtlich gehindert, das (restliche) Holz einzuschlagen – und so Eigentümer des Holzes zu werden –, da er hierfür der Genehmigung des Forstamts bedurfte, die diese nicht erteilte. Nach diesem Zeitpunkt versagte ihm das Forstamt die Erlaubnis, weiteres Holz einzuschlagen. Darin lag für ihn ein Verbot entsprechenden Inhalts. Die Unterscheidung, die die Revision treffen will, zwischen der Versagung einer Erlaubnis, deren der Kläger nicht bedurft hätte, und einem Verbot, das nicht ausgesprochen sei, ist nicht gerechtfertigt. War dieses Verbot wirksam, so hatte sich an der Lage gegenüber der Zeit vor Mai 1957, als der Wald noch Schutzwald war, nichts geändert. War es unwirksam, so war der Kläger zwar rechtlich nicht mehr gehindert, das weitere Holz einzuschlagen, er war es aber tatsächlich. Das Verbot des Forstamts, mit dem nach den Feststellungen des Berufungsurteils Holzkäufer üblicherweise ihre diesbezüglichen Verhandlungen führen, hinderte den Kläger tatsächlich daran, das Holz einzuschlagen. Nunmehr war es Sache der Verkäuferin, dieses Hindernis zu beseitigen. Diese Pflicht ergab sich zwar nicht, wie die Revision, zutreffend bemerkt, aus der Vertragsklausel „Schlagerlaubnis Mai 1957”, die lediglich einen Hinweis auf die aus der Schutzwaldeigenschaft sich ergebende öffentlich-rechtliche Rechtslage darstellte. Sie ergab sich aber aus der oben entwickelten allgemeinen Vertragspflicht der Verkäuferin, alles zu tun, damit der Kläger Eigentümer werden konnte. Die Verkäuferin war deshalb, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, verpflichtet, das entgegenstehende Hindernis, nämlich das Verbot des Forstamts zu beseitigen. Daß der Kläger das Einschlagen des Holzes übernommen hatte, widerstreitet nicht der Feststellung, daß die Verkäuferin gehalten war, die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Solange sie das nicht getan hatte, hatte sie ihre Pflichten als Verkäuferin aus § 433 BGB nicht erfüllt.
b) Der Beklagte als ihr Erbe kann diese Verpflichtung auch nicht mehr erfüllen, da inzwischen der Stiefsohn der Verkäuferin das Holz, geschlagen und veräußert hat. Diese Unmöglichkeit beruht auf einem Umstand, den beide Vertragsparteien nicht zu vertreten haben, nämlich dem Tod von Frau L… und der Tatsache, daß ihr Stiefsohn den Kaufvertrag seiner Stiefmutter nicht respektierte.
Die Klageforderung findet demnach in § 323 Abs. 3 BGB ihre Grundlage. Der Beklagte muß als Erbe der Verkäuferin den Teil des Kaufpreises herausgeben, der auf das nicht eingeschlagene Holz entfällt.
2. Der Beklagte hat demgegenüber eingewandt:
Der Schutzwaldcharakter des Waldes sei durch den Beschluß der Forstpolizeibehörde klar bis zum 20. Mai 1957 befristet gewesen. Der Kläger habe deshalb während der mehr als eineinhalb Jahre bis zum Tode von Frau L… das Holz schlagen können und sollen. Das Forstamt habe kein Recht gehabt, ihm dies zu verbieten. Das angebliche Verbot sei deshalb für ihn nur ein scheinbares Hindernis gewesen. Dies klarzustellen sei seine und nicht der Frau L… Sache gewesen, da er auch vor 1957 immer selbst mit dem Forstamt verhandelt habe. Sein Fehler sei gewesen, daß er sich statt an das Landratsamt als zuständige Forstpolizeibehörde an das Forstamt gewandt habe. Das Landratsamt würde den Irrtum des Forstamts sofort klargestellt haben.
Das Vorbringen des Beklagten ist nicht schlüssig. Eine Einwendung des Mitverschuldens gibt es nicht gegenüber einem Bereicherungsanspruch. Das Vorbringen des Beklagten zielt in Wirklichkeit dahin, darzulegen, daß der Kläger es doch zu vertreten habe, daß der Frau L… ihre Leistung unmöglich geworden sei: ursächlich sei eben gewesen, daß der Kläger das Holz nicht rechtzeitig eingeschlagen habe. Diese Einwendung ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil es nach den obigen Ausführungen Sache der Verkäuferin und nicht des Klägers war, das Verbot des Forstamts zu beseitigen und dadurch erst dem Kläger die Möglichkeit zu verschaffen, das Holz einzuschlagen. Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreisteils, der auf das nichteingeschlagene Holz entfällt, verurteilt (§ 323 Abs. 1 und Abs. 3 BGB). Eine Einwendung aus § 818 Abs. 3 BGB hat der Beklagte nicht erhoben, obgleich der Kläger sowohl in erster Instanz (Schriftsatz vom 22. März 1960) wie in zweiter Instanz (Schriftsatz vom 24. Oktober 1960) seine Forderung hilfsweise auch auf §§ 323 Abs. 3, 812 f. BGB gestützt hatte.
Dem erst in der Revisionsinstanz gestellten Hilfsantrag des Beklagten, ihm die Beschränkung der Haftung auf den Nachlaß vorzubehalten, konnte nicht entsprochen werden. Es ist allgemeine Meinung, daß ein solcher Antrag grundsätzlich in den Tatsachenrechtszügen zu stellen ist (Staudinger BGB, 11. Aufl. Vorbem. vor § 1967 Nr. 13 Stein/Jonas ZPO 17. Aufl. § 780 Anm. II 1 a; Wieczorek ZPO 1958 § 780 Anm. B I b 2; Zöller 9. Aufl. § 780 Anm. 2, RG JR 1927 Nr. 423 und Nachschlagewerk ZPO § 780 Nr. 6). Dem ist schon deshalb zuzustimmen, weil in der Revisionsinstanz neue (Angriffs-) und Verteidigungsmittel – um ein solches handelt es sich bei dem Hilfsantrag des Beklagten – ausgeschlossen sind (Rosenberg Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts 9. Aufl. § 142 II 2). Die Rechtsprechung hat Ausnahmen lediglich in Fällen zugelassen, in denen in der Tatsacheninstanz für die Einrede der beschränkten Erbenhaftung noch kein Anlaß vorlag (Aufhebung der Nachlaßverwaltung erst in der Revisionsinstanz, RG DR 1944, 292, 294) oder noch nicht möglich war (Erbfall erst in der Revisionsinstanz, BGH Urt. v. 21. März 1955 – III ZR 115/53 – NJW 1955, 789). Diese Ausnahmen von dem Grundsatz, daß die Einrede der beschränkten Erbenhaftung schon in den Tatsachenrechtszügen zu er heben ist, erklären sich aus der besonderen Fallgestaltung, die es nicht gestattete, die Einrede bereits in den Tatsachenrechtszügen zu erheben, sie vermögen aber den erwähnten Grundsatz nicht zu erschüttern, der deshalb auch im vorliegenden Fall angewendet werden muß.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 609721 |
NJW 1962, 1250 |