Leitsatz (amtlich)
Ein im Zusammenhang mit einer Bestechung abgeschlossener Architektenvertrag ist nicht ohne weiteres nichtig.
Ein Geschäftsführer ist im Zweifel ohne vorherige Information seines Geschäftsherrn nicht befugt, für diesen einen Vertrag mit dem Verhandlungspartner abzuschließen, der den Geschäftsführer gerade bestochen hat.
Normenkette
BGB §§ 134, 138, 177
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. März 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt restliches Architektenhonorar in Höhe von 3.679.793,37 DM. Die beklagte Wohnbaugesellschaft verlangt widerklagend geleistete Abschlagszahlungen in Höhe von 1.338.158,20 DM zurück, ferner Zahlung unstreitiger Mietrückstände in Höhe von 25.666,24 DM. Mit der Widerklage außerdem geltend gemachte Schadensersatzansprüche sind nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Die Beklagte ist Eigentümerin von Großplattenbauten in H.. Ab 1991 hat sie deren Sanierung in Angriff genommen. In diesem Zusammenhang hat der Kläger aufgrund zunächst mündlicher Abreden Architektenleistungen übernommen und erbracht. Am 30. April 1992 haben die Parteien einen schriftlichen, als Rahmenvertrag ausgestalteten Architektenvertrag über die Sanierung einiger Wohnblöcke abgeschlossen. Der Kläger hat dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten ein Bestechungsgeld von monatlich 5.000 DM zugesagt, das ab Mai 1992 auch zehnmal gezahlt worden ist.
In dem Architektenvertrag haben die Parteien unter anderem Abschlagszahlungen für die Leistungen des Klägers in Höhe von monatlich 100.000 DM vereinbart. Auf dieser Grundlage hat der Kläger bis 1993 für die Beklagte gearbeitet. Ab Mai 1993 hat die Beklagte keine Abschlagszahlungen mehr an den Kläger geleistet. Mit Schreiben vom 30. August 1993 informierte der Kläger die Beklagte über die dem damaligen Geschäftsführer gezahlten Bestechungsgelder. Mit Schreiben vom 16. September 1993 kündigte die Beklagte fristlos, wobei sie sich auf unvollständige und mangelhafte Leistungen des Klägers berief.
Das Landgericht hat den Architektenvertrag wegen der Schmiergeldzahlungen für nichtig gehalten. Es hat durch Teilurteil die Klage abgewiesen und auf die Widerklage den Kläger zur Zahlung von 1.363.824,44 DM verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter, ebenso seinen Antrag, die Widerklage, soweit über sie entschieden worden ist, abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Rechtsstreit ist nach Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
I.
1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger keinen vertraglichen Honoraranspruch. Der Architektenvertrag sei nichtig.
Mit dem Bestechungsgeld habe der Kläger gegen die guten Sitten verstoßen (§ 138 BGB). Deshalb sei die Schmiergeldabrede nichtig. Wenn der aufgrund der Bestechung zustande gekommene Folgevertrag zu einem Nachteil des Geschäftsherrn führe, erfasse die Nichtigkeitsfolge nicht nur die Schmiergeldabrede, sondern auch den Folgevertrag. Das sei hier der Fall. Der Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, daß die Schmiergeldabrede sich zum Nachteil der Beklagten ausgewirkt habe. Es sei anzunehmen, daß der Kläger jedenfalls bereit gewesen wäre, von dem im Architektenvertrag vereinbarten Honorar einen Betrag mindestens in Höhe des versprochenen Bestechungsgeldes abzuziehen. Im übrigen könnten sich auch in der weiteren Vertragslaufzeit noch eine ganze Anzahl möglicher Benachteiligungen der Beklagten ergeben. Der insoweit beweispflichtige Kläger habe keine Umstände dargetan, die eine Benachteiligung der Beklagten widerlegen könnten.
Die Nichtigkeit des Architektenvertrages folge auch aus § 134 BGB, § 12 UWG. Der Kläger habe den Straftatbestand des § 12 UWG erfüllt. Die durch § 12 UWG zum Ausdruck kommende Mißbilligung richte sich nicht allein gegen die Schmiergeldabrede, sondern auch gegen die aufgrund dieser Vereinbarung erreichte unlautere Bevorzugung im Wettbewerb. Diese unlautere Bevorzugung geschehe durch den Abschluß des Folgevertrages; auch dieser müsse demnach als verbotswidrig angesehen werden.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, daß die Vereinbarung des Klägers mit dem früheren Geschäftsführer der Beklagten über die Zahlung von Bestechungsgeld nichtig ist (§ 138 Abs. 1, § 134 BGB i.V.m. § 12 UWG/§ 299 StGB). Sie ist auch nicht der Gegenstand des Rechtsstreits.
Mit dem Berufungsgericht ist ferner davon auszugehen, daß die Nichtigkeit einer Schmiergeldabrede nicht ohne weiteres einen daraufhin abgeschlossenen Folgevertrag erfaßt. Der Folgevertrag muß seinerseits von der Rechtsordnung derart mißbilligt sein, daß auch ihm die Wirksamkeit zu versagen ist. Das gilt gleichermaßen bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) wie bei Verstößen gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Danach erlauben die Feststellungen des Berufungsgerichts es nicht, den Architektenvertrag der Parteien für nichtig zu halten.
a) Es ist nicht ersichtlich, daß der Architektenvertrag ein gesetzliches Verbot verletzt (§ 134 BGB). Insbesondere bedeutet der Abschluß dieses Vertrages keinen Verstoß gegen § 12 UWG (heute § 299 StGB). Danach ist es in dem dort gezogenen Rahmen mit Strafe bedroht, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes Bestechungen zu gewähren oder entgegenzunehmen. Darum handelt es sich bei dem Architektenvertrag der Parteien nicht, auch wenn seinem Abschluß eine möglicherweise strafbare Bestechung vorangegangen ist. In dem Architektenvertrag sind reguläre Architektenleistungen und ein Honorar nach der HOAI vereinbart worden. Gegenstand der Architektenleistung waren Wohnbausanierungen. Dieser Vorgang wird von § 12 UWG/§ 299 StGB nicht umfaßt. Der gesetzliche Schutz des lauteren Wettbewerbs will zwar nicht nur Bestechungen unterbinden, sondern vor allem unlautere Verzerrungen des Wettbewerbs verhindern. Dieses Ziel ändert jedoch nichts daran, daß die Strafnorm sich auf Bestechungen bezieht, nicht an daran sich etwa anschließende Vertragsschlüsse. Auch die § 12 UWG/§ 299 StGB zugrundeliegende, in § 1 UWG umfassend normierte rechtliche Mißbilligung bestimmter wettbewerbsverzerrender Verhaltensweisen erlaubt für sich allein nicht die Annahme, ein daran anschließender Vertrag verstoße seinerseits gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB. Voraussetzung für die Nichtigkeit gemäß § 134 BGB aus wettbewerbsrechtlichen Gründen ist, daß der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens innewohnt (BGH, Urteil vom 25. Januar 1990 - I ZR 19/87, BGHZ 110, 156, 175; Urteil vom 14. Mai 1998 - I ZR 10/96, NJW 1998, 2531 = BB 1998, 1917). Das ist bei dem Architektenvertrag der Parteien nicht der Fall.
b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht dessen Auffassung, der Architektenvertrag verstoße gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Bei der Abwicklung des Vertrages etwa denkbare Benachteiligungen der Beklagten durch ihren damaligen Geschäftsführer, auf die das Berufungsgericht verweist, genügen in ihrer Allgemeinheit und Ungewißheit unabhängig davon nicht, daß es um die rechtliche Würdigung nicht der Vertragsabwicklung, sondern des Vertrages selber geht. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Architektenvertrag sei mindestens in Höhe des versprochenen Schmiergeldes als der Beklagten nachteilig anzusehen, rechtfertigt die Beurteilung des Vertrages als sittenwidrig nicht. Anhaltspunkte für einen Nachteil bei der übrigen Vertragsgestaltung sind nicht gegeben.
(1) Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1977 - III ZR 164/75, BGHZ 69, 295, 297). In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob das Rechtsgeschäft nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGH, Urteil vom 28. Februar 1989 - IX ZR 130/88, BGHZ 107, 92, 97 m.w.N.).
In diesem Rahmen kann ein aufgrund einer Bestechung zustande gekommener Vertrag sittenwidrig sein, wenn die Schmiergeldabrede zu einer für den Geschäftsherrn nachteiligen Vertragsgestaltung geführt hat (BGH, Urteil vom 10. Januar 1990 - VIII ZR 337/88, BB 1990, 733 = NJW-RR 1990, 442; Urteil vom 17. Mai 1988 - VI ZR 233/87, NJW 1989, 26 = WM IV 1988, 1380). Fehlt ein solcher Nachteil, ist der Vertrag trotz der Bestechung nicht sittenwidrig (vgl. BGH aaO BB 1990, 733). Ist dagegen ein Anhaltspunkt für einen Nachteil gegeben, hat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht der Geschäftsherr den Nachteil, sondern umgekehrt derjenige das Fehlen eines Nachteils zu beweisen, der bestochen hat (vgl. BGH aaO NJW 1989, 26); hier gelten die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins. Gibt es keinen dahingehenden Anhaltspunkt, fehlt eine entscheidende Voraussetzung für die Sittenwidrigkeit des Vertrages. Diese kann insbesondere solange nicht ohne weiteres angenommen werden, als die betroffene Partei den Vertrag auch in Kenntnis aller Umstände für sinnvoll und ausgewogen hält (vgl. dazu Staudinger/Sack, 13. Bearb., Rdn. 473 zu § 138 BGB).
(2) Nach diesem Maßstab ergibt sich nicht, daß der Architektenvertrag der Parteien sittenwidrig ist. Unabhängig davon, daß nicht jeglicher noch so geringe Nachteil eine Beurteilung als sittenwidrig erlauben würde, ist auf seiten der Beklagten ein zur Sittenwidrigkeit des Architektenvertrages führender Nachteil nicht ersichtlich.
Die Annahme des Berufungsgerichts, die Honorarvereinbarung im Architektenvertrag sei wenigstens im Umfang des vorgesehenen Bestechungsgeldes als der Beklagten nachteilig anzusehen, ist nicht gerechtfertigt. Sie entspricht weder allgemeiner Erfahrung noch typischen Geschehensabläufen. Entgelte für die Leistungen von Architekten werden mit den dort vorgesehenen Ausnahmen nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure berechnet (§ 1 HOAI). Daran haben sich die Parteien gehalten. Sie haben ein Honorar auf der Grundlage der Mittelsätze gemäß HOAI vereinbart.
Es kann nicht angenommen werden, daß die im Architektenvertrag getroffene Vereinbarung von Honorarmittelsätzen anstelle niedrigerer oder der Mindestsätze einen im vorliegenden Zusammenhang erheblichen Nachteil der Beklagten darstellt. Die Vereinbarung von Mittelsätzen enthält im allgemeinen keinen Hinweis auf einen zur Sittenwidrigkeit führenden Nachteil. Ihre Vereinbarung zeigt keine Überteuerung des Architektenhonorars an, es sei denn, es handele sich um ein Bauvorhaben mit Anforderungen, die unabhängig von der Einordnung in die entsprechende Honorarzone ein Honorar nach Mittelsätzen nicht rechtfertigen. Anhaltspunkte dafür finden sich im Berufungsurteil nicht.
Außerdem hat die Beklagte ihrerseits die Vereinbarung von Mittelsätzen nicht angegriffen oder als nachteilig bezeichnet. Sie hat sich im Prozeßverlauf wiederholt und detailliert mit den verschiedenen Schlußrechnungen des Klägers auseinandergesetzt und zahlreiche, zum Teil schwerwiegende Beanstandungen zur Abrechnung vorgetragen. Die zugrundeliegenden Mittelsätze hat sie dabei auch in Kenntnis des Fehlverhaltens ihres Geschäftsführers sowie des Klägers stets akzeptiert.
Dadurch unterscheidet sich der Streitfall von der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 17. Mai 1988 - VI ZR 233/87 aaO), auf die sich das Berufungsgericht hauptsächlich stützt. Für den dort zu beurteilenden Kaufvertrag war ein 10 %iger Aufschlag auf den normalen Kaufpreis festgestellt worden; auf dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, es sei von einer Beeinflussung gegen den Willen und zum Schaden des Geschäftsherrn, also von einem Nachteil im erörterten Sinne auszugehen. Auch in dem vom Reichsgericht entschiedenen Fall (RGZ 136, 359), auf den der Bundesgerichtshof (aaO) seinerseits verwiesen hat, war ein Grund zur Annahme eines Nachteils des Geschäftsherrn gegeben: dort hatte der Beklagte eine Überteuerung der in Rechnung gestellten Preise geltend gemacht. Im Streitfall ist ein vergleichbarer Anhaltspunkt für einen Nachteil der Beklagten durch überhöhte Preise nicht gegeben.
(3) Gründe dafür schließlich, daß der Architektenvertrag unabhängig von der Voraussetzung eines Nachteils der Beklagten keinen Bestand haben darf, sind nicht gegeben.
II.
Das Berufungsurteil kann danach nicht bestehenbleiben; es ist aufzuheben. Bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht zu bedenken haben, daß der damalige Geschäftsführer der Beklagten für den Kläger erkennbar seine Vertretungsmacht mißbraucht haben könnte (vgl. zum Mißbrauch BGH, Urteile vom 19. April 1994 - XI ZR 18/93, NJW 1994, 2082; vom 5. Dezember 1983 - II ZR 56/82, NJW 1984, 1461). Ein Geschäftsführer ist im Zweifel ohne vorherige Information seines Geschäftsherrn nicht befugt, für diesen einen Vertrag mit dem Verhandlungspartner abzuschließen, der den Geschäftsführer gerade bestochen hat. Daraus kann sich ergeben, daß der Architektenvertrag entsprechend § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam ist und damit der Beklagten die Möglichkeit eröffnet ist, das Rechtsgeschäft zu genehmigen (vgl. MünchKomm/Schramm, 3. Aufl., § 164 Rdn. 102 a; Jauernig, BGB, 8. Aufl., § 164 Rdn. 8; Palandt/Heinrichs, 58. Aufl., § 164 Rdn. 14 f). Auch nach einer Genehmigung bliebe das Recht der Beklagten zur außerordentlichen Kündigung unberührt.
Unterschriften
Ullmann, Thode, Wiebel, Kuffer, Kniffka
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 06.05.1999 durch Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 541329 |
BGHZ |
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