Verfahrensgang
OLG Koblenz (Entscheidung vom 05.11.1965) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. November 1965 wird zurückgewiesen; jedoch wird die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts dahin geändert, daß die Kläger die Kosten der Berufung je zu einem Drittel zu tragen haben.
Den Klägern werden je zu einem Drittel die Kosten des Revisionsrechtszuges auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Auseinandersetzung des Nachlasses des am 24. Oktober 1957 verstorbenen Kaufmanns Hubert M. aus We..
Die Parteien sind zu je ein Viertel Miterben; Kläger sind die Witwe und zwei Kinder, die Beklagte ist eine weitere Tochter des Erblassers. Der Erblasser hatte ein Fuhrunternehmen sowie einen Sandgruben- und Steinbruchbetrieb. Die Erbengemeinschaft führte das Unternehmen aufgrund eines Vertrages vom 20. Januar 1958 zunächst in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft weiter. Zum Nachlaß gehörten verschiedene Grundstücke, die jedoch nicht in das Vermögen der Handelsgesellschaft eingebracht waren.
Die Parteien verhandelten 1963 über eine Auseinandersetzung. Am 22. April 1963 kam es zu einer Vereinbarung, wonach die Beklagte zum 30. April 1963 aus der Gesellschaft ausscheiden sollte, um einen eigenen Güterverkehrsbetrieb zu eröffnen. Ihr wurden drei Lastzüge, ein Bagger und ein Personenkraftwagen zum Übernahmewert von 131.500 DM unter Eintritt in die dafür laufenden Wechselverbindlichkeiten übereignet. Die Beklagte eröffnete ihren Fuhrbetrieb am 1. Mai 1963.
Am 17. August 1963 kam es nach weiteren Verhandlungen unter Zuziehung von Anwälten zu einem als abschließend gedachten privatschriftlichen Auseinandersetzungsvertrag. Darin bestätigten die Beteiligten das Ausscheiden der Beklagten aus der Gesellschaft mit dem 30. April 1963 und die Übernahme der im Vertrage vom 22. April 1963 erwähnten Kraftfahrzeuge mit den entsprechenden Verbindlichkeiten in Anrechnung auf das Auseinandersetzungsguthaben der Beklagten. Die Urkunde erwähnte die Verteilung weiterer Verbindlichkeiten und gewährte der Beklagten ein unentgeltliches Wohnrecht in einem Gebäude bis zum 30. Juni 1965 mit einem Abstellplatz für Kraftfahrzeuge und der Befugnis zur Anlegung einer eigenen Tankstelle. In Ziffer 11 verpflichteten sich die Parteien, in Zukunft in friedlichem Einvernehmen zu leben und alle Streitigkeiten zu vermeiden. Ziffer 3 lautet, daß die Beklagte ihren Erbteil am Nachlaß ihres Vaters zu gleichen Teilen auf die Kläger "überträgt". Die Parteien verpflichteten sich, die "zur Vollziehung des Vertrages erforderlichen Urkunden umgehend notariell tätigen zu lassen" (Ziff. 13).
Die Kläger ließen am 19. August 1963 durch einen Notar einen entsprechenden Auseinandersetzungsvertrag beurkunden, wobei für die Beklagte der Bürovorsteher des Notars als vollmachtloser Vertreter auftrat. Der Notar beglaubigte gleichzeitig die Unterschriften der Kläger unter der Anmeldung zum Handelsregister über das Ausscheiden der Beklagten aus der Gesellschaft. Die Beklagte reichte diese Anmeldung mit ihrer beglaubigten Unterschrift an das Registergericht weiter, lehnte aber die Genehmigung des Auseinandersetzungsvertrages ab.
Die Kläger sind der Ansicht, daß sich die Beklagte auf die Formnichtigkeit des Vertrages nicht berufen könne. Sie habe alle Vorteile der vorgesehenen Auseinandersetzung für sich in Anspruch genommen, auch sonstige Verpflichtungen, insbesondere bezüglich der Übernahme von Schulden für die Kraftfahrzeuge erfüllt und damit den Vertrag bestätigt; mindestens verstoße ihre Weigerung gegen Treu und Glauben. Sie habe dadurch eine notwendige Kreditaufnahme für die Kläger verhindert.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihren Erbteil auf die Kläger zu gleichen Teilen zu übertragen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und vorgetragen: Sie habe alsbald nach Abschluß der Vereinbarung vom 17. August 1963 den Klägern zu erkennen gegeben, daß sie zur Übertragung ihres Erbteils zu den damaligen Bedingungen nicht mehr bereit sei. Die Kläger hätten selbst zunächst mit der Erledigung gezögert und ihr dadurch Schwierigkeiten bereitet. Ihr Ausscheiden aus der Handelsgesellschaft mit der besonderen Abfindung und Schuldenregelung beruhe auf dem Vertrage vom 22. April 1963, so daß sie besondere Vorteile aus der Regelung vom 17. August 1963 nicht gehabt habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist ergebnislos geblieben. Mit ihrer Revision verfolgen sie den Klaganspruch weiter, begehren aber hilfsweise die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, alles, was ihr auf Grund ihres Erbteils am Nachlaß ihres Vaters zukommt, auf die Kläger zu gleichen Teilen zu übertragen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen mit folgenden Erwägungen begründet:
Die privat-schriftliche Vereinbarung vom 17. August 1963 sei wegen der darin enthaltenen Erbteilsübertragung formnichtig, weil diese nach § 2033 BGB der notariellen Beurkundung bedurft habe. Die Beklagte dürfe sich auf den Formmangel berufen, ohne sich dem Einwand unzulässiger Rechtsausübung auszusetzen. Derartige Formvorschriften sollten leichtfertige Abschlüsse weitreichender Geschäfte verhindern. Vorher seien deshalb die Vertragsschließenden an ihre Erklärungen nicht gebunden. Eine Ausnahme könne nur zugelassen werden, wenn nach den Umständen des Falles und dem Verhalten der Beteiligten die Berufung auf den Formmangel zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führen würde oder die Verweigerung der Vertragserfüllung mit Treu und Glauben schlechthin unvereinbar wäre.
Das liege hier nicht vor; dabei sei folgendes zu berücksichtigen: Die Parteien hätten gewußt, daß der Vertrag der notariellen Beurkundung bedurft und vorher eine rechtliche Bindung nicht bestanden habe. Die Beklagte sei hinterher anderen Sinnes geworden; insoweit sei sie gerade bis zur Beurkundung frei gewesen. Die Kläger hätten davon spätestens Anfang November 1963 Kenntnis erlangt. Seit dieser Zeit hätten die Kläger die Möglichkeit gehabt, den vor dem 17. August 1963 bestehenden Zustand wiederherzustellen; sie hätten das auch angedroht und teilweise verwirklicht. Die Beklagte habe nicht nur Vorteile aus der Vereinbarung gezogen, sondern auch Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft erfüllt, allerdings durchweg aufgrund der früheren Vereinbarung vom 22. April 1963.
II.
Die dagegen von der Revision vorgetragenen Bedenken sind unbegründet.
1.
Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß die in Ziffer 3 des Vertrages vom 17. August 1963 erklärte Übertragung des Erbteils der Beklagten auf die Kläger nach § 2033 BGB der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung bedurfte. Die Nichtbeachtung dieser Formvorschrift bewirkte die Nichtigkeit des Geschäfts (§ 125 BGB).
Allerdings kann die Berufung einer Partei auf die Formnichtigkeit unter Umständen gegen Treu und Glauben mit der Wirkung verstoßen, daß die Parteien das nichtige Rechtsgeschäft wie ein gültiges zu behandeln haben. Nach der Rechtsprechung kann das aber nur ganz ausnahmsweise gelten, wenn nicht die gesetzlichen Formvorschriften ihrer Bedeutung entkleidet werden sollen. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Berufung auf die Formnichtigkeit nur dann unzulässig ist, wenn das zu einer geradezu unhaltbaren oder mit Treu und Glauben schlechthin unvereinbaren Lösung führen würde. Es genügt nicht, daß eine Partei Schaden erleidet oder die Folgen der Nichtigkeit für sie Härten enthalten. Auch die bloße Unzumutbarkeit genügt nicht; es muß vielmehr ein schlechthin untragbares Ergebnis eintreten. Das ist etwa der Fall, wenn die eine Partei die andere über die Formbedürftigkeit arglistig getäuscht oder sonst schuldhaft die Einhaltung der Formvorschriften verhindert hat oder wenn eine Partei im Vertrauen auf die Gültigkeit des Geschäfts ihre Existenz aufgegeben hat oder sonst eine ganze Existenz von der Formgültigkeit abhängt (vgl. BGH LM BGB § 313 Nr. 13 und 23; BGHZ 12, 286, 303 ff; 16, 334; 23, 249/254 ff).
Das Oberlandesgericht hat zutreffend dargelegt, daß ein solcher Ausnahmefall hier nicht vorliegt. Beiden Parteien war die Formbedürftigkeit bekannt, und die Beklagte hat alsbald zu erkennen gegeben, daß sie sich nicht gebunden fühle. Für die Kläger bestand daher seit langer Zeit die Möglichkeit, sich darauf einzustellen. Die Beklagte hat auch keine besonderen Vorteile aus der Verhandlung vom 17. August 1963 gezogen, die ihr bei Annahme der Nichtigkeit verbleiben würden. Es ist zwar eine Teilauseinandersetzung über das Handelsgeschäft und die dazu gehörigen Kraftwagen durchgeführt, aber aufgrund der Vereinbarung vom 22. April 1963. Die Beklagte hat auch die damals übernommenen Verpflichtungen in nicht unerheblichem Umfange bisher voll erfüllt, also keineswegs sich nur Vorteile verschafft.
Bei sinnvoller Auslegung des Vertrages vom 17. August 1963 mit seinem Ziel einer endgültigen Auseinandersetzung enthalten die darin niedergelegten Erklärungen allerdings noch eine andere Vereinbarung, nämlich die schuldrechtliche Verpflichtung der Beklagten, ihren Erbanteil auf die Kläger zu übertragen. Zwar lautet die Urkunde in Ziff. 3 wörtlich: "... (die Beklagte) überträgt ihren Erbanteil ... (den Klägern)". Das kann aber zwanglos auch dahin gelesen werden, daß es bedeutet: "Die Beklagte verpflichtet sich, nunmehr ihren Erbanteil auf die Kläger zu übertragen". Denn mit Abschluß und Durchführung dieser Vereinbarung sollte die Erbauseinandersetzung endgültig zwischen der Beklagten und den anderen drei Miterben erledigt sein.
Aber auch diese Abrede bedurfte der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Erbauseinandersetzungsverträge bedürfen zwar für den Regelfall keiner besonderen Form. Auch die bloße schuldrechtliche Verpflichtung zur Übertragung eines Erbanteils ist für sich allein regelmäßig nicht formbedürftig, weil dieses Verpflichtungsgeschäft nicht von § 2033 Abs. 1 BGB erfaßt wird. Aber diese Verpflichtung zur Übertragung eines Erbanteils ist dann formbedürftig, wenn sie im Rahmen eines Kaufvertrages oder in einem Vertrage erfolgt, der auf die Veräußerung einer Erbschaft oder des Erbteils gerichtet ist (§§ 2371, 2385 BGB). Veräußerungsverträge im Sinne des § 2385 BGB sind beispielsweise Tausch, Schenkung, Vergleich, Hingabe an Zahlungs Statt. Ein Erbauseinandersetzungsvertrag wird nicht als Veräußerung im Sinne des § 2385 BGB betrachtet (Lange, Lehrbuch des Erbrechts 1962, S. 600; Staudinger-Lehmann BGB Kommentar 11. Aufl. § 2042, 9). Hier liegt eine Besonderheit jedoch darin, daß sich die Beklagte bei dieser Auslegung verpflichtet hat, im Rahmen der Auseinandersetzung ihren Erbanteil insgesamt auf die drei anderen Miterben zu übertragen, die dann die Erbengemeinschaft noch ungeteilt weiter fortsetzen wollten. Damit verpflichtete sich die Beklagte zur Veräußerung ihres Erbanteils. Denn das deutsche Privatrecht versteht unter einer Veräußerung eine ganz bestimmte Verfügung, nämlich jede rechtsgeschäftliche Übertragung eines Rechts. Um ein solches Rechtsgeschäft würde es sich hier handeln, wenn die Beklagte sich zur Übertragung ihres Erbteils verpflichtete. Damit unterlag diese Verpflichtung der Form des § 2371 BGB gemäß § 2385 BGB (vgl. Palandt BGB 27. Aufl. § 2033, 3).
2.
Die Revision meint allerdings, in Anwendung des § 140 BGB sei der Vertrag gültig und dahin umzudeuten, daß er die schuldrechtliche Verpflichtung der Beklagten enthalte, den Klägern alles das zu übertragen, was der Beklagten als Miterbin bei der Auseinandersetzung zukommt. Eine solche Möglichkeit ist in der Tat im Schrifttum und in der Rechtsprechung wiederholt erörtert worden (vgl. RGZ 129, 122; RGRKom BGB 11. Aufl. § 2033 Anm. 13; Staudinger-Lehmann BGB Kommentar 11. Aufl. § 2033, 8; auch BGH Urt. v. 2. Februar 1967 - III ZR 193/64 = BGH Warn 1967 Nr. 54 = NJW 1967, 1128). Auf eine derartige Umdeutung zielt der jetzt gestellte Hilfsantrag.
Auch insoweit bleibt die Revision erfolglos. Denn mit dieser Erwägung können die Kläger nicht den mit dem Hauptantrag verfolgten Anspruch auf Übertragung des Erbteils selbst begründen. Die Verpflichtung zur Herausgabe alles dessen, was bei einer Auseinandersetzung einem Miterben zusteht, geht gerade nicht auf Abtretung des Erbteils als ganzen, sondern auf eine Übertragung einzelner Vermögensstücke. Allerdings würde der Vertrag bei dieser Auslegung den neuen Hilfsantrag der Kläger rechtfertigen. Mit diesem Hilfsantrag führen die Kläger aber einen neuen prozessualen Anspruch in den Prozeß ein; das ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Revision hat zwar in der Verhandlung vor dem Senat dargelegt, dieser Hilfsantrag enthalte nach ihrer Auffassung nur eine - im Revisionsverfahren zulässige - Beschränkung des Hauptantrages, doch ist das irrig. Denn aufgrund der im Hilfsantrag enthaltenen Verpflichtung müßte die Beklagte alle diejenigen einzelnen Gegenstände auf die Kläger übertragen, die ihr aufgrund ihres Erbteils am Nachlaß ihres Vätern zustehen oder zukommen. Das ist etwas ganz anderes als die Übertragung des ganzen Erbteils auf die Kläger zur Fortsetzung der Erbengemeinschaft nur unter den Klägern.
Der Hilfsantrag ist daher unzulässig. Dann bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob nicht der Vertrag vom 17. August 1963 bei dieser Auslegung einer gerichtlichen oder notariellen Beurkundung nach § 313 BGB bedurfte, weil die Beklagte sich dann verpflichtet hätte, verschiedene einzelne Vermögensstücke oder Anteile daran auf die Kläger zu übertragen, zu denen auch unstreitig die Grundstücke gehörten.
III.
Die Revision muß daher mit der Kostenfolge der §§ 97, 100 ZPO zurückgewiesen werden.
Dabei ist die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts zu ändern, das die Kosten des Berufungsrechtszuges den Klägern als Gesamtschuldnern auferlegt hat.
Nach § 100 Abs. 4 ZPO ist das nur zulässig, wenn die betreffenden Parteien "als Gesamtschuldner verurteilt sind". Das ist hier nicht der Fall, so daß es bei der Kostenregelung des § 100 Abs. 1 ZPO bleiben muß.
Fundstellen