Leitsatz (amtlich)
›Stehen bei einem unwirksamen Geschäft Leistung und Gegenleistung gegenüber, so sind diese bei der Rückabwicklung grundsätzlich zu saldieren. Der Bereicherungsanspruch geht auf Herausgabe oder Wertersatz des Überschusses der Aktiv- über die Passivposten. Bei ungleichartigen Leistungen (hier: Zahlung gegenüber Löschung von Grundpfandrechten) hat der Bereicherungsgläubiger von sich aus die Rückgewähr der ungleichartigen Leistung Zug um Zug gegen Zahlung anzubieten.‹
Tatbestand
Die Kläger sind Miterben nach ihrer am 11. Dezember 1982 verstorbenen Mutter (Erblasserin).
Die Erblasserin war Eigentümerin der in den Grundbüchern von M. Blatt 5596 und W. Blatt 6152 eingetragenen Grundstücke. Das Grundstück in M. ist gemäß Bewilligung vom 25. November 1980 und 19. Mai 1982 mit zwei Grundschulden im Betrag von 100.000 DM und 150.000 DM nebst Zinsen für die Beklagte belastet. Im Grundbuch von W. waren u.a. fünf Grundschulden für die Beklagte über 60.000 DM (lfd. Nr. 18), 60.000 DM (lfd. Nr. 19), 30.000 DM (lfd. Nr. 20), 25.000 DM (lfd. Nr. 21) und 120.000 DM (lfd. Nr. 22) jeweils mit Zinsen eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 22. Oktober 1982 verkaufte die Erblasserin dieses Grundstück zum Preis von 700.000 DM an die Eheleute M. Nach § 3 des Kaufvertrages hatte die Erblasserin auf ihre Kosten die für die Beklagte bestellten Grundpfandrechte zur Löschung zu bringen. Mit Schreiben vom 28. Oktober 1982 wandte sich der Notar an die Beklagte mit der Bitte um Zustimmung zur Ablösung der Belastung und Übersendung der Löschungsbewilligungen. Die Beklagte erklärte sich im Schreiben vom 25. November 1983 an den Notar mit einer Ablösung gegen Zahlung von 520.000 DM einverstanden und überreichte zugleich die Löschungsbewilligungen für die Grundschulden lfd. Nr. 18 bis 22.
Von den auf den Kaufpreis hinterlegten 520.000 DM überwies der Notar dann nach dem Tod der Erblasserin 519.470 DM auf ein unter deren Namen bei der Beklagten laufendes Konto.
Mit der Behauptung, die Erblasserin sei mindestens seit 1978/1979 geschäftsunfähig gewesen, haben die Kläger von der Beklagten die Bewilligung der Löschung der im Grundbuch von M. eingetragenen Grundschulden über 100.000 DM und 150.000 DM und Zahlung von 520.000 DM nebst Zinsen verlangt.
Das Landgericht hat dem Löschungsanspruch in vollem Umfang und dem Zahlungsanspruch in Höhe des an die Beklagte überwiesenen Betrages von 519.470 DM nebst Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision hat die Beklagte zunächst ihr Klageabweisungsbegehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Nachdem der Senat gemäß Beschluss vom 8. Oktober 1987 die Revision nur insoweit angenommen hat, als die Berufung gegen die Zuerkennung des Zahlungsanspruch zurückgewiesen worden ist, beantragt die Beklagte, unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Landgerichts die Zahlungsklage abzuweisen.
Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält den von den Klägern geltend gemachten Zahlungsanspruch in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) für begründet. Es hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, die Erblasserin sei seit November 1978 geschäftsunfähig gewesen. Der Kaufvertrag vom 22. Oktober 1982 betreffend das Grundstück W. sei daher gemäß §§ 105, 104 Nr. 2 BGB nichtig. Dementsprechend sei auch der dem Notar im Kaufvertrag erteilte Auftrag zur Herbeiführung der Ablösung der Grundpfandrechte auf dem verkauften Grundstück unwirksam. Der Notar habe daher als Vertreter ohne Vertretungsmacht die Ablösevereinbarung mit der Beklagten getroffen. Der nach § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksame Vertrag sei von den Erben nicht genehmigt worden. Die Beklagte habe keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, den Schwebezustand nach § 177 Abs. 2 BGB zu beenden. Sie sei daher um die empfangenen 519.470 DM, die sie nicht in ein laufendes Konto der Erblasserin habe einstellen und verrechnen dürfen, ungerechtfertigt bereichert.
II.
Dies hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand:
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings die Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin seit November 1978 bejaht. Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet (§ 565 a ZPO). Was die von der Beklagten hervorgehobene Möglichkeit "lichter Augenblicke" anbetrifft, so wären sie entgegen der Auffassung der Revision von der Beklagten darzulegen und zu beweisen gewesen (h.M., siehe etwa BGB-RGRK/Krüger-Nieland, 12. Aufl., § 104 Rdn. 20; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 104 Rdn. 28 jeweils m.w.N.). Der gegenteiligen Meinung von Baumgärtl, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 1, BGB, § 104 Rdn. 5 vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
2. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Berufungsgericht die Zahlung der 519.470 DM an die Beklagte im bereicherungsrechtlichen Sinne als eine Leistung der Erbengemeinschaft an die Beklagte angesehen hat. Mit der Zahlung des Kaufpreises für das Grundstück W. durch die Käufer an die Verkäuferin zu Händen des Notars ist dieser Betrag zwar noch nicht vorbehaltlos, aber doch insoweit dem Vermögen der Erblasserin und später der Erbengemeinschaft zugeflossen, dass diese befugt war, ihn - über den Notar - zur Tilgung ihrer eigenen Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten zu verwenden. Die Weiterleitung eines Teiles dieses Kaufpreises durch den Notar an die Beklagte stellt sich für diese als "Leistung" der Erbengemeinschaft in vermeintlicher Erfüllung der Ablösevereinbarung dar.
3. Fehlerfrei hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Leistung der Erbengemeinschaft ohne rechtlichen Grund erfolgt ist.
Der dem Notar von der Erblasserin erteilte Auftrag, die Grundschulden abzulösen, war mit Rücksicht auf die Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin im maßgebenden Zeitpunkt unwirksam. Daraus ergibt sich, dass die vom Notar zur Erfüllung des vermeintlichen Auftrags ausdrücklich im Namen der Erblasserin mit der Beklagten geschlossene Ablösungsvereinbarung gemäß § 177 Abs. 1 BGB mangels wirksam erteilter Vollmacht schwebend unwirksam war. Eine Genehmigung des Vertrages durch die Erben ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erfolgt. Auch die Beklagte hat von der Möglichkeit, den Schwebezustand nach § 177 Abs. 2 BGB zu beenden, keinen Gebrauch gemacht.
Der Anwendung der Vorschriften über den Vertreter ohne Vertretungsmacht steht nicht entgegen, dass der Auftrag an den Notar zu einem Tätigwerden im Sinne des § 23 BNotO öffentlich-rechtlicher Natur ist (BGHZ 62, 119, 122). Das schließt nicht aus, dass der Notar bei Zivilrechtsgeschäften, die in Ausführung des Auftrags vorzunehmen sind - hier der Abschluss der Ablösevereinbarung mit der Beklagten -, aufgrund Vollmacht des Auftraggebers handelt (vgl. Reithmann, DNotZ 1975, 324, 336).
Ist damit die Leistung der Erbengemeinschaft rechtsgrundlos erfolgt, so gilt gleiches indes auch für die von der Beklagten aufgrund der Ablösevereinbarung erbrachte Gegenleistung. Die Beklagte hat ohne Rechtsgrund die Löschung der Grundpfandrechte bewilligt und durch Verbuchung des überwiesenen Betrages auf ein Konto der Erblasserin etwaige Kreditschulden der Erblasserin bzw. der Erbengemeinschaft vermindert. Stehen sich aber bei einem unwirksamen Geschäft Leistung und Gegenleistung gegenüber, so sind diese grundsätzlich zu saldieren. Der Bereicherungsanspruch geht nur auf Herausgabe oder Wertersatz des Überschusses der Aktiv über die Passivposten. Bei ungleichartigen Leistungen (z.B. Zahlung gegenüber Löschung von Grundpfandrechten) hat der Bereicherungsgläubiger von sich aus die Rückgewähr der ungleichartigen Leistung Zug um Zug gegen Zahlung anzubieten.
Dies hat das Berufungsgericht übersehen. Es hat weder berücksichtigt, dass die Beklagte rechtsgrundlos ihre Grundpfandrechte aufgegeben hat noch dass aufgrund der Gutschrift des überwiesenen Betrages auf das Konto der Erblasserin deren etwaige Verbindlichkeiten getilgt worden sein können.
Ob den Klägern bei durchgeführter Saldierung noch ein Rückzahlungsanspruch zusteht, hängt davon ab, ob und in welcher Höhe Verbindlichkeiten der Erblasserin durch die Zahlung getilgt worden sind. Da dies zwischen den Parteien streitig ist, ist insoweit eine weitere Aufklärung durch den Tatrichter erforderlich.
Das fehlerhafte Urteil ist daher aufzuheben; die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2992930 |
NJW 1988, 3011 |