Leitsatz (amtlich)
Zur Amtspflicht der Baugenehmigungsbehörde, den Bauherrn unverzüglich von einem Nachbarwiderspruch zu unterrichten.
Normenkette
BGB § 839
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.11.2002) |
LG Hanau |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Frankfurt am Main v. 7.11.2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind Architekten. Sie hatten sich zu einer (Innen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen, um das im unbeplanten Innenbereich der beklagten Stadt belegene Grundstück L. -Straße 54 mit einem Wohn- und Bürohaus zu bebauen. Nach Gesprächen mit Mitarbeitern der Beklagten über Bebauungsmöglichkeiten kauften sie das Grundstück im April 1994 und nahmen zur Finanzierung des Kaufpreises ein Darlehen (001) über 375.000 DM auf. Der Kläger zu 2 übernahm die zeichnerische Darstellung des Vorhabens und die Erstellung des Bauantrages. Dieser wurde durch Bescheid der Beklagten v. 11.12.1996 genehmigt. Am 7.3.1997 schlossen die Kläger zur Finanzierung der Baukosten einen weiteren Darlehensvertrag über 570.000 DM; dieses Darlehen (002) wurde nur i. H. v. 194.500 DM ausbezahlt. Am 17.4.1997 begannen die Kläger mit den Bauarbeiten, nachdem sie dies zuvor der Beklagten angezeigt hatten.
Bereits im Februar 1997 hatten die Eigentümer der Nachbargrundstücke L. -Straße 56 und 52 bei der Beklagten gegen die den Klägern erteilte Baugenehmigung Widersprüche eingelegt. Hiervon unterrichtete die Beklagte die Kläger zunächst nicht. Anfang April beantragten die Nachbarn beim VGH die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche. Mit Schreiben v. 29.4.1997, bei den Klägern eingegangen am 5.5.1997, teilte die Beklagte ihnen mit, dass die Nachbarn Widersprüche eingelegt und Eilanträge gestellt hätten. In dem Schreiben hieß es weiter, in Anbetracht der laufenden Verfahren müsse die Beklagte darauf aufmerksam machen, dass die Kläger zwar nicht gesetzlich verpflichtet seien, die Bauarbeiten einzustellen, das Risiko weiterer Bautätigkeiten jedoch allein zu tragen hätten. Die Kläger nahmen dieses Schreiben zum Anlass, im Wesentlichen nur noch Maßnahmen zur Sicherung der bereits errichteten Bauteile ausführen zu lassen. Im Juni 1997 gab das VGH den von den Nachbarn gestellten Eilanträgen im Wesentlichen statt. Die Beklagte untersagte den Klägern deshalb mit Verfügung v. 23.6.1997 die Fortführung der Bauarbeiten. Daraufhin planten die Kläger das Vorhaben teilweise um und erwirkten bei der Beklagten am 12.11.1998 eine entsprechende Nachtragsbaugenehmigung. Aber auch diese hielt der verwaltungsgerichtlichen Prüfung im Eilverfahren nicht stand. Nach Erhalt der das zweite Eilverfahren abschließenden Entscheidung des Hessischen VGH v. 6.3.2000 gaben die Kläger das Vorhaben auf und veräußerten das Grundstück anderweitig.
Sie nehmen nunmehr die Beklagte nach Amtshaftungsgrundsätzen auf Schadensersatz wegen der Erteilung der rechtswidrigen Baugenehmigungen in Anspruch. Eine weitere Amtspflichtverletzung erblicken sie darin, dass die Beklagte sie nicht rechtzeitig vor der Aufnahme des zweiten Darlehens über die eingegangenen Nachbarwidersprüche unterrichtet habe. Ihren Schaden berechnen sie im Wesentlichen nach den fehlgeschlagenen Finanzierungsaufwendungen für den Zeitraum v. 23.6.1997 (Baustopp) bis zum 14.3.2000 (Kenntnisnahme von der Entscheidung des VGH). Ihre Forderungen haben sie an die kreditierende Bank abgetreten und Zahlung an diese beantragt.
Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Bank insgesamt 52.618,17 Euro nebst gestaffelten Zinsen zu zahlen, und weiter festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, 75v. H. des Schadens zu ersetzen, der den Klägern daraus entstanden sei und noch entstehen werde, dass die Baugenehmigung v. 11.12.1996 und die Nachtragsbaugenehmigung v. 12.11.1998 rechtswidrig und nicht ausführbar gewesen seien, sowie den gesamten weiteren Schaden zu ersetzen, der den Klägern daraus entstanden sei und noch entstehen werde, dass die Beklagte sie über den Eingang des Nachbarwiderspruchs v. 20.2.1997 nicht vor dem 7.3.1997 unterrichtet habe.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Den Klägern steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG) im vom Berufungsgericht zuerkannten Umfang zu.
1. Die Baugenehmigungen v. 11.12.1996 und v. 12.11.1998 waren rechtswidrig. Dies steht zwar nicht schon auf Grund der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen fest, da diese im Eilverfahren ergangen waren und deshalb für den jetzigen Amtshaftungsprozess keine Bindungswirkung entfalten konnten (BGH, Urt. v. 16.11.2000 - III ZR 265/99, BGHReport 2001, 69 = NVwZ 2001, 352). Die Vorinstanzen sind jedoch zu Recht der sachlichen Beurteilung des Hessischen VGH gefolgt, wonach sich das Vorhaben der Kläger sowohl in seiner ursprünglichen als auch in seiner geänderten Gestalt wegen seiner Höhe und Geschossflächenzahlen nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte (§ 34 Abs. 1 S. 1 BauGB). Die Erteilung der solchermaßen rechtswidrigen Baugenehmigungen stellte eine schuldhafte Amtspflichtverletzung der Amtsträger der Beklagten gegenüber den Klägern dar. In der Rechtsprechung des Senats ist seit langem anerkannt, dass die Amtspflicht, eine rechtswidrige Baugenehmigung nicht zu erteilen, der Bauaufsichtsbehörde auch und gerade gegenüber dem antragstellenden Bauherren selbst obliegt (vgl. BGH v. 11.10.2001 - III ZR 63/00, BGHZ 149, 50 [52] = MDR 2002, 30 = BGHReport 2002, 13 m. w. N.). Dies alles stellt auch die Revision nicht in Frage.
2. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass beide Baugenehmigungen zumindest grundsätzlich - vorbehaltlich eines Mitverschuldens der Kläger (siehe dazu im Folgenden) - geeignet waren, eine Verlässlichkeitsgrundlage für die Aufwendungen und Investitionen der Kläger zu bilden, die der Durchführung des geplanten Vorhabens dienten.
a) Allerdings kommen als Gesichtspunkte, die der Annahme haftungsrechtlich schutzwürdigen Vertrauens auf einen (rechtswidrigen) begünstigenden Verwaltungsakt - in bereits den Tatbestand des § 839 Abs. 1 S. 1 BGB ausschließender Weise - entgegenstehen können, nicht nur objektive Umstände, sondern auch subjektive Kenntnisse und sich aufdrängende Erkenntnismöglichkeiten des Empfängers in Betracht (BGH, Urt. v. 16.1.1997 - III ZR 117/95, BGHZ 134, 268 [283 f.] = MDR 1997, 352; Urt. v. 11.10.2001 - III ZR 63/00, BGHZ 149, 50 [52 f.] = MDR 2002, 30 = BGHReport 2002, 13). Derartige subjektive Kenntnisse und sich aufdrängende Erkenntnismöglichkeiten sind insbesondere dann zu bejahen, wenn der betreffende Verwaltungsakt mit Mängeln behaftet ist, die seine entschädigungslose Rücknahme rechtfertigen (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 bis 3 VwVfG): Wenn der Betroffene den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung, Bestechung oder durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (BGH, Urt. v. 16.1.1997 - III ZR 117/95, BGHZ 134, 268 [284] = MDR 1997, 352; Urt. v. 11.10.2001 - III ZR 63/00, BGHZ 149, 50 [54] = MDR 2002, 30 = BGHReport 2002, 13).
b) Derartige besondere Umstände lagen hier nicht bereits deshalb vor, weil der Kläger zu 2 als Architekt, der die Erstellung einer genehmigungsfähigen Planung übernommen hatte, über genügend Sachkunde hätte verfügen müssen, um von sich aus die bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten zu beurteilen und die Fehlerhaftigkeit der erteilten Baugenehmigungen zu erkennen. Insoweit ist der hier zu beurteilende Sachverhalt mit demjenigen vergleichbar, der dem Senatsurteil BGHZ 149, 50 (BGH, Urt. v. 11.10.2001 - III ZR 63/00, BGHZ 149, 50 [54] = MDR 2002, 30 = BGHReport 2002, 13) zu Grunde gelegen hatte: Hier wie dort rechtfertigte es diese Sachkunde nicht, den Klägern als antragstellenden Bauherren das volle Risiko einer Fehlbeurteilung der planungsrechtlichen Anforderungen, hier des § 34 BauGB, aufzubürden und die Bauaufsichtsbehörde insoweit von jeglicher Verantwortung zu entlasten. § 34 BauGB ist eine zentrale Bestimmung des Bauplanungsrechts. Die sachgemäße Handhabung dieser Vorschrift fällt daher in erster Linie in den Verantwortungsbereich der Bauaufsichtsbehörde. Das "Rechtsanwendungsrisiko", d. h. hier die ordnungsgemäße Beurteilung des § 34 BauGB, wurde nicht bereits dadurch in vollem Umfang von der Behörde auf die Kläger verlagert, dass bei diesen als Architekten ebenfalls ein gewisses Maß an Sachkunde vorauszusetzen war. Anders als etwa bei der Einhaltung der Grenzabstände nach Bauordnungsrecht, die zu den grundlegenden Anforderungen gehört, die jeder Architekt bei der Planung zu beachten hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 19.3.1992 - III ZR 117/90, MDR 1992, 648 = BGHR BGB § 839 Abs. 1 S. 2 Architekt 1 = NVwZ 1992, 911 [912]), ging es bei der hier zu beurteilenden Frage, ob das Vorhaben sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte (§ 34 Abs. 1 S. 1 BauGB), um Wertungen, die mitunter nicht einfach sind und gewisse Beurteilungsspielräume eröffnen können. Deshalb gilt hier der Grundsatz, dass die Kläger bei der Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens nicht klüger zu sein brauchten als die zur Entscheidung über den Baugenehmigungsantrag berufenen Amtsträger der Beklagten (vgl. BGH, Urt. v. 6.7.1989 - III ZR 251/87, BGHZ 108, 224 [230] = MDR 1989, 1084; s. auch Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb. 2002, § 839 Rz. 260m. w. N.). Das schutzwürdige Vertrauen, das die Baugenehmigung bestimmungsgemäß bei den Klägern begründet hat, ist hier jedenfalls nicht so weit eingeschränkt, dass ein Totalverlust des Amtshaftungsanspruchs bereits auf der Tatbestandsebene stattfinden müsste. Eine sachgerechte Lösung besteht vielmehr in einer Abwägung nach § 254 BGB.
c) Auch die weiteren, von der Revisionsbegründung aufgezeigten Gesichtspunkte vermögen einen Totalverlust des Amtshaftungsanspruchs nicht zu rechtfertigen.
aa) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Kläger hätten nicht auf die Baugenehmigung vertrauen dürfen, weil ihnen wiederholt mündlich "ausdrücklich und unmissverständlich" mitgeteilt worden sei, dass der von ihnen vorgelegte Plan nicht genehmigungsfähig sei. Dass die Beklagte das Bauvorhaben zunächst für unzulässig gehalten hat, bot für sich allein genommen den Klägern keinen Anlass zu besonderer Vorsicht. Mit der Erteilung der Baugenehmigungen waren diese zuvor vom Bauaufsichtsamt geäußerten Bedenken hinfällig geworden. Die Kläger mussten sich in der Annahme, das Vorhaben sei wie geplant zulässig, bestätigt sehen. Sie durften nunmehr davon ausgehen, dass einer der Baugenehmigung entsprechenden Durchführung ihres Vorhabens öffentlich-rechtliche Hindernisse nicht entgegenstünden und dass sie entsprechend wirtschaftlich disponieren könnten.
bb) Auch mit dem weiteren Vorbringen, die Kläger hätten grob fahrlässig gehandelt, weil die Eigentümer des Nachbargrundstücks Nr. 52 ihnen in einem Gespräch am 25.11.1995 erklärt hätten, "dass man nicht bereit sei, ein überdimensioniertes Bauvorhaben zu dulden", dringt die Revision nicht durch. Ein derartiger mündlicher Widerstand bedeutete nicht notwendig, dass die betroffenen Nachbarn auch tatsächlich mit einem Rechtsbehelf gegen die erteilte Baugenehmigung vorgehen würden. Im Übrigen kommt sogar im Falle einer tatsächlich erfolgten Drittanfechtung das schutzwürdige Vertrauen des Adressaten in den Bestand der Baugenehmigung nicht ohne weiteres völlig in Wegfall; es wird lediglich eine größere Eigenverantwortung des Bauherren unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB anzunehmen sein, wenn Anfechtungsgründe vorgebracht werden, deren sachliche Richtigkeit nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist (siehe BGH, Urt. v. 11.10.2001 - III ZR 63/00, BGHZ 149, 50 [55 ff.] = MDR 2002, 30 = BGHReport 2002, 13 mit zahlreichen w.N.; vgl. ferner Urt. v. 16.1.2003 - III ZR 269/01, MDR 2003, 571 = NVwZ 2003, 501).
d) Die Kläger selbst lassen sich hinsichtlich beider Baugenehmigungen eine Mitverschuldensquote von 25v. H. anrechnen; dem ist das Berufungsgericht gefolgt. Diese Abwägung fällt in den Bereich tatrichterlicher Würdigung und lässt revisionsrechtlich bedeutsame Rechtsfehler nicht erkennen.
3. Einen weiteren Amtshaftungstatbestand erblickt das Berufungsgericht darin, dass die Bediensteten der Bauaufsichtsbehörde die Kläger nicht sogleich von dem Eingang des Nachbarwiderspruchs Ende Februar 1997 unterrichtet hätten. Auch die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision können keinen Erfolg haben.
a) Allerdings mag zweifelhaft sein, ob der Umstand, dass die Kläger durch die Baugenehmigung begünstigt wurden, ihnen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eine Rechtsstellung verlieh, die die Beklagte als Ausgangsbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hatte, zur unverzüglichen Unterrichtung verpflichtete. Diese Frage braucht hier indessen nicht geklärt zu werden.
b) Die Bediensteten des Bauaufsichtsamtes hatten hier nämlich eine allgemeine, sich zur Amtspflicht verdichtende Fürsorgepflicht, durch eine rechtzeitige Unterrichtung mögliche Schädigungen der Kläger zu verhindern. Insoweit ist anerkannt, dass besondere tatsächliche Lagen und Verhältnisse für den Beamten zusätzliche Pflichten schaffen können, so auch die Pflicht, einen Gesuchsteller über die zur Erreichung seiner Ziele notwendigen Maßnahmen belehrend aufzuklären oder in anderer Weise helfend tätig zu werden, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Betroffene seine Lage in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht richtig zu beurteilen vermag, besonders wenn der Betreffende sonst Gefahr läuft, einen Schaden zu erleiden. Diese zusätzliche Pflicht ergibt sich aus dem Grundsatz, dass der Beamte nicht nur Vollstrecker staatlichen Willens, nicht nur Diener des Staates, sondern zugleich "Helfer des Bürgers" sein soll (vgl. z. B. BGH BGHZ 15, 305 [312]; Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb. 2002, § 839 Rz. 159m. w. N.). Insbesondere darf der Beamte nicht "sehenden Auges" zulassen, dass der bei ihm vorsprechende Bürger Schäden erleidet, die der Beamte durch einen kurzen Hinweis, eine Belehrung mit wenigen Worten oder eine entsprechende Aufklärung zu vermeiden in der Lage ist (BGH, Urt. v. 5.3.1994 - III ZR 78/93, MDR 1994, 889 = NJW 1994, 2415 [2417] m. w. N.).
c) Im vorliegenden Fall war die Baugenehmigung v. 11.12.1996 das Ergebnis eines mehrjährigen Abstimmungsprozesses zwischen den Klägern und der Beklagten gewesen. Daher musste den zuständigen Amtsträgern der Beklagten klar sein, dass diese Baugenehmigung die Verlässlichkeitsgrundlage für kostspielige Aufwendungen bilden konnte, die der Verwirklichung des Vorhabens dienten. Durch die Erhebung des formellen Widerspruches wurde daher aus der Sicht der Beklagten die ernsthafte Möglichkeit geschaffen, dass diese Verlässlichkeitsgrundlage entfallen werde. Dies hat die Beklagte auch selbst so gesehen, als sie in ihrem Unterrichtungsschreiben v. 29.4.1997 die Kläger auf das Risiko weiterer Bautätigkeiten hinwies. Zwar lagen zum damaligen Zeitpunkt bereits die Eilanträge der Widerspruchsführer auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung vor; dieses Risiko wurde aber - der Beklagten erkennbar - schon durch die Widersprüche selbst begründet.
d) Unter diesen Umständen durfte sich die Beklagte zunächst nicht auf bloßes Untätigbleiben beschränken. Dies gilt umso mehr, als schon eine einfache, formlose Mitteilung dem berechtigten Informationsinteresse der Kläger genügt hätte.
e) Dem Berufungsgericht ist ferner darin beizupflichten, dass diese Mitteilung jedenfalls vor dem 7.3.1997, dem Zeitpunkt der Aufnahme des zweiten Darlehens (002), hätte erfolgen müssen. Mit Recht ist das Berufungsgericht der Auffassung des LG entgegengetreten, eine Unterrichtung binnen zwei Wochen sei entsprechend den Grundsätzen zur Unverzüglichkeit einer Anfechtung noch ausreichend. Denn anders als ein zur Anfechtung einer Willenserklärung Berechtigter hatte die Baugenehmigungsbehörde hier keine rechtlichen Überlegungen anzustellen, sondern schlicht eine Tatsache formlos mitzuteilen. Da die Verneinung einer Amtspflichtverletzung durch das LG auf einem unzutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt beruhte, vermag auch die "Kollegialgerichts-Richtlinie" die Beklagte hier nicht zu entlasten (vgl. Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb. 2002, § 839 Rz. 218).
f) Ein mitwirkendes Verschulden der Kläger ist bei diesem Haftungstatbestand nicht erkennbar.
4. Die Frage, ob sich die in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbundenen Kläger hier vorrangig auf Ansprüche gegen den Kläger zu 2 als anderweitige Ersatzmöglichkeit i. S. d. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB verweisen lassen müssen, ist vom Berufungsgericht mit Recht verneint worden. Die Haftung der Gesellschafter war im Gesellschaftsvertrag wirksam auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt worden; dies entspricht im Übrigen dem gesetzlichen Haftungsmaßstab des § 708i. V. m. § 277 BGB.
5. Auch die Schadensberechnung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision stand.
a) Die Aufnahme des Darlehens 001 ist der Beklagten haftungsrechtlich nicht zuzurechnen. Sie hatte bereits lange Zeit vor Erteilung der ersten Baugenehmigung stattgefunden und war daher nicht durch ein Vertrauen in diese verursacht worden. Die erste Baugenehmigung bildete jedoch eine geeignete Verlässlichkeitsgrundlage für die weitere Nutzung der Darlehensvaluta. Dementsprechend haben die Kläger in ihre bezifferten Zahlungsansprüche auch lediglich die Finanzierungskosten für den Zeitraum zwischen der vorläufigen Stilllegung der Bauarbeiten und dem endgültigen Scheitern des Projektes eingestellt.
b) Das Berufungsgericht ist der Schadensberechnung der Kläger gefolgt und hat die Grundsätze herangezogen, die in der Rechtsprechung des BGH zur Ermittlung des Verzögerungsschadens bei verspäteter Fertigstellung eines Gebäudes entwickelt worden sind (BGH v. 14.1.1993 - VII ZR 185/91, BGHZ 121, 210 = MDR 1993, 978 = CR 1994, 207; zur verspäteten Erteilung einer Baugenehmigung und einer dadurch eintretenden Verzögerung siehe insb. Urt. v. 11.6.1992 - III ZR 210/90, MDR 1993, 48 = NVwZ 1992, 1119 [1120]). Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht. Diese Grundsätze betreffen nämlich Fallgestaltungen, in denen das betreffende Vorhaben trotz der Verzögerung letztlich doch verwirklicht wird. Hier dagegen geht es darum, dass die Baugenehmigung von vornherein gerade nicht hätte erteilt werden dürfen und das Vorhaben von Anfang an nicht realisierbar war.
c) Die Schadensberechnung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis gleichwohl als richtig dar (§ 561 ZPO): Die Kläger hätten nämlich diejenigen Schritte, die sie nach dem endgültigen Scheitern des Projekts zur Ablösung des Darlehens unternommen haben, schon früher, nämlich zum Zeitpunkt der Stilllegung des Bauvorhabens unternehmen können. Dass sie dies unterlassen und während des Schwebezustands bis zum endgültigen Scheitern des Projekts weitere Finanzierungsaufwendungen getätigt haben, beruht auf den rechtswidrigen Baugenehmigungen. Denn das in diese Genehmigungen gesetzte Vertrauen bildete die Grundlage dafür, dass die Kläger den Versuch unternehmen durften, sich ihrerseits gegen die Nachbarwidersprüche zur Wehr zur setzen und das Vorhaben doch noch zu retten. Deswegen ist die amtspflichtwidrige Erteilung der Baugenehmigungen für den Schaden ursächlich geworden; dieser fällt auch in den sachlichen Schutzbereich der verletzten Amtspflicht. Der Mitverschuldensquote von 25v. H. haben die Kläger durch eine entsprechende Anpassung ihrer Anträge selbst Rechnung getragen. Der Senat hat daher keine durchgreifenden Bedenken dagegen, das Vorbringen der Kläger zur Schadenshöhe in dem vorbezeichneten Sinne auszulegen.
d) Ebensowenig ist es rechtlich zu beanstanden, dass das Berufungsgericht - in Übereinstimmung mit der Schadensberechnung der Kläger - par lich des zweiten Darlehens (002) die unterlassene Unterrichtung der Kläger als die wesentliche Schadensursache angesehen und insoweit ein mitwirkendes Verschulden verneint hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1058747 |
BGHR 2004, 101 |
BauR 2003, 1944 |
BauR 2004, 346 |
BauR 2004, 817 |
EBE/BGH 2003, 363 |
NVwZ 2004, 638 |
IBR 2003, 696 |
ZAP 2003, 1172 |
ZfIR 2003, 952 |
DVP 2004, 348 |
MDR 2004, 212 |
VersR 2004, 1557 |
ZfBR 2004, 165 |
BTR 2004, 91 |
BayVBl. 2004, 155 |
BrBp 2004, 257 |
DVBl. 2004, 263 |
GV/RP 2004, 315 |
KommJur 2004, 278 |
KommJur 2004, 319 |
NZBau 2004, 103 |
RdW 2004, 16 |
UPR 2004, 68 |
AIM 2004, 139 |
BRS-ID 2004, 18 |
FSt 2004, 404 |
FuBW 2004, 233 |
FuHe 2004, 236 |
FuNds 2004, 631 |
JT 2005, 106 |
LL 2004, 493 |