Entscheidungsstichwort (Thema)
Industriehaftpflichtversicherung. Haftungsausschluss § 4 Abs. 1 AHB. Versichertes Risiko. Versicherungsschutz für im Eigentum stehende Sachen
Leitsatz (amtlich)
Zum Verhältnis des Ausschlusstatbestandes in § 4 Abs. 1 Ziff. 6a AHB zu Regelungen in Besonderen Bedingungen.
Normenkette
AHB § 4 Abs. 1 Ziff. 6a
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 11.09.2003; Aktenzeichen 7 U 97/03) |
LG Stuttgart |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 11.9.2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte aus einer Industrie-Haftpflichtversicherung bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren hat. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflicht-Versicherung (AHB) und die Risikobeschreibungen, Besonderen Bedingungen und Erläuterungen zur Industrie-Haftpflichtversicherung (RBBuE) zu Grunde. Nach Pos. I, Ziff. 1 RBBuE ist "auf der Grundlage der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflicht-Versicherung" die gesetzliche Haftpflicht der Klägerin aus "den Eigenschaften, Rechtsverhältnissen und Tätigkeiten" als Betreiberin eines Möbel-Einzelhandelsgeschäftes versichert. Gemäß Pos. II, Ziff. 1 RBBuE ist mitversichert die Haftpflicht der Klägerin aus "betriebsüblichen Risiken", insb.
"a) als Eigentümer, Mieter, Leasingnehmer, Pächter und Nutznießer von Grundstücken, Gebäuden und Räumlichkeiten, die ausschließlich für den versicherten Betrieb oder für Wohnzwecke des Versicherungsnehmers und seiner Betriebsangehörigen benutzt werden.
Versichert sind hierbei Ansprüche aus Verstoß gegen die in oben genannten Eigenschaften obliegenden Pflichten (z.B. bauliche Instandhaltung, Beleuchtung, Reinigung, Streuen und Schneeräumen auf Gehwegen, Bürgersteigen und Fahrbahnen) - auch soweit sie der Versicherungsnehmer in gesetzlichem Umfang vertraglich übernommen hat."
In der Nacht v. 9. auf den 10.3.2002 brannten die von der Klägerin und dem Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH angemieteten Gewerberäume vollständig nieder. Die Erbinnen des Vermieters nehmen die Klägerin, den mitversicherten Geschäftsführer und einen ebenfalls mitversicherten leitenden Angestellten wegen der Kosten für die Bauschuttbeseitigung i.H.v. 35.626,31 EUR in Anspruch. Sie machen geltend, der Brand sei auf eine Knallgasexplosion zurückzuführen, die ihrerseits auf einer unzureichenden Wartung und Kontrolle der Zentralbatterie für die Sicherheitsbeleuchtung beruhe. Mit gleicher Begründung verlangt der Gebäudeversicherer, der eine Entschädigung für das zerstörte Gebäude gezahlt hat, einen Betrag von 1.700.000 EUR.
LG und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen, weil sich die Beklagte auf den Risikoausschluss nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6a AHB berufen könne. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Haftungsausschluss in § 4 Abs. 1 Ziff. 6a AHB werde durch Pos. II, Ziff. 1a RBBuE nicht berührt. Die letztgenannte Klausel beziehe sich nicht auf das von § 4 Abs. 1 Ziff. 6a AHB allein gemeinte Schadensereignis - also die Beschädigung oder Vernichtung von fremden Sachen, die der Versicherungsnehmer gemietet habe -, sondern auf das versicherte Risiko, indem sie die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers konkretisiere. Einem verständigen Versicherungsnehmer werde das durch die Aufzählung unter Pos. II, Ziff. 1a RBBuE deutlich, die u.a. den Versicherungsnehmer in seiner Stellung als Eigentümer aufführe. Die Sichtweise der Klägerin hätte zur Folge, dass dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz auch im Hinblick auf die in seinem Eigentum stehenden Sachen zustünde. An anderer Stelle, etwa in Pos. III, Ziff. 11 RBBuE, werde eine Abweichung von § 4 Abs. 1 Ziff. 6a AHB zudem besonders hervorgehoben.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, dass sich die Beklagte auf den Leistungsausschluss nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6a AHB berufen kann. Die RBBuE stehen der Anwendbarkeit der Ausschlussklausel nicht entgegen; insb. findet sich unter Pos. II, Ziff. 1 keine "ausdrücklich andere Bestimmung" i.S.d. § 4 Abs. 1 AHB.
a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss; in diesem Zusammenhang kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGH v. 16.6.1982 - IVa ZR 270/80, BGHZ 84, 268 [272] = MDR 1982, 916; v. 23.6.1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 [85] = MDR 1993, 841).
b) Der Versicherungsnehmer, der eine Industrie-Haftpflichtversicherung abschließt, wird erkennen, dass unter Pos. I, Ziff. 1 i.V.m. Pos. II, Ziff. 1 RBBuE der gegenständliche Bereich des von der Beklagten versprochenen Versicherungsschutzes festgelegt wird. Versichert ist danach die gesetzliche Haftpflicht der Klägerin aus den "betriebsüblichen Risiken", die mit ihrer Tätigkeit im Möbel-Einzelhandel einhergehen. Was unter betriebsüblichen Risiken zu verstehen ist, wird unter Pos. II, Ziff. 1 näher umschrieben und durch die Aufzählung spezifischer Gefahren ("insb.") verdeutlicht. Vom Versicherungsschutz erfasst ist die gesetzliche Haftpflicht der Klägerin als Mieterin von Grundstücken, Gebäuden und Räumlichkeiten, die für den versicherten Betrieb genutzt werden. Versichert sind Ansprüche, die sich aus Verstößen gegen die ihr als Mieterin obliegenden Pflichten ergeben, wobei diese Pflichten in der Klausel beispielhaft aufgeführt werden ("bauliche Instandhaltung, Beleuchtung, Reinigung, ..."). Dazu zählen grundsätzlich auch die - hier nach § 67 VVG teilweise auf den Gebäudeversicherer übergegangenen - Ansprüche des Vermieters, die er deshalb erhebt, weil die Klägerin mit der gemieteten Sache nicht sorgsam umgegangen sein soll (§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 306d StGB).
c) Bei aufmerksamer Durchsicht der Versicherungsbedingungen erschließt sich dem Versicherungsnehmer aber auch, dass die Umschreibung des versicherten Risikos für sich allein noch nichts darüber besagt, unter welchen weiteren Voraussetzungen die Beklagte dafür Versicherungsschutz gewähren will. Das kommt in Pos. I, Ziff. 1 RBBuE durch den Hinweis, die gesetzliche Haftpflicht der Klägerin werde "auf Grundlage der AHB" versichert, ebenso zum Ausdruck wie durch die Formulierung unter Pos. II, Ziff. 1, die betriebsüblichen Risiken seien "im Rahmen dieses Vertrages" versichert, was die eingangs der RBBuE erfolgte Bezugnahme auf die AHB wiederholt. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer geht daher aus den Bedingungen mit der gebotenen Deutlichkeit hervor, dass auch der nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6a AHB geltende Haftungsausschluss weiterhin Geltung hat (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.1962 - II ZR 35/60 - VersR 1963, 32 [33]; OLG Hamm VersR 1960, 697 [698]; OLG Düsseldorf v. 2.12.1986 - 4 U 58/86, VersR 1988, 393; Schlegelmilch, VersR 1993, 176; Voit in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 1 AHB Rz. 19; Littbarski, AHB, § 4 Rz. 208; Späte, AHB, Teil B, § 4 Rz. 113; anders - Abbedingung des Ausschlusses - OLG Karlsruhe v. 21.11.1991 - 12 U 103/91, VersR 1992, 1215 [1216]), mithin Versicherungsschutz für Haftpflichtansprüche wegen der Beschädigung fremder, vom Versicherungsnehmer gemieteter Sachen nicht besteht.
2. Anders als die Kläger meinen, verliert das Leistungsversprechen der Beklagten, die gesetzliche Haftpflicht der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Mieterin des für den Betrieb genutzten Gebäudes zu versichern, durch die Ausschlussklausel des § 4 Abs. 1 Ziff. 6a AHB nicht jeden sachlichen Gehalt. Denn von dieser werden nur Schäden an der gemieteten Sache selbst ausgenommen. Unberührt bleiben Ansprüche wegen Personenschäden und solcher Sachschäden, die an anderen Sachen als an der gemieteten eintreten (BGH, Urt. v. 25.10.1962 - II ZR 35/60 - VersR 1963, 32 [33]; OLG Hamm VersR 1960, 697 [698]; Schlegelmilch, VersR 1993, 176). Ein verständiger Versicherungsnehmer wird sich in diesem Zusammenhang bewusst machen, dass sich aus seiner Stellung als Mieter eines Grundstücks oder Gebäudes über seine Rechtsbeziehung zum Vermieter hinaus eine Vielzahl von - in der Klausel durch die Nennung von Beispielen erläuterten - Verkehrssicherungspflichten ergeben kann, die Haftpflichtgefahren in sich bergen, für die er Versicherungsschutz benötigt und auf Grundlage des Leistungsversprechens der Beklagten auch erhält.
3. Dass sich die inhaltliche Bedeutung der Klausel unter Pos. II, Ziff. 1 RBBuE auf die Beschreibung des versicherten Risikos beschränkt, ohne den Haftungsausschluss nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6a AHB zu beeinflussen, wird der Versicherungsnehmer zudem einer Zusammenschau der Einzelnen, in die RBBuE aufgenommenen Klauseln entnehmen. Denn in den Bestimmungen, die Pos. II, Ziff. 1a RBBuE nachfolgen, werden Abweichungen gegenüber den AHB ausdrücklich hervorgehoben. Es wird jeweils besonders kenntlich gemacht, falls sich Veränderungen für die nach den AHB bestehenden Leistungsausschlüsse ergeben. So enthält Pos. III, Ziff. 11 RBBuE eine Deckungserweiterung gegenüber § 4 Abs. 1 Ziff. 6a AHB für die gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden, die anlässlich von Geschäftsreisen an gemieteten Wohnräumen entstehen. Die Klausel unter Pos. III, Ziff. 13 RBBuE erfasst - in Ergänzung des § 1 Ziff. 3 AHB und abweichend von § 4 Abs. 1 Ziff. 6a AHB - die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers wegen der Beschädigung, Vernichtung oder des Abhandenkommens von Sachen Betriebsangehöriger und Besuchern einschließlich von Kraftfahrzeugen. Diese besondere Gestaltung der RBBuE konnte vom Verständnishorizont der Klägerin aus nur bedeuten, dass verschiedene Leistungsausschlüsse nach den AHB keine Geltung haben, es bei dem Leistungsausschluss für Schäden an gemieteten Sachen hingegen verbleiben sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 1170145 |
BGHR 2004, 1215 |
NJW-RR 2004, 1394 |
MDR 2004, 1296 |
VersR 2004, 904 |
ZfS 2004, 420 |
IVH 2004, 207 |