Leitsatz (amtlich)
›Zu den Anforderungen an die Unterzeichnung einer Berufungsschrift.‹
Verfahrensgang
Thüringer OLG |
LG Mühlhausen |
Tatbestand
Die Klägerin hat durch Schriftsatz ihres zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwalt K., gegen ein klageabweisendes Urteil Berufung eingelegt. Unterzeichnet ist dieser Schriftsatz wie folgt (I 164(:
Berufungsanträge und -begründung bleiben einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten.
K.
Rechtsanwalt
Da Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Berufungsschrift nicht unterschrieben, sondern nur paraphiert sei. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe
Das ohne weiteres zulässige (§ 547 ZPO) Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Schriftzug, mit dem Rechtsanwalt K. die Berufungsschrift abgezeichnet habe, lasse nicht die Absicht erkennen, eine volle Schrift zu leisten. Er sei vielmehr ein abgekürztes Handzeichen, weil er nur aus einem großen "K" bestehe. Der kurze Aufstrich am Ende kennzeichne nicht die weiteren sieben Buchstaben, aus denen sich der Name des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten zusammensetze. Dessen sonstige Unterschriften in den Gerichtsakten unterschieden sich deutlich von dem Schriftzug auf der Berufungsschrift.
II. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist bei bestimmenden Schriftsätzen die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers erforderlich, um diesen unzweifelhaft identifizieren zu können (BGHZ 92, 251, 254 = NJW 1985, 328; BGHZ 97, 251, 253 = NJW 1986, 1760; BGH, Urt. v. 9. November 1988 - I ZR 149/87, NJW 1989, 588; v. 22. Oktober 1993 - V ZR 112/92, NJW 1994, 55; v. 18. Januar 1996 - III ZR 73/95, NJW 1996, 997). Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und den Zweck der Formvorschrift. Eine Unterschrift setzt danach einen individuellen Schriftzug voraus, der sich - ohne lesbar sein zu müssen- als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen läßt. Ein Schriftzug, der als bewußte und gewollte Namensabkürzung erscheint (Handzeichen, Paraphe), stellt demgegenüber keine formgültige Unterschrift dar (BGH, Beschl. v. 13. Juli 1967 - Ia ZB 1/67, NJW 1967, 2310; v. 11. Oktober 1984 - X ZV 11/84, NJW 1985, 1227; v. 29. Oktober 1986 - IVa ZB 13/86, NJW 1987, 1333, 1334; Urt. v. 9. November 1988 - I ZR 149/87, NJW 19889, 588; Beschl. v. 8. Oktober 1991 - XI ZB 6/91, NJW 1992, 243; Urt. v. 22. Oktober 1993 - V ZR 112/92, NJW 1994, 55; v. 18. Januar 1996 - III ZR 73/95, NJW 1996, 997). Ob ein Schriftzug eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung darstellt, beurteilt sich dabei nach dem äußeren Erscheinungsbild (BGH, Urt. v. 11. Februar 1982 - III ZR 39/81, NBJW 1982, 1467; v. 20. November 1986 - III ZR 18/86, NJW 1987, 957; v. 22. Oktober 1993 - V ZR 112/92, NJW 1994, 55).
Mit Rücksicht darauf, daß das Unterschriftserfordernis bei Benutzung der modernen Kommunikationsmittel zunehmend gelockert wird, ist allerdings gefordert worden, das Problem allgemein neu zu überdenken (vgl. BFH BB 1996, 520 f m. Anm. Woerner; Zöller/Greger, ZPO 20. Aufl. 1996 § 130 Rdnr. 11). Ob tatsächlich eine "schwer zu rechtfertigende Ungleichbehandlung" zu Lasten derjenigen, die sich der herkömmlichen Briefpost bedienen, vorliegt, und wie gegebenenfalls diese Ungleichbehandlung aus der Welt geschafft werden kann, braucht der Senat im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.
2. Der von den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin bei Einlegung der Berufung geleistete Schriftzug genügt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - noch den an eine Unterschrift zu stellenden Anforderungen.
a) In Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, ist insoweit ein großzügiger Maßstab anzulegen, wenn die Autorenschaft gesichert ist (BGH, Beschl. v. 29. Oktober 1986 - IVa ZB 13/86, NJW 1987, 1333, 1334; vgl. auch BVerfGE 89, 123, 126). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht nicht bezweifelt, daß der Schriftzug auf der Berufungsschrift von Rechtsanwalt K. selbst hinzugefügt worden ist. Für solche Zweifel gab - und gibt - es auch keinen Anlaß. Die strenge Sichtweise des Berufungsgerichts war deshalb unangebracht.
b)Das handschriftliche Gebilde, mit dem Rechtsanwalt K. die Berufungsschrift gezeichnet hat, steht - wie auch das Berufungsgericht nicht in Frage stellt - für einen Namen. Es ist von individuellem Gepräge und hat charakteristische Merkmale, welche die Identität dessen, von dem es stammt, ausreichend kennzeichnen. Abgesehen davon, daß das Zeichen aus wenigen Strichen besteht, deutet nichts darauf hin, daß es sich um eine Abkürzung handeln könnte. Es mag angehen, daß das Berufungsgericht die drei steil und gerade verlaufenden Ab- und Aufstriche als ein großes "K" gedeutet hat. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts spricht aber alles dafür, daß der kürzere, flacher ansteigende und leicht gekrümmte weitere Aufstrich, mit dem das "K" ausläuft, für den Rest des Namens stehen soll. Für eine andere Deutung ist nichts ersichtlich.
c) Ferner hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, daß der Schriftzug mit dem in Schreibmaschinenschrift eingesetzten vollen Namen "K." des Prozeßbevollmächtigten unterlegt worden ist (vgl. in diesem Zusammenhang BGH, Beschl. v. 8. Oktober 1991 - XI ZB 6/91, NJW 1992, 243). Dies ist - wie sich aus der Verwendung einer anderen Type und der Paßungenauigkeit der Unterschriftszeile ergibt - nachträglich geschehen, nachdem der Text des Schriftsatzes bereits geschrieben war. Dieser Aufwand wäre unerklärlich, wenn Rechtsanwalt K. das Schriftstück nur für den inneren Betrieb mit einer Abkürzung seines Namens (Paraphe) hätte abzeichnen wollen.
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO), und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen
DStR 1997, 1653 |
HFR 1998, 312 |
NJW 1997, 3380 |
BGHR ZPO § 130 Nr. 6 Unterschrift 12 |
FuR 1997, 354 |
MDR 1997, 1052 |
VersR 1998, 340 |