Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung der Verjährung eines Pflichtteilsanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Unterbrechung der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs durch Auskunft des Erben gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten als unterbrechendes Anerkenntnis.

 

Normenkette

BGB §§ 208, 2332 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Dezember 1985 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten, seiner Stiefmutter, den Pflichtteil nach seinem am 26. Oktober 1980 verstorbenen Vater (Erblasser).

In dem Ehegattentestament des Erblassers mit der Beklagten ist diese als Alleinerbin und sind der Kläger als befreiter Vorerbe und dessen Sohn als Nacherbe des Längstlebenden eingesetzt worden. Dieses Testament wurde dem Kläger durch Mitteilung des Amtsgerichts vom 5. November am 21. November 1980 übersandt.

Mit Schreiben vom 19. Oktober 1983 an die Beklagte machte der Kläger seinen Pflichtteil unter Fristsetzung bis zum 24. Oktober 1983 geltend. Er forderte von der Beklagten unter Hinweis auf die drohende Verjährung auch Auskunft über den Nachlaß. Am 31. Oktober 1983 kam es zu einem Telefongespräch zwischen dem damaligen Rechtsanwalt des Klägers, seinem jetzigen Streithelfer, und dem Bürovorsteher des von der Beklagten erst an diesem Tage beauftragten Anwalts. Dieses Telefongespräch bestätigte der Streithelfer des Klägers am gleichen Tage. Mit Schreiben vom 11. November 1983 ließ die Beklagte Auskunft über den Nachlaß erteilen. Dieses Schreiben beginnt nach einer Bezugnahme auf das Schreiben vom 19. Oktober 1983 mit dem Satz:

"Ich hatte zwischenzeitlich Gelegenheit, mit (der Beklagten) Rücksprache zu nehmen. Die von Ihrem Mandanten ... gewünschte Auskunft, insoweit wird auf die Einrede der Verjährung verzichtet, erteile ich namens meiner Auftraggeberin wie folgt: ..."

Der Kläger hat mit Schreiben vom 9. Dezember 1983 die Zahlung des von ihm errechneten Pflichtteils gefordert und mit am 3. Februar 1984 eingereichtem Schriftsatz Stufenklage erhoben. Die Beklagte beruft sich auf Verjährung. Hilfsweise beantragt sie Stundung.

Das Landgericht hat die Verjährungseinrede durchgreifen lassen. Auf die Berufung des Streithelfers des Klägers hat das Oberlandesgericht den Zahlungsanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.

 

Entscheidungsgründe

Der Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von dem Eintritt des Erbfalles und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung erlangt, § 2332 Abs. 1 BGB. Falls der Kläger diese Kenntnis nicht schon vor der Übersendung des Testaments (21. November 1980) hatte, ist entscheidend, ob vor dem 21. November 1983 der Lauf der Verjährungsfrist unterbrochen oder ob seitens der Beklagten auf die Verjährungseinrede verzichtet worden ist. Die erst am 3. Februar 1984 eingereichte Klage konnte nicht mehr unterbrechen.

1.

In dem Schreiben des damaligen Anwaltes der Beklagten vom 11. November 1983 sieht das Berufungsgericht ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis. Grundsätzlich sei in der Erteilung der Auskunft nach § 2314 BGB auch ein Anerkenntnis des Pflichtteilsanspruches gemäß § 208 BGB enthalten. Etwas anderes möge bei ausdrücklicher Nichtanerkennung eines Zahlungsanspruches gelten. Aus dem Schreiben vom 11. November 1983 könne allenfalls entnommen werden, daß bezüglich des Zahlungsanspruches auf die Verjährungseinrede nicht verzichtet werde. Damit habe die Beklagte aber noch nicht den Anspruch als solchen in Zweifel gezogen. Ein solcher Hinweis spreche im Gegenteil gerade dafür, "daß man sich des Bestands des Anspruchs bewußt" sei.

Diesen Ausführungen kann nicht entnommen werden, daß die Beklagte das für ein Anerkenntnis notwendige Bewußtsein vom Bestehen eines Pflichtteilsanspruches des Klägers wirklich hatte.

Das Berufungsgericht bezieht sich unter anderem auf die Senatsrechtsprechung zu einem solchen Anerkenntnis. In dem im Berufungsurteil genannten Senatsurteil vom 19. Juni 1985 (IVa ZR 114/83, NJW 1985, 2495 = WM 1985, 1211, insoweit BGHZ 95, 76 nicht abgedruckt) heißt es aber unter I. 1., das Bewußtsein des Schuldners vom Bestehen des Anspruchs müsse sich unzweideutig ergeben; ob eine Auskunft reiche, hänge von den Umständen ab und bedürfe der tatrichterlichen Würdigung. Eine solche Würdigung muß sich auf alle Einzelumstände erstrecken. Die Begründung des Berufungsurteils enthält eine solche umfassende Würdigung nicht, zumindest nicht hinsichtlich der Frage, ob die Beklagte als Erbin den Pflichtteilsanspruch als bestehend anerkennen wollte und das dafür notwendige Bewußtsein hatte. Möglicherweise gingen die Beklagte und ihr damaliger Anwalt davon aus, die Verjährung des Pflichtteilsanspruches sei bereits eingetreten. Der Streithelfer des Klägers hatte in seinem Schreiben vom 31. Oktober 1983 die Ankündigung zur Auskunftserteilung bestätigt, nicht aber die Erklärung eines Verzichts. Insoweit hatte er nur geschrieben, er gehe davon aus, daß eine Einrede nicht erhoben werde. Wenn darauf die Beklagte nach Rücksprache mit ihrem Anwalt lediglich antworten ließ, daß hinsichtlich der gewünschten Auskunft auf die Verjährung verzichtet werde, wollte sie damit möglicherweise deutlich machen, daß sie bei Geltendmachung eines etwa bezifferten Pflichtteilsanspruches nicht zahlen werde. Also kann sie damit entgegen der im Berufungsurteil geäußerten Ansicht den Anspruch als solchen, seinen Bestand in Zweifel gezogen haben. Lediglich allgemeiner Art und nicht konkret genug auf den Fall bezogen ist demgegenüber die Erwägung des Berufungsgerichts, ein solcher Hinweis spreche dafür, "man" sei sich des Anspruchs bewußt.

Im Senatsurteil vom 3. Oktober 1984 (IVa ZR 56/83, WM 1984, 1649 = LM BGB § 2314 Nr. 13 = FamRZ 1985, 178 und 589 = NJW 1985, 384) wird besonders hervorgehoben, daß zu einem Anerkenntnis im Sinne von § 208 BGB mehr als eine Erklärung gehört, die nur das Bewußtsein erkennen läßt, der Anspruch könne möglicherweise bestehen. Nötig ist vielmehr ein Verhalten des Schuldners, aus dem sich unzweideutig ergibt, daß er den Anspruch als bestehend ansieht.

Danach wird das Berufungsgericht auch zu bedenken haben, daß der Pflichtteilsanspruch selbst und der Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses verschiedene Ansprüche selbst dann sind, wenn der Auskunftanspruch nicht einem sonstigen Erbrecht, sondern nur dem Pflichtteilsanspruch dienen soll (vgl. Senatsurteil vom 3.10.1984 aaO). Deshalb braucht nicht jede Auskunft ein Anerkenntnis zu sein. Immerhin war die Beklagte das Risiko eingegangen, bis zum 31. Oktober 1983 mit dem Gang zu ihrem Anwalt zu warten, obwohl ihr doch im Schreiben vom 19. unter kurzer Fristsetzung bis zum 24. Oktober 1983 und unter Hinweis auf die Verjährungsfrist Klage angedroht worden war. Das kann darauf hindeuten, daß sie sich nach Möglichkeit einem Anspruch entziehen wollte. Dann aber erhält die Einschränkung im Schreiben der Beklagten vom 11. November 1983 möglicherweise mehr Gewicht, als das Berufungsgericht ihr zubilligen will.

2.

Die angefochtene Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).

Der vom Berufungsgericht verneinte Verzicht auf die Verjährungseinrede vor dem Verjährungseintritt hätte ohnehin nur bewirken können, daß die Erhebung der Einrede treuwidrig wäre, solange der Kläger im Vertrauen auf eine Verzichtserklärung die Klageerhebung unterlassen hätte (BGH Urteil vom 18.12.1981 - V ZR 220/80 - VersR 1982, 365, 366 m.w.N.). Ob die vorliegende Klage innerhalb eines solchen Zeitraums erhoben worden ist, kann unentschieden bleiben.

Zwar meint der Streithelfer des Klägers in seiner Revisionserwiderung wie in den Vorinstanzen, bei seinem Telefongespräch am 31. Oktober 1983 mit dem Bürovorsteher des Rechtsanwalts der Beklagten sei auf die Einrede der Verjährung verzichtet worden. Dagegen hat das Berufungsgericht die in erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme dahin gewürdigt, daß die Erklärung eines Verzichtes anläßlich dieses Telefongespräches vom dafür beweispflichtigen Kläger nicht bewiesen sei. Es hat in Kenntnis der vom Streithelfer des Klägers gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts vorgebrachten Bedenken auf diese Würdigung Bezug genommen und ist ihr in vollem Umfang gefolgt. Diese tatrichterliche Würdigung enthält keinen Rechtsfehler.

Deshalb kommt es nicht auf die weiter erörterte Frage an, ob der Bürovorsteher überhaupt für eine solche Verzichtserklärung als bevollmächtigt angesehen werden konnte.

Ein Schweigen auf das nach diesem Telefongespräch an den Anwalt der Beklagten - und nicht an dessen Bürovorsteher - gerichtete Bestätigungsschreiben des Streithelfers vom 31. Oktober 1983 kann als Verzichtserklärung nicht in Betracht kommen. Der damalige Anwalt der Beklagten hat nicht geschwiegen, sondern in angemessener Frist am 11. November 1983 geantwortet.

3.

Demgemäß muß das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen werden.

Sollte das Berufungsgericht bei seiner erneuten Würdigung wiederum zu dem Ergebnis kommen, die Beklagte habe mit dem Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 11. November 1983 das Bestehen des Pflichtteilsanspruches anerkennen wollen, dann wird es Gelegenheit haben, auf die weiteren Revisionsrügen der Beklagten zur Frage einer früheren Kenntnis des Klägers von der Enterbung einzugehen.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Rottmüller

Dr. Lang

Dehner

Dr. Zopfs

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456196

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