Leitsatz (amtlich)
›Dem Anspruch einer in mehreren Privathaushalten als Putzhilfe beschäftigten Verletzten auf Ersatz ihres unfallbedingten Verdienstausfalls kann der Schädiger nicht entgegenhalten, daß ihre einzelnen, i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB IV "geringfügigen" Beschäftigungen, die zusammen aber die Grenze der "Geringfügigkeit" überschreiten und daher sozialversicherungspflichtig sind, der Einzugsstelle nicht gemeldet worden sind.‹
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. |
OLG Karlsruhe |
Tatbestand
Die damals 57-jährige Klägerin wurde, als sie am 2. September 1990 in G. die Straße überquerte, von dem Beklagten mit seinem Triathlonfahrrad angefahren. An diesem Tag fand in G. ein Weinfest statt; es herrschte in dem Ort ein reger Publikumsverkehr.
Die Klägerin erlitt durch die Kollision zahlreiche Verletzungen, derentwegen sie bis zum 31. Januar 1991 ihrer Tätigkeit als Putzhilfe in drei Haushalten nicht nachging. Aus diesen Beschäftigungsverhältnissen, die jeweils den Geringfügigkeitsvoraussetzungen des § 8 SGB IV entsprachen, erzielte die Klägerin Einnahmen in Höhe von 50 DM, 60 DM und 75 DM wöchentlich.
Die Klägerin, die dem Beklagten vorwirft, er sei mit einer zu hohen, den Verkehrsverhältnissen nicht angepaßten Geschwindigkeit gefahren, verlangt von dem Beklagten neben einem Schmerzensgeld und dem Ersatz von Sachschäden sowie den Kosten für medizinische Gutachten den Ersatz ihres unfallbedingten Verdienstausfalls, den sie auf 4.070 DM beziffert hat. Sie räumt ein Mitverschulden von 25 % ein. Der Beklagte will sich nur einen Haftungsanteil von 25 % anrechnen lassen. Er macht geltend, die Klägerin habe, ohne auf den Verkehr zu achten, die Fahrbahn zu überqueren begonnen; sie sei dann auf der Fahrspur stehen geblieben und habe anschließend noch falsch reagiert, indem sie die Überquerung der Straße fortgesetzt habe.
Das Landgericht hat, ausgehend von einem Mitverschulden der Klägerin in Höhe von 25 %, den Klageansprüchen nur zum Teil stattgegeben. Nach seiner Auffassung haben die Unfallverletzungen nur zu einem Verdienstausfall von 3.415 DM geführt, so daß unter Berücksichtigung des Mitverschuldens der Klägerin auf diesen Anspruch ein Betrag von 2.561, 25 DM entfällt.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage hinsichtlich des Verdienstausfallanspruchs der Klägerin voll abgewiesen. Es hat - beschränkt auf die Ersatzfähigkeit des Verdienstausfallschadens - die Revision zugelassen.
Mit der Revision erstrebt die Klägerin hinsichtlich des Verdienstausfallanspruchs die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht ist mit dem Landgericht der Auffassung,. daß der Beklagte die Kollision mit der Klägerin schuldhaft verursacht hat und ihr deshalb nach § 823 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist. Der auffällige Fahnen- und andere Straßenschmuck in der Ortschaft habe den Beklagten auf das Weinfest in G. hingewiesen; er habe deshalb nicht darauf vertrauen dürfen, daß sich die Fußgänger korrekt verhalten und ihm auf der Straße den Vorrang einräumen würden. Dieser besonderen Verkehrslage habe er mit seiner Geschwindigkeit, die nach seinen eigenen Angaben 30 bis 35 km/h betragen habe, nicht Rechnung getragen und damit gegen § 3 StVO verstoßen. Andererseits müsse sich die Klägerin ein mit 60 % zu bewertendes Mitverschulden entgegenhalten lassen; sie habe unter Verletzung des § 25 Abs. 3 StVO nicht den Vorrang des Fahrzeugverkehrs auf der Fahrbahn beachtet. Hinsichtlich des geltend gemachten Verdienstausfalls komme ein Schadensersatzanspruch der Klägerin schon dem Grunde nach nicht in Betracht. Die Verträge, die ihrer Tätigkeit als Putzhilfe zugrunde lägen, seien deshalb, weil die Beschäftigungen in ihrem Einvernehmen unter Verstoß gegen § 104 SGB IV der Einzugsstelle nicht gemeldet worden seien, nach § 134 BGB nichtig. Das folge aus den Rechtsgrundsätzen, die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 31. Mai 1990 - VII ZR 336/89 - NJW 1990, 2542 f. - zur Nichtigkeit von Schwarzarbeitsverträgen entwickelt habe. Ebenso wie das Schwarzarbeitsgesetz diene auch das Gesetz zur Einführung eines Sozialversicherungsausweises und zur Änderung anderer Sozialgesetze vom 6. Oktober 1989 (BGBl. I S. 1822), durch das für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse die Meldepflicht eingeführt worden sei, der Bekämpfung der Schwarzarbeit; ebenso wie im Fall des Schwarzarbeitsgesetzes könne auch hier der Gesetzeszweck nur erreicht werden, wenn solche Verträge als nicht rechtswirksam angesehen würden, so daß der entgangene Gewinn aus solchen Beschäftigungsverhältnissen nicht ersatzpflichtig sei.
II. Diese Erwägungen halten einer Nachprüfung nicht stand.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Verträge über die Beschäftigungsverhältnisse, aus denen die Klägerin ihren Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls herleitet, nicht wegen Verstoßes gegen die Meldepflicht nach § 104 SGB IV nichtig.
Zwar ist dem Berufungsgericht in der Auffassung zuzustimmen, daß der Geschädigte als entgangenen Gewinn nicht fordern kann, was er nur mit rechtswidrigen Mitteln erlangt. hätte; er soll im Wege des Schadensersatzes nicht einen Gewinn erhalten, dessen Erzielung andere gesetzliche Vorschriften gerade verhindern wollen oder - wie die Vorschriften der Arbeitszeitordnung - zumindest mißbilligen (vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 1986 - VI ZR 151/84 - VersR 1986, 596, 598). Es ist ferner richtig, daß ein Vertrag, durch den beide Seiten gegen das Schwarzarbeitsgesetz verstoßen haben, grundsätzlich gemäß § 134 BGB nichtig ist (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 - VII ZR 336/89 - aaO). Ein solcher Verstoß liegt hier aber nicht vor. Es kann auch auf sich beruhen, ob die Erwägungen, die dieser Entscheidung zugrunde liegen, auf einen Verstoß gegen die Vorschriften des Gesetzes zur Einführung eines Sozialversicherungsausweises und zur Änderung anderer Sozialgesetze schon deshalb,. weil auch dieses Gesetz der Bekämpfung illegaler Beschäftigung dient, übertragbar sind. Denn nach § 109 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV gelten die Vorschriften dieses Gesetzes, das mit seinem hier interessierenden Teil als sechster Abschnitt in das SGB IV eingefügt worden ist, nicht für Beschäftigte im Haushalt, wenn die einzelne Beschäftigung die Grenzen des § 8 Abs. 1 SGB IV nicht überschreitet. Um einen solchen Fall geht es hier. Die Klägerin war, wie sich aus dem Urteil des Landgerichts ergibt, in drei Haushalten als Putzhilfe tätig. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts entsprachen diese Beschäftigungsverhältnisse einzeln für sich den Geringfügigkeitsvoraussetzungen dieser Vorschrift. In derartigen Fällen entfällt nach § 109 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV die Meldepflicht des Arbeitgebers, der nach § 104 Abs. 1 SGB IV der Einzugsstelle, d.h. der Krankenkasse (§ 102 Abs. 2 i.V.m. § 28 h SGB IV), generell jede geringfügige Beschäftigung zu melden hat. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß die Klägerin in mehreren Haushalten als geringfügig Beschäftigte tätig war und nach § 8 Abs. 2 SGB IV mehrere geringfügige Beschäftigungen zusammenzurechnen sind. Denn § 109 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV stellt ausdrücklich klar, daß die Regelungen des sechsten Abschnitts des SGB IV - und damit auch die Meldepflicht nach § 104 Abs. 1 SGB IV - nicht für Beschäftigte im Haushalt gelten, wenn die "einzelne Beschäftigung" die Grenzen des § 8 Abs. 1 SGB IV nicht überschreitet (vgl. auch die amtliche Begründung BT-Drucks. 11/2807 S. 16). Das entspricht im übrigen auch dem erklärten Ziel des Gesetzgebers, die Arbeitgeber von Beschäftigten in privaten Haushalten von der Meldepflicht auszunehmen (vgl. BT-Drucks. 11/2807 S. 11).
Weitere Gründe, die der Rechtswirksamkeit des Anspruchs der Klägerin auf Ersatz ihres unfallbedingten Erwerbsschadens entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Das gilt auch dann, wenn - was das Berufungsgericht nicht feststellt - die Klägerin die Beschäftigungsverhältnisse von vornherein in der Absicht eingegangen wäre, etwa geschuldete Sozialversicherungsbeiträge nicht abzuführen. Wird die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 SGB IV überschritten, weil nach § 8 Abs. 2 SGB IV mehrere geringfügige Beschäftigungen zusammenzurechnen sind, so führt dies zwar zur Versicherungspflicht. Eine weitergehende Rechtsfolge, auf die sich der Schädiger zur Entlastung berufen könnte, ist mit dieser Vorschrift jedoch nicht verbunden, insbesondere gibt das Gesetz keinen Anhalt für die Annahme, daß sich die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen, auch wenn sie von vornherein geplant gewesen sein sollte, auf die Rechtswirksamkeit der Verträge auswirkt, die den einzelnen geringfügigen Beschäftigungen zugrunde liegen.
III. Das Berufungsurteil war somit aufzuheben und die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht erhält damit Gelegenheit, auch die Abwägung der Verursachungsbeiträge zu überprüfen. Seine Erwägungen lassen nicht erkennen, daß es das Verschulden des Beklagten in seinem vollen Ausmaß in die Abwägung nach § 254 Abs. 1 BGB einbezogen hat. Der Beklagte war nicht nur wegen der besonderen Verkehrslage, die in der Ortschaft wegen des Weinfestes herrschte, zu einer rücksichtsvollen und angepaßten Fahrweise verpflichtet. Vielmehr war für ihn dadurch, daß die Klägerin die Straße betreten hatte und auf der Fahrbahn stehengeblieben war, eine unklare Verkehrssituation entstanden. In dieser Verkehrslage gab es für ihn nur eine Verhaltensmaßnahme, nämlich seine Geschwindigkeit sofort so weit herabzusetzen, daß er notfalls noch vor der Gefahrenstelle anhalten konnte (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 1990 - VI ZR 340/89 - VersR 1991, 320, 321 m.w.N.). Stattdessen ist der Beklagte, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei feststellt, unter Steigerung seiner Geschwindigkeit und Überholen eines vor ihm fahrenden Radfahrers, der wegen der Verhaltensweise der Klägerin seine Geschwindigkeit reduziert hatte, in diese unklare Verkehrssituation hineingefahren.
Fundstellen
Haufe-Index 2993248 |
DB 1994, 2286 |
NJW 1994, 851 |
BGHR SGB IV § 104 Haushaltshilfe 1 |
DRsp I(123)383b |
ZIP 1994, 552 |
DAR 1994, 198 |
MDR 1994, 253 |
VersR 1994, 355 |
ES Kfz-Schaden L-1/42 |
r s 1994, 139 |