Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebäudeversicherung. Haftpflichtversicherung des Mieters. Ausgleichsanspruch. Beweislastgrundsätze. Verjährung. Mietsachschäden an Wohnräumen. Regressverzicht nach Abkommen der Feuerversicherer. Grundsätze der Doppelversicherung. Unwirksamkeit von Ausschlussklauseln
Leitsatz (amtlich)
a) Für den Ausgleichsanspruch des Gebäudeversicherers gegen den Haftpflichtversicherer des Mieters analog § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. (BGHZ 169, 86 Tz. 22 ff.) gelten keine anderen Beweislastgrundsätze als für den Anspruch des Vermieters gegen den Mieter.
b) Die Verjährung dieses Anspruchs richtet sich nach § 195 BGB.
c) Gewährt der Haftpflichtversicherer für Haftpflichtansprüche wegen Mietsachschäden an Wohnräumen grundsätzlich Versicherungsschutz, kann er dem Ausgleichsanspruch des Gebäudeversicherers nicht entgegenhalten, der Versicherungsschutz sei für unter den Regressverzicht nach dem Abkommen der Feuerversicherer fallende Rückgriffsansprüche ausgeschlossen. Die entsprechenden Ausschlussklauseln in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privathaftpflichtversicherung sind nach § 307 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Normenkette
VVG §§ 59, 67 a.F.; BGB §§ 195, 548 Abs. 1; PrivathaftpflichtVers (Bes.Bed. u. Risikobeschreibungen f.d. Privathaftpflichtversicherung Nr. 4.2)
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des OLG Koblenz vom 29.5.2009 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 18.9.2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin verlangt als Gebäudeversicherer von der Beklagten als Haftpflichtversicherer einer Mieterin Ersatz von ihrem Versicherungsnehmer erstatteten Aufwendungen, die durch einen in der Wohnung der Mieterin am 3.2.2006 entstandenen Brand verursacht wurden. Mietsachschäden sind in die Haftpflichtversicherung eingeschlossen. Den Schaden am Hausrat der Mieterin hat die Klägerin als deren Hausratversicherer reguliert.
Rz. 2
Die Klägerin stützt ihren auf Ausgleich des hälftigen Zeitwertschadens gerichteten Anspruch i.H.v. 29.425,21 EUR auf die nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 169, 86 Tz. 22 ff.; Urt. v. 18.6.2008 - IV ZR 108/06, VersR 2008, 1108) entsprechend anwendbaren Grundsätze der Doppelversicherung (§ 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.).
Rz. 3
Die Beklagte meint, eine Doppelversicherung liege nicht vor. Nach Ziff. 4.2 ihrer Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) zur Haftpflichtversicherung seien die unter den Regressverzicht nach dem Abkommen der Feuerversicherer bei übergreifenden Schadenereignissen (RVA) fallenden Rückgriffsansprüche von der Deckung ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des Regressverzichts der Klägerin ggü. der Mieterin nach dem Abkommen seien erfüllt, weil diese den Schaden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt habe und von der Klägerin als Hausratversicherer entschädigt worden sei. Davon abgesehen könne die Klägerin keine Kosten für die Beseitigung von Schäden an Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlagen und Glasschäden erstattet verlangen, weil insoweit der Ausschluss in Ziff. 4.1.2 und 4.1.3 BBR eingreife. Außerdem sei nicht bewiesen, dass die Mieterin den Brand fahrlässig herbeigeführt habe. Die im Mietrecht geltende Beweislastverteilung nach Verantwortungsbereichen sei auf den Ausgleichsanspruch analog § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht anwendbar. Der Anspruch sei auch gem. § 548 Abs. 1 BGB verjährt.
Rz. 4
Das LG (VersR 2008, 1688) hat der Klage i.H.v. 28.268,67 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Zurückweisung der Berufung.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision der Klägerin führt zur Wiederherstellung des Urteils des LG. Dieses hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin einen Ausgleichsanspruch entsprechend § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. in der zuerkannten Höhe hat.
Rz. 6
I. Die Mieterin wäre dem Vermieter wegen leicht fahrlässiger Herbeiführung des Brandes an sich zum Schadensersatz verpflichtet.
Rz. 7
1. Es ist unstreitig und im Übrigen von den Vorinstanzen rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Brand durch eine eingeschaltete Platte des Elektroherds in der Mietwohnung entstanden ist, weil die Mieterin die Platte nicht ausgeschaltet oder beim Verlassen der Wohnung mit einer über die rechte Schulter gehängten sperrigen Tasche gegen den Schaltknopf gestoßen ist und dadurch die Platte unbeabsichtigt eingeschaltet hat. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Entstehung des Brandes nur durch ein Verhalten der Mieterin zu erklären. Der Beklagten sei ein Entlastungsbeweis dahingehend nicht gelungen, der Brand sei nicht durch die Mieterin fahrlässig verursacht worden. Die Beweislastabgrenzung nach Verantwortungsbereichen habe auch im Rahmen von Ausgleichsansprüchen analog § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. zu erfolgen. Dies entspreche bereits dem von der Rechtsprechung zu § 280 BGB allgemein entwickelten Grundsatz, dass die Beweislastverteilung sich an den Verantwortungsbereichen zu orientieren habe. Danach könne von einer Schädigung bei verhaltensbezogenen Pflichten auf eine Pflichtverletzung geschlossen werden, wenn der Geschädigte darlege, dass die Schadenursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners herrühren könne. Dieser allgemeine Grundsatz werde insb. im Bereich des Mietrechts dahingehend angewandt, dass der Mieter die volle Beweislast trage, sobald davon auszugehen sei, die Schadenursache liege in dem durch die Benutzung der Mietsache abgegrenzten räumlich-gegenständlichen Bereich. Dies gelte insb. auch in Fällen ungeklärter Schadenursache. Deshalb müsse der Vermieter beweisen, dass die Schadenursache in dem der unmittelbaren Einflussnahme, Herrschaft und Obhut des Mieters unterlegenen Bereich gesetzt worden sei, während sich der Mieter umfassend hinsichtlich Verursachung und Verschulden zu entlasten habe. An dieser grundsätzlichen Beweislastverteilung im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter ändere sich nichts dadurch, dass der ausgleichsberechtigte Versicherer Zahlung vom ausgleichspflichtigen Versicherer verlange. Auch insoweit sei zu berücksichtigen, dass der in Frage kommende Schadensersatzanspruch gem. § 67 VVG a.F. auf die Klägerin als Versicherer des Vermieters übergegangen sei. Die Frage, ob der Versicherungsnehmer des in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherers wegen fahrlässiger Schadenverursachung ersatzpflichtig sei, sei deshalb nach den im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter geltenden Beweislastgrundsätzen zu beurteilen. Demgemäß gehe der Senat davon aus, dass der Schaden durch ein fahrlässiges Verhalten der Mieterin entstanden sei.
Rz. 8
2. In diesem Punkt stimmt der Senat dem Berufungsgericht zu. Der vom Senat aus einer ergänzenden Auslegung des Gebäudeversicherungsvertrages hergeleitete Regressverzicht hindert den Gebäudeversicherer ebenso wie der Regressverzicht nach dem RVA daran, den auf ihn nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. übergegangenen mietvertraglichen Schadensersatzanspruch gegen den Mieter geltend zu machen. Eine weitergehende Einschränkung der Rechtsposition des Gebäudeversicherers ist damit nicht verbunden. Dies gilt für den vom Senat entwickelten Regressverzicht wie auch für den Regressverzicht nach dem RVA (näher zu diesem Regressverzicht unter II 2).
Rz. 9
Zweck des vom Senat entwickelten Regressverzichts ist der Schutz der Interessen des Vermieters und des Mieters (BGHZ 169, 86 Tz. 9 ff.). Der Regressverzicht soll dagegen ebenso wenig wie der Regressverzicht nach dem RVA (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.1984 - VI ZR 115/82, VersR 1984, 325 unter II 2) dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zugute kommen. Dieser hat seinem Versicherungsnehmer durch den Einschluss der gesetzlichen Haftpflicht aus der Beschädigung von Wohnräumen und sonstigen zu privaten Zwecken gemieteten Räumen in Gebäuden einen entsprechenden Versicherungsschutz versprochen. Gäbe es den Regressverzicht nicht, kämen dem Gebäudeversicherer ebenso wie dem Vermieter im Haftpflichtprozess gegen den Mieter möglicherweise über die allgemein zu § 280 Abs. 1 BGB entwickelten Beweislastgrundsätze hinausgehende spezielle mietrechtliche Beweiserleichterungen zugute (vgl. dazu BGH, Urt. v. 22.10.2008 - XII ZR 148/06, NJW 2009, 142 Tz. 13 ff.; Schmid, VersR 2010, 43). Käme es aufgrund derartiger Beweiserleichterungen zu einer Verurteilung des Mieters im Haftpflichtprozess, hätte dessen Haftpflichtversicherer dies im Rahmen seiner bedingungsgemäßen Deckungspflicht hinzunehmen. Es besteht kein Anlass, den Haftpflichtversicherer bei dem gegen ihn gerichteten Anspruch des Gebäudeversicherers nach den Grundsätzen der Doppelversicherung besser zu stellen (ebenso Grommelt, r+s 2009, 241). Der Haftpflichtversicherer wird dadurch nicht benachteiligt. Zum Sachverhalt kann er sich von seinem Versicherungsnehmer informieren lassen. Der vom Senat im Wege der Rechtsfortbildung geschaffene Ausgleichsanspruch (BGHZ 169, 86 Tz. 22 ff.) ist das Äquivalent dafür, dass dem Gebäudeversicherer trotz bestehenden Haftpflichtversicherungsschutzes im Interesse beider Mietvertragsparteien der Regressverzicht zugemutet wird (BGHZ, a.a.O., Tz. 9-21; Senat, Urt. v. 16.6.2008 - IV ZR 108/06, VersR 2008, 1108 Tz. 11). Im Ergebnis führt dieser zu einer Halbierung der Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers.
Rz. 10
Es kann deshalb offen bleiben, ob die vom Berufungsgericht angesprochenen (eventuellen) besonderen Beweislastregeln des Mietrechts überhaupt zum Nachteil des Mieters von den allgemeinen Grundsätzen abweichen oder ihn nicht vielmehr eher begünstigen (vgl. BGH, Urt. v. 3.11.2004 - VIII ZR 28/04, NJW-RR 2005, 381 unter II 1 m.w.N.) und ob es hier darauf ankommt, weil der Schaden nach den tatrichterlichen Feststellungen durch eine eingeschaltete Herdplatte in der Mietwohnung verursacht wurde.
Rz. 11
II. Der Ausschluss für unter das RVA fallende Rückgriffsansprüche in Ziff. 4.2 BBR steht dem Ausgleichsanspruch entsprechend den Grundsätzen der Doppelversicherung nicht entgegen. Der Senat folgt der vom Berufungsgericht schon in früheren Entscheidungen (VersR 2009, 676 und 1656) vertretenen Ansicht nicht, nach Ziff. 4.2 BBR sei dieser Ausgleichsanspruch ausgeschlossen, weil und insoweit der Klägerin der Regress gegen die Mieterin schon durch den ggü. dem vom BGH entwickelten Regressverzicht vorrangigen Regressverzicht nach dem RVA verwehrt sei. Diese Argumentation berücksichtigt Sinn, Zweck und Auswirkung des RVA wie des Ausschlusses in Ziff. 4.2 BBR nicht hinreichend.
Rz. 12
1. a) Auch durch den Regressverzicht nach dem RVA wird der Mieter so behandelt, als sei sein Sachersatzinteresse in der Feuerversicherung mitversichert, wie das LG richtig erkannt hat (a.a.O. S. 1689). Dies führt ebenso wie bei dem vom Senat entwickelten Regressverzicht bei einer Mietsachschäden deckenden Haftpflichtversicherung zu einer der Doppelversicherung strukturell vergleichbaren Interessenlage (OLG Bamberg VersR 2007, 1651, 1652; LG Köln VersR 2008, 1258 f.; Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl., § 67 Rz. 37; Sieg BB 1982, 900 f.; Martin Sachversicherungsrecht 3. Aufl. J I Rz. 11 f., 14f.; Kohleick, Die Doppelversicherung im deutschen Versicherungsvertragsrecht S. 36 ff.). Daraus folgt, dass nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHZ 169, a.a.O., Tz. 22 ff.) dem Feuerversicherer auch wegen des Regressverzichts im Rahmen des RVA grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung von § 59 Abs. 2 VVG a.F. gegen den Haftpflichtversicherer des Mieters zuzubilligen ist. Das ist, wie bereits ausgeführt, das Äquivalent dafür, dass die Feuerversicherer aus sozialer Verantwortung zum Schutz der Schädiger (freiwillig) auf den Regress verzichten.
Rz. 13
b) Der Regressverzicht ist gem. Ziff. 6 RVA in der Fassung von 2005 (Text bei Günther, Der Regress des Sachversicherers 3. Aufl. S. 30 ff.) je Schadenereignis nach unten und oben begrenzt. Er gilt nach Ziff. 6a RVA bei einem Regressschuldner für eine Regressforderung bis zu 600.000 EUR, jedoch nur insoweit, als die Regressforderung 150.000 EUR übersteigt. Bis zu diesem Betrag wird also grundsätzlich auf den Regress nicht verzichtet. Ziff. 6b RVA erweitert den Verzicht auf diesen Bereich aber u.a. für Schäden an der Mietsache, sofern eine Haftpflichtversicherung nach den AHB keine Deckung bietet, weil der Versicherungsschutz nach § 4 I 6a AHB, jetzt Ziff. 7.6 AHB 2008 ausgeschlossen ist. Daraus ist umgekehrt zu entnehmen, dass Regress genommen wird, wenn Haftpflichtdeckung besteht. Nach dem Zweck des RVA sollte bis zu der Untergrenze von Anfang an nicht auf einen Regress verzichtet werden, weil sich der Regressschuldner in diesem Bereich im Allgemeinen über eine Haftpflichtversicherung absichern konnte (BGH, Urt. v. 24.1.1984, a.a.O.; OLG Düsseldorf VersR 1998, 966, 967; Siegel, VersR 2009, 46, 48; Essert, VersR 1981, 1111, 1112; Günther, a.a.O., S. 34; Dietz, Wohngebäudeversicherung 2. Aufl. L 5.4; Sieg, a.a.O.). Wortlaut, Systematik und Zweck des RVA, den Schädiger, nicht aber dessen Haftpflichtversicherer zu entlasten, führen deshalb zu der Auslegung, dass der Regressverzicht im Verhältnis zu einer Mietsachschäden deckenden Haftpflichtversicherung jedenfalls bis zum Betrag von 150.000 EUR subsidiär sein soll.
Rz. 14
2. Der damit nach Ziff. 6b RVA vorbehaltene Regress gegen den haftpflichtversicherten Schädiger soll durch Ziff. 4.2 BBR abgewehrt und damit vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden. Diese Ausschlussklausel ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Zweck des Haftpflichtversicherungsvertrages in einem wesentlichen Punkt gefährdet und den Mieter auch im Übrigen unangemessen benachteiligt.
Rz. 15
a) Durch Ziff. 4 Satz 1 und 2 BBR wird dem Versicherungsnehmer - abweichend von § 4 I 6a AHB - Versicherungsschutz für die gesetzliche Haftpflicht aus der Beschädigung von Wohngebäuden, Wohnungen und sonstigen zu privaten Zwecken gemieteten Räumen in Gebäuden sowie aus allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden gewährt. Auf diesen Versicherungsschutz ist der Mieter von Wohnraum angewiesen. Leicht fahrlässig verursachte Schäden durch Brand können ein existenzgefährdendes Ausmaß erreichen. Der Einschluss von gemietete Wohnräume betreffenden Haftpflichtschäden ist deshalb längst die Regel, die Wirksamkeit eines formularmäßigen Ausschlusses wäre fraglich (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Dieser versprochene Versicherungsschutz wird durch Ziff. 4.2 BBR eingeschränkt (vgl. Siegel, r+s 2007, 498 f.). Allerdings wird nicht ein bestimmtes Risiko vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Vielmehr will der Haftpflichtversicherer nicht leisten, wenn der Feuerversicherer den Mieter als Quasi-Versicherungsnehmer im Wege des Regressverzichts schützt. Damit hat die Klausel die Bedeutung einer einfachen, die umfassend erteilte Leistungszusage einschränkenden Subsidiaritätsabrede.
Rz. 16
b) Die Klausel ist insb. in ihrer praktischen Auswirkung geeignet, den versprochenen Versicherungsschutz auszuhöhlen.
Rz. 17
aa) Durch den Leistungsausschluss in Ziff. 4.2 BBR wird der Versicherungsnehmer auf das RVA verwiesen. Dessen Text kennt er nicht. Er wird ihm laut Anmerkung zur Klausel "auf Wunsch zur Verfügung gestellt". Damit wird der Versicherungsnehmer auf ein ihm völlig unbekanntes Vertragswerk verwiesen. Welche Versicherer danach auf einen Regress verzichten, ergibt sich daraus nicht. Der sachliche Gehalt des RVA ist für den Versicherungsnehmer nur schwer zu erfassen. Die Grenzen seiner Verständnismöglichkeiten sind spätestens dann überschritten, wenn er bemerkt, dass Ziff. 6b RVA ihn wieder auf die Haftpflichtversicherung zurückverweist, eine Bestimmung, deren Bedeutung - wie der vorliegende Fall zeigt - schon für sich genommen und insb. im Verhältnis zu Ziff. 4.2 BBR auch von spezialisierten Versicherungsjuristen oft nicht erkannt wird. Es kommt hinzu, dass durch die Verweisung auf das RVA auch dessen Änderungen, die ohne Beteiligung der Parteien des Haftpflichtversicherungsvertrages vorgenommen werden, den Umfang des Versicherungsschutzes beeinflussen können (vgl. Grommelt, r+s 2007, 230, 231 f.). So sind beispielsweise seit dem 1.1.2010 Mietsachschäden von der Erweiterung des Regressverzichts in Ziff. 6b RVA nicht mehr umfasst (Siegel, VersR 2009, 678, 680). Eine solche Gestaltung des Versicherungsschutzes ist nicht nur intransparent, sondern auch inhaltlich unangemessen.
Rz. 18
bb) Die Verweisung des Versicherungsnehmers auf das RVA begründet ferner die praktisch erhebliche Gefahr, dass er letztlich durch keinen der beiden Versicherer den ihm zustehenden Schutz erhält. Wie die Beklagte vorgetragen hat, haben Gebäudefeuerversicherer in der Vergangenheit haftpflichtversicherte Verursacher eines Brandschadens häufig in Anspruch genommen, obwohl das RVA anwendbar gewesen sei. In solchen Fällen besteht nach Auffassung der Haftpflichtversicherer, auch der Beklagten, Anspruch auf Deckungsschutz auch nicht in Form der Anspruchsabwehr. Darüber, ob das RVA einem Regressanspruch gegen den Mieter entgegensteht, werden Feuerversicherer und Haftpflichtversicherer aber oft unterschiedlicher Meinung sein. So kann etwa darüber gestritten werden, ob der Brand auf grober Fahrlässigkeit beruht, ob er von den eigenen Sachen des Mieters ausgegangen ist oder - wie hier - ob die Subsidiaritätsklausel in der Haftpflichtversicherung wirksam ist und sich ggü. der bereits erörterten einfachen Subsidiaritätsregelung in Ziff. 6b RVA durchsetzt. Dann steht der Mieter zwischen beiden Versicherern, muss sich auf eigene Kosten und eigenes Risiko gegen den Regressanspruch verteidigen und läuft Gefahr, bei einer Verurteilung trotz Haftpflichtversicherung keinen Freistellungsanspruch zu haben. In eine solche Lage darf ein Haftpflichtversicherer seinen Versicherungsnehmer nicht bringen (vgl. BGHZ 171, 56 Tz. 11 ff.; Senat, Urt. v. 14.2.2007 - IV ZR 54/04, VersR 2007, 1119 Tz. 11 ff.). Diese Gefahr, die nach den Erfahrungen des Senats nicht selten durch unberechtigte Deckungsablehnungen von Haftpflichtversicherern hervorgerufen wird, war auch ein wesentlicher Grund dafür, trotz bestehender Haftpflichtdeckung einen Regressverzicht des Gebäudeversicherers anzunehmen (BGHZ 169, 86 Tz. 17). Es ist auch nicht hinzunehmen, dass Haftpflichtversicherer und Gebäudeversicherer durch gegenseitige rechtliche Abwehrmaßnahmen den nach allgemeiner Meinung gebotenen Schutz des leicht fahrlässig handelnden Wohnungsmieters unterlaufen (vgl. BGHZ 169, 86 Tz. 8; Staudinger/Kassing, VersR 2007, 10; Looschelders, JR 2007, 424, 426; Günther, VersR 2006, 1539, 1541).
Rz. 19
cc) Die Befürchtung, dass der Versicherungsnehmer bei kollidierenden Subsidiaritätsabreden letztlich ganz ohne Versicherungsschutz bleibt, ist auch der Grund dafür, dass nach herrschender Meinung keine der beiden Subsidiaritätsklauseln eingreift mit der Folge eines Ausgleichs nach § 59 Abs. 2 VVG a.F. (Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl., § 59 Rz. 28; Staudinger/Kassing, a.a.O., S. 13 Fn. 46; Winter, VersR 1991, 527, 530 f.; Segger, VersR 2006, 38, 41; BK/Schauer, § 59 VVG Rz. 52; Versicherungsrechts-Handbuch/Armbrüster, 2. Aufl., § 6 Rz. 88).
Rz. 20
3. Die Klägerin hat entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht auf die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs verzichtet. Die Ansicht der Beklagten, ein solcher Verzicht ergebe sich aus dem Rundschreiben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft an die Vorstände der Haftpflichtversicherer vom 28.11.1997 zur Neufassung des RVA, ist nicht richtig. Es ist schon fraglich, welche Bedeutung ein Rundschreiben des Gesamtverbandes überhaupt für die Auslegung des RVA haben soll. Überdies kann dieses Rundschreiben den Ausgleichsanspruch analog § 59 Abs. 2 VVG a.F. gar nicht erfassen, weil seinerzeit niemand an einen solchen Ausgleichsanspruch gedacht hat. Der Senat hatte es früher abgelehnt, in eine sog. reine Sachversicherung ein Haftpflichtinteresse einzubeziehen (Urt. v. 23.1.1991 - IV ZR 284/89, VersR 1991, 462 unter I). Abgesehen davon geht es hier nicht um das RVA in der Fassung von 1998.
Rz. 21
III. Zu den von der Beklagten geltend gemachten Risikoausschlüssen für Schäden an einzelnen Gegenständen nach Ziff. 4.1.2 und 4.1.3 BBR brauchte das Berufungsgericht keine Stellung zu nehmen. Insoweit greifen die Berufungsangriffe der Beklagten gegen das Urteil des LG nicht durch. Die Revisionserwiderung kommt darauf auch nicht mehr zurück.
Rz. 22
IV. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung von § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht verjährt ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt nicht die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten nach § 548 BGB, sondern die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Bei dem Ausgleichsanspruch handelt es sich nicht um den übergegangenen Anspruch des Vermieters gegen den Mieter und auch nicht um einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag, der nach § 12 Abs. 1 VVG a.F. verjähren würde (so auch OLG Karlsruhe VersR 2008, 639, 641 m.w.N.). Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Gründe, die im Mietrecht die kurze Verjährungsfrist rechtfertigen, auf den Ausgleichsanspruch nicht anwendbar sind. Dieser vom Senat im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Ausgleichsanspruch ist in seinen Voraussetzungen und seinem Inhalt so auszugestalten, dass das mit diesem Anspruch verfolgte Ziel eines interessengerechten Ausgleichs auch erreicht wird. Würde dieser Anspruch innerhalb von sechs Monaten verjähren, wäre er praktisch bedeutungslos. Es kann nicht im Sinne der beteiligten Versicherer sein, dass innerhalb von sechs Monaten Klage erhoben oder sonstige verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen werden, obwohl - wie gerade für Brandschäden typisch - eine ausreichende Aufklärung des Sachverhalts innerhalb dieser Zeit noch gar nicht stattgefunden haben kann.
Fundstellen
Haufe-Index 2305977 |
BGHZ 2010, 148 |
NJW 2010, 8 |
BauR 2010, 833 |
EBE/BGH 2010, 84 |
NJW-RR 2010, 691 |
NZM 2010, 450 |
ZAP 2010, 312 |
ZMR 2010, 3 |
ZMR 2010, 515 |
JZ 2010, 192 |
MDR 2010, 571 |
VersR 2010, 477 |
WuM 2011, 579 |
ZfS 2010, 272 |
r+s 2010, 150 |
r+s 2010, 156 |
BBB 2010, 53 |