Verfahrensgang

Thüringer OLG (Urteil vom 12.04.1995)

LG Gera (Urteil vom 20.07.1994)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 12. April 1995 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 20. Juli 1994 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Die Kläger haben die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte verkauft durch Time-Sharing-Verträge im Treuhand-Modell Wohnrechte an einer Ferienwohnanlage. Sie und die Kläger, damals noch Bürger der DDR, unterzeichneten am 25. Juli 1990 an deren Urlaubsort in Spanien einen solchen formularmäßig ausgearbeiteten mit “Kaufvertrag Dauerwohnrecht” überschriebenen Vertrag über ein “Dauerwohnrecht nach § 31 Wohnungseigentumsgesetz (WEG)”. Unter § 1 dieses Vertrages heißt es, daß die Landmark Verwaltungsgesellschaft mbH “Inhaber von Dauerwohnrechten gemäß § 31 WEG an Ferienwohnungen in der Anlage C… Club, T… Hof”, ist und diese Dauerwohnrechte treuhänderisch für die Verkäuferin hält. In § 2 ist bestimmt, daß die Verkäuferin an den Käufer “von dem in § 1 Abs. 1 beschriebenen Dauerwohnrecht einen Anteil von 2/52” zur Belegung mit zwei Personen in der “Saison blau” verkauft; der Käufer seinerseits tritt in die dem Vertrag als dessen “integrale Bestandteile” beigeschlossene Verwaltungsordnung und den Service-Vertrag mit der C… Beteiligungs GmbH & Co. Service KG ein und schließt mit der L… Verwaltungs GmbH (Treuhänderin) in gesonderter Vereinbarung einen “Grundbuchtreuhandvertrag” ab. Mit der Übernahme dieser Treuhandschaft und Eintragung des Käufers in das “Gemeinschaftsregister” sollte die Verpflichtung der Verkäuferin aus dem Kaufvertrag erfüllt sein. In § 2 des Treuhandvertrages heißt es, daß die Treuhänderin für den Treugeber “im eigenen Namen, aber auf dessen Rechnung in Abt. II des vorgenannten Grundbuchs als Inhaberin des Dauerwohnrechts eingetragen” bleibt und der Treugeber sich damit einverstanden erklärt, daß aus der Eintragung des Treuhänders im Grundbuch “nicht ersichtlich sein muß, daß eine Aufteilung des Dauerwohnrechts in Bruchteile erfolgte”.

Die Kläger vertreten die Auffassung, der Kaufvertrag sei wegen eines auffälligen Leistungsmißverhältnisses und deshalb nichtig, wei er gegen das Transparenzgebot und die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes – weshalb sie den Widerruf erklärt hatten – verstoße. Sie verlangen u.a. die Rückzahlung des Kaufpreises von 9.600 DM, sowie 400 DM Servicegebühr für 1991 nebst 12,5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr hinsichtlich der gezahlten 10.000 DM nebst 4 % Zinsen stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Gegen die Zahlungsverurteilung richtet sich die – zugelassene – Revision, mit der die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Kläger beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht läßt offen, ob der Vertrag wegen eines Leistungsmißverhältnisses nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei oder ein Anspruch der Kläger wegen Verstoßes gegen das Haustürwiderrufsgesetz bestehe, da er jedenfalls gegen das Transparenzgebot des § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz verstoße und deshalb nichtig sei. Die Unwirksamkeit der entsprechenden Klauseln ergreife den gesamten Vertrag, weil sie nicht durch gesetzliche Bestimmungen oder ergänzende Vertragsauslegung ersetzt werden könnten.

Dies hält der rechtlichen Prüfung im Ergebnis nicht stand.

II.

1. Die Revision wendet sich nicht dagegen, daß das Berufungsgericht – anders als das Landgericht, das “deutsches Recht” für anwendbar hält – stillschweigend davon ausgeht, der Vertrag sei nach dem Recht des Wohnsitzes der Kläger, die zum Vertragszeitpunkt in der damaligen DDR wohnten, zu beurteilen, und § 356 ZGB als Anspruchsgrundlage annimmt.

Das anzuwendende Recht ist jedoch von Amts wegen zu bestimmen (MünchKomm-BGB/Martini, 2. Aufl., vor § 27 EGBGB Rdn. 4; vgl. auch BGH, Urt. v. 3. Mai 1988, X ZR 99/86, WM 1988, 1463). Da hier von Bürgern der damaligen DDR mit Firmen aus der Bundesrepublik in Spanien ein Vertrag über den Kauf eines Dauerwohnrechtes mit ausdrücklichem Hinweis auf § 31 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) in einer im Sch… gelegenen Ferienwohnanlage abgeschlossen worden ist, liegt nach den Umständen die Auslegung des Vertrages dahin nahe, daß die Parteien gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB das Recht der Bundesrepublik gewählt haben. Das könnte der Senat selbst entscheiden, da das Berufungsgericht eine eigene Auslegung nicht vorgenommen hat. Das kann jedoch dahinstehen; denn jedenfalls folgt die Anwendung des Rechts der Bundesrepublik Deutschland hier aus Art. 28 Abs. 1 und 3 EGBGB; das gekaufte Dauerwohnrecht nach § 31 WEG bezieht sich auf eine im Sch…, also in der Bundesrepublik Deutschland gelegene Wohnanlage (vgl. dazu auch: BGHZ 121, 224, 228 und BGH, Urt. v. 12. Oktober 1989, BGHR EGBGB n.F. Art. 28 Abs. 2, Reisevertrag 1).

2. Ein Anspruch aus § 812 BGB ist jedoch nicht gegeben.

a) Zu Recht geht das Berufungsgericht in der Sache zwar davon aus, auch die Revision nimmt dies hin, daß der Kunde hier durch die mehrfache Betonung im Kaufvertragsformular und in den überreichten Unterlagen, ein Dauerwohnrecht gemäß § 31 WEG zu erwerben, angesichts des Fehlens jeder dinglichen Absicherung in grober Weise irregeführt wird. Dies hat der erkennende Senat zu einem gleichgelagerten Fall, in dem die Beklagte mit den gleichen Formularen ein Dauerwohnrecht in derselben Wohnanlage veräußerte, bereits ausgeführt (BGH, Urt. v. 30. Juni 1995, V ZR 184/94, zum Abdruck in BGHZ 130, 150 ff vorgesehen = WM 1995, 2637 = NJW 1995, 612). Zugleich hat er jedoch dargelegt, daß die Unwirksamkeit von § 2 Abs. 4 des Kaufvertrages und § 2 des Treuhandvertrages die Wirksamkeit des Kaufvertrages im übrigen nach § 6 Abs. 1 AGB nicht berührt. Denn die genannten Regelungen haben, wovon auch das Berufungsgericht im Grundsatz ausgeht, einen das gesetzliche Hauptleistungsversprechen “verändernden” Charakter. Somit kann auch ohne diese Regelung ein wirksamer Vertrag angenommen werden, dessen wesentlicher Inhalt bestimmbar ist (Senat aaO, Umdruck S. 10). Die von der Beklagten geschuldete Leistung ergibt sich dann aus § 6 Abs. 2 AGBG i.V. mit § 433 Abs. 1 BGB und verpflichtet die Beklagte, wozu sie auch bereit ist, den Klägern das gekaufte Recht zu verschaffen, d.h. für die Eintragung des Rechts im Grundbuch Sorge zu tragen. Denn ein solches Dauerwohnrecht kann mehreren Bewohnern nach Bruchteilen zustehen und ist mit diesem Inhalt eintragungsfähig.

Da das Berufungsgericht die Nichtigkeit des Vertrages aus einer Gesamtschau der den Käufer belastenden Bestimmungen folgert, dabei aber in erster Linie darauf abhebt, daß den Klägern fälschlich der Eindruck der Übertragung eines Dauerwohnrechtes vermittelt worden sei, wird seinen Erwägungen die entscheidende Grundlage entzogen, wenn die Kläger die Eintragung dieses Rechtes von der Beklagten tatsächlich fordern können.

Da es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, hat der Senat selbst zu würdigen, ob die weiteren vom Berufungsgericht hervorgehobenen Vertragsbestimmungen zu einer Nichtigkeit des Vertrages unter dem Gesichtspunkt des § 9 AGBG führen könnten. Das ist nicht der Fall. Was für den Kunden, wie das Berufungsgericht meint, nicht durchschaubar gewesen sein soll, weil es sich bei Verkäufer und Treuhänder um zwei verschiedene Personen handelt, ist nicht nachvollziehbar. Das Berufungsgericht verweist selbst darauf, daß den Kunden Zahlung ausdrücklich auf das Konto des Treuhänders aufgegeben worden ist. Allenfalls die Frage, wer von den beiden Vertragspartnern vom Kunden Zahlung verlangen kann, hätte zu einem Irrtum, und damit zu Rechtsnachteilen für den Kunden, führen können. Auch die weiteren von den Klägern beanstandeten Regelungen benachteiligen sie nicht entgegen den gesetzlichen Vorschriften (§ 9 Abs. 1 AGBG) unangemessen. Daß der Käufer beim Time-Sharing-Modell neben dem Kaufpreis Servicegebühren entrichten muß, entspricht der Natur des verkauften Rechtes. Dies ist überdies nicht nur dem Kaufvertrag deutlich zu entnehmen, wo die Gebühr für 1991 ausdrücklich zusätzlich zum Kaufpreis gefordert wird, sondern auch der zugleich vom Kläger unterschriebenen gesonderten Erklärung, in der nochmals ausdrücklich auf die zusätzliche Gebührenforderung verwiesen wird. Daß die Höhe der Gebühren sich in Zukunft würde ändern können, ist weder überraschend noch unbillig, sondern liegt bei Entgelten für zukünftige Dienstleistungen nahe.

Der Senat hat bei dieser Lage in dem Parallelfall bereits ausgesprochen, daß gegen eine Durchführung des Kaufvertrages mit dem vom Senat festgestellten gesetzlichen Inhalt rechtliche Bedenken nicht bestehen.

Das Berufungsurteil kann danach mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.

III.

Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).

1. a) Das Berufungsgericht hat von seinem Standtpunkt aus folgerichtig offengelassen, ob der Vertrag unter § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Haustürwiderrufsgesetzes zu fassen und deshalb gemäß § 2 Abs. 1 letzter Satz des Gesetzes wirksam von den Klägern widerrufen worden ist. Weder die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen noch der Klägervortrag ermöglichen es, die vom Berufungsgericht nicht getroffene rechtliche Schlußfolgerung nachzuholen. Der Klagevortrag reicht dazu nicht aus:

Das Berufungsgericht meint, die Beklagten hätten jedenfalls den Vortrag der Kläger nicht ausreichend substantiiert bestritten, daß sie – was die Merkmale des Haustürwiderrufsgesetzes ausfülle – von Mitarbeitern der Beklagten am Urlaubsort auf öffentlich zugänglichen Gehwegen angesprochen worden seien, wobei sie sich lediglich über deren Angebote hätten informieren wollen, gleichwohl aber zu dem Abschluß eines Kaufvertrages gedrängt worden seien.

b) Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision mit Erfolg. Sie verweist zu Recht darauf, das Berufungsgericht habe ihren Vortrag in der Berufungserwiderung übergangen, daß nach ihren Ermittlungen die Kläger bei der Rückkehr von einem Ausflug von sich aus in das Verkaufsbüro der Beklagten eingekehrt seien und aus Interesse an einer Verkaufsveranstaltung teilgenommen hätten. Dieses vom Berufungsgericht nicht in seine Erwägungen mit einbezogene Vorbringen ist hinreichend substantiiert und hätte die Kläger zum Beweis ihres Vortrages gezwungen, daß sie von Mitarbeitern der Beklagten auf öffentlichen Wegen angesprochen und dadurch (kausal) zum Vertragsabschluß gedrängt worden seien. Die Revisionserwiderung verweist jedoch nicht auf entsprechende Beweisangebote in den Tatsacheninstanzen.

2. a) Das Berufungsgericht hat weiter offengelassen, ob der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei. Der Senat verneint die Frage, weil hierfür hinreichende Anhaltspunkte nicht vorgetragen sind.

Die Revision verweist insoweit zu Recht darauf, daß schon der Vortrag der Kläger nicht ausreicht, um ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung darzutun. Die Kläger machen geltend, sie hätten zwar nach § 2 des Vertrages ein Dauerwohnrecht von zwei Wochen pro Jahr erworben, wohingegen sich § 3 der Vereinbarung lediglich auf sieben Kalendertage beziehe. Sie übersehen dabei jedoch, daß es sich bei den in § 3 genannten sieben Kalendertagen nicht um die Zeit des Wohnrechtes, sondern um die Frist für die Zahlung des Kaufpreises handelt. Die Multiplizierung des gezahlten Nutzungsentgelts kann daher nicht, wie die Kläger dies tun, mit dem Faktor 52, sondern nur mit dem Faktor 26 erfolgen. Der “Gesamtpreis” für das Appartement, an dem das Nutzungsrecht bestellt worden ist, läge danach nicht, wie die Kläger errechnen, bei 499.200 DM, sondern bei 249.600 DM. Ob dieser oder sogar der von den Klägern errechnete doppelt so hohe Preis in einem auffälligen Mißverhältnis zu der den Klägern überlassenen Leistung steht (vgl. dazu im einzelnen: Senat, BGHZ 125, 218, 226 ff), ließe sich aber nur folgern, wenn mindestens die Größe des Appartements, seine Ausstattung, seine Lage und der in der dortigen Gegend für vergleichbare Objekte zu erzielende Preis gegenübergestellt worden wären. Insoweit fehlt es jedoch an jeglichem tatsächlichen Vortrag der Kläger. Allein aus einer Hochrechnung des gezahlten Preises läßt sich für den Senat nicht einmal schlüssig das Vorliegen eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Preis und Leistung folgern, das ihm Anlaß bieten könnte, die Sache zur Aufklärung der tatsächlichen Werte an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Das landgerichtliche Urteil ist daher mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO unter Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es zum Nachteil der Beklagten ergangen ist, wiederherzustellen.

 

Unterschriften

Hagen, Lambert-Lang, Wenzel, Tropf, Krüger

 

Fundstellen

Haufe-Index 1368867

IPRspr. 1996, 34

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