Leitsatz (amtlich)
1a. Nachdem ein Beschluss wegen eines materiellen Beschlussmangels rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist, darf ein im Kern inhaltsgleicher Zweitbeschluss nur dann gefasst werden, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass dieses Vorgehen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht; das kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn der in dem Vorprozess benannte Beschlussmangel behoben worden ist oder wenn sich die darauf bezogenen tatsächlichen oder rechtlichen Umstände geändert haben (Abgrenzung zu Senat, Beschluss vom 20. Dezember 1990 - V ZB 8/90, BGHZ 113, 197, 200).
1b. Ist ein Beschluss wegen eines materiellen Beschlussmangels rechtskräftig für ungültig erklärt worden, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein anschließend gefasster und im Kern inhaltsgleicher Zweitbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht; nur wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nachweist, dass besondere Umstände die zweite Beschlussfassung erlaubten, ist die Vermutung erschüttert, so dass das Gericht die gerügten Beschlussmängel in der Sache prüfen kann.
1c. Wird ein nach diesen Maßstäben unzulässiger Zweitbeschluss gefasst, hat dies nicht die Nichtigkeit des Beschlusses, sondern in der Regel lediglich dessen Anfechtbarkeit zur Folge.
Ist in einer Wohnungseigentumsanlage mit einer verbundenen Anlage die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge entgegen § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV nicht mit einem separaten Wärmemengenzähler erfasst worden, entspricht die Abrechnung der Heizkosten in der Regel ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge anhand der Formel des § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeizkostenV ermittelt wird; in Ausnahmefällen kann eine derartige Abrechnung gleichwohl ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen, und zwar dann, wenn die Anwendung der Formel dazu führt, dass das tatsächliche Nutzerverhalten im Einzelfall nicht wenigstens annähernd abgebildet wird.
Normenkette
WoEigG § 18 Abs. 2, § 19 Abs. 1, § 44 Abs. 1 S. 1; HeizkostenV § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-3
Verfahrensgang
LG Köln (Entscheidung vom 28.10.2021; Aktenzeichen 29 S 40/20) |
AG Köln (Entscheidung vom 28.01.2020; Aktenzeichen 204 C 145/19) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28. Oktober 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage im Hinblick auf die zu TOP 3 und TOP 8 gestellten Anträge abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die Anlage besteht aus mehreren Wohnblöcken. Zur Versorgung mit Warmwasser und Heizenergie gibt es in der Anlage zwei Heizzentralen (Heizkreise), wobei die zentrale Anlage zur Versorgung mit Wärme jeweils mit der zentralen Warmwasserversorgungsanlage verbunden ist (im Folgenden: verbundene Anlage). In den Jahren 2016 bis 2018 war kein Wärmemengenzähler für die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge installiert; die Installation erfolgte erst im Januar 2019. In zwei Vorprozessen erklärte das Amtsgericht Köln Beschlüsse über die Jahresabrechnungen 2016 und 2017 hinsichtlich der Genehmigung der Heizkostenabrechnung sowie bezüglich einer "Unterlassungserklärung gegen widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge" für ungültig. Die Entscheidungen haben Rechtskraft erlangt.
Rz. 2
In der Eigentümerversammlung am 27. Juni 2019 wurden unter TOP 3 Beschlüsse über die Abrechnungen für die Jahre 2016 und 2017 gefasst, die im Hinblick auf die Heizkostenabrechnung inhaltsgleich mit den für ungültig erklärten Beschlüssen waren. Zudem wurde unter TOP 3 die Abrechnung für 2018 beschlossen. Die auf die zentrale Warmwasserversorgung entfallende Wärmemenge wurde jeweils nach der Gleichung des § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeizkostenV bestimmt. Des Weiteren wurde unter TOP 8 ein Beschluss über eine "Unterlassungserklärung gegen widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge" gefasst.
Rz. 3
Mit der Beschlussmängelklage will der Kläger - soweit noch von Bedeutung - erreichen, dass der Beschluss zu TOP 3 hinsichtlich der Genehmigung der Heizkostenabrechnungen sowie der Beschluss zu TOP 8 insgesamt für ungültig erklärt werden. Das Amtsgericht hat der Klage stattgeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht meint, die Beschlussfassung zu TOP 3 hinsichtlich der Heizkostenabrechnungen für 2016 bis 2018 entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Rechtskraft der Urteile in den Vorprozessen stehe der inhaltsgleichen Beschlussfassung über die Heizkostenabrechnungen für 2016 und 2017 nicht entgegen. Den Wohnungseigentümern sei es unbenommen, über eine Angelegenheit so oft zu entscheiden, wie es ihnen beliebe. Es komme allein darauf an, ob der neue Beschluss aus sich heraus einwandfrei sei. So liege es hier. Zwar entspreche grundsätzlich allein eine den Anforderungen der Heizkostenverordnung genügende Abrechnung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, und eine solche Abrechnung liege hier nicht vor. Denn entgegen der Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV sei die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge nicht mit einem Wärmezähler gemessen, sondern durch die Gleichung des § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeizkostenV ermittelt worden, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorgelegen hätten. Dieser rechtfertige aber gleichwohl keine Ungültigkeitserklärung der Genehmigungsbeschlüsse. Denn auch bei einer Verwendung der Formel des § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeizkostenV liege eine verbrauchsabhängige Abrechnung vor, die grundsätzlich einer Abrechnung nach Wohnflächen vorzuziehen sei. Ausnahmen seien nur anzuerkennen, wenn der in Ansatz gebrachte verbrauchsbezogene Kostenanteil das tatsächliche Nutzerverhalten im Einzelfall nicht wenigstens annähernd abbilde. Dies sei hier nicht der Fall. Zwar habe der Sachverständige in seinem in dem Vorprozess betreffend die Heizkostenabrechnung 2016 erstellten Gutachten ausgeführt, dass der Anteil der Wärmemenge für die Trinkwassererwärmung bei einer Messung durch einen Wärmemengenzähler deutlich höher wäre als bei der erfolgten Ermittlung anhand der Formel. Fehler bei der Anwendung der Formel habe der Sachverständige aber nicht aufgezeigt und auch nicht dargelegt, welcher Wert für die Trinkwassererwärmung zutreffend gewesen wäre. Der Einschätzung des Sachverständigen stehe zudem eine im Internet zugängliche Studie entgegen. Mit dieser habe sich der Kläger nicht auseinandergesetzt und nicht dargelegt, dass sich nach der Installation der Wärmemengenzähler der auf die Warmwasserbereitung entfallende Anteil der Wärmemenge gravierend verändert habe. Auch eine Anhörung des Sachverständigen sei nicht veranlasst. Bei der Frage, ob die Heizkostenabrechnungen als verbrauchsabhängige Abrechnungen anzusehen seien, handele es sich um eine Rechtsfrage, die der sachverständigen Beurteilung entzogen sei.
Rz. 5
Auch die Beschlussfassung zu TOP 8 sei nicht zu beanstanden, da der Beschluss hinreichend bestimmt sei.
II.
Rz. 6
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 7
1. Dabei geht das Berufungsgericht allerdings zutreffend davon aus, dass § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aF auf die vor dem 1. Dezember 2020 erhobene Beschlussmängelklage weiterhin anzuwenden ist (§ 48 Abs. 5 WEG) und damit die übrigen Wohnungseigentümer unverändert richtige Klagegegner sind. In der Sache ist das im Zeitpunkt der Beschlussfassung (2019) geltende Recht maßgeblich (vgl. Senat, Urteil vom 26. Februar 2021 - V ZR 33/20, NZM 2021, 475 Rn. 6 a.E.; Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 214/21, ZWE 2023, 46 Rn. 5).
Rz. 8
2. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann aber zunächst die Anfechtungsklage im Hinblick auf die Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2016 und 2017 unter TOP 3 nicht abgewiesen werden.
Rz. 9
a) Richtig ist allerdings, dass sich aus der materiellen Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) der Urteile der Vorprozesse nicht ergeben kann, dass die Beschlüsse ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 WEG aF (nunmehr § 18 Abs. 2, § 19 Abs. 1 WEG) widersprechen. Zwar steht nach einer erfolgreichen Beschlussanfechtungsklage unter den Wohnungseigentümern als Folge der Rechtskraft fest, dass der für ungültig erklärte Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach (vgl. Senat, Urteil vom 13. Mai 2011 - V ZR 202/10, WuM 2011, 440 Rn. 16; Urteil vom 5. Juli 2019 - V ZR 278/17, WuM 2020, 111 Rn. 11; Urteil vom 25. September 2020 - V ZR 300/18, WuM 2021, 59 Rn. 11). Die materielle Rechtskraft erstreckt sich aber nur auf den konkreten, für ungültig erklärten Beschluss (vgl. Senat, Beschluss vom 25. September 2003 - V ZB 21/03, BGHZ 156, 192, 206; Urteil vom 24. Mai 2013 - V ZR 182/12, NJW 2013, 2271 Rn. 18).
Rz. 10
b) Zutreffend ist auch, dass die GdWE nach der ständigen Rechtsprechung des Senats wegen ihrer autonomen Beschlusszuständigkeit grundsätzlich berechtigt ist, über eine schon geregelte gemeinschaftliche Angelegenheit erneut zu beschließen, und es dabei keine Rolle spielt, aus welchen Gründen sie eine erneute Beschlussfassung für angebracht hält. Entscheidend ist allein, dass der Beschluss aus sich heraus einwandfrei ist, wobei allerdings jeder Wohnungseigentümer verlangen kann, dass der neue Beschluss schutzwürdige Belange aus Inhalt und Wirkungen des Erstbeschlusses berücksichtigt (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Dezember 1990 - V ZB 8/90, BGHZ 113, 197, 200; Beschluss vom 23. August 2001 - V ZB 10/01, BGHZ 148, 335, 350; Beschluss vom 25. September 2003 - V ZB 21/03, NJW 2003, 3476, 3479).
Rz. 11
c) Das Berufungsgericht verkennt aber, dass der Fall hier in einem wesentlichen Punkt anders gelagert ist als in den vorgenannten Entscheidungen. Diesen lagen jeweils Konstellationen zugrunde, in denen die GdWE einen gefassten Beschluss durch einen anderen - entweder inhaltsgleichen oder abweichenden - Beschluss ersetzte. Dagegen ersetzt die zweite Beschlussfassung hier Beschlüsse, die zuvor durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen für ungültig erklärt worden sind. Dabei kann der Senat mangels Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zugrundelegen, dass in dem Vorprozess die inhaltsgleichen Beschlüsse wegen eines formellen Beschlussmangels für ungültig erklärt worden waren und mit den nunmehr angefochtenen Beschlüssen der beanstandete formelle Beschlussmangel geheilt werden sollte, wie es ohne Weiteres zulässig wäre (vgl. Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Aufl., § 23 Rn. 71 und 90; Jennißen/Schultzky, WEG, 7. Aufl., § 23 Rn. 82; MüKoBGB/Hogenschurz, 9. Aufl., § 23 WEG Rn. 16). Vielmehr ist zugunsten der Revision zu unterstellen, dass die inhaltsgleichen Beschlüsse im Vorprozess wegen eines materiellen Mangels für ungültig erklärt worden waren.
Rz. 12
d) Zu der Frage, welche Auswirkungen es auf eine erneute Beschlussfassung hat, dass ein vorheriger Beschluss wegen eines materiellen Beschlussmangels rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist, zeigt sich ein disparates Meinungsbild. Zum Teil wird vertreten, Zweitbeschlüsse seien auch bei einer vorherigen gerichtlichen Entscheidung lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie aus sich heraus einwandfrei seien. Die Wohnungseigentümer könnten aufgrund ihrer autonomen Beschlusszuständigkeit die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen „unterlaufen“. Allerdings widerspreche ein erneuter inhaltsgleicher Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn er allein in der Hoffnung gefasst werde, bei der dritten oder fünften Wiederholung werde die Minderheit die Anfechtungsfrist versäumen oder auf Grund psychischer oder finanzieller Erschöpfung auf die Anfechtung verzichten; dann sei das Vorgehen der GdWE rechtsmissbräuchlich (vgl. LG Hamburg, NZM 2012, 281 f.; AG Berlin-Wedding, ZWE 2013, 127; vgl. auch Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Aufl., § 23 Rn. 71). Vertreten wird auch, dass die inhaltsgleiche Wiederholung des erfolgreich angefochtenen Beschlusses mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung nicht vereinbar sei, wenn sie grundlos erfolgt sei (vgl. KG, NJW-RR 1994, 1358; AG Hamburg-Altona, ZWE 2015, 222; Jennißen/Schultzky, WEG, 7. Aufl., § 23 Rn. 83; MüKoBGB/Hogenschurz, 9. Aufl., § 23 WEG Rn. 16). Wieder andere meinen, ein Zweitbeschluss sei nichtig, wenn die Grenze des Rechtsmissbrauchs überschritten sei. Dabei spreche eine tatsächliche Vermutung für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen, sofern zumindest im Kern ein inhaltsgleicher Beschluss unter Wiederholung (auch) desselben Beschlussmangels in die Welt gesetzt werde, der zur Stattgabe der Beschlussmängelklage geführt habe (vgl. Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 44 Rn. 158).
Rz. 13
e) aa) Nach Auffassung des Senats darf, nachdem ein Beschluss wegen eines materiellen Beschlussmangels rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist, ein im Kern inhaltsgleicher Zweitbeschluss nur dann gefasst werden, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass dieses Vorgehen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht; das kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn der in dem Vorprozess benannte Beschlussmangel behoben worden ist oder wenn sich die darauf bezogenen tatsächlichen oder rechtlichen Umstände geändert haben.
Rz. 14
(1) Zwar ergibt sich - wie ausgeführt (vgl. oben Rn. 9) - ein Widerspruch zu dem Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung nicht aus den Wirkungen der materiellen Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozess. Die GdWE hat aber im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung auch den Minderheitenschutz zu beachten (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juli 2017 - V ZR 290/16, NZM 2017, 734 Rn. 12 zu einer Majorisierung). Die Anfechtungsklage, die es einem oder mehreren Wohnungseigentümern ermöglicht, eine Beschlussfassung der Mehrheit überprüfen zu lassen, dient dem Minderheitenschutz im Einzelfall (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juli 2017 - V ZR 290/16, NZM 2017, 734 Rn. 12; Urteil vom 18. Januar 2019 - V ZR 72/18, ZfIR 2019, 447 Rn. 24; Urteil vom 8. Juli 2022 - V ZR 202/21, NJW 2022, 3003Rn. 45). Der durch eine erfolgreiche Anfechtungsklage verwirklichte Minderheitenschutz wird faktisch entwertet, wenn die GdWE einen inhaltlich mit dem gerichtlich für ungültig erklärten Beschluss identischen Beschluss fasst. Denn dann wird die Minderheit zu einer neuen Klage gezwungen und hätte - wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Verhandlung vor dem Senat zu Recht ausgeführt hat - durch die vorangegangene erfolgreiche Beschlussanfechtung letztlich nichts gewonnen. Eine derartige, die Verwirklichung des Minderheitenschutzes konterkarierende Vorgehensweise der GdWE widerspricht in aller Regel ordnungsmäßiger Verwaltung. Zudem darf die GdWE nicht sehenden Auges das Unterliegen in einem weiteren Anfechtungsverfahren mit entsprechender Kostenlast in Kauf nehmen.
Rz. 15
(2) Lediglich in Ausnahmefällen können besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass ein derartiger Zweitbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dies kommt zum einen dann in Betracht, wenn der in dem Vorprozess benannte Beschlussmangel behoben worden ist. Ein solcher Fall liegt zum Beispiel vor, wenn in dem Vorprozess bemängelt wurde, dass für die beschlossene Auftragsvergabe nur ein Angebot vorliegt, und dann nach Vorlage der gerichtlich geforderten Zahl von Angeboten im Kern dieselbe Auftragsvergabe beschlossen wird. Ein Zweitbeschluss kann zudem dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn sich die darauf bezogenen tatsächlichen Umstände geändert haben. Dies ist beispielsweise anzunehmen, wenn zwar weiterhin die in dem Vorprozess bemängelte Vorlage weiterer Angebote unterblieben ist, der Grund hierfür aber nachweislich darin liegt, dass trotz ausreichender Anfragen keine weiteren Angebote abgegeben wurden. Schließlich kann auch die Änderung der rechtlichen Umstände zur Folge haben, dass ein derartiger Zweitbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Eine solche Fallkonstellation ist zum Beispiel gegeben, wenn das Gericht in dem Vorprozess zu einer entscheidungserheblichen Frage eine Rechtsansicht vertreten hat, die aufgrund einer nach Rechtskraft ergangenen höchstrichterlicher Rechtsprechung als überholt anzusehen ist (vgl. auch Senat, Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 69/21, NJW 2023, 63 Rn. 16 f.).
Rz. 16
bb) In einem auf einen solchen Zweitbeschluss gerichteten Beschlussanfechtungsverfahren ergeben sich deshalb Besonderheiten in der Darlegungs- und Beweislast. Ist ein Beschluss wegen eines materiellen Beschlussmangels rechtskräftig für ungültig erklärt worden, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein anschließend gefasster und im Kern inhaltsgleicher Zweitbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht; nur wenn die GdWE nachweist (bzw. hier gemäß § 48 Abs. 5 WEG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aF die übrigen Wohnungseigentümer), dass besondere Umstände die zweite Beschlussfassung erlaubten, ist die Vermutung erschüttert, so dass das Gericht die gerügten Beschlussmängel in der Sache prüfen kann. Es ist nämlich nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Minderheitenrechte missachtet werden (vgl. zur Begründung von tatsächlichen Vermutungen Senat, Urteil vom 21. Januar 2000 - V ZR 327/98, WM 2000, 1069, 1071; Urteil vom 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08, NJW 2010, 363 Rn. 15; Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 75/18, ZfIR 2020, 104 Rn. 39). Diese beweiserleichternde tatsächliche Vermutung, deren Voraussetzungen von dem Kläger darzulegen und ggf. zu beweisen sind, muss der Tatrichter bei der Beweiswürdigung berücksichtigen; sie kann aber erschüttert werden (vgl. Senat, Urteil vom 19. Januar 2001 - V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 305; Urteil vom 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08, NJW 2010, 363 Rn. 16). Der GdWE (bzw. hier den übrigen Wohnungseigentümern) steht es insofern offen, Tatsachen aufzuzeigen (und ggf. zu beweisen), die die Annahme entkräften, dass der Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht (vgl. Senat, Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 75/18, ZfIR 2020, 104 Rn. 39 f.; Beschluss vom 21. November 2019 - V ZR 101/19, WuM 2020, 239 Rn. 28). Dies wäre dann der Fall, wenn Tatsachen vorgetragen (und ggf. bewiesen) werden, aus denen sich ergibt, dass einer der Sonderfälle vorliegt, in denen ein derartiger Zweitbeschluss ausnahmsweise ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann (vgl. oben Rn. 15).
Rz. 17
f) Wird ein nach diesen Maßstäben unzulässiger Zweitbeschluss gefasst, hat dies nicht die Nichtigkeit des Beschlusses, sondern in der Regel lediglich dessen Anfechtbarkeit zur Folge. Bei der Annahme von Nichtigkeit ist Zurückhaltung geboten (vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober 2018 - V ZR 328/17, NJW 2019, 1216 Rn. 22). Ob ein Zweitbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, muss in aller Regel in einem Anfechtungsverfahren geklärt werden. Nur in Ausnahmefällen kann ein derartiger Beschluss als evident rechtsmissbräuchlich und deshalb als nichtig anzusehen sein; das kann etwa in Betracht kommen, wenn eine mehrfache Beschlussfassung allein mit dem Ziel erfolgt, die Minderheit zu zermürben.
Rz. 18
cc) Weil das Berufungsgericht - von seinem Ausgangspunkt folgerichtig - Feststellungen zu den Beschlussmängeln, die dazu geführt haben, dass die Beschlüsse im Vorprozess für ungültig erklärt worden sind, nicht getroffen hat, kann das Urteil keinen Bestand haben.
Rz. 19
3. Auch die Abweisung der Anfechtungsklage bezüglich der Heizkostenabrechnung für das Jahr 2018, die nicht Gegenstand der Vorprozesse war, ist von Rechtsfehlern beeinflusst. Dass diese Heizkostenabrechnung mit dem Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG aF; jetzt § 18 Abs. 2, § 19 Abs. 1 WEG) vereinbar ist, kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht bejaht werden.
Rz. 20
a) Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausführt, entspricht - unabhängig von der Vereinbarungs- und Beschlusslage - grundsätzlich allein eine den Anforderungen der Heizkostenverordnung genügende Abrechnung ordnungsmäßiger Verwaltung (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 214/21, ZWE 2023, 46 Rn. 6 mwN).
Rz. 21
b) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht weiter davon aus, dass die Ermittlung der auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallenden Wärmemenge durch die Formel des § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeizkostenV hier gegen die Heizkostenverordnung verstößt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV ist bei einer verbundenen Anlage die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge mit einem separaten Wärmemengenzähler zu messen. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 HeizkostenV kann diese Wärmemenge dann, wenn eine Messung nur mit einem unzumutbar hohen Aufwand möglich ist, mit der Formel des § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeizkostenV bestimmt werden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen dieser Ausnahme nicht vor. Da die separate Erfassung der auf die zentrale Warmwasserversorgung entfallende Wärmemenge mangels eines separaten Wärmezählers auch nicht nachgeholt werden kann, ist der Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV nicht heilbar (vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Januar 2022 - VIII ZR 151/20, NJW-RR 2022, 519 Rn. 27).
Rz. 22
c) Zutreffend ist auch, dass im Wohnungseigentumsrecht bei einem unheilbaren Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV eine Bestimmung der auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallenden Wärmemenge durch die Formel des § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeizkostenV ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann. Ist in einer Wohnungseigentumsanlage mit einer verbundenen Anlage die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge entgegen § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV nicht mit einem separaten Wärmemengenzähler erfasst worden, entspricht die Abrechnung der Heizkosten in der Regel ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge anhand der Formel des § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeizkostenV ermittelt wird.
Rz. 23
aa) Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat eine gegen § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV verstoßende Abrechnung, in der die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge nach der Formel des § 9 Abs. 2 Satz 4 HeizkostenV ermittelt wurde, als Grundlage für eine Kürzung des Mieters nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV akzeptiert (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2022 - VIII ZR 151/20, NJW-RR 2022, 519 Rn. 29).
Rz. 24
bb) Die Frage des Kürzungsrechts und einer hierfür als Grundlage dienenden Abrechnung stellt sich im Wohnungseigentumsrecht allerdings nicht. Denn den Wohnungseigentümern steht - anders als den Mietern - gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV kein Recht zur Kürzung des auf den Nutzer entfallenden Anteils der Kosten zu; vielmehr sind sämtliche Kosten zwingend zu verteilen (näher Senat, Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 214/21, ZWE 2023, 46 Rn. 14). Gleichwohl ist im Wohnungseigentumsrecht nach dem insoweit maßgeblichen Regelungszweck der Heizkostenverordnung davon auszugehen, dass, sofern die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge nicht mit einem Wärmemengenzähler erfasst worden und dieser Fehler nicht heilbar ist, die Abrechnung der Heizkosten in der Regel jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn diese Wärmemenge mit der Formel des § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeizkostenV ermittelt worden ist.
Rz. 25
(1) Die Heizkostenverordnung hat das Ziel, das Verbrauchsverhalten der Nutzer nachhaltig zu beeinflussen und damit Energieeinspareffekte zu erzielen (vgl. BR-Drs. 570/08 S. 7). Dem jeweiligen Nutzer soll durch die verbrauchsabhängige Abrechnung der Zusammenhang zwischen dem individuellen Verbrauch und den daraus resultierenden Kosten bewusst gemacht werden. Bei der Verteilung der Heizkosten hat die GdWE im Rahmen ihrer Pflicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung diesen Zweck der Heizkostenverordnung auch dann zu beachten, wenn ein nicht heilbarer Verstoß gegen die Verordnung vorliegt (Senat, Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 214/21, ZWE 2023, 46 Rn. 16).
Rz. 26
(2) Bei einem nicht heilbaren Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV entspricht es in der Regel am ehesten dem Zweck der Heizkostenverordnung, wenn eine Abrechnung vorgenommen wird, bei der die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge anhand der Formel des § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeizkostenV ermittelt wird. Denn die Ermittlung nach dieser Formel ist, da sie unter anderem an das gemessene Volumen des verbrauchten Warmwassers anknüpft (vgl. Lammel, HeizkostenV, 5. Aufl., § 9 Rn. 32; MüKoBGB/Zehelein, 9. Aufl., § 9 HeizkostenV Rn. 3), einer Abrechnung nach Verbrauch näher als eine Abrechnung nach Fläche und dieser in der Regel vorzuziehen, da sie dem Nutzer den Verbrauch eher vor Augen führt und ihn zur Sparsamkeit anregt.
Rz. 27
(3) Dass eine derartige Abrechnung wegen des vorliegenden Verstoßes gegen die Heizkostenverordnung bei der Auslegung des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV im Zusammenhang mit einem Kürzungsrecht des Mieters als „nicht verbrauchsabhängig“ betrachtet wird (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2022 - VIII ZR 151/20, NJW-RR 2022, 519 Rn. 32), veranlasst zu keiner anderen Bewertung. Bei der vom VIII. Zivilsenat insoweit vorgenommenen Auslegung geht es allein darum, inwieweit der Verordnungsgeber mit dieser Formulierung das Kürzungsrecht des Mieters bei einem Verstoß gegen die Heizkostenverordnung einschränken wollte.
Rz. 28
d) Richtig ist weiter, dass - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - in Ausnahmefällen eine derartige Abrechnung gleichwohl ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen kann; dies ist der Fall, wenn die Anwendung der Formel des § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeizkostenV dazu führt, dass das tatsächliche Nutzerverhalten im Einzelfall nicht wenigstens annähernd abgebildet und somit der Zweck der Heizkostenverordnung nicht erfüllt wird (vgl. zu dieser möglichen Ausnahme im Mietrecht BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 329/14, WuM 2016, 174 Rn. 18). Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Berufungsgericht die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalls entsprechend den allgemeinen Regeln dem Kläger auferlegt hat. Bei seiner Annahme, eine Ausnahme liege nicht vor, sind dem Berufungsgericht jedoch - wie die Revision zu Recht rügt - Verfahrensfehler unterlaufen.
Rz. 29
aa) Zum einen hat das Berufungsgericht gegen § 397 i.V.m. § 402 ZPO verstoßen, indem es den Sachverständigen, dessen in einem der Vorprozesse erstelltes Gutachten es nach § 411a ZPO verwertet hat, trotz des Antrags des Klägers in seinem Schriftsatz vom 29. Januar 2021 nicht mündlich angehört hat.
Rz. 30
(1) Eine Partei darf dem Sachverständigen nach § 397 i.V.m. § 402 ZPO Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen. Auch wenn das Gericht selbst keinen weiteren Erläuterungsbedarf sieht, dürfen diese Fragen nicht zurückgewiesen werden, da ansonsten eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung vorliegt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 22. Mai 2007 - VI ZR 233/06, NJW-RR 2007, 1294 Rn. 3; Beschluss vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 273/13, RuS 2015, 44 Rn. 6; jeweils mwN). Dieser Pflicht zur Anhörung des Sachverständigen ist der Tatrichter nur ausnahmsweise dann enthoben, wenn der Antrag auf Anhörung verspätet oder rechtsmissbräuchlich gestellt worden ist (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2018 - VI ZR 580/15, NJW 2018, 3097 Rn. 9).
Rz. 31
(2) Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Soweit das Berufungsgericht meint, eine Anhörung sei nicht veranlasst, weil der Sachverständige keine Fehler bei der Anwendung der Formel des § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeizkostenV aufgezeigt habe, verfängt dies nicht. Denn das Berufungsgericht geht selbst davon aus, dass eine den Verbrauch der Nutzer einbeziehende Abrechnung in dem Ausnahmefall, dass der in Ansatz gebrachte verbrauchsbezogene Kostenanteil das tatsächliche Nutzerverhalten nicht wenigstens annähernd abbildet, nicht in Betracht kommt. Ob ein derartiger Ausnahmefall vorliegt, ist keine reine Rechtsfrage, sondern knüpft an tatsächliche Erkenntnisse zu dem verbrauchsbezogenen Kostenanteil sowie zu dem tatsächlichen Nutzerverhalten an. Insoweit ist die beantragte Erläuterung des Gutachtens offensichtlich nicht rechtsmissbräuchlich.
Rz. 32
bb) Zum anderen hat das Berufungsgericht gegen § 286 ZPO verstoßen, indem es der Einschätzung des Sachverständigen, eine Ermittlung der Wärmemenge mittels eines Wärmezählers hätte zu anderen Ergebnissen geführt, eine im Internet veröffentlichte Studie entgegengehalten hat, ohne den Sachverständigen zu befragen oder gegebenenfalls nach § 412 ZPO vorzugehen. Zwar kann die Beweiswürdigung des Tatrichters von dem Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht sich dem Gebot des § 286 ZPO entsprechend mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. nur Senat, Urteil vom 13. Oktober 2017 - V ZR 11/17, DNotZ 2018, 279 Rn. 8 mwN). Einer solchen Überprüfung hält das Berufungsurteil aber nicht stand. Das Berufungsgericht hat den Prozessstoff nicht hinreichend geklärt. Es hat, ohne den Sachverständigen hierzu zu befragen oder nach § 412 ZPO vorzugehen, aus der von ihm herangezogenen Studie gefolgert, dass die Ausführungen des Sachverständigen unzutreffend seien. Aufgrund welcher Sachkunde das Berufungsgericht meint, diese Frage in Widerspruch zu der Beurteilung des Sachverständigen beantworten zu können, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Voraussetzung dafür, dass der Tatrichter eine Fachwissen voraussetzende Frage ohne Einholung sachverständigen Rates selbst beurteilen darf, ist aber, dass er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag und dies im Urteil ausreichend dartut (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 - VI ZR 204/14, NJW 2015, 1311 Rn. 5; Beschluss vom 12. Mai 2021 - XII ZR 153/19, juris Rn. 17; Urteil vom 10. November 2022 - I ZR 16/22, WRP 2023, 447 Rn. 47). Daran fehlt es hier.
Rz. 33
4. Auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Anfechtungsklage gegen die Beschlussfassung über die Unterlassungserklärung gegen widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge (TOP 8) abgewiesen hat, ist von Rechtsfehlern beeinflusst. Das Berufungsgericht hat sich nur mit der Bestimmtheit des Beschlusses auseinandergesetzt und diese bejaht. Mangels gegenteiliger Feststellungen ist zugunsten der Revision indes zu unterstellen, dass auch dieser Beschluss inhaltsgleich mit einem zuvor wegen materieller Beschlussmängel rechtskräftig für ungültig erklärten Beschluss ist.
III.
Rz. 34
1. Hiernach kann das Berufungsurteil, soweit es angefochten ist, keinen Bestand haben. Es ist insoweit gemäß § 562 Abs. 1 ZPO im Umfang der Anfechtung aufzuheben. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich; vielmehr bedarf es weiterer Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Rz. 35
2. Das Berufungsgericht wird im Hinblick auf die Beschlussfassung zu den Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2016 und 2017 und zu TOP 8 zunächst zu klären haben, inwieweit Zweitbeschlüsse vorliegen, die ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen. Der Senat weist in diesem Zusammenhang auf Folgendes hin:
Rz. 36
a) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes - und damit auch dafür, dass ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht -, obliegt nach den allgemeinen Grundsätzen dem Kläger (vgl. Senat, Urteil vom 14. Dezember 2012 - V ZR 224/11, NZM 2013, 193 Rn. 20).
Rz. 37
b) Stünde fest, dass in den Vorprozessen inhaltsgleiche Beschlüsse wegen eines materiellen Beschlussmangels für ungültig erklärt worden sind, bestünde eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Zweitbeschlüsse ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen. Diese Vermutung, deren Voraussetzungen von dem Kläger darzulegen und ggf. zu beweisen sind, kann die Beklagte erschüttern (vgl. oben Rn. 16).
Rz. 38
3. Nur wenn feststeht, dass es sich nicht um unzulässige Zweitbeschlüsse handelt, hat eine inhaltliche Prüfung der Beschlüsse zu TOP 3 bezüglich der Heizkostenabrechnung für die Jahre 2016 und 2017 und zu TOP 8 unter Zugrundelegung der üblichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu erfolgen.
Rz. 39
4. Im Hinblick auf die Heizkostenabrechnung 2018 und - soweit sie keine unzulässigen Zweitbeschlüsse darstellen - ggf. auch bezüglich der Heizkostenabrechnungen 2016 und 2017 wird das Berufungsgericht die Feststellungen zum Vorliegen eines Ausnahmefalls (siehe oben Rn. 28) verfahrensfehlerfrei nachzuholen haben.
Brückner |
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Göbel |
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Haberkamp |
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Laube |
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Grau |
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Fundstellen
Haufe-Index 15697714 |
NJW 2023, 2190 |
NZM 2023, 462 |
ZMR 2023, 725 |
ZfIR 2023, 388 |
DNotZ 2023, 682 |
MDR 2023, 763 |
WuM 2023, 501 |
ZWE 2023, 261 |
MietRB 2023, 164 |
MietRB 2023, 165 |
BBB 2023, 44 |
DS 2023, 190 |
Immobilienwirtschaft 2023, 74 |