Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. September 1997 insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die verklagte Steuerberatungsgesellschaft war mit der Vorbereitung und Erstellung der Einkommensteuererklärungen der Kläger für die Jahre 1973 bis 1991 betraut. Der Kläger zu 1 erzielte 1974 und 1975 Gewinn aus einem Kunststoff-Fensterbaubetrieb, erlitt jedoch Verluste aus dem Betrieb eines landwirtschaftlichen Gutes in Paraguay, die in den Bilanzen für das Jahr 1974 mit 52.777,64 DM und für das Jahr 1975 mit 92.026,18 DM ausgewiesen wurden. Da sich auch in den Folgejahren Verluste ergaben, stufte das Finanzamt den Gutsbetrieb als „Liebhaberbetrieb” ein und lehnte eine Berücksichtigung der Verluste ab. Aufgrund der Steuerbescheide für 1974 und 1975, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen, zahlten die Kläger die festgesetzten Steuern. Mit Bescheid vom 10. November 1982 wurden die beiden Steuerbescheide für vorbehaltlos erklärt. Die Kläger beauftragten die Beklagte, gegen diesen Bescheid Einspruch einzulegen. Die Beklagte versäumte jedoch schuldhaft die Einspruchsfrist. Der Bescheid wurde am 13. Dezember 1982 bestandskräftig. Die entsprechenden Bescheide für die Folgejahre wurden ordnungsgemäß angefochten. Die Kläger nahmen die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Diese teilte den Klägern mit Schreiben vom 23. Dezember 1983 mit:
„Sie wissen selbst genau, daß keinesfalls erwiesen ist, daß ein Schaden durch uns entstanden ist. Ein Schaden durch uns könnte höchstenfalls dadurch entstanden sein, daß wir gegenüber den rechtskräftig gewordenen Bescheiden 1974 und 1975 keinen Einspruch erhoben haben.
Die Hauptfrage jedoch ist noch nicht entschieden. Es geht um die Anerkennung der Verluste in Paraguay. Solange diese Rechtsfrage vor dem Finanzamt für die Jahre 1976 bis 1978 nicht definitiv zu Ihren Ungunsten entschieden ist, solange Sie nicht sämtliche Rechtsmittel in dieser Angelegenheit … ausgenutzt haben, können wir einen Schaden nicht anerkennen.”
Der Rechtsstreit wegen der Steuerbescheide für die späteren Jahre wurde am 21. Juli 1994 durch einen vom Finanzgericht angeregten Vergleich beendet. Darin heißt es:
„Das beklagte Finanzamt anerkennt unwiderruflich, daß der Kläger in den Jahren 1973 bis 1991 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt hat. Die Beteiligten (Kläger und Beklagter) anerkennen unwiderruflich, daß die Einkommensteuerbescheide für 1973 bis 1975 und 1980 bestandskräftig geworden sind und folglich nicht mehr geändert werden können.
Das beklagte Finanzamt anerkennt unwiderruflich die den Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 1979, 1981 bis 1991 zugrunde gelegten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (E. L. in Paraguay) …
Das beklagte Finanzamt ändert die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1976-1978 … ab und setzt die Einkommensteuer wie folgt neu fest:
- Für das Jahr 1976 auf 96.852 DM;
- Für das Jahr 1977 auf 109.287 DM;
- Für das Jahr 1978 auf 41.094 DM.
Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1976-1978 werden vom beklagten Finanzamt unwiderruflich erlassen.”
Mit der Klage haben die Kläger Schadensersatz wegen Einkommensteuermehrbelastung für die Jahre 1974 und 1975 von 70.206,88 DM und wegen entgangener Zinsen darauf in Höhe von 44.200 DM geltend gemacht. Die Beklagte hat sich auf Verjährung berufen und in zweiter Instanz bestritten, daß die für die Jahre 1974 und 1975 ausgewiesenen Verluste des Gutes in Paraguay in voller Höhe steuerlich anzuerkennen gewesen wären.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 112.648,88 DM nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil in Höhe von 111.571,67 DM nebst Zinsen bestätigt. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
1. Das Berufungsgericht hat eine Verjährung des Klageanspruchs verneint, weil es aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 23. Dezember 1983 zwischen den Parteien zu einer Stillhaltevereinbarung (pactum de non petendo) gekommen sei.
Ein derartiges Abkommen, das auch „stillschweigend” durch schlüssiges Verhalten geschlossen werden kann, setzt die Abrede voraus, daß der Schuldner nach dem Parteiwillen vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt sein, der Geltendmachung des Anspruchs also vorübergehend ein rechtliches Hindernis entgegenstehen soll. Dafür braucht kein bestimmter Endzeitpunkt vereinbart zu werden; es genügt, daß die Partner auf ein zwar bestimmtes, aber zeitlich offenes Ereignis abstellen (BGH, ständige Rechtsprechung, zuletzt Urt. v. 16. Dezember 1998 - VIII ZR 197/97, VersR 1999, 858, 859).
Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht im Streitfall ohne Rechtsverstoß angenommen. Es hat ausgeführt, die Beklagte habe ihre Antwort auf das Zahlungsverlangen der Kläger mit dem rechtlich zutreffenden Hinweis verbunden, die Hauptfrage sei noch nicht entschieden; ihre weitere Erklärung hätten die Kläger nur als Angebot verstehen dürfen, still zu halten und das Schadensersatzverlangen zurückzustellen, bis die „Hauptfrage” rechtsverbindlich abgeklärt sei. Bis dahin habe der Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen sollen. Das Angebot hätten die Kläger durch schlüssiges Verhalten angenommen, denn sie seien vor Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens auf ihre Schadensersatzforderung nicht mehr zurückgekommen.
Diese Auslegung des Schreibens vom 23. Dezember 1983 und des Verhaltens der Kläger nach Erhalt dieses Schreibens durch den Tatrichter erscheint möglich und liegt sogar nahe. Sie läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
2. Wegen der mit dem Stillhalteabkommen eingetretenen Hemmung hat das Berufungsgericht die Verjährung der Klageforderung mit Recht verneint. Es ist zutreffend davon ausgegangen, daß die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG mit der am 13. Dezember 1982 eingetretenen Bestandskraft des Bescheides vom 10. November 1982 begann (vgl. BGH, Urt. v. 20. Juni 1996 - IX ZR 100/95, WM 1996, 2066, 2067). Die Verjährung war von der Annahme des mit Schreiben vom 23. Dezember 1983 übermittelten Stillhalteangebots bis zum Abschluß des Vergleichs vom 21. Juli 1994 gehemmt, so daß dieser Zeitraum in die Verjährungsfrist nicht einzurechnen ist (§ 205 BGB). Durch die am 17. Mai 1996 bei Gericht eingegangene und der Beklagten am 24. Juni 1996 zugestellte Klage wurde die Verjährung gemäß § 209 Abs. 1 BGB rechtzeitig unterbrochen.
II.
Das Berufungsurteil kann jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht – wie die Revision mit Recht geltend macht – einen auf der Pflichtverletzung der Beklagten beruhenden Schaden der Kläger nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt hat.
1. Allerdings ist der Revision nicht in der Annahme zu folgen, das Berufungsgericht hätte im einzelnen prüfen müssen, wie Finanzamt und Finanzgericht die Frage der Abzugsfähigkeit der Verluste richtig hätten entscheiden müssen. Kommt es darauf an, welchen Ausgang ein Rechtsstreit genommen hätte, wenn ein Rechtsbehelf ordnungsgemäß eingelegt und begründet worden wäre, ist grundsätzlich entscheidend, wie das betreffende Verfahren ohne den dem Berater zur Last fallenden Fehler nach Auffassung des Regreßgerichts richtigerweise hätte ausgehen müssen (vgl. BGHZ 134, 212, 214). Das hängt im Streitfall zunächst davon ab, ob die Kläger die Absicht hatten, mit dem Betrieb des Landgutes in Paraguay Gewinn zu erzielen, oder ob es sich bei dem Gutsbetrieb um „Liebhaberei” handelte (zur Abgrenzung vgl. BFHE 141, 405, 434; Schmidt, EStG 18. Aufl. § 2 Rdn. 22, 23). Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß auf seiten der Kläger auch für die Jahre 1974 und 1975 Gewinnerzielungsabsicht bestand. Die Beklagte hat im vorliegenden Rechtsstreit nie in Zweifel gezogen, daß es sich bei dem Betrieb des Landgutes nicht um „Liebhaberei” handelte, sondern daß entstandene Verluste steuerrechtlich anzuerkennen waren. Da die Abzugsfähigkeit von Verlusten aus landwirtschaftlicher Tätigkeit weitgehend von tatsächlichen Umständen abhängt, also keine reine Rechtsfrage ist, durfte das Berufungsgericht aufgrund des Prozeßverhaltens der Parteien ohne weiteres davon ausgehen, daß tatsächlich angefallene Verluste aus dem Betrieb des Landguts in Paraguay auch für die Jahre 1974 und 1975 steuerlich zu berücksichtigen gewesen wären.
2. Das Berufungsgericht hätte jedoch im Rahmen der von den Klägern zu beweisenden haftungsausfüllenden Kausalität prüfen müssen, ob die geltend gemachten Verluste in der ausgewiesenen Höhe entstanden sind und zu einer Steuerminderung von 70.206,88 DM geführt hätten. Von den Ansätzen der Kläger durfte es nicht ohne weiteres ausgehen, denn die Beklagte hat die Schadenshöhe in prozessual zulässiger Weise bestritten.
In der Berufungsbegründungsschrift hat die Beklagte in Frage gestellt, ob die in dem Vergleich vom 21. Juli 1994 berücksichtigten Verluste des landwirtschaftlichen Betriebes in Paraguay für die Jahre 1976 bis 1978 mit denjenigen identisch seien, die in den jeweiligen Erklärungen der Kläger aufgeführt seien. Anlaß zu dieser Frage gebe die Formulierung des Vergleichs: „Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1976-1978 werden vom beklagten Finanzamt unwiderruflich erlassen”. Wären die Verluste in vollem Umfang in dem Vergleich berücksichtigt worden, könnten keine Aussetzungszinsen angefallen sein und es hätte kein Anlaß für den Verzicht des Finanzamts auf derartige Zinsen bestanden. Ohne eine Antwort der Kläger auf diese Frage sei der mit der Klage verfolgte Schaden nicht hinreichend substantiiert. Die Beklagte müsse davon ausgehen, daß nur Teile der geltend gemachten Verluste im Rahmen des Vergleichs anerkannt worden seien; um welche Teile es sich handele, sei ihr naturgemäß nicht bekannt.
Mit diesen Darlegungen hat die Beklagte bestritten, daß das Finanzamt die für die Jahre 1976 bis 1978 von den Klägern angesetzten Verluste in vollem Umfang steuermindernd berücksichtigt habe. Mit dem Hinweis, ohne eine Antwort der Kläger auf die Frage nach der vollen Berücksichtigung der Verluste für die Jahre 1976 bis 1978 sei der mit der Klage verfolgte Anspruch nicht hinreichend substantiiert, wollte die Beklagte ersichtlich bestreiten, daß auch für die Jahre 1974 und 1975 sämtliche für den landwirtschaftlichen Betrieb in Paraguay ausgewiesenen Verluste steuermindernd zu berücksichtigen gewesen wären. Dieses schlichte Bestreiten mit Nichtwissen war zulässig. Es ist nicht ersichtlich, daß die Beklagte, die den Finanzgerichtsprozeß nicht geführt und an dem Vergleichsschluß nicht mitgewirkt hat, im Besitz von Unterlagen ist, aus denen sich hinreichende Anhaltspunkte für die Schadenshöhe, insbesondere die steuerrechtlich anzuerkennenden Verluste der Jahre 1976 bis 1978 sowie 1974 und 1975 ergeben.
Die Kläger haben auf die Ausführungen der Beklagten erwidert, zu der Mutmaßung der Beklagten, die Verluste seien für die Veranlagungszeiträume 1976 bis 1978 möglicherweise nicht voll umfänglich anerkannt worden, sei lediglich mitzuteilen – was sich im übrigen bereits aus dem Vergleich vom 21. Juli 1994 ergebe –, daß die Verluste voll umfänglich anerkannt worden seien. Im übrigen sei nicht recht ersichtlich, in welchem Zusammenhang die Frage der Aussetzungszinsen für die Jahre 1976 bis 1978 mit derjenigen des für die Jahre 1974 und 1975 geltend gemachten Schadens stehe.
Damit wurden die von der Beklagten geäußerten Zweifel daran, ob die für die Jahre 1974 und 1975 ausgewiesenen Verluste in vollem Umfang zu berücksichtigen sind, nicht ausgeräumt. Demzufolge hielt die Beklagte diese Zweifel in ihrem Schriftsatz vom 20. August 1997 aufrecht und präzisierte sie.
Das Berufungsgericht hat dem Bestreiten der Beklagten keine Bedeutung beigemessen. Es hat dazu ausgeführt, trotz des Bestreitens sei davon auszugehen, daß die Verluste aus dem Landgut voll zur Anrechnung gekommen wären. Dafür spreche der klare Wortlaut des Vergleichs. Dies sei auch bis kurz vor dem Termin zur Berufungsverhandlung (am 3. September 1997) völlig unstreitig gewesen, so daß dieser Sachvortrag im Schriftsatz vom 20. August 1997 verspätet und damit gemäß §§ 527, 296 Abs. 1 bzw. § 528 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen sei.
Auf die Frage, ob die Zurückweisung als verspätet zu Recht erfolgt ist, kommt es nicht an. Jedenfalls hat die Beklagte die Schadenshöhe – wie dargelegt – bereits in der Berufungsbegründungsschrift bestritten.
Die Annahme des Berufungsgerichts, der klare Wortlaut des Vergleichs spreche für eine volle Berücksichtigung der Verluste aus dem Betrieb des Landgutes auch für die Jahre 1976 bis 1978, trifft nicht zu. Vielmehr erkennt das Finanzamt zunächst lediglich an, daß in den Jahren 1973 bis 1991 überhaupt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt wurden; darüber hinaus berücksichtigt es die in den Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 1979 und 1981 bis 1991 zugrunde gelegten Verluste. Daß auch die für die Jahre 1976 bis 1978 ausgewiesenen Verluste in vollem Umfang anerkannt wurden, ist dem Vergleich dagegen nicht zu entnehmen. Die Neufestsetzung der Einkommensteuer für diese Jahre scheint eher für das Gegenteil zu sprechen.
III.
Die Zurückverweisung gibt den Klägern Gelegenheit, zur Schadenshöhe weiter vorzutragen. Das Berufungsgericht wird im einzelnen festzustellen haben, in welcher Weise sich in den Jahren 1974 und 1975 entstandene Verluste steuer- und zinsmindernd ausgewirkt hätten, wenn die Einspruchsfrist von der Beklagten gewahrt worden wäre.
Unterschriften
Paulusch, Kreft, Stodolkowitz, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 09.09.1999 durch Bürk, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 541368 |
WM 1999, 2358 |