Leitsatz (amtlich)
Führt ein Arbeitgeber eine Anmeldung deshalb nicht fort oder läßt er ein Schutzrecht deshalb fallen, weil ihm die zur Aufrechterhaltung erforderlichen Mittel infolge Vermögensverfalls fehlen, ist § 16 Abs. 1 ArbEG nicht anwendbar.
Normenkette
Ges. über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) § 16
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. September 1987 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war vom 1. Januar 1970 bis 31. Mai 1983 Geschäftsführer der Beklagten. Im Anstellungsvertrag vom 25. Juli 1969 war u.a. vereinbart:
„Erfindungen, die Herr H. während seiner Tätigkeit macht, werden Eigentum der Si. Kupferwerke GmbH.
…
Die Vergütung erfolgt mangels anderweitiger Vereinbarung nach den gesetzlichen Vorschriften.”
Im April 1970 und Januar 1972 meldete die Beklagte zwei Erfindungen des Klägers zum Patent an. Auf beide Anmeldungen wurden Patente erteilt, von denen eines durch Zeitablauf erloschen, das andere noch in Kraft ist. Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe die im Jahre 1984 fällig gewordenen Jahresgebühren für beide Patente nicht bezahlt. Er habe davon zufällig erfahren und diese Gebühren aus eigenen Mitteln aufgebracht. Durch die Nichtzahlung der fälligen Gebühren habe die Beklagte ihren Willen zum Ausdruck gebracht, die Patente aufzugeben; sie habe es jedoch pflichtwidrig unterlassen, ihm ihre dahingehende Absicht mitzuteilen. Nachdem er durch die Zahlung der Jahresgebühren seinen Übernahmewillen gezeigt habe, sei die Beklagte verpflichtet, ihm die Patente zu übertragen.
In den Vorinstanzen hat der Kläger von der Beklagten die Übertragung beider Patente nebst Aushändigung der Patenturkunden, Bescheide und Gebührenbelege begehrt.
Die Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Übertragungsanspruch hinsichtlich des noch in Kraft befindlichen Patents 20 04 212 und des erloschenen Patents 20 20 700 weiter. Hinsichtlich des letzteren hat er hilfsweise die Hauptsache für erledigt erklärt und die Feststellung begehrt, daß die Beklagte zur Übertragung verpflichtet war und ihm wegen Verletzung dieser Verpflichtung Schadenersatz schuldet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Übertragung der Patente verneint. Ein Übertragungsanspruch nach § 16 Abs. 1 des Arbeitnehmererfindergesetzes (ArbEG) komme nicht in Betracht, weil der Kläger als ehemaliger Geschäftsführer der Beklagten nicht Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift sei. Eine Vereinbarung, daß Bestimmungen des Arbeitnehmererfindergesetzes zum Inhalt des Dienstvertrages zwischen den Parteien gehören sollten, sei ausdrücklich nur hinsichtlich der Vergütungsregelung getroffen worden. Das und die Absprache, daß Erfindungen des Klägers „Eigentum” der Beklagten werden sollten, spreche dagegen, daß auch die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes anwendbar sein sollten. Selbst wenn § 16 ArbEG auf die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen Anwendung fände, lägen die Voraussetzungen des darin geregelten Übertragungsanspruchs nicht vor. Ein solcher entstehe erst, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seine Aufgabeabsicht mitgeteilt und dieser daraufhin die Übertragung des Rechts verlangt habe. Im Streitfall fehle es an der an den Kläger gerichteten Mitteilung einer Aufgabeabsicht durch die Beklagte. Die bloße Absicht des Arbeitgebers, das Schutzrecht aufzugeben, reiche nicht aus.
Dem Kläger stehe ein Übertragungsanspruch auch nicht als Schadenersatz zu. Ein Erlöschen der Schutzrechte, das allenfalls einen Schadenersatzanspruch hätte begründen können, sei nicht erfolgt. Daß der Kläger das Erlöschen der Schutzrechte durch Einsatz eigener Mittel verhindert habe, ändere daran nichts. Derjenige, der durch eigene Tätigkeit den Eintritt eines solchen Schadens verhindere, erwerbe dadurch keinen Anspruch auf Übertragung der Schutzrechte.
Auch aus einer vom Kläger geltend gemachten Verletzung fortwirkender Treue- und Fürsorgepflichten aus dem früheren Anstellungsverhältnis könne ein Übertragungsanspruch des Klägers nicht hergeleitet werden.
II.
Die Revision rügt die Verletzung der §§ 133, 157, 242, 249, 276 BGB und des § 16 ArbEG. Sie meint, eine sachgerechte Auslegung des Anstellungsvertrages zwischen den Parteien führe zu dem Ergebnis, daß die Anwendbarkeit des § 16 ArbEG vertraglich vereinbart sei. Unabhängig davon ergebe sich ein Übertragungsanspruch des Klägers auch aus den Bestimmungen des allgemeinen Schuldrechts, nämlich aus der dienstvertraglichen Treuepflicht der Beklagten. Ein Dienstherr, der eine Erfindung des Dienstverpflichteten auf Grund gegenseitigen Vertrages unbeschränkt in Anspruch genommen habe, sei gehalten, das Schutzrecht dem Dienstverpflichteten zurückzuübertragen, wenn er es selbst nicht mehr nutzen könne oder wolle und wenn auf Grund einer Verschlechterung seiner Vermögenslage der Gegenanspruch des Dienstverpflichteten auf angemessene Vergütung für die Überlassung der Erfindung gefährdet sei. Ein derartiger Leistungsanspruch des Dienstverpflichteten auf Übertragung des Schutzrechts folge auch bei einem bereits beendeten Dienstverhältnis aus § 242 BGB.
III. Die Revision bleibt im Ergebnis erfolglos.
1. Gegen die Zulässigkeit der vom Kläger in der Revisionsinstanz im Hinblick auf das zwischenzeitliche Erlöschen des Patents 20 20 700 erstmals gestellten Hilfsanträge sind Bedenken nicht zu erheben. Es fehlt insbesondere nicht das erforderliche Feststellungsinteresse, da dem Kläger nach seiner Behauptung ein Schaden dadurch entstanden ist, daß die Beklagte der vom Kläger geltend gemachten Verpflichtung zur Übertragung des nunmehr erloschenen Schutzrechts auf ihn nicht nachgekommen ist.
2. Soweit der Kläger hinsichtlich des Patents 20 20 700 weiterhin Übertragung begehrt, kann er damit schon deshalb keinen Erfolg haben, weil dieses Schutzrecht nicht mehr existiert. Der Revision kann nicht darin beigetreten werden, daß der geltend gemachte Übertragungsanspruch auch Rechte und Ansprüche erfasse, die vor Ablauf der Schutzfrist entstanden sind und noch fortbestehen. Denn das Begehren des Klägers war ausdrücklich nur auf Übertragung der Rechte „an dem deutschen Patent 20 20 700” gerichtet. Damit waren Rechte „aus” dem Patent, wie etwa Lizenzansprüche gegen Dritte oder Schadenersatzansprüche gegen Patentverletzer, nicht Gegenstand seines Begehrens.
3. Das Berufungsgericht hat dem Kläger einen Übertragungsanspruch aus § 16 ArbEG gegen die Beklagte im Ergebnis zu Recht versagt.
a) Im Berufungsurteil ist einleitend festgestellt, daß der Kläger Geschäftsführer der Beklagten war. Er war daher nicht Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitnehmererfindergesetzes, so daß eine unmittelbare Anwendung von § 16 ArbEG nicht in Betracht kommt. Das stellt auch die Revision nicht in Frage.
b) Das Berufungsgericht hat die Frage offengelassen, ob zwischen den Parteien vereinbart war, daß neben der Vergütungsregelung auch die übrigen Vorschriften des Arbeitnehmererfindergesetzes gelten sollten. Es hat zwar Erwägungen über das Für und Wider des Zustandekommens einer solchen Vereinbarung angestellt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß der Wortlaut der betreffenden Vertragsklausel eher dagegen spreche. Abschließende Feststellungen hierzu hat es jedoch nicht getroffen. Die Revision weist zutreffend darauf hin, für die revisionsrechtliche Beurteilung sei deshalb davon auszugehen, daß die Parteien die Anwendung des Arbeitnehmererfindergesetzes in seiner Gesamtheit auf ihre Vertragsbeziehungen vereinbart hatten.
c) Nach § 16 Abs. 1 ArbEG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitzuteilen, wenn er vor Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf angemessene Vergütung die Anmeldung der Diensterfindung zur Erteilung eines Schutzrechts nicht weiterverfolgen oder das auf die Diensterfindung erteilte Schutzrecht nicht aufrechterhalten will. In diesem Falle hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen und Kosten das Recht zu übertragen sowie die zur Wahrnehmung des Rechts erforderlichen Unterlagen auszuhändigen.
Die Regelung des § 16 Abs. 1 ArbEG soll dem Umstand Rechnung tragen, daß eine Erfindung oder ein Schutzrecht infolge der Weiterentwicklung der Technik oft schon nach kurzer Zeit derart an Wert verliert, daß sich die Weiterverfolgung einer Anmeldung oder die Aufrechterhaltung eines Patents bis zum Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist für den Arbeitgeber wirtschaftlich nicht lohnt und damit unzumutbar wird. Ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf angemessene Vergütung erfüllt, kann der Arbeitgeber die Schutzrechtsanmeldung oder das Schutzrecht ohne weiteres aufgeben. Anders ist es, wenn der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers noch nicht voll erfüllt ist. Auch in diesem Fall wird es dem Arbeitgeber ermöglicht, sich von den mit der Schutzrechtsanmeldung oder der Aufrechterhaltung des Schutzrechtes verbundenen finanziellen Belastungen zu lösen, dem Arbeitnehmererfinder wird aber für den Wegfall seines noch nicht voll erfüllten Vergütungsanspruchs dadurch ein Ausgleich gewährt, daß er die Übertragung des Schutzrechts verlangen kann, das der Arbeitgeber aufgeben will. Voraussetzung dafür ist nach § 16 Abs. 1 ArbEG der an der wirtschaftlichen Bedeutung und Verwertbarkeit eines Schutzrechts oder einer Schutzrechtsanmeldung orientierte freiwillige Entschluß des Arbeitgebers, eine Anmeldung nicht weiterzuführen oder ein Schutzrecht durch Nichtzahlung der Jahresgebühren fallenzulassen. Das Gesetz überläßt es allein dem Arbeitgeber, entsprechende wirtschaftliche Überlegungen anzustellen und danach über seine Schutzrechte zu disponieren. Es geht dabei davon aus, daß die Erklärung des Arbeitgebers, das Schutzrecht oder die Schutzrechtsanmeldung nicht aufrechtzuerhalten, auf seiner freien Entschließung beruht, die das Ergebnis der ihm zustehenden Beurteilung des wirtschaftlichen Wertes der Erfindung für seinen Betrieb ist. Erst die Betätigung dieses freien Entschlusses durch die Erklärung der Aufgabeabsicht gegenüber dem Arbeitnehmer führt zu der Befugnis des Arbeitnehmererfinders, nunmehr seinerseits zu entscheiden, ob für ihn die Weiterführung der Anmeldung oder die Aufrechterhaltung des Schutzrechts lohnt, und ggf. die Übertragung zu verlangen (vgl. dazu Amtliche Begründung zum ArbEG, BT-Drucksache II/1648 S. 33 ff.).
Diesem gesetzlichen Leitbild entspricht der Streitfall nicht. Die Beklagte hat nicht wegen fehlender oder nachträglich entfallener wirtschaftlicher Verwertbarkeit der streitbefangenen Schutzrechte den Entschluß gefaßt, diese durch Nichtzahlung der Jahresgebühren fallenzulassen. Sie hat vielmehr die Jahresgebühren nicht bezahlt, weil sie sich in einer finanziellen Notlage befand und die erforderlichen Mittel nicht aufbringen konnte. Zu keinem Zeitpunkt hat sie aus freiem Willen die Schutzrechte aufgeben wollen und dem Beklagten infolgedessen eine dementsprechende Aufgabeabsicht auch nicht mitgeteilt. Die Beklagte war sich stets über den Wert der in Rede stehenden Schutzrechte im klaren und hat dem Kläger unstreitig Lizenzabrechnungen erteilt und die sich aus der Abrechnung ergebenden Beträge an den Kläger gezahlt. Ihr fehlten lediglich vorübergehend die finanziellen Mittel, um fällige Jahresgebühren zu bezahlen. Ein derartiges Unvermögen kann mit einem freiwillig gefaßten Entschluß zur Schutzrechtsaufgabe nicht gleichgesetzt werden. Führt ein Arbeitgeber eine Anmeldung deshalb nicht fort oder läßt er ein Schutzrecht deshalb fallen, weil ihm die zur Aufrechterhaltung erforderlichen Mittel infolge Vermögensverfalls fehlen, ist § 16 Abs. 1 ArbEG nicht anwendbar. Dies gilt auch dann, wenn sich der Arbeitgeber darüber im klaren ist, daß sein Unvermögen zur Zahlung der Jahresgebühren den Verfall der Anmeldung oder des Schutzrechts zur Folge hat. Diese Erkenntnis ist etwas anderes als der im Gesetz vorgegebene freiwillige Entschluß, eine Anmeldung oder ein Schutzrecht aufzugeben. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, dem Kläger mitzuteilen, daß sie infolge Vermögensverfalls gezwungen war, die weitere Zahlung von Schutzrechtsgebühren für die streitbefangenen Patente einzustellen, und auf ein entsprechendes Verlangen des Klägers hin diese auf den Kläger zu übertragen. Der geltend gemachte Übertragungsanspruch wie auch der hinsichtlich des erloschenen Patents 20 20 700 hilfsweise geltend gemachte Feststellungsanspruch stehen dem Kläger weder aus § 16 Abs. 1 ArbEG unmittelbar noch aus dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes wegen Verletzung der in dieser Vorschrift begründeten Mitteilungspflicht zu.
d) Entgegen der Ansicht der Revision war die Beklagte auch nicht auf Grund einer aus § 242 BGB folgenden, über die Beendigung des Anstellungsvertrages hinaus fortwirkenden dienstvertraglichen Treuepflicht gehalten, die Schutzrechte auf den Kläger zu übertragen. Ein Dienstherr, der eine Diensterfindung auf Grund gegenseitigen Vertrages erworben hat, ist nicht schon deshalb zu deren kostenloser Rückübertragung auf den Dienstleistenden verpflichtet, weil wegen einer Verschlechterung seiner Vermögenslage der Fortbestand des Schutzrechts in Frage gestellt und damit der Vergütungsanspruch des Dienstleistenden gefährdet ist. Eine solche Verpflichtung wäre auch mit der Regelung des § 27 ArbEG nicht zu vereinbaren, wonach dem Arbeitnehmer im Konkurs des Arbeitgebers, mithin bei Reduzierung seiner Vergütungsansprüche auf die Konkursquote bis hin zu deren völligem Wegfall, lediglich ein Vorkaufsrecht und nicht etwa ein Anspruch auf unentgeltliche Rückübertragung seiner Diensterfindungen eingeräumt ist. Steht dem Arbeitnehmer kraft Gesetzes nicht einmal im Falle des Konkurses des Arbeitgebers ein Anspruch darauf zu, seine dem Arbeitgeber überlassenen Schutzrechte unentgeltlich von diesem zurückzuerhalten, so kann dies erst recht nicht bei einer bloßen Gefährdung seiner Vergütungsansprüche in Betracht kommen. Etwas anderes mag sich allenfalls bei Vorliegen ganz besonderer Umstände im Einzelfall aus Treu und Glauben ergeben (§ 242 BGB). Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen. Im übrigen ist eine Gefährdung seiner Ansprüche nicht mehr gegeben. Die Beklagte hat die Nutzung der streitbefangenen Schutzrechte wieder aufgenommen und zahlt dem Kläger die geschuldete Vergütung. Selbst wenn dem Kläger wegen der besonderen Gefährdung seiner Vergütungsansprüche oder mit Rücksicht auf die von ihm für die Aufrechterhaltung der Schutzrechte aufgewendeten Mittel zum Zeitpunkt des Vermögensverfalls der Beklagten vorübergehend ein Anspruch auf kostenlose Rückübertragung zugestanden haben sollte, wäre dieser infolge der Konsolidierung der Vermögensverhältnisse der Beklagten wieder weggefallen. Treu und Glauben gebieten es nicht, etwaige aus einer vorübergehenden Krisensituation erwachsene Ansprüche in alle Zukunft fortzuschreiben.
e) Dem Kläger steht mithin der geltend gemachte Übertragungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu. Gleiches gilt für den hilfsweise geltend gemachten Feststellungsanspruch. Seine Revision ist daher insgesamt mit der Kostenfolge aus §§ 97, 91 a ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Bruchhausen, Brodeßer, von Albert, Rogge, Maltzahn
Fundstellen
Haufe-Index 1502314 |
BGHR |
GRUR 1988, 762 |
Nachschlagewerk BGH |