Leitsatz (amtlich)
Verschweigt ein Kreditinstitut einem Kunden, der mit Hilfe eines Darlehens den Erwerb einer Sache finanzieren will, schuldhaft Umstände, die den Zweck des Kaufs gefährden, so kann der Kunde im Wege des Schadensersatzes die Anpassung des Darlehensvertrages verlangen. Dann ist er so zu behandeln, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Kauf zu günstigeren Bedingungen abzuschließen und so den Kreditbedarf zu verringern. Darauf kann sich auch berufen, wer sich für die Kreditforderung gegen den Kunden verbürgt hat.
Normenkette
BGB § 249 S. 1, §§ 276, 768 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
OLG Dresden (Aktenzeichen 12 U 1237/97) |
LG Leipzig (Aktenzeichen 11 O 7819/96) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 17. September 1997 aufgehoben, soweit zu Lasten des Beklagten zu 1 entschieden worden ist.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im folgenden: die Klägerin) war die Hausbank der T. V. GmbH (im folgenden: TV). Diese vermietete und wartete Büromaschinen (Schreibcomputer, Kopierer, Faxgeräte u. ä.). Deren Anschaffung wurde von der Klägerin finanziert. Zur Sicherung der entsprechenden Darlehensforderungen wurden die Geräte an die Klägerin übereignet und die Forderungen aus der Vermietung und Wartung an die Klägerin abgetreten. Als die TV Ende 1991/Anfang 1992 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, erwogen der Beklagte zu 1 (im folgenden: der Beklagte), der bis September 1991 bei der TV als Vertriebsleiter angestellt gewesen und seither freier Mitarbeiter war, und der frühere Beklagte zu 2, ein bei der TV angestellter Servicetechniker, mit einem neu zu gründenden Unternehmen das Vermietungsgeschäft und den Kundendienst von der TV zu übernehmen. Die Klägerin war damit einverstanden. Am 26. Mai 1992 gründeten die Beklagten die JP T. und K. GmbH (im folgenden: JP oder Hauptschuldnerin) und bestellten sich zu deren Geschäftsführern. Am 17. Juli 1992 schlossen JP und TV folgenden „Kaufvertrag”:
„Mit dem heutigen Datum verkauft die … (TV) die Darlehensverträge von Nr. 1 bis 62 bei der … (Klägerin) im Gesamtwert von DM 400.000 … zuzüglich Mehrwertsteuer an die … JP.”
Der Betrag von 400.000 DM wurde der JP von der Klägerin zur Verfügung gestellt und – unter gleichzeitiger Belastung eines für die JP eröffneten Kontos – zur vollständigen Tilgung der bestehenden Darlehensverbindlichkeiten der TV verwendet. Die Forderungen der Klägerin aus den Darlehensverträgen Nr. 36 und 52 waren im Juni/Juli 1992 ungesichert, weil die TV die mit den Kreditmitteln der Klägerin angeschafften Geräte nicht vermietet, sondern verkauft und übereignet hatte. Das war der Klägerin bekannt; der JP sagte sie davon nichts. Die Klägerin gewährte JP weitere Darlehen in Höhe von 364.000 DM. Für alle „bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Klägerin aus ihrer Geschäftsbeziehung zur Hauptschuldnerin” übernahmen die Beklagten am 24. Juni 1992 selbstschuldnerische Bürgschaften gegenüber der Klägerin.
Nachdem am 2. Oktober 1995 über das Vermögen der JP ein Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden war, nahm die Klägerin die Beklagten als Bürgen für die auf 898.397,57 DM bezifferten Kreditverbindlichkeiten der JP in Anspruch. Landgericht und Oberlandesgericht haben ihrer Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, weder könnten sich die Beklagten mit Erfolg auf die Arglisteinrede gemäß § 853 BGB berufen noch greife eine von den Beklagten erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch noch treffe die Klägerin ein Verschulden bei den Vertragsverhandlungen. Zum Abschluß des Kaufvertrages vom 17. Juli 1992 und zur Übernahme der Bürgschaften sei es nicht durch eine Täuschung seitens der Klägerin gekommen. Deren Wissen darum, daß die mit den Darlehensverträgen Nr. 36 und 52 finanzierten Geräte nicht mehr vorhanden seien, habe keine Aufklärungspflicht der Klägerin begründet.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
1. Es läßt allerdings keinen Rechtsfehler erkennen, daß das Berufungsgericht dem Beklagten die Berufung auf die Arglisteinrede (§ 853 BGB) und die von der JP erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung versagt hat.
Der Beklagte hat nicht hinreichend dafür vorgetragen, daß die Klägerin in betrügerischer Absicht auf seiten der Beklagten einen Irrtum erregt oder unterhalten hat. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, auf die sich gegebenenfalls auch der Beklagte als Bürge berufen könnte (§ 768 Abs. 1 Satz 1 BGB), greift schon deshalb nicht durch, weil sie die „Überleitung der Darlehensverträge” Nr. 36 und 52 von der Klägerin auf JP zum Gegenstand hat. Etwas derartiges ist nicht vereinbart worden, schon gar nicht im Verhältnis JP/Klägerin. Das Berufungsgericht hat den Kaufvertrag vom 17. Juli 1992 dahin ausgelegt, daß JP von TV Geräte gekauft habe. Dem habe die Klägerin, die Sicherungseigentümerin der Geräte gewesen sei, lediglich zugestimmt. Diese Auslegung nimmt die Revision hin.
2. Ob dem Berufungsgericht auch insoweit gefolgt werden kann, als es eine Schadensersatzpflicht der Klägerin wegen einer Aufklärungspflichtverletzung (culpa in contrahendo) gegenüber dem Beklagten als Bürgen verneint hat, erscheint zweifelhaft.
Ein Aufklärungsverschulden kommt nur wegen eines Wissensvorsprungs der Klägerin über ein gesteigertes Bürgenrisiko in Betracht (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 31. März 1992 - XI ZR 70/91, WM 1992, 901, 902; v. 7. April 1992 - XI ZR 200/91, WM 1992, 977; v. 28. April 1992 - XI ZR 165/91, WM 1992, 1310, 1311; v. 15. April 1997 - IX ZR 112/96, WM 1997, 1045, 1047; v. 21. Oktober 1997 - XI ZR 25/97, WM 1997, 2301, 2302). Eine derartige Risikoerhöhung könnte jedoch im vorliegenden Fall ausscheiden. Zwar waren die Darlehen Nr. 36 und 52 nicht durch Sicherungseigentum an den finanzierten Geräten abgesichert. Auch gab es keine unter die Sicherungszession fallenden Forderungen aus Vermietung und Wartung. Dies war indes für das Bürgenrisiko möglicherweise unerheblich, weil die Sicherheiten ohnehin mit der Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten der TV durch die JP erlöschen sollten. Letztlich kann diese Frage offenbleiben.
3. Jedenfalls hat das Berufungsgericht verkannt, daß der Klägerin gegenüber der Kreditnehmerin JP eine als Verschulden bei den Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) anzusehende Aufklärungspflichtverletzung vorzuwerfen ist. Darauf kann sich auch der Beklagte als Bürge berufen (§ 768 Abs. 1 Satz 1 BGB).
a) Zwar gibt es keine allgemeine Beratungs-, Warn- oder Aufklärungspflicht eines Kreditinstituts gegenüber einem Kunden (vgl. BGH, Urt. v. 24. April 1990 - XI ZR 236/89, WM 1990, 920, 922; v. 7. April 1992 aaO). Etwas anderes gilt nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen (BGH, Urt. v. 28. November 1995 - XI ZR 37/95, WM 1996, 196, 197).
Ein solcher Fall liegt zum Beispiel vor, wenn das Kreditinstitut in bezug auf von ihm als wesentlich erkannte Umstände des Kreditgeschäfts gegenüber dem Kreditnehmer einen konkreten Wissensvorsprung hat und dies auch erkennen kann (BGH, Urt. v. 18. April 1988 - II ZR 251/87, WM 1988, 895, 898; v. 24. April 1990 aaO; v. 31. März 1992 aaO S. 902 f; v. 7. April 1992 aaO). Wesentliche Umstände sind hierbei die speziellen Risiken des zu finanzierenden Vorhabens, wobei ein Wissensvorsprung über dessen Unrentabilität grundsätzlich nicht ausreicht (vgl. BGH, Urt. v. 21. Januar 1988 - III ZR 179/86, WM 1988, 561, 563; v. 27. November 1990 - XI ZR 308/89, WM 1991, 85; v. 28. April 1992 - XI ZR 165/91, WM 1992, 1310, 1311). Einen konkreten Wissensvorsprung in bezug auf ein spezielles Risiko des zu finanzierenden Vorhabens besitzt das Kreditinstitut zum Beispiel dann, wenn es weiß oder damit rechnet, daß dieses Vorhaben scheitern wird (BGH, Urt. v. 9. April 1987 - III ZR 126/85, WM 1987, 1546; v. 18. April 1988, - II ZR 251/87, aaO) oder daß wesentliche dafür bedeutsame Umstände, insbesondere wertbildende Faktoren, durch Manipulation verschleiert wurden (BGH, Urt. v. 17. Dezember 1991 - XI ZR 8/91, WM 1992, 216, 218) oder daß der Kreditnehmer von den Geschäftspartnern arglistig getäuscht wurde (BGH, Urt. v. 1. Juni 1989 - III ZR 277/87, WM 1989, 1368, 1370).
Ein weiterer Ausnahmefall ist gegeben, wenn das Kreditinstitut einen zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft oder dessen Entstehen begünstigt. Eine solche Gefährdung ist zu bejahen, wenn das Kreditinstitut das eigene wirtschaftliche Wagnis auf den Kunden verlagert und diesen bewußt mit einem Risiko belastet, das über die mit dem zu finanzierenden Vorhaben normalerweise verbundenen Gefahren hinausgeht (BGH, Urt. v. 28. April 1992 - XI ZR 165/91, aaO).
b) Hier sind die Voraussetzungen beider Ausnahmefälle gegeben.
aa) Die Klägerin hatte – für sie erkennbar – einen konkreten Wissensvorsprung darüber, daß das zu finanzierende Geschäft seiner Anlage nach mit einem von der Darlehensnehmerin nicht erkannten Mangel behaftet war und deswegen zu scheitern drohte.
(1) Die mit den Verträgen Nr. 36 und 52 finanzierten Geräte sind jedenfalls bei der Kalkulation des Kaufpreises berücksichtigt worden, wurden der JP aber nicht zur Verfügung gestellt.
Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, daß die JP mit dem Vertrag vom 17. Juli 1992 nicht auch die Geräte habe kaufen wollen, deren Anschaffung die Klägerin mit den Verträgen Nr. 36 und 52 finanziert gehabt habe. In der Rechnung vom 28. Juni 1992, die dem Kaufvertrag als Anlage beigefügt gewesen sei, seien diese Geräte nicht aufgeführt gewesen. Auch hätten die Geschäftsführer der JP von den entsprechenden Finanzierungsverträgen keine Kenntnis gehabt. Diese Verträge hätten deshalb ihre Kalkulation nicht beeinflußt.
Diese Wertung beruht auf einer unzureichenden Berücksichtigung des Prozeßstoffs (§ 286 ZPO). Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, auf welcher Grundlage der Kaufpreis von 400.000 DM gebildet worden ist. Zwar sind die von der Klägerin mit den Verträgen Nr. 36 und 52 finanzierten Geräte in der Rechnung nicht erwähnt. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages vom 17. Juli 1992 und dem Vortrag der Parteien kann aber nicht angenommen werden, daß der Kaufpreis nach der Zahl und dem Wert der von JP übernommenen Geräte gebildet worden ist. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß der genaue Bestand der Geräte und deren Anschaffungs- oder Zeitwert von den Parteien des Kaufvertrages erfaßt worden sind oder ihnen überhaupt wichtig waren. Maßgeblich war vielmehr die Höhe der Darlehensforderungen, die der Klägerin zu diesem Zeitpunkt gegen die TV noch zustanden. Der Bestand dieser Darlehensforderungen – und damit die Höhe des Kaufpreises – wurde auf Anfrage der JP von der KLägerin bekannt gegeben. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des früheren Beklagten zu 2 an die Klägerin vom 11. Juni 1992, in welchem er darauf hinwies, man benötige, „um die bestehenden Darlehensverträge der … (TV) von Ihnen abzulösen”, noch „die genaue Darlehenshöhe und die monatliche Belastung”. Dabei mußte JP – die nach der Feststellung des Berufungsgerichts in erster Linie Geräte erwerben und nicht Verbindlichkeiten der TV tilgen wollte – davon ausgehen, daß die Klägerin keine Darlehensforderungen benannte, die nicht mehr gesichert waren, weil die mit den Darlehen finanzierten Geräte nicht mehr vorhanden waren. Da im Kaufvertrag „die Darlehensverträge von Nr. 1 bis 62” (Hervorhebung nur hier) genannt sind, muß die Klägerin zur „Ablösung” 62 Darlehensverhältnisse angegeben haben.
Bezeichnenderweise heißt es in dem Kaufvertrag, daß TV „Darlehensverträge … im Gesamtwert von DM 400.000” an JP verkaufe. Auch der Schriftwechsel im Vorfeld des Vertragsschlusses läßt darauf schließen, daß die Zahlung allein an den damit abzulösenden Darlehensverbindlichkeiten der TV ausgerichtet worden ist. So schrieb der frühere Beklagte zu 2 unter dem 11. Mai 1992 an die Klägerin: „Mit der Gründung der Firma JP … würde diese … (die) Darlehensverträge und Übereignungsverträge der … (TV) übernehmen”. Zum 31. Mai 1992 fertigte der frühere Beklagte zu 2 eine „Zusammenstellung der bestehenden Darlehensverträge (Refinanzierung Sparkasse S.), welche übernommen werden”. Die (bereinigte) Summe der erfaßten Darlehensverbindlichkeiten betrug damals 210.822,75 DM. Dieser Betrag wurde in den der Klägerin unter dem 1. Juni 1992 übermittelten Kreditbedarfsplan eingestellt. Die Zusammenstellung vom Vortage war diesem Plan beigefügt. Mit Schreiben vom 11. Juni 1992 an die Klägerin bezifferte der frühere Beklagte zu 2 „die uns zur Zeit bekannten Verträge” der TV auf 375.732,75 DM. Auch damit war ausschließlich die Höhe der Kreditverbindlichkeiten angesprochen. Mit Schreiben vom 18. Juni 1992 teilte der frühere Beklagte zu 2 der Klägerin mit, „die bestehenden Darlehensverträge”, die nunmehr auf 400.000 DM beziffert wurden, könnten „von der neu gegründeten Firma (JP) mit der Eigenkapitalhilfe (gemeint waren wohl die von JP erwarteten Kredite der Klägerin) verrechnet werden”.
Auch der Vortrag der Klägerin läßt nur den Schluß zu, daß der Kaufpreis für die von JP übernommenen Geräte nach Maßgabe der „abzulösenden” Darlehensverbindlichkeiten der TV gebildet worden ist. So hat die Klägerin auf S. 2 ihres Schriftsatzes vom 10. Januar 1997 vorgetragen, sie habe die Kredite an JP – mit denen unter anderem der an TV zu zahlende Kaufpreis finanziert werden sollte – „auf der Grundlage … (des) Schreibens (vom 1. Juni 1992) ausgereicht”. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 4. Februar 1997 hat der Klägervertreter erklärt, die TV sei an die Klägerin herangetreten und habe gefragt, ob es die Möglichkeit gebe, die Darlehensverträge zwischen TV und der Klägerin durch Sondertilgung zu beenden. Man habe schließlich einen Betrag von 400.000 DM genannt. Dieser Betrag sei dann auch geleistet worden – allerdings nicht von TV, sondern zu deren Gunsten von JP – und dadurch seien die Kreditverbindlichkeiten der TV erloschen.
Die Gegenrüge der Revisionserwiderung, der für die Klägerin handelnde Zeuge K. sei über den Inhalt des Kaufvertrages nicht informiert gewesen und er habe insbesondere nicht gewußt, daß die „Geräte der Verträge Nr. 36 und 52 nicht (?) Kaufgegenstand” seien, hat keinen Erfolg. Die Klägerin wußte nach ihrem Vortrag zumindest so viel, daß die von ihr angegebenen Darlehensverbindlichkeiten für die Kaufvertragsparteien maßgeblich waren.
Ob sich die Kreditverbindlichkeiten der TV auf genau 400.000 DM belaufen haben oder, wie die Klägerin behauptet hat, höher gewesen sind, ist in diesem Zusammenhang (vgl. aber unten III.) unerheblich. Da die Höhe der Kreditverbindlichkeiten von der Klägerin angegeben wurde und alle Kreditverbindlichkeiten mit der Zahlung der JP „auf Null gestellt” wurden, hat JP auch die Verbindlichkeiten der TV aus den Finanzierungsverträgen Nr. 36 und 52 getilgt.
(2) Diese beiden Vorgänge zeichneten sich gegenüber den anderen dadurch aus, daß die finanzierten Geräte von TV nicht vermietet, sondern verkauft und übereignet worden waren. Insoweit befanden sich in dem von JP – mit Hilfe des Kredits der Klägerin – übernommenen Geschäftswert der TV somit weder die Geräte noch bestanden gewinnbringende Miet- und Serviceverträge mit Drittnutzern.
Das bedeutete nicht lediglich eine Überteuerung des von der Klägerin finanzierten Objekts, über welche die Klägerin die JP nicht hätte aufklären müssen. Die Fortführung des von TV übernommenen Betriebsteils drohte zu scheitern, wenn dem von JP erbrachten Kaufpreis keine entsprechenden Miet- und Kundendienstverhältnisse gegenüberstanden, aus denen JP Einkünfte erzielen konnte. Darüberhinaus war dann auch die ordnungsgemäße Abwicklung des Kreditvertrages mit der Klägerin gefährdet. Denn die Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin wollte JP mit Hilfe der Einnahmen aus der Vermietung und Wartung der Geräte tilgen, und zwar aller Geräte, bezüglich deren die Klägerin noch Forderungen aus der Finanzierung ihrer Anschaffung gehabt hatte, bevor JP diese Forderungen tilgte. Diese Rechnung konnte nicht aufgehen, wenn die JP namhafte Darlehensforderungen der Klägerin gegen TV tilgte, ohne einen Gegenwert dafür zu erhalten. Die von JP getilgten Forderungen der Klägerin aus den Verträgen Nr. 36 und 52 beliefen sich allein auf insgesamt 264.394 DM. Das war mehr als die Hälfte des von JP insgesamt aufgebrachten Kaufpreises von 400.000 DM.
(3) Der Klägerin war nicht nur bekannt, daß die Kalkulation des Kaufpreises maßgeblich auf den Darlehensforderungen aus den Verträgen Nr. 36 und 52 beruhte (s.o. (1)); es war ihr darüber hinaus bekannt – zumindest war für sie erkennbar -, daß sie insofern etwas wußte, was der JP nicht bekannt war.
Daß die mit den Verträgen Nr. 36 und 52 finanzierten Geräte von der TV nicht vermietet, sondern veräußert worden waren, hat die Klägerin aufgrund einer von ihr selbst ausgehenden Anfrage bei den vermeintlichen Mietern erfahren. Die Klägerin hat weder behauptet, dieses Ergebnis ihrer Anfrage jemals – oder gar vor dem 17. Juli 1992 – der JP mitgeteilt zu haben, noch hat sie vorgetragen, bei der JP habe man gewußt, was es mit den Verträgen Nr. 36 und 52 und den damit finanzierten Geräten für eine Bewandtnis habe. Sie hat im Gegenteil geltend gemacht, sie habe „wegen des Bankgeheimnisses” schweigen müssen. Ein „Geheimnis” war mit den Verträgen Nr. 36 und 52 aber nur verbunden, wenn JP die wahren Verhältnisse nicht kannte.
(4) Die Verschwiegenheitspflicht der Klägerin der TV gegenüber betraf nur Tatsachen, welche diese Kundin erkennbar geheimzuhalten wünschte (vgl. BGHZ 27, 241, 246). Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß TV daran interessiert gewesen sei, der JP die Kenntnis vorzuenthalten, was mit den von der Klägerin finanzierten Geräten geschehen war. Hätte sie ein derartiges Interesse gehabt, wäre dies zumindest ein Indiz für eine betrügerische Absicht gewesen, in deren Dienst sich die Klägerin nicht hätte stellen dürfen.
bb) Darüber hinaus hat die Klägerin für JP einen besonderen Gefährdungstatbestand geschaffen, indem sie das eigene wirtschaftliche Wagnis auf JP verlagert und diese bewußt mit einem Risiko belastet hat, das über die mit dem zu finanzierenden Vorhaben normalerweise verbundenen Gefahren hinausging.
Die Forderungen der Klägerin gegen TV aus den Darlehensverträgen Nr. 36 und 52 in Höhe von 264.394 DM waren ungesichert, nachdem TV unter Verstoß gegen den mit der Klägerin abgeschlossenen Sicherungsvertrag die als Sicherungsgut vorgesehenen Geräte an einen offenbar gutgläubigen Dritten veräußert hatte. Da TV in „wirtschaftlichen Schwierigkeiten” war, mußte die Klägerin davon ausgehen, daß die Forderungen uneinbringlich waren. Sie wurden erst wieder werthaltig, als JP bereit war, sie gegen Übernahme des von TV zu erwerbenden Betriebsteils zu tilgen. Damit übernahm JP unter Entlastung der Klägerin ein Risiko, das über die Gefahren hinausging, mit denen JP bei Fortführung des von TV übernommenen Betriebsteils rechnen mußte. TV mußte darauf gefaßt sein, daß die Überschüsse aus der Vermietung und Wartung der Geräte die Aufwendungen wirtschaftlich nicht rechtfertigten, die JP mit der Tilgung der Forderungen der Klägerin getätigt hatte. JP mußte aber nicht damit rechnen, daß getilgten Forderungen überhaupt keine Geräte gegenüberstanden, mit denen sich Einnahmen erzielen ließen.
cc) Die Klägerin durfte ihre Kenntnisse um so weniger zurückhalten, als die Beklagten ersichtlich rechtliche Laien und im Geschäftsleben nicht bewandert waren. Aus ihren schriftlichen Äußerungen mußte die Klägerin ersehen, daß die Beklagten Mühe hatten, das vorliegende Geschäft auf seinen rechtserheblichen Kern zurückzuführen und diesen auch für Dritte nachvollziehbar zu umschreiben.
III.
Das angefochtene Urteil hat deshalb keinen Bestand. Es ist aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil sie noch nicht entscheidungsreif ist. Es steht noch nicht fest, welcher Schaden der JP durch die culpa in contrahendo der Klägerin entstanden ist und wie sich der Schadensersatzanspruch auf die Forderung der Klägerin gegen JP und im weiteren auch gegen den Beklagten zu 1 als Bürgen auswirkt.
Grundsätzlich kann die JP verlangen, so gestellt zu werden, wie sie bei gehöriger Aufklärung über die mit den Verträgen Nr. 36 und 52 finanzierten Geräte stehen würde (§ 249 Satz 1 BGB). Mit diesen Erwägungen kann aber das von der Revision angestrebte Ergebnis, daß JP – und im weiteren auch der Beklagte als Bürge – der Klägerin überhaupt nichts mehr schulde, nicht begründet werden. Anderenfalls stünde JP, die mit den von der Klägerin erhaltenen Darlehen gewirtschaftet hat, besser, als wenn sie nicht mit der Klägerin in Vertragsverhandlungen eingetreten wäre.
Dem Beklagten kommt auch nicht zustatten, daß der Vertragspartner, der durch ein Verhandlungsverschulden geschädigt ist, gemäß § 249 Satz 1 BGB die Rückgängigmachung des Vertrages verlangen kann (vgl. BGH, Urt. v. 16. Januar 1985 - VIII ZR 317/83, NJW 1985, 1771, 1773; v. 24. Mai 1993 - II ZR 136/92, NJW 1993, 2107). Gegebenenfalls hätte JP die Darlehensbeträge, die sie von der Klägerin erhalten hat, an diese zurückzugewähren. Die Bürgenhaftung des Beklagten erstreckte sich auch auf den Rückgewähranspruch, weil dieser ebenfalls aus der Geschäftsverbindung der JP mit der Klägerin herrührt und somit von der Bürgschaftszweckerklärung umfaßt würde.
Anstatt des Anspruchs auf Rückgängigmachung hat der Geschädigte aber auch einen Anspruch auf Anpassung des Vertrages. Er kann Herabsetzung seiner Leistung auf ein angemessenes Maß und Ersatz der Mehraufwendungen verlangen, die er infolge der culpa in contrahendo gemacht hat (BGHZ 69, 53, 58; 111, 75, 82 f; 114, 87, 94). Hätte der Geschädigte bei pflichtgemäßer Aufklärung einen Kaufvertrag und einen Darlehensvertrag zur Finanzierung des Kaufpreises nicht abgeschlossen, müssen bei der Schadensermittlung die vermögensmäßigen Auswirkungen des Erwerbs mitberücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 22. September 1983 - III ZR 171/82, NJW 1984, 229, 230 re. Sp.; v. 9. April 1991 - XI ZR 136/90, NJW 1991, 1881, 1882).
Im vorliegenden Fall ist der Beklagte deshalb so zu behandeln, als wäre es der Hauptschuldnerin JP bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Kaufpreis zu günstigeren Bedingungen – nämlich ohne Ablösung der Forderungen der Klägerin aus den Verträgen Nr. 36 und 52 – abzuschließen (vgl. MünchKomm-BGB/Emmerich, 3. Aufl. vor § 275 Rdnr. 203 f; Soergel/Wiedemann, BGB 12. Aufl. vor § 275 Rdnr. 196 f; Palandt/Heinrichs, BGB 58. Aufl. § 276 Rdnr. 102). Dann hätte der Kredit nur in entsprechend geringerer Höhe in Anspruch genommen werden müssen, und der Bürge müßte allenfalls für diese geringere Schuld einstehen.
Diesen niedrigeren Betrag wird das Berufungsgericht zu ermitteln haben. Zunächst müssen die Parteien noch Gelegenheit erhalten vorzutragen, wie hoch die – durch die Zahlung der 400.000 DM abgelösten – Forderungen der Klägerin gegen TV gewesen sind und auf welchen Ablösungsbetrag sich die Beteiligten verständigt hätten, wenn JP darüber ins Bild gesetzt worden wäre, in welchem Umfang die abzulösenden Forderungen durch vermietete Geräte gedeckt waren.
Unterschriften
Paulusch, Kreft, Stodolkowitz, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.02.1999 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539330 |
BB 1999, 1184 |
BB 1999, 760 |
DB 1999, 1255 |
DStR 1999, 684 |
NJW 1999, 2032 |
EWiR 1999, 683 |
NZM 1999, 1062 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 678 |
WuB 1999, 691 |
ZAP 1999, 390 |
ZIP 1999, 574 |
JA 1999, 827 |
MDR 1999, 687 |
VuR 1999, 187 |
ZBB 1999, 172 |
LL 1999, 553 |