Leitsatz (amtlich)
Klagt eine natürliche Person Ansprüche, die sie an ihre Gläubigerbank abgetreten hat, mit deren Ermächtigung im eigenen Namen ein, ist ihr eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozeßführung grundsätzlich auch dann anzuerkennen, wenn sie vermögenslos ist (Fortführung von Senat BGHZ 100, 217).
Normenkette
ZPO § 51
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Aktenzeichen 12 U 51/96) |
LG Lübeck (Aktenzeichen 9 O 104/95) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 3. September 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin von Ferienwohnungen, die vom F.-F.-D. verwaltet werden. Der Beklagte war bis März 1994 dessen Alleininhaber, seitdem betreibt er den Dienst mit einem weiteren Gesellschafter in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Herausgabe von Mieteinnahmen aus der Vermietung dieser Wohnungen in Höhe von 123.288 DM nebst Zinsen. Sie hat diese Forderung vorprozessual an ihre Bank abgetreten. Von dieser ist sie in erster Instanz ermächtigt worden, die Forderung im eigenen Namen – mit dem Begehren auf Zahlung an die Bank – gerichtlich geltend zu machen. Der Beklagte hat in erster Instanz Einwendungen zur Höhe erhoben und an ihn sowie an ihn und seinen Mitgesellschafter abgetretene Ansprüche der F. -H. GmbH gegen die Klägerin zur Aufrechnung gestellt.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Betrages von 118.565,75 DM nebst Zinsen entsprochen und die Aufrechnung für unzulässig gehalten. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dies ist, da der Revisionsbeklagte im Verhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil auszusprechen, das inhaltlich auf einer Sachprüfung beruht (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
I.
Das Berufungsgericht führt aus, ein fremdes Recht dürfe aufgrund einer vom Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung im Prozeß nur verfolgt werden, sofern der Ermächtigte hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse habe. Dies gelte insbesondere in Fällen, in denen der zur Prozeßführung Ermächtigte die Forderung bereits vor Beginn des Prozesses abgetreten habe und die Abtretung offengelegt worden sei. Ein berechtigtes Interesse an der Prozeßführung habe die Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Die gewillkürte Prozeßstandschaft sei auch deshalb unzulässig, weil die Ermächtigung nur zu dem Zweck erteilt worden sei, das Kostenrisiko zu Lasten des Gegners zu vermindern oder auszuschließen. Das ergebe sich hier aus dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten, die Klägerin sei vermögenslos, begleiche seit Jahr und Tag ihre Verbindlichkeiten nicht mehr und über ihr Grundvermögen sei auf Betreiben der Bank das Zwangsversteigerungsverfahren eröffnet. Diese Umstände seien auch der Bank bekannt gewesen, die die Klägerin zur Prozeßführung ermächtigt habe.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß jemand ein fremdes Recht aufgrund einer ihm von dem Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen im Prozeß nur dann verfolgen kann, wenn er hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. Senatsurteile BGHZ 89, 1, 2 und BGHZ 100, 217, 218).
2. Die Revision macht jedoch mit Recht geltend, daß sich ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin schon aus dem vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Prozeßstoff ergibt. Zwar hat die Klägerin nicht im einzelnen vorgetragen, weshalb es zur Abtretung ihrer Ansprüche aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Beklagten gekommen ist. Der vom Beklagten in den Prozeß eingeführte Hintergrund, die Klägerin sei nicht mehr in der Lage (gewesen), ihre Verbindlichkeiten zu bedienen, verdeutlicht jedoch ihr Interesse, zum Zweck einer jedenfalls teilweisen Tilgung ihrer Verbindlichkeiten bestehende Ansprüche durchzusetzen. Aus der Ermächtigung zur Prozeßführung ergibt sich zugleich, daß die Bank die abgetretenen Ansprüche in bezug auf die Verbindlichkeiten der Klägerin nur erfüllungshalber entgegengenommen hat, so daß das Risiko, diese Ansprüche einzubringen, weiterhin bei der Klägerin liegt. Soweit das Berufungsgericht das schutzwürdige eigene Interesse der Klägerin unter Bezugnahme auf die Entscheidung BGHZ 96, 151 verneint, verkennt es, daß dieser Entscheidung ein im maßgebenden Punkt anderer Sachverhalt zugrunde lag. Während nämlich der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung die Prozeßführungsbefugnis einer überschuldeten, vermögenslosen Handelsgesellschaft mit nur beschränkt haftenden Gesellschaftern im Regelfall verneint hat, weil sie keine Aussicht habe, ihre Geschäfte fortzuführen, so daß sich mit ihrer Liquidation ihre Verbindlichkeiten von selbst erledigten (vgl. BGHZ 96, 151, 155), hat der Senat das Interesse einer natürlichen Person, durch Beitreibung aller berechtigten Forderungen ihre Verbindlichkeiten zu tilgen, auch im Fall der Konkurseröffnung über ihr Vermögen anerkannt und ihrer Prozeßführungsermächtigung durch den Konkursverwalter nicht die Wirkung versagt (vgl. BGHZ 100, 217, 220). Zwar bleibt der Schuldner, über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet ist, weiterhin Träger des materiellen Rechts, während er nur seine Prozeßführungsbefugnis an den Konkursverwalter verliert, die ihm dieser zurückübertragen kann; für den hier vorliegenden Fall einer Abtretung und einer Ermächtigung durch den neuen Gläubiger, die Forderung im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, kann aber nichts anderes gelten.
3. Die angefochtene Entscheidung wird auch nicht von der Erwägung getragen, die Ermächtigung sei hier nur zu dem Zweck erteilt worden, das Kostenrisiko zu Lasten des Beklagten zu vermindern oder auszuschließen. Dem Berufungsgericht ist zwar zuzugeben, daß dieser Gesichtspunkt schon in einigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs erwogen worden ist und eine Rolle gespielt hat (vgl. BGHZ 35, 180, 183, 185; BGHZ 96, 151, 153). Die kostenrechtlichen Auswirkungen einer solchen Gestaltung können jedoch nicht für sich allein dazu führen, einer Prozeßführungsermächtigung die Anerkennung zu versagen. Dies folgt zum einen daraus, daß niemand einen Anspruch darauf hat, von einem zahlungskräftigen Kläger verklagt zu werden. Zum anderen verursacht auch eine unzulässige Klage – wie sie hier das Berufungsgericht annimmt – dem Beklagten unter Umständen nicht beitreibbare Kosten (vgl. BGHZ 96, 151, 156). Entscheidend muß daher sein, ob sich die Ermächtigung zur Prozeßführung erkennbar als Mißbrauch dieses grundsätzlich anerkannten prozessualen Instituts darstellt. Das wird man in Fällen, in denen – wie hier – ein schutzwürdiges Interesse des früheren Rechtsinhabers an der Rechtsverfolgung anzuerkennen ist, in der Regel nicht annehmen können. Auch das Berufungsgericht hat für das Vorliegen eines solchen Sonderfalls keine Feststellungen getroffen.
III.
Obwohl der Beklagte gegen die Höhe des zuerkannten Anspruchs im Berufungsverfahren keine Einwände erhoben hat, ist der Senat zu einer abschließenden Entscheidung nicht in der Lage. Denn das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht geprüft, ob dem Beklagten gegen die Klägerin eine Gegenforderung zusteht und ob er mit dieser gegen den Klageanspruch aufrechnen kann. Dabei wird das Berufungsgericht, wenn es eine Gegenforderung feststellt, zu prüfen haben, ob nach dem Inhalt des zwischen den Parteien begründeten Schuldverhältnisses der Ausschluß der Aufrechnung als stillschweigend vereinbart angesehen werden muß oder ob die Natur der Rechtsbeziehung oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine Erfüllung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen läßt (vgl. BGHZ 14, 342, 346 f; 71, 380, 383; Senat BGHZ 95, 109, 113), wie es nach der Rechtsprechung bei Auftrags- und Geschäftsbesorgungsverhältnissen in Betracht zu ziehen ist, wenn der Beauftragte mit Forderungen aufrechnet, die ihren Grund nicht in dem Auftrag und den damit verbundenen Aufwendungen haben. Sollte das Berufungsgericht hiernach ein Aufrechnungsverbot annehmen, wäre weiter zu prüfen, ob sich die Klägerin wegen ihrer vom Beklagten behaupteten Vermögenslosigkeit hierauf berufen kann (vgl. hierzu BGHZ 23, 17, 26; Senatsurteil vom 6. März 1975 - III ZR 137/72 - WM 1975, 614, 616).
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.03.1999 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538770 |
DB 1999, 1317 |
DStR 1999, 729 |
NJW 1999, 1717 |
BGHR |
KTS 1999, 246 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 676 |
WuB 1999, 777 |
ZAP 1999, 391 |
DZWir 1999, 290 |
MDR 1999, 755 |
ZBB 1999, 174 |