Leitsatz (amtlich)
1.1. Eine vertragliche Vereinbarung, die einem Gesellschafter das Recht einräumt, die Gesellschafterstellung eines Mitgesellschafters nach freiem Ermessen zu beenden, ist auch im GmbH-Recht nichtig, es sei denn, daß eine solche Regelung wegen der besonderen Umstände sachlich gerechtfertigt ist (im Anschluß an BGH 1977-01-20, II ZR 217/75, BGHZ 68, 212 und BGH 1981-07-13, II ZR 56/80, BGHZ 81, 263).
1.2. Das Ausschließungsrecht kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn der Berechtigte wegen enger persönlicher Beziehungen zu seinem Mitgesellschafter die volle Finanzierung der Gesellschaft übernimmt und diesem eine Mehrheitsbeteiligung sowie die alleinige Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt wird.
2.Veräußert der bisherige alleinige Geschäftsführer den von ihm gehaltenen Geschäftsanteil in der Weise an einen Mitgesellschafter, daß dieser dessen früheres Vertragsangebot annimmt, weiß ersterer hiervon aber nichts, dann muß der Anteilsübergang dem Geschäftsführer und früheren Gesellschafter gegenüber auch dann angemeldet werden, wenn durch die Veräußerung eine Einmanngesellschaft entsteht.
Orientierungssatz
Zitierung: Festhaltung BGH, 1988-09-19, II ZR 329/87, BGHZ 105, 213 und BGH, 1985-03-25, II ZR 240/84, WM IV 1985, 772.
Tatbestand
Die Klägerin und der Beklagte zu 1, die spätestens seit April 1984 in einer eheähnlichen Beziehung zusammenlebten, gründeten am 15. November 1983 die Beklagte zu 2, eine GmbH. Vom Stammkapital von 50.000,– DM übernahmen die Klägerin 35.000,– DM und der Beklagte zu 1 15.000,– DM. Unternehmensgegenstand war die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Die Klägerin, die auf diesem Gebiet aufgrund früherer Tätigkeit Erfahrungen hatte, wurde zur alleinigen Geschäftsführerin bestellt. Durch notarielle Urkunde vom selben Tage bot die Klägerin ihren Geschäftsanteil dem Beklagten zu 1 unbefristet zum Kauf und zur Übertragung an; der Kaufpreis sollte „unabhängig von dem Wert des Geschäftsanteils” 35.000,– DM betragen. Ausweislich eines schriftlichen Vertrages vom 24. November 1983 gewährte der Beklagte zu 1 der Klägerin zum Erwerb ihres Geschäftsanteils ein Darlehen von 35.000,– DM, dessen Rückzahlung „einer gesonderten Regelung vorbehalten” blieb. Am 27. Dezember 1983 schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 2 einen „Geschäftsführervertrag”, der von selbst enden sollte, wenn die Klägerin als Gesellschafterin ausschied (§ 14 Nr. 2). Die Klägerin erhielt zunächst ein Bruttogehalt von monatlich 4.000,– DM, das später bis auf 17.500,– DM erhöht und ab 1. März 1988 auf 6.000,– DM gekürzt wurde.
Seit Ende 1986 bestanden zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1 persönliche Differenzen. Im Protokoll über eine Gesellschafterversammlung vom 13. März 1988 wurde festgehalten, daß die Liquiditätsunterdeckung ca. 500.000,– DM betrage.
Am 21. März 1988 nahm der Beklagte zu 1 das Angebot der Klägerin vom 15. November 1983 zum Erwerb ihres Geschäftsanteils in notarieller Form an. Noch am selben Tage hielt er eine Gesellschafterversammlung ab, zu der die Klägerin nicht eingeladen worden war. Der Beklagte zu 1 beschloß in dieser Versammlung die Abberufung der Klägerin als Geschäftsführerin und seine eigene Bestellung zum Geschäftsführer. Bereits vor der Beurkundung der Angebotsannahme hatte der Beklagte den von der Klägerin geschlossenen Anstellungsvertrag fristlos gekündigt. Die Kündigung wurde mit Anwaltsschreiben vom 29. März 1988 wiederholt. Die Klägerin erhielt ab März 1988 kein Gehalt mehr.
Die Klägerin hat, soweit es jetzt noch von Interesse ist, gegenüber beiden Beklagten Feststellung verlangt, daß der Kauf- und Abtretungsvertrag über ihren Geschäftsanteil unwirksam, der Geschäftsführervertrag nicht beendet und der Abberufungsbeschluß nichtig sei, und Zahlung ihrer Dienstbezüge für März 1988 bis August 1988, in der Berufungsinstanz bis Februar 1989 verlangt; hilfsweise zu dem zuerst genannten Feststellungsbegehren hat die Klägerin im Berufungsrechtszug beantragt, den Beklagten zu 1 zur Übertragung des Geschäftsanteils an sie zu verurteilen. Sie hat behauptet, sie habe ihr Angebot vom 15. November 1983 schon vor dem 21. März 1988 widerrufen.
Die Beklagten haben geltend gemacht, der Beklagte zu 1, der das Unternehmen ausschließlich finanziert habe, habe mit Hilfe des unbefristeten Angebots der Klägerin das Unternehmen wirtschaftlich in der Hand behalten sollen; zur Übernahme des Geschäftsanteils habe er sich wegen Mißwirtschaft der Klägerin entschlossen. Gegen etwaige Gehaltsansprüche der Klägerin hat die Beklagte zu 2 mit Schadensersatzansprüchen aufgerechnet, die sie daraus herleitet, daß die Klägerin während ihrer Geschäftsführertätigkeit mehr als 200.000,– DM veruntreut habe.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Revision der Klägerin hinsichtlich der Klage gegen die Beklagte zu 2 in vollem Umfang und hinsichtlich der Klage gegen den Beklagten zu 1 insoweit angenommen, als es um die Feststellung der Unwirksamkeit des Anteilsübertragungsvertrages geht. Insoweit verfolgt die Klägerin ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Feststellung der Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses und im übrigen Umfang des Rechtsmittels zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
I. Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Anteilsübertragung.
1. Die Feststellungsklage richtet sich zulässigerweise gegen beide Beklagten. In erster Linie geht es zwar um die schuldrechtlichen Beziehungen, die sich aus dem Angebot der Klägerin vom 15. November 1983 und der Annahme dieses Angebots durch den Beklagten zu 1 zwischen diesen Parteien ergeben. Von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Übertragung hängt es aber auch ab, ob die Klägerin noch Gesellschafterin der Beklagten zu 2 ist. Für die gegen diese gerichtete Feststellungsklage besteht daher ebenfalls ein rechtliches Interesse. Die Beklagte zu 2 ist dabei durch den Beklagten zu 1 unabhängig davon, ob die Abberufung der Klägerin als Geschäftsführerin und die Bestellung des Beklagten zu 1 wirksam sind, ordnungsgemäß vertreten (vgl. BGHZ 36, 207, 209f.; Sen.Urt. v. 10. November 1980 – II ZR 51/80, WM 1981, 138).
2. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Klägerin noch an ihr Angebot vom 15. November 1983 gebunden gewesen sei, als der Beklagte zu 1 es am 21. März 1988 annahm; die Geschäftsgrundlage sei in der Zwischenzeit nicht fortgefallen. Die Revision greift das an, indem sie auf die Behauptung der Klägerin hinweist, daß die Gesellschaft beträchtliche unternehmerische Erfolge erzielt habe und das Unternehmen im März 1988 1 bis 1,5 Millionen DM wert gewesen sei. Zwischen dem sich daraus ergebenden Wert des Geschäftsanteils der Klägerin und der vereinbarten Gegenleistung von 35.000,– DM bestehe ein derartiges Mißverhältnis, daß die Klägerin an ihrem Angebot nicht habe festgehalten werden können und sich von diesem durch den nach ihrer Behauptung schon vor dem 21. März 1988 erklärten Widerruf wirksam gelöst habe.
Dieser Revisionsangriff ist nicht begründet. Wer ein auf längere Zeit befristetes Angebot abgibt, soll dieses zwar nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung in der Regel widerrufen dürfen, wenn sich in der Zwischenzeit die Umstände in unvorhersehbarer Weise geändert haben und er das Angebot, hätte er die Änderung vorausgesehen, für den Empfänger erkennbar nicht abgegeben hätte (vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band II, 3. Aufl. S. 644; Larenz, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 7. Aufl. S. 521; enger Medicus, Allgemeiner Teil des BGB 3. Aufl. Rdn. 369). Die Klägerin hat sich jedoch ausdrücklich verpflichtet, den Anteil zum Nominalwert von 35.000,– DM „unabhängig von dem Wert des Geschäftsanteils” zurückzuübertragen. Damit hat sie bewußt das Risiko übernommen, eine etwaige durch gute Geschäftsentwicklung bewirkte Wertsteigerung nicht vergütet zu bekommen.
3. Der durch das Angebot vom 15. November 1983 und die Annahme vom 21. März 1988 zustande gekommene Vertrag kann jedoch aus anderen Gründen unwirksam sein.
a) Dem Beklagten zu 1 ist durch das die Klägerin bindende Angebot das Recht eingeräumt worden, sich durch dessen Annahme jederzeit nach grundsätzlich freiem Belieben seiner Mitgesellschafterin zu entledigen. Diese Gestaltung der schuldrechtlichen Beziehungen zwischen den beiden einzigen Gesellschaftern hat dieselbe Wirkung wie ein gesellschaftsrechtlich dem Beklagten zu 1 eingeräumtes Recht, die Klägerin ohne sachliche Gründe in der Weise auszuschließen, daß sie ihren Anteil auf ihn zu übertragen hat. Im Recht der Personengesellschaften verstoßen derartige Hinauskündigungsklauseln nach der neueren Rechtsprechung des Senats in der Regel gegen § 138 BGB. Sie begründen die Gefahr, daß die von der jederzeitigen Ausschließungsmöglichkeit bedrohten Gesellschafter von ihren Rechten keinen Gebrauch machen und die ihnen obliegenden Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen, sondern sich den Wünschen des oder der durch das Ausschließungsrecht begünstigten Gesellschafter beugen; damit wird einer nicht zu billigenden Willkürherrschaft der Mehrheit oder der mit dem Ausschließungsrecht ausgestatteten Gesellschafter Vorschub geleistet (BGHZ 68, 212, 215; BGHZ 81, 263, 266f.; BGHZ 105, 213, 216f.; Sen.Urt. v. 25. März 1985 – II ZR 240/84, WM 1985, 772, 773). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch angesichts der daran von einem Teil des Schrifttums geübten Kritik (vgl. die Nachweise bei Ulmer, MünchKomm z. BGB, 2. Aufl. § 737 Rdn. 15; Kesselmeier, Ausschließungs- und Nachfolgeregelung in der GmbH-Satzung, 1989, S. 99ff.; zustimmend dagegen Ulmer aaO § 737 Rdn. 16; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 1986, S. 1084f.; im Ergebnis auch Behr, ZGR 1990, 370, 377ff.) fest.
In einer GmbH ist die Sachlage nicht grundsätzlich anders. Auch hier soll insbesondere die Mitwirkung an von der Gesellschafterversammlung zu treffenden Beschlüssen Ausfluß freier Willensbildung sein. Eine Beschlußfassung, bei der ein Teil der Gesellschafter den Mitgesellschaftern mit der immer gegenwärtigen Drohung, sie ohne weiteres aus der Gesellschaft entfernen zu können, seinen Willen aufzwingen kann, wird jenem Grundsatz nicht gerecht. Deshalb ist auch bei der GmbH ein satzungsmäßiges Ausschließungs- oder Einziehungsrecht grundsätzlich nur dann zulässig, wenn es an das Vorliegen bestimmter, in der Satzung festgelegter sachlicher Gründe gebunden ist (so auch Scholz/H. P. Westermann, GmbHG 7. Aufl. § 34 Rdn. 13; Fischer/Lutter/Hommelhoff, GmbHG 12. Aufl. § 34 Rdn. 12; G. Hueck in Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 34 Rdn. 6; Rowedder/Rowedder, GmbHG 2. Aufl. § 34 Rdn. 42; Meyer-Landrut in Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, 1987, § 34 Rdn. 5; vgl. auch Roth, GmbHG 2. Aufl. § 34 Rdn. 4.1.2; a.A. Hachenburg/Hohner, GmbHG 7. Aufl. § 34 Rdn. 34).
b) Trotzdem kann der Klage in diesem Punkt in der Revisionsinstanz nicht stattgegeben werden. Eine an keine Voraussetzungen geknüpfte Hinauskündigungsklausel ist gleichwohl wirksam, wenn sie wegen besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt ist (BGHZ 68, 212, 215; BGHZ 81, 263, 269; BGHZ 105, 213, 217). Welche Umstände insoweit in Betracht kommen, ist bisher wenig geklärt. Die Frage läßt sich, da es immer auf den konkreten Fall ankommt, nicht abschließend entscheiden. Unter den hier gegebenen besonderen Umständen läßt es sich jedenfalls bisher nicht ausschließen, daß das dem Beklagten zu 1 eingeräumte Recht, den Anteil der Klägerin grundsätzlich ohne besondere Voraussetzungen zu übernehmen, wirksam begründet worden ist.
Keine entscheidende Rolle spielt es allerdings, daß die Klägerin für die Einlage von 35.000,– DM offenbar keine eigenen Geldmittel aufzuwenden brauchte. Sie hatte bis März 1988 anscheinend weder das ihr nach dem Vertrag vom 24. November 1983 vom Beklagten zu 1 zur Verfügung gestellte „Darlehen” getilgt noch die vereinbarten 5% Zinsen pro Jahr gezahlt; das ist jedenfalls dem Anwaltsschreiben vom 29. März 1988 zu entnehmen, durch das der Beklagte zu 1 den Dienstvertrag der Klägerin hat kündigen lassen. Dies und die Tatsache, daß der Beklagte zu 1 den Anteil jederzeit zum Nominalwert von 35.000,– DM wieder sollte an sich ziehen dürfen, könnte darauf hindeuten, daß dann „Kaufpreis” und „Darlehen” miteinander verrechnet werden sollten. Darin läge aber keine Schenkung, weil die Klägerin bei ihrem Ausscheiden außer dem „Kaufpreis” keinerlei Abfindung erhalten sollte. Wirtschaftlich wäre es dann vielmehr so, als wenn die Klägerin die Einlage tatsächlich eingezahlt und auf Verlangen des Beklagten zu 1 unter Abfindung zum Nominalwert wieder hätte ausscheiden müssen. Auf die Frage, ob die Anteilsschenkung für sich allein die Ausschließung ohne sachlichen Grund rechtfertigt (vgl. dazu Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band I, Teil 1, Die Personengesellschaft, 1977, S. 137f.; K. Schmidt aaO S. 1085; Eiselt, Festgabe für v. Lübtow, 1980, 643, 656; U. Huber, ZGR 1980, 177, 201; zur früheren Rechtsprechung BGHZ 34, 80, 83; zur Frage, ob dieser Gesichtspunkt bei der Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters unter dem wirklichen Anteilswert eine Rolle spielt, Sen.Urt. v. 9. Januar 1989 – II ZR 83/88, WM 1989, 783, 785), kommt es daher im vorliegenden Fall nicht an.
Dieser ist nach dem zum Teil unstreitigen, zum Teil streitigen, jedoch mangels tatrichterlicher Feststellungen für die Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Tatsachenstoff durch folgende Besonderheiten geprägt: Die Klägerin war alleinige Geschäftsführerin der Gesellschaft und verfügte mit 70% des Stammkapitals über die Mehrheit in der Gesellschafterversammlung. Sie war damit, solange sie Gesellschafterin war, in der Lage, die laufenden Geschäfte des Unternehmens alleinentscheidend zu führen; nur für Satzungsänderungen und bestimmte in § 7 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrags aufgeführte Beschlußgegenstände, für die eine Stimmenmehrheit von 75% erforderlich war, war sie auf die Mitwirkung des Beklagten zu 1 angewiesen. Diese Machtstellung in der Gesellschaft beruhte nicht auf einem entsprechenden Kapitaleinsatz. Der Beklagte hat behauptet, er habe es übernommen gehabt, das Unternehmen allein zu finanzieren; die Klägerin sei damals mittellos gewesen. Tatsächlich hat er jedenfalls zunächst die Geldmittel für das Stammkapital von 50.000,– DM allein aufgebracht. Darüber hinaus hat er nach seinem Vortrag der Gesellschaft Darlehen in Höhe von zuletzt – unter Berücksichtigung von Rückzahlungen – 410.000,– DM zur Verfügung gestellt und sich für weitere Betriebskredite im Umfang von 600.000,– DM verbürgt. Zum Ausgleich dafür habe er, so hat er behauptet, das Unternehmen wirtschaftlich „in seiner Hand behalten” sollen.
Geht man hiervon mangels bisheriger gegenteiliger tatsächlicher Feststellungen aus, dann hat der Beklagte zu 1 der Klägerin vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Beziehungen die Stellung als Mehrheitsgesellschafterin und Geschäftsführerin in einem von ihm finanzierten Unternehmen verschafft, in dem sie durch ihr Geschäftsführergehalt und ihre Gewinnbeteiligung ihr Auskommen finden konnte. Er selbst hat auf die Unternehmensleitung keinen Einfluß genommen. Damit hatte er sich mit seinem in dem Unternehmen investierten Geld ganz in die Hand der Klägerin gegeben. Grundlage dafür waren die engen persönlichen Beziehungen zwischen ihm und der Klägerin und das darauf gegründete Vertrauen, daß diese das Unternehmen so führen werde, daß ihm kein finanzieller Schaden entstand. Fielen diese Voraussetzungen weg, dann hatte der Beklagte zu 1 ein berechtigtes Interesse daran, die Machtstellung der Klägerin in der Gesellschaft beenden zu können. Dazu reichten seine normalen Gesellschafterbefugnisse nicht aus. Als Minderheitsgesellschafter hätte er die Klägerin aus ihrer Organstellung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen können; die Beendigung der persönlichen Beziehungen zwischen ihm und der Klägerin hätte aber nicht ohne weiteres einen solchen Grund darstellen müssen. Im übrigen hätte die Klägerin sich kraft ihrer Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung jederzeit erneut zur Geschäftsführerin bestellen können. Das rechtfertigt die dem Beklagten zu 1 eingeräumte Möglichkeit, den Geschäftsanteil der Klägerin ohne weitere Voraussetzungen an sich zu ziehen und damit die Organstellung der Klägerin von selbst enden zu lassen. Der Geschäftsanteil einschließlich der Geschäftsführerposition war der Klägerin von vornherein nur für die Zeit eingeräumt, in der das oben angesprochene Vertrauensverhältnis bestand. Ihre Rechtsstellung unterschied sich daher nicht wesentlich von der eines Treuhänders, wobei sie freilich ihre Gesellschafter- und Geschäftsführerrechte in ihrem eigenen Interesse ausüben durfte. Der Treuhänder hat nach Beendigung des Treuhandverhältnisses das Treugut wieder herauszugeben. Dafür, daß der Beklagte zu 1 von der Möglichkeit, den Geschäftsanteil der Klägerin jederzeit an sich zu ziehen, im März 1988 treuepflichtwidrig Gebrauch gemacht hätte, bestehen angesichts der zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und der Klägerin keine Anhaltspunkte.
c) Die Wirksamkeit der durch die Angebotsannahme bewirkten faktischen Ausschließung der Klägerin hängt nicht davon ab, ob, wie diese meint, ihre Abfindung zum Nominalwert unangemessen gering ist. Nach der Rechtsprechung des Senats berührt sowohl im Personengesellschafts- wie auch im GmbH-Recht eine zu niedrige Abfindung oder ein zu geringes Einziehungsentgelt die Wirksamkeit des Beschlusses selbst nicht (Sen.Urt. v. 7. Mai 1973 – II ZR 140/71, WM 1973, 842, 843 und v. 13. September 1977 – II ZR 11/76, WM 1977, 1276, 1278). Hier ist die Gesellschafterstellung der Klägerin zwar nicht durch Gesellschafterbeschluß, sondern dadurch beendet worden, daß der Beklagte zu 1 das Angebot der Klägerin, ihm ihren Anteil zu übertragen, angenommen hat. Ein Vertrag kann zwar grundsätzlich, wenn sich nicht aus § 139 BGB etwas anderes ergibt, entweder nur insgesamt wirksam oder in vollem Umfang unwirksam sein. Die im vorliegenden Fall von den Beteiligten gewählte Gestaltung läuft aber, wie bereits ausgeführt, auf ein nicht an sachliche Gründe gebundenes einseitiges Ausschließungs- oder Kündigungsrecht des Beklagten zu 1 hinaus. Sie kann daher auch, was die Auswirkungen eines zu niedrigen Abfindungsentgelts betrifft, nicht anders beurteilt werden als eine sonstige Hinauskündigungsklausel.
Ob die Abfindung der Klägerin zum Nominalwert wegen Sittenwidrigkeit unwirksam ist (vgl. dazu auch Sen.Urt. v. 9. Januar 1989 – II ZR 83/88, WM 1989, 783, 784), müßte danach notfalls in einem weiteren Rechtsstreit entschieden werden. Dabei würde gewiß von Bedeutung sein, daß nach der Behauptung der Klägerin das Unternehmen Anfang 1988 einen Wert von 1 bis 1,5 Millionen DM gehabt haben soll und daß dieser Wert, soweit er vorhanden war, einerseits durch den Kapitaleinsatz des Beklagten zu 1 und andererseits durch die Geschäftsführerleistungen der Klägerin geschaffen worden ist. Ausschlaggebend wird indessen zunächst ein anderer Gesichtspunkt sein: Hat allein der Beklagte zu 1 das Unternehmen finanziert und war es der Klägerin nur auf Zeit zur nutzbringenden Bewirtschaftung überlassen, dann wird es entscheidend darauf ankommen, ob die Gehalts- und Gewinnbezüge der Klägerin, die nach der Darstellung des Beklagten zu 1 in den etwa 4 1/2 Jahren seit Gründung der Gesellschaft insgesamt ca. 646.000,– DM betragen haben sollen, ein angemessenes Entgelt für die Tätigkeit der Klägerin darstellen. Unter dieser Voraussetzung könnte es gerechtfertigt sein, sie an dem bei ihrem Ausscheiden vorhandenen Wertzuwachs (einschließlich etwaiger stiller Reserven und eines Firmenwerts) nicht zu beteiligen.
II. Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses vom 21. März 1988
1. Ist die Klägerin noch Gesellschafterin, dann ist sie zur Nichtigkeitsklage entsprechend § 252 AktG befugt. Ist sie es nicht, dann kann sie jedenfalls, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, gegenüber der Beklagten zu 2 im Wege der einfachen Feststellungsklage klären lassen, ob sie durch den Beschluß ihre Geschäftsführerstellung verloren hat.
2. Das Berufungsgericht hält den Beschluß vom 21. März 1988 für wirksam, obwohl die Klägerin zu der damals vom Beklagten zu 1 abgehaltenen Gesellschafterversammlung nicht eingeladen worden ist. Es meint, es sei unschädlich, daß die Beklagte zu 2 von dem nach seiner Ansicht durch die Annahme des Angebots vom 15. November 1983 bewirkten Anteilsübergang nicht gemäß § 16 GmbHG förmlich benachrichtigt worden ist; da durch die Übertragung eine Einmanngesellschaft entstanden sei, wäre es, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, ein unvertretbarer Formalismus, auf die Verschiedenheit von Gesellschaft und Gesellschafter abzustellen. Bei natürlicher Betrachtung sei das Wissen des Beklagten zu 1 als des Alleingesellschafters auch der Gesellschaft zuzurechnen.
Diese rechtliche Beurteilung ist, wie die Revision zu Recht rügt, unzutreffend. Nach § 16 Abs. 1 GmbHG gilt bei einer Anteilsveräußerung der Gesellschaft gegenüber nur derjenige als Erwerber, dessen Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. Es handelt sich dabei um eine gesetzliche Fiktion; auf die Wirksamkeit der Übertragung kommt es insoweit nicht an. Diese Regelung soll sowohl die Gesellschaft vor den Unsicherheiten eines Gesellschafterwechsels als auch Veräußerer und Erwerber in ihrer Stellung gegenüber der Gesellschaft schützen (BGHZ 84, 47, 49; Scholz/Winter, GmbHG 7. Aufl. § 16 Rdn. 2). Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts braucht die Gesellschaft allerdings dann nicht förmlich benachrichtigt zu werden, wenn der alleingeschäftsführende Gesellschafter einen Geschäftsanteil veräußert, weil in einem solchen Fall der Gesellschaft durch ihren Geschäftsführer die Einzelheiten der Veräußerung bekannt sind (RGZ 127, 236, 241f.; RGZ 131, 146, 148; RGZ 157, 52, 59). Ob das in dieser Allgemeinheit zutrifft oder ob sich der Geschäftsführer nach außen hin in einer Weise verhalten muß, die sich zumindest als stillschweigende Anmeldung gegenüber der Gesellschaft deuten läßt (vgl. G. Hueck aaO § 16 Rdn. 3; Fischer/Lutter/Hommelhoff aaO § 16 Rdn. 3), ist hier nicht zu entscheiden. Die Klägerin als damalige Geschäftsführerin der Gesellschaft war zwar insofern an der Anteilsübertragung beteiligt, als sie im Jahre 1983 das Vertragsangebot abgegeben hatte. Der Übergang kam aber erst mit der Annahme jenes Angebots zustande. Von ihr wußte die Klägerin nichts, als der Beklagte zu 1 am 21. März 1988 die Gesellschafterversammlung abhielt; darauf weist auch das Berufungsgericht zutreffend hin. Damit hatte auch die Gesellschaft keine Kenntnis von dem Vorgang.
Diese Kenntnis konnte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts der Gesellschaft auch dann nicht durch das Wissen des Beklagten zu 1 vermittelt werden, wenn dieser durch die Annahme des Angebots alleiniger Gesellschafter geworden ist. Die Gesellschaft mußte Gelegenheit zur Prüfung erhalten, ob der Anteil wirklich übergegangen war. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob, wie in einem Teil des Schrifttums angenommen wird, die Anmeldung der Annahme durch die Gesellschaft bedarf (vgl. Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, S. 139f.; Zutt, FS Oppenhoff, 1985, S. 555, 561); die Gesellschaft entscheidet jedenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen, ob der Nachweis des Anteilsübergangs als geführt anzusehen ist (Scholz/Winter aaO § 16 Rdn. 19 m.w.N.). Eine solche Prüfung ist u.a. auch im Hinblick auf die Bestimmung des § 16 Abs. 2 GmbHG unabdingbar.
Solange der Anteilsübergang der Gesellschaft gegenüber nicht ordnungsgemäß angemeldet war, waren Rechtshandlungen der Klägerin gegenüber der Gesellschaft und umgekehrt wirksam. Die durch § 16 GmbHG bezweckte Rechtssicherheit kann erst herbeigeführt werden, wenn der Geschäftsführer der Gesellschaft und damit diese selbst etwas vom Übergang des Anteils erfährt. Der Geschäftsführer hat dabei im Interesse der Gesellschaft die Sach- und Rechtslage sorgfältig zu prüfen; anderenfalls kann er sich nach § 43 GmbHG schadensersatzpflichtig machen. Der Beklagte zu 1, der nicht Geschäftsführer war, konnte diese Prüfung nicht vornehmen.
Die Klägerin, die danach unabhängig von der Wirksamkeit der Anteilsübertragung der Beklagten zu 2 gegenüber weiterhin als Gesellschafterin galt, hätte daher zu der Gesellschafterversammlung geladen werden müssen. Da dies unterblieben ist, ist der Abberufungsbeschluß vom 21. März 1988 entsprechend § 241 Nr. 1 AktG nichtig (vgl. BGHZ 36, 207, 211).
III. Antrag auf Feststellung des Fortbestehens des Geschäftsführervertrages
Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dieser Antrag begründet ist, hängt davon ab, ob die Klägerin noch Gesellschafterin ist.
Ist der Anteil nicht wirksam auf den Beklagten zu 1 übergegangen, dann ist der Beendigungsgrund des § 14 Abs. 2 des Anstellungsvertrages vom 27. Dezember 1983 nicht eingetreten. Hiernach endet der Vertrag zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin „aus der Gesellschaft als Gesellschafter ausscheidet”. Der Beklagte zu 1 konnte dann als Minderheitsgesellschafter auch nicht kündigen.
War die Anteilsübertragung dagegen wirksam, dann wurde der Anstellungsvertrag trotzdem nicht sofort am 21. März 1988 beendet. § 14 Abs. 2 des Geschäftsführervertrages sieht eine Koppelung des Vertrages an das Gesellschaftsverhältnis vor. Das ist zulässig (zur Koppelung des Dienstvertrages des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft an den Widerruf der Organbestellung vgl. Sen.Urt. v. 29. Mai 1989 – II ZR 220/88, WM 1989, 1246, 1247f.). In einem solchen Fall darf aber die in § 622 Abs. 1 Satz 2 BGB zwingend vorgeschriebene Mindestkündigungsfrist von einem Monat nach Ende des Monats, in dem gekündigt wird, nicht außer Kraft gesetzt werden (Sen.Urt. aaO S. 1248f.). Das Anstellungsverhältnis der Klägerin endete daher im Fall der Wirksamkeit der Anteilsübertragung am 30. April 1988.
IV.Zahlungsantrag
Der Klägerin steht grundsätzlich mindestens noch ein Gehaltsanspruch von 14.000,– DM zu. Sie hatte für die Zeit bis zum 30. April 1988 noch 12.000,– DM zu beanspruchen. Hinzu kommt anteiliges Weihnachtsgeld für die Monate Januar bis April 1988, also 1/3 von 6.000,– DM = 2.000,– DM.
Ob dieser oder ein etwaiger weitergehender Gehaltsanspruch durch Aufrechnung erloschen ist, muß in tatsächlicher Hinsicht noch geklärt werden. Das Berufungsgericht hat den von ihm angenommenen Anspruch von 5.700,– DM als durch Aufrechnung getilgt angesehen. Die Revision rügt, der Vortrag der Beklagten zur Aufrechnungsforderung sei unsubstantiiert und der zur Aufrechnung gestellte Teil dieser Forderung sei nicht genügend bestimmt. Damit hat sie Erfolg.
Der Tatsachenvortrag der Beklagten zu der Aufrechnungsforderung ließ tatsächlich jede Konkretisierung vermissen. Die Klägerin hat zwar in der Berufungsinstanz selbst eingeräumt, 40.000,– DM aus Gesellschaftsmitteln an ihre Haushälterin und ihren Bruder gezahlt zu haben; sie ist auch unstreitig wegen Untreue zum Nachteil der Beklagten zu 2 strafrechtlich verurteilt worden. Sie hat jedoch behauptet, die Zahlungen seien mit dem Beklagten zu 1 abgesprochen gewesen. Die Beklagte zu 2 wird daher – auch darin hat die Revision recht – darlegen müssen, welche einzelnen Schadensbeträge aus welchen tatsächlichen Vorgängen sie zur Aufrechnung stellt. Sodann muß darüber notfalls Beweis erhoben werden.
V. Damit die nach den Ausführungen zu I 3 b und IV erforderlichen Tatsachenfeststellungen getroffen werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
BGHZ 112, 103 |
BGHZ, 103 |
BB 1990, 1578 |
NJW 1990, 2622 |
ZIP 1990, 1057 |
DNotZ 1991, 917 |
GmbHR 1990, 449 |