Leitsatz (amtlich)
a) Eine abweichende Vereinbarung i.S.d. § 54d Abs. 1 UrhG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung ist allein ein Vertrag zwischen den zur Vereinbarung von Vergütungsverträgen berufenen Verwertungsgesellschaften einerseits und andererseits den Vergütungsschuldnern oder Verbänden, denen die Vergütungsschuldner angehören.
b) Der in § 54 Abs. 1 Satz 1 UrhG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung genannte Begriff der "durch die Veräußerung der Geräte sowie der Bild- oder Tonträger geschaffenen Möglichkeit", Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 oder 2 UrhG vorzunehmen, ist mit Blick auf Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG dahin auszulegen, dass ihm auch Geräte unterliegen, die zur betrieblichen Nutzung im Unternehmen des Herstellers bereitgestellt werden. Auch hinsichtlich solcher Geräte steht dem auf Zahlung von Gerätevergütung in Anspruch Genommenen der Nachweis offen, dass sie eindeutig zu anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien genutzt wurden.
Normenkette
Richtlinie 2001/29/EG Art. 5 Abs. 2 und 3; UrhG a.F. § 53 Abs. 1 und 2, § 54 Abs. 1, § 54d Abs. 1
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 19.06.2020; Aktenzeichen 6 Sch 21/15 WG) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG München vom 19.6.2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das OLG zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin, die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ), ist ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, die urheberrechtliche Vergütungsansprüche nach § 54 UrhG für die Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken geltend machen können. Nach dem Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom 1.1.2011 haben ihre Gesellschafter die von ihnen wahrgenommenen Rechte der Urheber betreffend die Vergütung für die Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken in die Klägerin eingebracht, die die ihr übertragenen Rechte im eigenen Namen geltend macht.
Rz. 2
Die Beklagte stellt PCs her.
Rz. 3
Die Parteien streiten um die Vergütung für von der Beklagten in der Zeit vom 1.1.2002 bis zum 31.12.2007 im Inland in Verkehr gebrachte PCs mit eingebauter Festplatte.
Rz. 4
In dem von den Parteien geführten Schiedsstellenverfahren hat die Schiedsstelle bei dem Deutschen Patent- und Markenamt am 27.9.2011 einen Einigungsvorschlag unterbreitet, der eine Gerätevergütung von 15 EUR pro Stück zzgl. 7 % Umsatzsteuer vorsieht.
Rz. 5
Die Beklagte hat im Schiedsstellenverfahren Auskunft dahingehend erteilt, dass sie im hier betroffenen Zeitraum insgesamt 404 PCs mit eingebauter Festplatte hergestellt habe.
Rz. 6
Die Klägerin verlangt unter Bezugnahme auf Nr. I.4 der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (aF) eine Vergütung von 18,42 EUR pro Gerät und hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 7.962,59 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit der am 15.1.2015 erfolgten Zustellung des Mahnbescheids zu verurteilen.
Rz. 7
Das OLG hat die Beklagte zur Zahlung von 2.154,56 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Rz. 8
Die Klägerin verfolgt mit ihrer vom OLG zugelassenen Revision ihren Zahlungsantrag weiter.
Rz. 9
Die ordnungsgemäß geladene Beklagte war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Klägerin hat beantragt, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
I. Das OLG hat angenommen, die zulässige Klage sei nur in Höhe des zugesprochenen Betrags begründet, und weiter zur Begründung ausgeführt:
Rz. 11
Die Klägerin könne dem Grunde nach eine Vergütung für die von der Beklagten im Zeitraum 2002 bis 2007 hergestellten und in Verkehr gebrachten PCs verlangen. Die Anzahl der von der Klägerin in Ansatz gebrachten Geräte sei allerdings um die Geräte zu reduzieren, die die Beklagte zwar hergestellt, jedoch nicht in Verkehr gebracht habe. Nach der ergänzenden Auskunft der Beklagten habe sie acht der in den Jahren 2005 und 2006 produzierten Geräte im eigenen Unternehmen eingesetzt, so dass sie eine Vergütung nur für 396 Geräte schulde.
Rz. 12
Die Höhe der Vergütung richte sich jedoch nicht nach dem in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG a.F. genannten Satz, sondern nach dem am 23.12.2009 zwischen der Klägerin und dem Bundesverband Computerhersteller (BCH) für die Jahre 2002 bis 2007 geschlossenen Vergleich zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht für PCs gem. § 54 Abs. 1 UrhG a.F., der für die Jahre 2002 und 2003 eine Vergütung von 3,15 EUR und für die Jahre 2004 bis 2007 eine Vergütung von 6,30 EUR pro Gerät vorsehe. Dieser Vergleich sei ungeachtet des Umstands, dass die Beklagte nicht Mitglied des BCH sei und dem Vergleich deshalb nicht beitreten könne, eine abweichende Vereinbarung i.S.d. § 54d Abs. 1 UrhG a.F. Der Vergleich stelle ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass das nach langwierigen Verhandlungen zwischen den beiderseits branchen- und sachkundigen Parteien gewonnene Ergebnis eine adäquate Gewichtung der betroffenen Sachverhalte im relevanten Zeitraum widerspiegele. Der Vergleich strahle auch auf nicht gesamtvertragsgebundene Vergütungsschuldner aus. Die darin vorgesehene Vergütungshöhe sei jedoch um den den Verbandsmitgliedern gewährten Gesamtvertragsrabatt von 20 % auf 3,943 EUR sowie 7,875 EUR zu erhöhen. Der Zahlungsanspruch der Klägerin belaufe sich danach für die in den Jahren 2002 und 2003 in Verkehr gebrachten 245 Geräte auf 966,035 EUR und für die in den Jahren 2004 bis 2007 in Verkehr gebrachten 151 Exemplare auf 1.188,525 EUR, insgesamt also 2.154,56 EUR.
Rz. 13
II. Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (st.Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 28.5.2020 - I ZR 129/19, GRUR 2020, 1087 Rz. 9, m.w.N.).
Rz. 14
III. Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann der Klägerin der von ihr weiterverfolgte Zahlungsanspruch nicht verwehrt werden.
Rz. 15
1. Die Beurteilung des OLG, dass die Beklagte als Herstellerin von zur Anfertigung von Privatkopien geeigneten PCs mit Festplatte dem Grunde nach zur Zahlung der Gerätevergütung nach § 54 Abs. 1 UrhG a.F. verpflichtet ist, nimmt die Revision als ihr günstig hin. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
Rz. 16
2. Die Revision wendet sich mit Erfolg dagegen, dass das OLG der Berechnung der Vergütungsansprüche der Klägerin nicht die in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG a.F. genannten Vergütungssätze, sondern lediglich reduzierte Vergütungssätze nach Maßgabe des von der Klägerin mit dem BCH am 23.12.2009 geschlossenen Vergleichs zugrunde gelegt hat.
Rz. 17
a) Die in § 53 Abs. 1 und 2 UrhG a.F. vorgesehenen Beschränkungen des Vervielfältigungsrechts und der in § 54 Abs. 1 UrhG a.F. geregelte Anspruch auf angemessene Vergütung beruhen auf Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und sind daher richtlinienkonform auszulegen.
Rz. 18
Der "gerechte Ausgleich" i.S.v. Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG soll den Urhebern die ohne ihre Genehmigung erfolgende Anfertigung von Kopien ihrer geschützten Werke vergüten und ist daher als Ersatz für den Schaden anzusehen, der ihnen durch eine solche ungenehmigte Kopie entsteht (EuGH, Urt. v. 21.10.2010 - C-467/08, Slg. 2010, I-10055 = GRUR 2011, 50 Rz. 40 und 42 - Padawan; Urt. v. 27.7.2013 - C-457/11 bis C-460/11, GRUR 2013, 812 Rz. 31 und 32 = WRP 2013, 1174 - VG Wort u.a.; Urt. v. 10.4.2014 - C-435/12 GRUR 2014, 546 Rz. 50 = WRP 2014, 682 - ACI Adam u.a.; Urt. v. 12.11.2015 - C-572/13 GRUR 2016, 55 Rz. 36 = WRP 2016, 176 - Hewlett Packard Belgium; Urt. v. 21.4.2016 - C-572/14 GRUR 2016, 927 Rz. 19 - Austro-Mechana). Im Rahmen des ihnen bei der Bestimmung des gerechten Ausgleichs zustehenden weiten Ermessens bestimmen die Mitgliedstaaten, welche Personen diesen Ausgleich zu zahlen haben, und legen dessen Form, Einzelheiten und Höhe fest. Allerdings müssen der gerechte Ausgleich und folglich die ihm zugrunde liegende Regelung und seine Höhe einen Bezug zu dem Schaden haben, der den Rechteinhabern durch die Herstellung der Kopien entstanden ist (EuGH GRUR 2011, 50 Rz. 40 und 42 - Padawan; EuGH, Urt. v. 16.6.2011 - C-462/09, Slg. 2011, I-5331 = GRUR 2011, 909 Rz. 23 und 24 - Stichting de Thuiskopie; Urt. v. 11.7.2013 - C-521/11 GRUR 2013, 1025 Rz. 20 = WRP 2013, 1169 - Amazon.com International Sales u.a.; Urt. v. 5.3.2015 - C-463/12 GRUR 2015, 478 Rz. 20 und 21 = WRP 2015, 706 - Copydan Båndkopi; EuGH GRUR 2016, 927 Rz. 18 und 19 - Austro-Mechana). Dem entspricht ein Vergütungssystem, mit dem der zu erwartende Schaden pauschalierend für einzelne Gerätetypen oder Speichermedien festgelegt wird (EuGH, GRUR 2016, 55 Rz. 71 - Hewlett Packard Belgium; vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin in der Rechtssache C-467/08 vom 11.5.2010 Rz. 91 bis 94; BGH, Urt. v. 21.7.2016 - I ZR 255/14 GRUR 2017, 172 Rz. 51 = WRP 2017, 206 - Musik-Handy; Urt. v. 10.9.2020 - I ZR 63/19 GRUR 2021, 600 Rz. 17 = WRP 2021, 647 - Außenseiter).
Rz. 19
b) Die Höhe der nach § 54 Abs. 1 UrhG a.F. geschuldeten Gerätevergütung entspricht der Höhe des Schadens, den Urheber und Leistungsschutzberechtigte dadurch erleiden, dass das jeweilige Gerät als Typ ohne ihre Erlaubnis tatsächlich für nach § 53 Abs. 1 und 2 UrhG a.F. zulässige Vervielfältigungen genutzt wird. Zum Ausgleich dieses Schadens ist grundsätzlich die angemessene Vergütung zu zahlen, die die Nutzer hätten entrichten müssen, wenn sie die Erlaubnis für die Vervielfältigungen eingeholt hätten. Der Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 54 Abs. 1 UrhG a.F. soll den Urhebern einen Ausgleich für die ihnen aufgrund der Einschränkung ihres Vervielfältigungsrechts gem. § 53 Abs. 1 und 2 UrhG a.F. entgehenden individual-vertraglichen Lizenzeinnahmen verschaffen (vgl. BGH GRUR 2021, 600 Rz. 18 - Außenseiter, m.w.N.).
Rz. 20
Nach § 54d Abs. 1 UrhG a.F. beläuft sich die angemessene Vergütung nach § 54 Abs. 1 UrhG a.F. auf die in der Anlage bestimmten Sätze, soweit nichts anderes vereinbart wird. Die in dieser Anlage vorgenommene Festlegung bestimmter Vergütungssätze steht mit dem Grundsatz des gerechten Ausgleichs in Einklang (BGH GRUR 2021, 600 Rz. 19 - Außenseiter, m.w.N.). Nach dem im Streitfall einschlägigen Abschnitt I Nr. 4 der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG a.F. beläuft sich die Vergütung nach § 54 Abs. 1 UrhG a.F. für jedes Bildaufzeichnungsgerät, für dessen Betrieb nach seiner Bauart gesonderte Träger nicht erforderlich sind, auf 18,42 EUR.
Rz. 21
c) Die Anwendung des in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG a.F. vorgesehenen Vergütungssatzes kann nicht mit der vom OLG gegebenen Begründung abgelehnt werden, der von der Klägerin mit dem BCH geschlossene Vergleich stelle eine abweichende Vereinbarung i.S.d. § 54d Abs. 1 UrhG a.F. dar.
Rz. 22
Eine abweichende Vereinbarung i.S.d. § 54d Abs. 1 UrhG a.F. ist allein ein Vertrag zwischen den zur Vereinbarung von Vergütungsverträgen berufenen Verwertungsgesellschaften einerseits und andererseits den Vergütungsschuldnern oder Verbänden, denen die Vergütungsschuldner angehören. Der zwischen der Klägerin und dem BCH geschlossene Vergleich entfaltet im Verhältnis der Parteien des vorliegenden Rechtsstreits keine vertragliche Wirkung, weil die Beklagte hieraus mangels eines (durch die Mitgliedschaft im BCH eröffneten) Beitritts zum Vergleich nicht vertraglich berechtigt oder verpflichtet ist.
Rz. 23
d) Die Angemessenheit gesetzlicher Vergütungssätze kann grundsätzlich nicht gerichtlich mit dem Ziel überprüft werden, sie im Falle ihrer Unangemessenheit auf das angemessene Maß herabzusetzen. Hinsichtlich der in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG a.F. bestimmten Sätze kommt eine solche Überprüfung nicht in Betracht, weil es sich dabei um feste Vergütungssätze handelt, die kraft Gesetzes als angemessene Vergütung gelten (vgl. BGH, Urt. v. 20.2.2013 - I ZR 189/11 GRUR 2013, 1037 Rz. 24 = WRP 2013, 1357 - Weitergeltung als Tarif, m.w.N.).
Rz. 24
Die Feststellungen des OLG gestatten nicht die ausnahmsweise zur abweichenden Bestimmung der angemessenen Vergütung berechtigende Annahme, dass es an der Vergleichbarkeit der im Streitfall betroffenen Geräte und derjenigen Geräte fehlt, für die in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG a.F. Vergütungssätze festgelegt sind (vgl. BGH GRUR 2017, 172 Rz. 65 - Musik-Handy).
Rz. 25
e) Entgegen der Auffassung des OLG stellt die Anwendung des in Nr. I.4 der Anlage zu § 54d UrhG a.F. vorgesehenen Vergütungssatzes von 18,42 EUR keine sachlich nicht begründete Ungleichbehandlung dar.
Rz. 26
Die Beklagte hat kein berechtigtes Interesse daran, in den Genuss der im Vergleich vorgesehenen günstigeren Vergütungssätze zu gelangen, ohne zugleich die mit dem Beitritt zum Vergleich für sie verbundenen Nachteile in Kauf zu nehmen, die insb. darin liegen, dass die im Vergleich vorgesehenen Vergütungssätze nur für Unternehmen gelten, die sich einer vertraglichen Festlegung der Vergütungssätze für eine Gesamtdauer von neun Jahren unterwerfen (vgl. BGH GRUR 2021, 600 Rz. 30 f. - Außenseiter). In dieser Konstellation stellt die Anwendung des in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG a.F. vorgesehenen Vergütungssatzes auch keine gegen § 19 Abs. 1 und 2 Nr. 1 GWB verstoßende Diskriminierung dar (vgl. BGH GRUR 2021, 600 Rz. 39 bis 41 - Außenseiter).
Rz. 27
3. Die Revision wendet sich weiter mit Erfolg dagegen, dass das OLG angenommen hat, die von der Beklagten zur Nutzung im eigenen Unternehmen bereitgestellten Geräte unterlägen nicht der Vergütungspflicht, weil diese Geräte nicht i.S.d. § 54 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. veräußert worden seien.
Rz. 28
a) Bei der richtlinienkonformen Auslegung des § 54 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. ist zu berücksichtigen, dass nach der Auslegung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG durch den Gerichtshof der Europäischen Union grundsätzlich die Privatperson zum Schadensausgleich verpflichtet ist, die ohne vorherige Genehmigung des Urheberrechtsinhabers eine solche Vervielfältigung eines geschützten Werks für ihren privaten Gebrauch vornimmt, dass jedoch die Mitgliedstaaten aufgrund der bei der Identifizierung und Heranziehung der privaten Nutzer bestehenden Schwierigkeiten darin frei sind, zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs eine Zahlungspflicht einzuführen, die nicht die betroffenen Privatpersonen, sondern diejenigen belastet, die über Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung verfügen und sie zu diesem Zweck Privatpersonen rechtlich oder tatsächlich zur Verfügung stellen oder diesen die Dienstleistung einer Vervielfältigung erbringen (vgl. EuGH GRUR 2011, 50 Rz. 45 f. - Padawan; GRUR 2011, 909 Rz. 26 f - Stichting de Thuiskopie; GRUR 2016, 927 Rz. 23 f. - Austro-Mechana; EuGH, Urt. v. 22.9.2016 - C-110/15, GRUR 2017, 155 Rz. 30 f. = WRP 2016, 1482 - Microsoft Mobile Sales International u.a.). Es dürfen diejenigen mit der Zahlungspflicht belegt werden, die die Höhe dieser Vergütung auf den Preis für die Zurverfügungstellung der Anlagen, Geräte und Träger für die Vervielfältigung oder für die Dienstleistung einer Vervielfältigung überwälzen können, wobei diese Vergütung letztendlich vom privaten Nutzer getragen wird, der diesen Preis zahlt (EuGH GRUR 2011, 50 Rz. 48 - Padawan; GRUR 2011, 909 Rz. 28 - Stichting de Thuiskopie; GRUR 2016, 927 Rz. 25 - Austro-Mechana; GRUR 2014, 546 Rz. 52 - ACI Adam u.a.; GRUR 2017, 155 Rz. 33 - Microsoft Mobile Sales International u.a.).
Rz. 29
b) Dabei unterliegt ein Mitgliedstaat, der die Privatkopieausnahme in seinem nationalen Recht eingeführt hat, einer Ergebnispflicht in dem Sinne, dass er im Rahmen seiner Zuständigkeiten eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs gewährleisten muss, der dazu bestimmt ist, den Urhebern den ihnen entstandenen Schaden insb. dann zu ersetzen, wenn er im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats entstanden ist, da diesen Bestimmungen sonst jede Wirksamkeit genommen würde (vgl. EuGH GRUR 2011, 909 Rz. 34 - Stichting de Thuiskopie).
Rz. 30
c) Dieser Ergebnispflicht würde es widersprechen, von einem Unternehmen hergestellte und zur Nutzung im eigenen Betrieb bereitgestellte Geräte, mit denen digitale Vervielfältigungen angefertigt werden können, von der Vergütungspflicht auszunehmen. Der in § 54 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. genannte Begriff der "durch die Veräußerung der Geräte sowie der Bild- oder Tonträger geschaffenen Möglichkeit", Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 oder 2 UrhG vorzunehmen, ist deshalb richtlinienkonform dahin auszulegen, dass ihm auch Geräte unterliegen, die zur betrieblichen Nutzung im Unternehmen des Herstellers bereitgestellt werden. Die Gerätevergütung knüpft hierbei daran an, dass der Hersteller durch die Bereitstellung der Geräte im eigenen Betrieb seinen Beschäftigten deren Nutzung (auch) zu privaten Zwecken eröffnet. Auch in diesem Fall besteht die Möglichkeit, die vom Hersteller geschuldete Gerätevergütung auf diejenigen privaten Endnutzer abzuwälzen, die die im Unternehmen des Herstellers bereitgestellten Geräte zur Anfertigung von privaten Kopien nutzen, etwa indem diese einer Kostenpflicht unterworfen werden. Danach kann die Vergütungspflicht nicht schon deshalb verneint werden, weil es sich um Geräte handelt, die die Beklagte zur Nutzung im eigenen Unternehmen bereitgestellt hat.
Rz. 31
d) Das angegriffene Urteil erweist sich nicht gem. § 561 ZPO aus anderen Gründen als richtig. Auf der Grundlage der vom OLG getroffenen Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob hinsichtlich der Geräte, die die Beklagte zur Nutzung im eigenen Unternehmen bereitgestellt hat, deshalb keine Vergütungspflicht besteht, weil ihre Nutzung zu eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Kopien zum Privatgebrauch erfolgt.
Rz. 32
aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG ist die unterschiedslose Anwendung der Vergütung für Privatkopien auf Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung, die nicht privaten Nutzern überlassen werden und eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten sind, mit der Richtlinie unvereinbar (EuGH GRUR 2011, 50 Rz. 52 und 53 - Padawan; GRUR 2013, 1025 Rz. 28 - Amazon.com International Sales u.a.; GRUR 2015, 478 Rz. 47 und 50 - Copydan Båndkopi; EuGH, Urt. v. 9.6.2016 - C-470/14, GRUR 2016, 687 Rz. 31 - EGEDA u.a./Administración del Estado). Unter Berücksichtigung der praktischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung des privaten Zwecks der Nutzung von zur Vervielfältigung geeigneten Geräten oder Trägermaterial steht es allerdings mit der Richtlinie in Einklang, für den Fall, dass diese Geräte oder Trägermaterialien nicht eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten sind, eine widerlegbare Vermutung für eine vergütungspflichtige Nutzung gem. § 53 Abs. 1 und 2 UrhG a.F. aufzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.2017 - I ZR 42/15 GRUR 2017, 716 Rz. 58 = WRP 2017, 978 - PC mit Festplatte II, m.w.N.).
Rz. 33
Die hiernach bei einer Überlassung eines zur Anfertigung von Privatkopien geeigneten und bestimmten Geräts an Privatpersonen gerechtfertigte Vermutung für eine vergütungspflichtige, nicht eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Kopien zum Privatgebrauch vorbehaltene Nutzung kann durch den Nachweis entkräftet werden, dass mit Hilfe dieser Geräte allenfalls in geringem Umfang tatsächlich Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 und 2 UrhG a.F. angefertigt worden sind oder nach dem normalen Gang der Dinge angefertigt werden (vgl. BGH GRUR 2017, 716 Rz. 60 - PC mit Festplatte II, m.w.N.).
Rz. 34
bb) Im Streitfall hat das OLG zur Frage, ob die von der Beklagten zur Nutzung im eigenen Unternehmen bereitgestellten Geräte eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten waren, keine Feststellungen getroffen.
Rz. 35
4. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urt. v. 6.10.1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rz. 21 = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urt. v. 1.10.2015 - C-452/14, GRUR-Int. 2015, 1152 Rz. 43 - Doc Generici, m.w.N.). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist.
Rz. 36
IV. Die Revision der Klägerin führt danach zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit darin zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen ist.
Rz. 37
Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:
Rz. 38
1. Der Beklagten steht der Nachweis offen, dass die von ihr in ihrem Unternehmen bereitgestellten Geräte eindeutig zu anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien genutzt wurden. Die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten bezieht sich insoweit auch auf die Anzahl der betroffenen Geräte.
Rz. 39
2. Die von der Beklagten geschuldete Gerätevergütung unterliegt einer Umsatzsteuer i.H.v. 7 %.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem/einer beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt/Rechtsanwältin binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem BGH, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Fundstellen
NJW 2022, 779 |
BlPMZ 2022, 255 |
GRUR 2021, 1516 |
JZ 2021, 736 |
MDR 2022, 259 |
WRP 2022, 62 |
ZUM 2022, 60 |
GRUR-Prax 2021, 746 |
K&R 2022, 43 |
MMR 2022, 41 |
CIPReport 2021, 103 |
IPRB 2022, 32 |