Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehemals volkseigene Grundstücke. Ausgleichsleistungsgesetz. Relatives Veräußerungsverbot. Anspruch auf Löschung von Hypotheken. Verbilligt erworbene Grundstücke
Leitsatz (amtlich)
a) § 3 Abs. 10 AusglLeistG enthält ein relatives Veräußerungsverbot.
b) § 3 Abs. 10 AusglLeistG steht nur der Veräußerung nach diesem Gesetz erworbener Grundstücke entgegen; andere Verfügungen werden von dem Verbot nicht erfasst, ebenso wenig eine im Wege der Zwangsvollstreckung eingetragene Hypothek.
Normenkette
AusglLeistG § 3 Abs. 10
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Rostock vom 26.4.2007 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die B. (B.) war als Eigentümerin einer Vielzahl ehemals volkseigener Grundstücke in W. im Grundbuch eingetragen. Aufgrund Vereinbarung mit der Klägerin wurden die Grundstücke mit Bescheid vom 1.4.1996 dieser zugeordnet. Ohne dass der Eigentumswechsel im Grundbuch verlautbart war, verkaufte die Klägerin im eigenen Namen und als Vertreterin der B. die Grundstücke zusammen mit weiteren noch als volkseigen in Rechtsträgerschaft eines Forstwirtschaftsbetriebs gebuchten Grundstücken mit Notarvertrag vom 6.12.1996 nach dem Ausgleichsleistungsgesetz verbilligt an eine zwischen den Eheleuten R. vereinbarte Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) und ließ die Grundstücke den Eheleuten R. als Gesellschaftern auf. Die GbR verpflichtete sich zur forstwirtschaftlichen Nutzung der Grundstücke und dazu, über diese nicht ohne Zustimmung der Klägerin zu verfügen. Ein Verstoß gegen die Bewirtschaftungsverpflichtung oder das Verfügungsverbot berechtigte die Klägerin zum Rücktritt vom Vertrag. Zur Sicherung des aus einem Rücktritt folgenden Anspruchs auf Auflassung der Grundstücke bewilligten die Käufer die Eintragung einer Vormerkung. In § 8 Abs. 1 des Vertrags stellten die Vertragsparteien fest, dass die Grundstücke dem Verbot von § 3 Abs. 10 AusglLeistG unterlägen und ohne Genehmigung der Verkäuferin nicht veräußert werden dürften.
[2] Am 21.12.1998 wurde die Auflassung der Grundstücke im Grundbuch vollzogen. In Abteilung II des Grundbuchs wurde zugleich eingetragen: "Veräußerungsverbot mit Genehmigungsvorbehalt gem. § 3 Abs. 10 AusglLeistG bis 20.12.2018" und "Rückauflassungsvormerkung, bedingt, befristet für die B.".
[3] Am 12.11.2002 erwirkte der Beklagte im Wege der Zwangsvollstreckung die Belastung einzelner Grundstücke mit Sicherungshypotheken. Am 20.12.2002 trat die Klägerin von dem Kaufvertrag zurück. Die Kaufgrundstücke wurden am 16.7.2004 der Klägerin aufgelassen. Am 2.9.2004 "berichtigte" das Grundbuchamt die Eintragung der Vormerkung vom 21.12.1998 "von Amts wegen" dahin, dass die Klägerin "seit dem 21.12.1998 Berechtigte" des gesicherten Anspruchs sei. Am 13.12.2004 wurde sie als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.
[4] Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, der Löschung der für ihn eingetragenen Hypotheken zuzustimmen. Das LG hat der Klage stattgegeben, das OLG hat sie abgewiesen. Mit der von dem OLG zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
[5] Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zur Löschung der Hypotheken. Es meint, aus der eingetragenen Vormerkung könnten sich Ansprüche der Klägerin nur gegen Belastungen ergeben, die nach der Berichtigung der Eintragung vom 2.9.2004 erfolgt seien und damit nicht gegen die zuvor für den Beklagten eingetragenen Hypotheken. Auch aus dem Veräußerungsverbot folge kein Anspruch gegen den Beklagten auf Zustimmung zu der verlangten Löschung. Das Verbot erfasse die Belastung der Grundstücke durch die eingetragenen Hypotheken nicht.
II.
[6] Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
[7] 1. Ein Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zur Löschung der eingetragenen Hypotheken gem. § 888 Abs. 1 BGB besteht nicht. Der zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin auf Übertragung der Grundstücke eingetragenen Vormerkung kommt ein Vorrang ggü. den für den Beklagten eingetragenen Hypotheken nicht zu.
[8] a) Die zugleich mit der Eintragung der Eheleute R. als Eigentümer des Grundstücks eingetragene Vormerkung führte nicht zur Sicherung des im Kaufvertrag für die Klägerin vereinbarten bedingten Rückübertragungsanspruchs, weil durch die Eintragung der B. als Vormerkungsberechtigte nicht die für die Klägerin bewilligte Vormerkung gewahrt wurde (vgl. BGH BGHZ 123, 298, 301).
[9] Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt und die Revision auch nicht in Zweifel zieht, konnte die Eintragung vom 2.9.2004 den Schutz der Klägerin durch die Vormerkung ihres Anspruchs nicht rückwirkend auf den 21.12.1998 herbeiführen. Eine derartige Rückwirkung ist mit der Funktion des Grundbuchs, den bestehenden Rechtszustand zu verlautbaren, unvereinbar.
[10] b) Entgegen der Meinung der Revision kommt es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht die Abtretung eines durch die zunächst eingetragene Vormerkung gesicherten Anspruchs der B. an die Klägerin zu Recht verneint hat. Ein Anspruch der B. auf Übertragung der Grundstücke, der durch die Vormerkung gesichert und den die B. an die Klägerin hätte abtreten können, ist durch den Vertrag vom 6.12.1996 nicht begründet worden.
[11] Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der B. ein Anspruch gegen die GbR auf Übertragung der Grundstücke zustand. Die Frage ist zu verneinen. Zu dieser Feststellung ist der Senat in der Lage, weil weiteres Vorbringen der Parteien insoweit nicht in Betracht kommt. Die Klägerin war Eigentümerin des größten Teils der verkauften Grundstücke. Der Kaufvertrag über sämtliche Grundstücke wurde zwischen ihr und der GbR geschlossen. Ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag wurde nur für die im Vertrag als "Verkäuferin" bezeichnete Klägerin vereinbart. Zu deren Sicherung wurde die Rückerwerbsvormerkung bewilligt. Auch wenn der Verkauf der Grundstücke, wie die Revision geltend macht, im Auftrag der B. geschehen ist, fehlt es an einem Anhaltspunkt in dem Vertrag dafür, dass die Ausübung des der Klägerin eingeräumten Rücktrittsrechts dazu führen sollte, dass die B. die Übertragung der Grundstücke auf sich verlangen können sollte und ein Anspruch der B. durch die einzutragende Vormerkung habe gesichert werden sollen. Das wird durch das Verhalten der Vertragsparteien nach der Erklärung des Rücktritts vom Vertrag durch die Klägerin bestätigt: Die Klägerin hat nach der vorgelegten Klageschrift die Auflassung der Grundstücke aus eigenem Recht verlangt und erreicht. Sie und nicht die B. wurde durch die Eintragung vom 13.12.2004 Eigentümerin der Grundstücke.
[12] 2. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem in das Grundbuch eingetragenen Veräußerungsverbot gem. § 3 Abs. 10 AusglLeistG i.V.m. § 888 Abs. 2 BGB.
[13] a) Allerdings enthält § 3 Abs. 10 AusglLeistG ein für den Schutz des § 888 Abs. 2 BGB erforderliches relatives Veräußerungsverbot i.S.v. § 135 BGB (Hauer in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Loseblattkommentar, Stand Januar 2007, § 3 AusglLeistG, Rz. 183; zweifelnd Kimme/Ludden, Offene Vermögensfragen, Loseblattkommentar, Stand November 2007, § 3 AusglLeistG Rz. 218). Zweck eines absoluten Veräußerungsverbots ist der Schutz der Allgemeinheit oder der Schutz des Verfügenden vor den Folgen seines Handelns (Armbrüster in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 135 Rz. 7; Staudinger/Kohler, BGB [2003], § 135 Rz. 43; ferner Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., §§ 135, 136 Rz. 2, 5; RGRK-BGB, Krüger-Nieland/Zöller, 12. Aufl., § 135 Rz. 11). So verhält es sich bei dem Verbot von § 3 Abs. 10 AusglLeistG nicht. Ziel der Vorschrift ist es, Gewinne aus dem Weiterverkauf nach dem Ausgleichsleistungsgesetz verbilligt erworbener Grundstücke zu verhindern (Meixner in Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, Loseblattausgabe, Stand November 2004, § 3 AusglLeistG Rz. 169; Zilch in Motsch/Rosenbach/Löffler/Schäfer/Zilch, EALG, Loseblattkommentar, Stand 1995, § 3 AusglLeistG Rz. 147), und nicht, den Handel mit Grundstücken zu beschränken oder den Erwerber vor einem Weiterverkauf zu bewahren. Die verbotswidrige Veräußerung ist auch nicht nichtig, sondern genehmigungsfähig. Die Erteilung der Genehmigung hängt davon ab, dass ein im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung erzielter Mehrerlös der Treuhandanstalt oder ihrer Nachfolgerin zufließt, § 10 Abs. 3 Satz 2 AusglLeistG. Das Verbot ist befristet. Es wird erst mit Eintragung in das Grundbuch wirksam, § 3 Abs. 10 Satz 3 AusglLeistG. Das ist mit einer absoluten Wirkung kaum zu vereinbaren. Absolute Veräußerungsverbote sind grundsätzlich weder eintragungs- (Demharter, GBO, 25. Aufl., Anh. zu § 13 Rz. 35) noch rangfähig.
[14] b) § 3 Abs. 10 Satz 1 AusglLeistG steht jedoch nur der Veräußerung nach dem Augleichsleistungsgesetz verbilligt erworbener Grundstücke entgegen. Andere Verfügungen werden von dem Verbot nicht erfasst (Hauer in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., Rz. 222). Im Hinblick auf diese soll nach der gem. § 4 Abs. 3 AusglLeistG zur Regelung der Einzelheiten des verbilligten Verkaufs ehemals volkseigener Grundstücke von der Bundesregierung erlassenen Flächenerwerbsverordnung in den Kaufverträgen vielmehr ein Zustimmungsvorbehalt vereinbart werden, § 12 Abs. 3 FlErwV. Nach der Begründung dieser Bestimmung soll hiervon gerade die Belastung mit Hypotheken erfasst werden (BR-Drucks 741/95 S. 41). Weshalb dabei zwischen rechtsgeschäftlichen Belastungen und Belastungen im Wege der Zwangsvollstreckung zu unterscheiden sei, wie die Revision meint, ist nicht ersichtlich. Der Zweck der Eintragung einer Hypothek in das Grundbuch, die Haftung eines Grundstücks zu begründen, hängt nicht davon ab, ob die Hypothek durch Rechtsgeschäft oder Hoheitsakt begründet wird.
[15] c) Die von dem Ausgleichsleistungsgesetz und der Flächenerwerbsverordnung dem Bereich der Vereinbarung zugewiesene Frage der Belastung ist einer dinglichen Wirkung unzugänglich, vgl. § 137 BGB. Als Mittel der Sicherung des Zustimmungsvorbehalts bieten sich daher die Vereinbarung eines Rechts zum Rücktritt des Verkäufers vom Vertrag und die Sicherung des Anspruchs auf Rückübertragung durch die Bewilligung und Eintragung einer Vormerkung an. Dem entsprechen der Kaufvertrag und die Bewilligung der Eheleute R. vom 6.12.1996. Dass aufgrund der verwirrenden Gestaltung des Vertrages und der Unaufmerksamkeit von Grundbuchamt und Urkundsnotar die Vormerkung zunächst nicht entsprechend ihrer Bewilligung eingetragen worden ist, bedeutet einen Zufall, dem zur Auslegung des Ausgleichsleistungsgesetzes nichts entnommen werden kann. Erst das Zusammenwirken der besonderen Umstände des Falles hat es ermöglicht, dass der Beklagte Rechte an den Grundstücken erworben hat, die trotz des Rücktritts der Klägerin von dem Kaufvertrag gegen diese Bestand haben.
III.
[16] Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
BGHR 2008, 478 |
EBE/BGH 2008 |
NJW-RR 2008, 760 |
NJ 2008, 190 |
Rpfleger 2008, 250 |