Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung durch Vorteilsgewährung. Marktverhaltensregelungen. Zulässige Heilmittelwerbung. Geringwertige Kleinigkeiten bei Publikumswerbung
Leitsatz (amtlich)
a) Ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung liegt auch dann vor, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen.
b) Die Bestimmungen der § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, §§ 1 Abs. 1 und 4, 3 AMPreisV sind neben § 7 HWG anwendbar.
c) Die Bestimmungen der § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, §§ 1 Abs. 1 und 4, 3 AMPreisV stellen Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar.
d) Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, §§ 1 Abs. 1 und 4, 3 AMPreisV ist dann nicht geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen, wenn die für eine entsprechende Heilmittelwerbung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 HWG bestehenden Grenzen eingehalten sind.
e) Bei einer Publikumswerbung stellt eine Werbegabe im Wert von 5 EUR keine geringwertige Kleinigkeit i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 HWG dar.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; AMG § 78 Abs. 2 Sätze 2-3, Abs. 3 S. 1; AMPreisV § 1 Abs. 1, 4, § 3; HWG § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fall 2, Nr. 2
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 31.10.2007; Aktenzeichen 3 U 24/07) |
LG Schweinfurt (Urteil vom 19.01.2007; Aktenzeichen 5 HKO 30/06) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Bamberg vom 31.10.2007 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen des LG Schweinfurt vom 19.1.2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel werden dem Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Beklagte betreibt eine Apotheke in Schweinfurt. Anfang 2006 warb er im Internet wie folgt:
UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE. Für jedes Rezept, das Sie im Wege des Versandes bei uns einlösen, erhalten Sie einen 5 EUR Einkaufsgutschein. (Ausnahme "grüne Rezepte" mit nichtverschreibungspflichtigen Artikeln) Diesen Gutschein können Sie bei dem nächsten Einkauf von Produkten, für die Sie keine Verschreibung benötigen, einlösen. Der Gutschein ist sechs Monate gültig. Die Einlösung mehrerer Gutscheine bei einem Einkauf ist nicht zulässig.
Rz. 2
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., ist der Ansicht, die Werbung des Beklagten verstoße gegen die für verschreibungspflichtige Arzneimittel geltende Preisbindung. Zwar werde bei der Bestellung solcher Mittel deren Preis nicht sofort, sondern erst bei Einlösung des Gutscheins gemindert; darin liege aber ein ebenfalls unzulässiger indirekter Preisrabatt. Zudem verstoße die Auslobungspraxis des Beklagten gegen das heilmittelwerberechtliche Zuwendungsverbot gem. § 7 HWG.
Rz. 3
Mit ihrer nach erfolgloser Abmahnung erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd für jedes Rezept, das ein Kunde im Wege des Versandes einlöst, einen 5 EUR-Gutschein auszugeben und/oder einzulösen und/oder für den Gutschein und die Einlösung zu werben, 2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 189 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.2.2006 zu zahlen.
Rz. 4
Nach Ansicht des Beklagten unterläuft er mit dem von ihm beworbenen Gutschein die Preisbindung nicht. Es hänge vom Kunden ab, ob er von dem Gutschein bei einem Zweitgeschäft Gebrauch mache. Die Preisvorschriften sollten nur einen unmittelbaren Eingriff in das Preisgefüge verhindern.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat das der Klage stattgebende Urteil des LG abgeändert und die Klage abgewiesen (OLG Bamberg, Urt. v. 31.10.2007 - 3 U 24/07, BeckRS).
Rz. 6
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung des Beklagten weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
I. Das Berufungsgericht hat die Klageansprüche nicht als begründet erachtet und hierzu ausgeführt:
Rz. 8
Die Auslobung des Einkaufsgutscheins verstoße nicht gegen § 7 HWG, da das Gutscheinsystem des Beklagten keinen konkreten Produktbezug i.S.d. § 1 HWG aufweise, sondern eine reine Imagewerbung darstelle. Auch sei der Schutzzweck des § 7 HWG nicht berührt, da keine Gefahr eines Medikamentenfehlgebrauchs bestehe. Der Kunde solle nicht dazu verleitet werden, sich ein bestimmtes rezeptpflichtiges Medikament verschreiben zu lassen, sondern zum Erwerb eines bereits verschriebenen Medikaments beim Beklagten veranlasst werden.
Rz. 9
Ein Verstoß gegen die preisrechtlichen Bestimmungen der § 78 Abs. 1 AMG, § 3 AMPreisV liege ebenfalls nicht vor. Der Beklagte verlange und erhalte den vollen Apothekenabgabepreis. Er gewähre lediglich eine Anwartschaft auf einen Preisnachlass für den Fall des Abschlusses eines Zweitgeschäfts über nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Der Kunde habe auch kein Interesse daran, die Preisbindung für verschreibungspflichtige Mittel zu unterlaufen, da sich daraus lediglich ein Vorteil für die Krankenversicherung ergebe.
Rz. 10
Der Kunde werde schließlich auch nicht i.S.d. § 4 Nr. 1 UWG unangemessen unsachlich beeinflusst. Die von dem Preisnachlass für das Zweitgeschäft ausgehende Anlockwirkung berühre die Rationalität der Nachfrageentscheidung nicht. Die Bedingungen für die Einlösung der Gutscheine seien hinreichend deutlich.
Rz. 11
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden Urteils erster Instanz. Das LG hat zutreffend entschieden, dass das Verhalten des Beklagten wegen Verstoßes gegen die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel unzulässig ist.
Rz. 12
1. Die Klägerin hat ihr Unterlassungsbegehren auf Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG gestützt und dazu vom Beklagten Anfang 2006 begangene Zuwiderhandlungen vorgetragen. Da der Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger Verletzungshandlungen gerichtet ist, ist die Klage nur dann begründet, wenn auf der Grundlage des nunmehr geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es andernfalls an der für den Verletzungsunterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr fehlt. Das im Jahr 2006 geltende Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3.7.2004 (UWG 2004) ist nach Verkündung des Berufungsurteils durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb mit Wirkung vom 22.12.2008 geändert worden (UWG 2008). Diese Gesetzesänderung erfordert jedoch keine Unterscheidung bei der rechtlichen Bewertung des Streitfalls.
Rz. 13
Das beanstandete Verhalten des Beklagten stellt sowohl eine Wettbewerbshandlung nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 UWG 2004 als auch eine geschäftliche Handlung nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 UWG 2008 dar. Der Wortlaut des § 4 Nr. 11 UWG ist gleich geblieben. Der Anwendung der zuletzt genannten Vorschrift steht im Streitfall auch nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken keinen dieser Vorschrift vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Die Richtlinie 2005/29/EG bezweckt gemäß ihrem Art. 4 allerdings die vollständige Harmonisierung der Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken, soweit sie die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen. Gemäß ihrem Art. 3 Abs. 3 sowie ihrem Erwägungsgrund 9 bleiben die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte jedoch unberührt. Die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht daher mit der Richtlinie 2005/29/EG im Einklang, soweit Marktverhaltensregelungen - wie hier - dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Verbrauchern dienen (BGH, Urt. v. 15.1.2009 - I ZR 141/06, GRUR 2009, 881 Rz. 16 = WRP 2009, 1089 - Überregionaler Krankentransport).
Rz. 14
2. Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, §§ 1 Abs. 1 und 4, 3 AMPreisV begründet.
Rz. 15
a) Das von der Klägerin beanstandete Verhalten des Beklagten verstößt gegen die vorstehend genannten Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverordnung.
Rz. 16
aa) Nach § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG ist für die verschreibungspflichtigen (Fertig-)Arzneimittel und die zwar nicht verschreibungs-, aber apothekenpflichtigen (Fertig-)Arzneimittel, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden, ein einheitlicher Apothekenabgabepreis zu gewährleisten. Die Einzelheiten regelt die auf der Grundlage des § 78 Abs. 1 AMG ergangene Arzneimittelpreisverordnung. Diese legt für verschreibungspflichtige Arzneimittel in § 2 die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken und in § 3 die Preisspannen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf jeweils zwingend fest (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 4 AMPreisV). Die Bestimmung des § 78 Abs. 3 Satz 1 AMG stellt die Rechtslage insoweit zusammenfassend klar, als danach ein einheitlicher Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers für alle Arzneimittel zu gewährleisten ist, soweit für diese verbindliche Preise und Preisspannen durch die Arzneimittelpreisverordnung bestimmt sind. Erst hierdurch ergibt sich in Verbindung mit den Handelszuschlägen, die die Arzneimittelpreisverordnung festlegt, ein einheitlicher, bei der Abgabe an den Endverbraucher verbindlicher Apothekenabgabepreis. Diese Regelungen sollen insb. gewährleisten, dass die im öffentlichen Interesse gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt ist (vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BT-Drucks. 11/5373 Anl. 2 S. 27; BSGE 101, 161 Rz. 18 f.; BSG, Urt. v. 27.10.2009 - B 1 KR 7/09 R, juris Rz. 13-15; Schmid in FS Ullmann, 2006, S. 875, 876; Dettling, A&R 2008, 118, 120; zu weiteren mit der Regelung des § 78 AMG verfolgten Zwecken vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 67. Erg.-Lief., § 78 AMG Anm. 1 und Schaffert in MünchKomm/UWG, § 4 Nr. 11 Rz. 326).
Rz. 17
bb) Ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung liegt nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt. Die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung werden vielmehr auch dann verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2006, 233; KG, GRUR-RR 2008, 450 [451]; OVG Lüneburg, GRUR-RR 2008, 452 [453]; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2009, 176 [177]; OLG Köln GRUR 2006, 88 = WRP 2006, 130; OLG Oldenburg WRP 2006, 913 [916]; Wille/Harney, A&R 2006, 34; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rz. 11.138; Gerstberger/Reinhart in Gröning, Heilmittelwerberecht, 3. Aktualisierungslieferung 2009, § 7 HWG Rz. 40; Riegger, Heilmittelwerberecht, Kap. 7 Rz. 29; a.A. OLG Rostock, GRUR-RR 2005, 391; Peter, GRUR 2006, 910 [912]; Kappes, WRP 2009, 250 [253]; im Hinblick auf § 7 HWG a.F. bejahend, im Hinblick auf § 78 AMG, § 3 AMPreisV dagegen verneinend OLG Naumburg, GRUR-RR 2006, 336 [338]; GRUR-RR 2007, 159 = WRP 2006, 1393; vgl. ferner Mand in Prütting, Medizinrecht, § 7 HWG Rz. 48).
Rz. 18
Insbesondere ein über einen bestimmten Geldbetrag lautender Gutschein stellt einen Vorteil im vorstehend genannten Sinn dar (OLG Köln GRUR 2006, 88 = WRP 2006, 130; OLG Oldenburg WRP 2006, 913 [916]; Wille/Harney, A&R 2006, 34; differenzierend OLG Naumburg, GRUR-RR 2006, 336 [338]; GRUR-RR 2007, 159 = WRP 2006, 1393). Abweichendes kann allenfalls dann gelten, wenn der Gutscheinseinlösung wesentliche Hindernisse entgegenstehen (OLG Oldenburg WRP 2006, 913 [916]) oder die Vorteile nicht allein für den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels, sondern auch aus anderem Anlass gewährt werden, etwa weil der Kunde beim Erwerb Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen muss (OLG Hamburg, GRUR-RR 2007, 403 [404]; Dembowski, jurisPR-WettbR 9/2007 Anm. 3). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor.
Rz. 19
Die vorstehend beschriebenen Merkmale eines Verstoßes gegen diese arzneimittelpreisrechtlichen Bestimmungen liegen im Streitfall vor. Der in der Apotheke des Beklagten einzulösende Gutschein lautet auf einen bestimmten Geldbetrag. Der Einlösung des Gutscheins stehen auch keine wesentlichen Hindernisse entgegen. Angesichts des bekannten breiten Angebots von in Apotheken frei verkäuflichen Produkten befinden sich darunter nicht wenige, die jeder Verbraucher im Alltag gebrauchen kann (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2006, 88 = WRP 2006, 130). Dass dies bei der Apotheke des Beklagten anders wäre, ist weder festgestellt noch ersichtlich. Die vom Berufungsgericht zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung vorgenommene Unterscheidung zwischen Erst- und Zweitgeschäft spaltet das einheitliche Geschäft des Einkaufs eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels gegen Gewährung des Gutscheins demgegenüber künstlich auf (vgl. OVG Lüneburg, GRUR-RR 2008, 452 [453 f.]; OLG Karlsruhe GRUR-RR 2009, 176; Auerbach/Jung, ApoR 2006, 52, 54).
Rz. 20
cc) Der Ansicht des Berufungsgerichts, der von der Klägerin geltend gemachte Rechtsverstoß scheide schon deshalb aus, weil der Kunde im Regelfall an einer Unterlaufung der Preisbindung nicht interessiert sei, beruht auf der Annahme, die Ersparnis durch den Gutschein komme allein der Krankenversicherung zugute. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen diese Annahme jedoch nicht. Mit dem Gutscheinsystem des Beklagten können von der Pflicht zur Zuzahlung befreite Kassenpatienten sowie auch Privatversicherte tatsächlich Geld "verdienen" und Kassenpatienten zumindest einen Teil der Zuzahlung ersparen, indem sie mit den Gutscheinen Waren des täglichen Bedarfs erwerben. Nur vor diesem Hintergrund verspricht die Werbung des Beklagten auch einen wirtschaftlichen Erfolg.
Rz. 21
b) Die Bestimmungen der § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, §§ 1 Abs. 1 und 4, 3 AMPreisV sind neben § 7 HWG anwendbar. Die beiden Regelungsbereiche weisen unterschiedliche Zielsetzungen auf (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2008, 306 = WRP 2008, 969; KG, GRUR-RR 2008, 450 [452]; OVG Lüneburg, GRUR-RR 2008, 452 [453]; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2009, 176; OLG Hamburg, Urt. v. 25.3.2010 - 3 U 126/09, juris Rz. 101; Gerstberger/Reinhart in Gröning, a.a.O., § 7 HWG Rz. 45; Dembowski, jurisPR-WettbR 9/2007 Anm. 3; a.A. Kappes, WRP 2009, 250 [253]). Der Zweck der in § 7 HWG enthaltenen Regelung besteht vor allem darin, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden sollen (BGH, Urt. v. 6.7.2006 - I ZR 145/03, GRUR 2006, 949 Rz. 24 = WRP 2006, 1370 - Kunden werben Kunden; Urt. v. 26.3.2009 - I ZR 99/07, GRUR 2009, 1082 Rz. 16 = WRP 2009, 1385 - DeguSmiles & more; Gerstberger/Reinhart in Gröning, a.a.O., § 7 HWG Rz. 11 f.). Er unterscheidet sich daher erheblich von den Zwecken, die mit der arzneimittelpreisrechtlichen Regelung verfolgt werden (vgl. oben unter II 2a aa).
Rz. 22
c) Die Bestimmungen der § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, §§ 1 Abs. 1 und 4, 3 AMPreisV sind nach ihrem Zweck dazu bestimmt, den (Preis-)Wettbewerb unter den Apotheken zu regeln (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss v. 19.9.2002 - 1 BvR 1385/01, NJW 2002, 3693 [3695]). Sie stellen damit Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar (KG, GRUR-RR 2008, 450 [452]; OLG München, GRUR-RR 2010, 53 [55]; OLG Hamburg, Urt. v. 25.3.2010 - 3 U 126/09, juris Rz. 97; Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rz. 11.138; Schaffert in MünchKomm/UWG, § 4 Nr. 11 Rz. 326; Link in Ullmann, jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rz. 198; Harte/Henning/v. Jagow, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rz. 63; Ebert-Weidenfeller in Götting/Nordemann, UWG, § 4 Rz. 11.66; Fezer/Götting, UWG, 2. Aufl., § 4-11 Rz. 147, jeweils m.w.N.).
Rz. 23
d) Das beanstandete Verhalten des Beklagten ist auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und sonstigen Marktteilnehmer i.S.d. § 3 UWG 2004 nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen sowie die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG 2008 spürbar zu beeinträchtigen.
Rz. 24
aa) Die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG lässt in dem durch § 1 HWG bestimmten Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes und damit insb. bei produktbezogener Werbung für Arzneimittel (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG) Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) unter den dort in den Nr. 1 bis 5 im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen zu. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 HWG, der den durch § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 HWG für Rabatte eröffneten Bereich einschränkt, sind Zuwendungen oder Werbegaben, die in einem bestimmten oder auf bestimmte Weise zu berechnenden Geldbetrag bestehen (Barrabatte), unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten. Eine entsprechende Beschränkung, die der Abstimmung des Heilmittelwerberechts mit dem Arzneimittelpreisrecht dient, ist für die anderen Fälle des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG nicht vorgesehen, in denen das grundsätzliche Verbot der Wertreklame im Heilmittelwerberecht nicht gilt. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass Zuwendungen und sonstige Werbegaben, die den in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 HWG für zulässige Wertreklame vorgegebenen Rahmen nicht überschreiten, auch dann heilmittelwerberechtlich zulässig sind, wenn sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten. Arzneimittelrechtlich liegt dann zumindest in den Fällen, in denen es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben um geringwertige Kleinigkeiten i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 HWG handelt (vgl. dazu nachstehend unter II 2d bb), lediglich ein Verstoß vor, der nicht geeignet ist, den Wettbewerb bzw. die Interessen von Marktteilnehmern in relevanter Weise zu beeinträchtigen. Dies hat auch dann zu gelten, wenn die Werbung nicht produktbezogen erfolgt, das heißt nicht auf ein bestimmtes Mittel oder eine Mehr- oder auch Vielzahl bestimmter Mittel von Arzneimitteln bezogen ist (vgl. dazu BGH GRUR 2009, 1082 Rz. 15 f. - DeguSmiles & more; BGH, Urt. v. 26.3.2009 - I ZR 213/06, BGHZ 180, 355 Rz. 12 ff. - Festbetragsfestsetzung). Denn eine - wie im Streitfall - auf sämtliche verschreibungspflichtige Arzneimittel bezogene Imagewerbung eines Apothekers stellt sich im Blick auf die Zwecke, die mit der Preisbindung für die in § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG genannten Arzneimittel verfolgt werden (vgl. oben unter II 2a aa), nicht als bedenklicher dar als eine entsprechende Werbung, die auf ein bestimmtes Mittel oder eine Mehr- oder Vielzahl bestimmter Mittel bezogen ist. Ebenso wenig kommt im Hinblick auf diese Zwecke dem Umstand Bedeutung zu, dass eine Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel heilmittelwerberechtlich gem. § 10 Abs. 1 HWG stets unzulässig ist.
Rz. 25
bb) Die im Streitfall in Rede stehende Werbung des Beklagten wäre im Falle ihrer Produktbezogenheit nach keiner der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 HWG enthaltenen Regelungen zulässig. Insbesondere handelt es sich bei einem Einkaufsgutschein im Wert von 5 EUR für jedes im Wege des Versandes eingelöste Rezept für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht um eine geringwertige Kleinigkeit i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 HWG. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung fallen unter diesen Begriff allein Gegenstände von so geringem Wert, dass eine relevante unsachliche Beeinflussung der Werbeadressaten als ausgeschlossen erscheint (vgl. OLG Oldenburg WRP 2006, 913 [915]; Gerstberger/Reinhart in Gröning, a.a.O., § 7 HWG Rz. 32; Mand in Prütting, a.a.O., § 7 HWG Rz. 42). Als geringwertige Kleinigkeiten sind daher nur kleinere Zugaben anzusehen, die sich als Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellen (BGH, Urt. v. 9.9.2010 - I ZR 98/08 Rz. 22 - Bonuspunkte; vgl. ferner Gerstberger/Reinhart in Gröning, a.a.O., § 7 HWG Rz. 32; Mand in Prütting, a.a.O., § 7 HWG Rz. 43). Da bei einer Publikumswerbung zudem - im Hinblick auf die leichtere Beeinflussbarkeit der Werbeadressaten - von einer niedrigeren Wertgrenze auszugehen ist, überschreitet in diesem Bereich eine Werbegabe im Wert von 5 EUR die Wertgrenze (vgl. Gerstberger/Reinhart in Gröning, a.a.O., § 7 HWG Rz. 32; Mand in Prütting, a.a.O., § 7 HWG Rz. 44, jeweils m.w.N.).
Rz. 26
3. Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten (Klageantrag zu 2)) nebst Prozesszinsen folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB. Die von der Klägerin ausgesprochene Abmahnung war berechtigt, weil der Beklagte mit der beanstandeten Werbung wettbewerbswidrig gehandelt hat.
Rz. 27
III. Nach alledem ist auf die Revision der Klägerin das der Klage stattgebende Urteil des LG wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
NJW 2010, 3721 |
EBE/BGH 2010 |
CR 2010, 828 |
GRUR 2010, 1136 |
MDR 2010, 1478 |
MedR 2011, 282 |
WRP 2010, 1482 |
GRUR-Prax 2010, 485 |
GesR 2010, 636 |
MMR 2011, 239 |
MPR 2010, 197 |
RdW 2010, 699 |
A&R 2010, 272 |
Mitt. 2010, 589 |