Entscheidungsstichwort (Thema)
Regress unter Versicherungen für das schuldhafte Verursachen eines Verkehrsunfalls des Versicherungsnehmers mit tödlichem Ausgang
Normenkette
RVO § 1542; BGB § 208; StVG § 14 Abs. 2; BGB § 242
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts Schleswig vom 28. Januar 1971 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die klagende Landesversicherungsanstalt gewährt und hat gewährt Leistungen aus der Arbeiterrentenversicherung an die beiden Kinder und die Witwe eines Schiffsbauhelfers, der am 3. April 1965 bei einem von dem Beklagten schuldhaft verursachten Kraftfahrzeugunfall tödliche Verletzungen erlitten hatte.
Die Klägerin meldete im Juni/Juli 1966 bei dem Haftpflichtversicherer des Beklagten die Ansprüche an, die gemäß § 1542 RVO auf sie übergegangen waren.
Zwischen den Parteien besteht nur Streit darüber, ob die Klägerin auch für die Zeit vom 1. Januar 1969 an von dem Beklagten den Ersatz des Unterhalts Schadens der Witwe verlangen kann. Diese hatte wenige Wochen nach dem Unfall, am 15. Mai 1965, eine Tätigkeit in einem Waisenhaus angenommen. Die Parteien gingen daher in der in den Jahren 1966/1969 geführten Korrespondenz davon aus, daß vom 15. Mai 1965 an ein Unterhaltsschaden der Witwe nicht mehr vorhanden sei. Für die Zeit vom 3. April 1965 (Todestag des Ehemannes) bis zum 14. Mai 1965 zahlte der Haftpflichtversicherer aufgrund der in seinem Schreiben vom 2. September 1966 enthaltenen Berechnung 293,30 DM zur Abgeltung des Schadensersatzanspruchs der Witwe.
Unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 11. Februar 1969 - VI ZR 240/67 (VersR 1969, 469, 470) verlangte die Klägerin in dem an den Haftpflichtversicherer des Beklagten gerichteten Schreiben vom 20. März 1970 für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1969 nunmehr auch Ersatz der von ihr gezahlten Witwenrente von monatlich 183 DM, zusammen 2.196 DM. Der Haftpflichtversicherer lehnte im Schreiben vom 3. März 1970 die Zahlung mit der Begründung ab, es sei seinerzeit Übereinstimmung erzielt worden, daß der Witwe ein Schadensersatzanspruch nicht erwachsen sei; außerdem berief er sich unter dem 23. März 1970 auf Verjährung.
Mit am 22. April 1970 bei dem Landgericht eingegangenem Schriftsatz vom 21. April 1970 hat die Klägerin gegen den Beklagten Klage erhoben mit dem Antrag auf Zahlung von 2.196 DM nebst Zinsen; sie hat weiterhin die Feststellung begehrt, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihr, der Klägerin, alle aus Anlaß des Unfalls zugunsten der Witwe bis zum 31. Dezember 2007 erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen, soweit diese den übergangsfähigen Schaden nicht übersteigen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ebenso wie das Landgericht den Klageanspruch als verjährt angesehen. Es hat in Übereinstimmung mit der Ansicht der Parteien in dem Schreiben des Haftpflichtversicherers des Beklagten vom 2. September 1966 und in der Zahlung des Betrages von 293,30 DM als Ersatz für den auf die Klägerin übergegangenen Schadensersatzanspruch der Witwe für die Zeit vom 3. April bis 14. Mai 1965 ein Anerkenntnis im Sinne von § 208 BGB gesehen, durch das die Verjährung unterbrochen und die Verjährungsfrist erneut in Gang gesetzt worden sei. Das Berufungsgericht hat ferner zugunsten der Klägerin unterstellt, daß in einer sogen. Sammelbesprechung, die am 9. März 1967 zwischen Vertretern der Klägerin und einem Beauftragten des Haftpflichtversicherers stattgefunden hatte, über die Ansprüche der Witwe und deren Abgeltung gesprochen worden war. Es ist jedoch davon ausgegangen, daß auch dann, wenn hierdurch wiederum eine Unterbrechung der Verjährung eingetreten, die Frist also am 9. März 1967 erneut in Lauf gesetzt worden sei, sowohl die auf § 7 StVG als auch die auf § 823 BGB beruhenden Ansprüche der Witwe verjährt seien. Zwischen der Klägerin und dem Haftpflichtversicherer sei nämlich in der Zeit zwischen dem 10. März 1967 und dem 10. März 1969 nicht mehr verhandelt worden, so daß eine Hemmung der Verjährung nach § 14 Abs. 2 StVG nicht eingetreten sei. Der Umstand, daß Ansprüche der Witwe solange in der Schwebe blieben, wie diese erwerbstätig war, stelle kein "Verhandeln" im Sinne von § 14 Abs. 2 StVG dar; im übrigen habe die Klägerin niemals behauptet, daß in der Besprechung vom 9. März 1967 Verhandlungen über die Abgeltung der übergangsfähigen Ansprüche der Witwe in dem Sinne eingeleitet worden seien, daß solche Verhandlungen hätten fortgesetzt werden sollen. Auch das an den Haftpflichtversicherer gerichtete Schreiben der Klägerin vom 20. März 1969, in welchem es u.a. heißt:
"Die Witwe arbeitet weiterhin im Elisabethheim ..., so daß für sie kein übergangsfähiger Schaden gegeben ist"
lasse keine Rückschlüsse darauf zu, daß in der vorhergehenden Zeit Verhandlungen zwischen der Klägerin und dem Haftpflichtversicherer geschwebt hätten. Im übrigen sei dieses Schreiben auch deswegen bedeutungslos, weil es erst nach dem für die Verjährung der Ansprüche nach § 7 StVG etwa noch in Betracht kommenden 10. März 1969 bei dem Haftpflichtversicherer eingegangen sei.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts verstößt die Verjährungseinrede des Beklagten nicht gegen Treu und Glauben; er und sein Haftpflichtversicherer hätten die Klägerin hiermit nicht überrumpelt. Sie hätten gegenüber der Klägerin kein Verhalten gezeigt, durch das diese von der rechtzeitigen Erhebung einer Feststellungsklage hinsichtlich etwaiger künftiger übergangsfähiger Ansprüche der Witwe abgehalten worden sei. Zwar habe zwischen der Klägerin und dem Haftpflichtversicherer kein Streit über den Anspruchsgrund bestanden; das rechtfertige jedoch nicht die Annahme der Klägerin, der Beklagte werde später nicht die Verjährungseinrede hinsichtlich betragsmäßig geltend gemachter Ansprüche erheben.
II.
1.
Die Revision meint, in dem im Schriftwechsel zum Ausdruck gebrachten Verhalten des Beklagten liege ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis mit der Folge, daß auch für die übergangsfähigen Ansprüche der Witwe die 30-jährige Verjährung maßgebend sei.
Dieser Ansicht kann schon aus tatsächlichen Gründen nicht gefolgt werden, so daß ungeprüft bleiben kann ob eine 30-jährige Verjährungsfrist nicht nur bei einem konstitutiven Schuldanerkenntnis in Betracht kommen kann.
a)
Zu Unrecht weist die Revision auf das Senatsurteil vom 11. November 1969 (VI ZR 62/68 - VersR 1970, 177, 178) hin. In dem dort entschiedenen Fall hatte das Berufungsgericht ein Schreiben der Schuldner nicht vollständig gewürdigt und verkannt, daß sich diese den klagenden Sozialversicherungsträgern gegenüber ausdrücklich zum Ersatz regelmäßig wiederkehrender künftiger Leistungen verpflichtet hatten. Eine solche Verpflichtungserklärung des Beklagten hat das Berufungsgericht hier gerade nicht festzustellen vermocht. Ein Rechtsfehler tritt insoweit nicht zu Tage. Entgegen dem Vorbringen der Revision läßt der zwischen der Klägerin und dem Haftpflichtversicherer geführte Schriftwechsel eine solche Erklärung weder ausdrücklich noch sinngemäß erkennen.
b)
Die Erklärungen, in welchem die Revision ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis auch bezüglich des Zukunftsschadens der Witwe erblickt, hat das Berufungsgericht zutreffend lediglich im Rahmen von § 208 BGB gewürdigt. Im übrigen ist es davon ausgegangen, daß zwar über den Anspruchsgrund zwischen den Parteien kein Streit mehr besteht, hingegen über die Höhe künftiger Witwenansprüche keine schuldbestätigenden Vereinbarungen getroffen worden sind. Das Berufungsgericht hat eine solche Vereinbarung auch nicht darin gesehen, daß der Haftpflichtversicherer die auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche der Halbwaisen stets ordnungsmäßig erfüllt hat. Es handelt sich hierbei um die Würdigung von Parteierklärungen, die grundsätzlich dem Tatrichter überlassen und die der Nachprüfung durch das Revisionsgericht weitgehend entzogen ist. Es ist nicht ersichtlich, daß das Berufungsgericht bei seiner Würdigung rechtsirrig wesentliche, für die Auslegung mit heranzuziehende Umstände nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.
2.
Fehlt es an einem vertragsmäßigen Anerkenntnis der Haftung aus § 823 BGB oder § 7 StVG, so kann auch nicht angenommen werden, daß der Haftpflichtversicherer auf die Verjährungseinrede hat verzichten wollen. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Verjährungsfrist auf jeden Fall am 10. März 1970 abgelaufen war. Zutreffend weist es darauf hin, daß sich der Lauf der Verjährungsfrist nach § 852 BGB und § 14 StVG bemißt, d.h. daß es entscheidend auf die Frage ankommt, ob das "Stammrecht" verjährt ist oder nicht (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 1960 - VI ZR 92/59 - VersR 1960, 949). Ist dies der Fall, so kann sich die Klägerin nicht auf § 197 BGB berufen, wonach die Verjährungsfrist für Rentenrückstände vier Jahre beträgt (Senatsurteil vom 5. Juli 1963 - VI ZR 188/62 - VersR 1965, 1160; Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 10. Aufl. TZ 1323; Palandt/Danckelmann, BGB, 31. Aufl. § 197 Anm. 3).
3.
Zu Unrecht wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Verjährung der nach dem Straßenverkehrsgesetz in Betracht kommenden Ansprüche der Witwe sei nicht aufgrund der Vorschrift des § 14 Abs. 2 StVG gehemmt gewesen.
Die Revision meint, zwischen der Klägerin und dem Versicherer des Beklagten sei zumindest über die einzelnen Ansprüche der Höhe nach immer wieder verhandelt worden; auch das Schreiben der Klägerin vom 20. Februar 1970, mit welchem diese den Ersatz der vom 1. Januar bis 31. Dezember 1969 gezahlten Witwenrente verlangt hat, sei ein Teil dieser Verhandlungen, deren Fortsetzung der Haftpflichtversicherer erst mit seinem Schreiben vom 3. März 1970 verweigert habe. Das Berufungsgericht hat sich mit dem Vorbringen der Klägerin über die Hemmung der Verjährung eingehend auseinandergesetzt; seine Ausführungen lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, wenn es den Umstand, daß etwaige Ansprüche der Witwe in der Schwebe geblieben waren, nicht als unter "Verhandlungen" im Sinne von § 14 Abs. 2 StVG fallend angesehen hat. Auch nachdem die Meinungsverschiedenheit über die Höhe der Waisenrente in der Besprechung vom 9. März 1967 beseitigt worden war, hatte die Klägerin bis zum 20. Februar 1970 immer nur zum Ausdruck gebracht, daß ein Übergangsfähiger Schaden der Witwe nicht gegeben sei; das ergibt sich aus dem Aktenvermerk vom 10. März 1967 und aus dem Schreiben vom 20. März 1969, auf das es im übrigen hinsichtlich der Verjährungshemmung nicht ankommen würde, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist.
III.
Muß somit davon ausgegangen werden, daß die von der Klägerin für die Witwe erhobenen Ansprüche bei Klageerhebung bereits verjährt waren, so kommt es darauf an, ob der Beklagte angesichts des Verhaltens seines Haftpflichtversicherers gegen Treu und Glauben verstößt, wenn er sich auf Verjährung beruft. Das Berufungsgericht hat diese Frage verneint; indes unterliegt sein Standpunkt durchgreifenden Bedenken.
1.
Die Klägerin und der Versicherer waren im Jahre 1966 darüber einig, daß der Beklagte auch den der Witwe erwachsenen Unterhaltsschaden zu ersetzen verpflichtet war. Es ging nur um die Frage, ob der Schaden, den die Witwe durch den Tod ihres Ehemannes erlitten hatte, im Wege der Vorteilsanrechnung dadurch entfallen war, daß sie wenige Wochen nach dem Todesfall eine Arbeit aufgenommen hatte, bei der sie mindestens soviel verdiente, wie der Verunglückte ihr hätte an Unterhalt leisten müssen. Der Versicherer hatte denn auch der Klägerin die bis zum 14. Mai 1965 für die Witwe erbrachten Rentenleistungen erstattet. Die Klägerin hat in den folgenden Jahren stets ermittelt, ob etwa die Witwe die Berufstätigkeit aufgegeben hatte, weil sie, die Klägerin, dann von dem Versicherer wiederum Erstattung der Witwenrente hätte verlangen können. Sie hat in den auf die vom Versicherer vorgenommene Überweisung im September 1966 folgenden drei Jahren trotz der drohenden Verjährung weder ein Anerkenntnis (§ 208 BGB) oder die Zusage, die Verjährungseinrede nicht zu erheben, verlangt noch die zur Unterbrechung der Verjährung erforderliche Feststellungsklage erhoben. Denn sie hat darauf vertraut, der Haftpflichtversicherer werde ihr neben den fortlaufend von ihm gezahlten Waisenrenten auch die Rente für die Witwe erstatten, sobald diese nicht mehr berufstätig war oder wenn ihr Arbeitseinkommen unter den Übergangsfähigen Betrag sinken sollte. Solches Vertrauen hatte der Versicherer schon dadurch ausgelöst, daß er der Klägerin im September 1966 die bis 14. Mai 1965 gezahlte Witwenrente erstattete und daß er in der Besprechung vom 9. März 1967 auch die Frage einer Kapitalisierung der Witwenrente mit ihr besprach. In diesem Vertrauen war die Klägerin ferner dadurch bestärkt worden, daß der Versicherer sie in dem Glauben gelassen hatte, die Frage der Erstattung der Witwenrente sei keinesfalls abgeschlossen, sondern bleibe nach wie vor in der Schwebe. Die Klägerin hatte in ihrem Schreiben vom 20. März 1969, in welchem sie die Waisenrentenerstattung neu berechnete, erklärt, die Witwe arbeite weiterhin, "so daß für sie kein Übergangsfähiger Schaden gegeben ist". Diese Mitteilung hat der Versicherer ohne irgendeine Antwort entgegengenommen. Hätte die Klägerin vor Ablauf der Verjährungsfrist Klage erhoben auf Feststellung, daß der Beklagte, sobald die Witwe einen Unterhaltsschaden hatte, zur Erstattung verpflichtet sein werde, würde der Versicherer, wie jedenfalls die Klägerin hier dessen Verhalten nach Treu und Glauben verstehen durfte, eine solche Klage für überflüssig gehalten und veranlaßt haben, daß der Feststellungsanspruch sofort unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt wurde. Die Klägerin konnte annehmen, der Versicherer würde, wenn die ihm eine solche Klage angekündigt hätte, zur Vermeidung eines Rechtsstreits anerkannt haben, daß er auch die Witwenrente erstatten werde, sobald die Voraussetzungen, wie sie bis 14. Mai 1965 bestanden hatten, ganz oder teilweise wieder gegeben waren.
Die Klägerin konnte annehmen, der Versicherer teile ihren Standpunkt, daß der Ersatzanspruch der Witwe zwar auch fernerhin bestehe, indes der Höhe nach "ruhe", (vgl. Senatsurteil vom 20. November 1962 - VI ZR 6/62 - VersR 1963, 187). Darauf, daß die Witwe eines Tages infolge Beendigung ihrer Erwerbstätigkeit wieder ersatzberechtigt werden konnte, mußte der Versicherer sich einstellen; dessen dürfte er sich auch bewußt gewesen sein, weil diese Wahrscheinlichkeit so nahe lag, daß sie zu der Erfahrung eines jeden, der Schadensverhandlungen mit Sozialversicherungsträgern zu führen pflegt, gehört, daher ausdrücklich nicht hervorgehoben werden muß. Andererseits konnte die Klägerin nach aller Erfahrung davon ausgehen, daß es einer Feststellungsklage nicht bedurfte, um einer künftig etwa erhobenen Verjährungseinrede des Beklagten vorzubeugen (vgl. auch BGHZ 33, 112, 117). Denn diese Einrede wäre rechtsmißbräuchlich gewesen. Darauf, ob der Versicherer dieses Vertrauen der Klägerin bewußt herbeigeführt hat, kommt es nicht an.
Bei Regulierungsverhandlungen, die sich auf ein bestimmtes Schadensereignis beziehen, geht es in aller Regel zunächst um die Ersatzpflicht des Schädigers und die Eintrittspflicht des Haftpflichtversicherers. Im Vordergrund steht dabei das schadenstiftende Ereignis, dessen Beurteilung hier angesichts der Fahrweise des Beklagten bei dem Unfall unproblematisch war, so daß, wie es auch hier gewesen ist, nur noch die Höhe des den Hinterbliebenen entstandenen Schadens und dessen Übergangsfähigkeit, also das wirtschaftliche Ergebnis, Verhandlungsgegenstand war, nämlich den zu leistenden Schadensersatz schlechthin (vgl. Senatsurteil vom 1. Dezember 1964 - VI ZR 193/63 - VersR 1965, 142, 143). Wenn Unterhaltsansprüche in Betracht kommen und sogar - wie hier - einziger Verhandlungspunkt sind, wissen der Sozialversicherungsträger und der Haftpflichtversicherer, die in solchen Verhandlungen erfahren sind, daß jederzeit Änderungen im Schadensumfang möglich sind. Darüber wird nicht mehr gesprochen, sondern jede Seite hat das Bestreben, die Regulierung des Schadens zu erreichen. Einer solchen einheitlichen Schadensbereinigung durch den Versicherer soll letztlich auch die in § 10 AKB enthaltene Ermächtigung dienen, die dem Versicherer die Abwicklung erleichtert. Etwas anderes kann nur angenommen werden, wenn einzelne in Betracht kommende Ansprüche eines Berechtigten erkennbar von den Verhandlungen ausgenommen werden sollen (vgl. das angeführte Senatsurteil vom 1. Dezember 1964). Das aber war im Streitfall gerade nicht geschehen; es herrschte niemals Unklarheit darüber, daß die Witwe zu dem Kreis der durch das Unfallgeschehen Geschädigten gehörte und der Beklagte auch ihr gegenüber zum Ersatz von Schaden verpflichtet sein sollte, sobald ein solcher geltend gemacht werden konnte, d.h. wenn die Witwe nicht mehr erwerbstätig war.
2.
Dieser besonderen Lage des Falles trägt das angefochtene Urteil nicht Rechnung.
a)
Während sich der Zahlungsantrag der Klägerin nur auf die Rentenbeträge bezieht, die sie für das Jahr 1969 gezahlt hatte, in welchem die Witwe noch arbeitete, gilt der Feststellungsantrag für die gesamte fernere Zeit. Auch ihn hat das Berufungsgericht in vollem Umfang wegen Verjährung abgewiesen. Nach seiner Ansicht würde der Beklagte auch dann nicht durch § 242 BGB gehindert sein, sich auf Verjährung zu berufen, wenn die Witwe, weil sie ihre Arbeit nicht mehr fortsetzen kann, keinen ihren Schaden ausgleichenden Verdienst mehr erzielt (BU S. 11). Diesem Standpunkt kann aber, wie soeben näher begründet worden ist, nicht zugestimmt werden.
b)
Aber auch im übrigen kann der Senat es nicht billigen, daß das Berufungsgericht die Klage wegen Verjährung abgewiesen hat. Hinsichtlich der Frage, ob sich der Beklagte, wenn er sich auf Verjährung beruft, mit seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt und daher gegen Treu und Glauben verstößt, liegt der Fall, daß die Witwe infolge Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit einen Schaden hat, nicht entscheidend anders als der Fall, daß sie, obschon sie weiterarbeitet, als geschädigt anzusehen ist, weil der Schädiger ihr diese Weiterarbeit nicht zumuten kann (vgl. Senatsurteil vom 11. Februar 1969 - VI ZR 240/67 - VersR 1969, 469).
Zwar läßt sich nicht sagen, daß der Versicherer auch insoweit die Klägerin durch sein Verhalten davon abgehalten hätte, Leistungs- oder doch Feststellungsklage zu erheben. Offenbar sind damals beide Seiten davon ausgegangen, daß der Witwe nach den bis zu jenem Urteil geltenden Grundsätzen kein Schaden entstanden sei. Würde aber die Klägerin in den Jahren 1966 bis 1969 Feststellungsklage erhöben und die gegebenenfalls eintretende Erstattungspflicht des Beklagten haben feststellen lassen, so hätte dieses Feststellungsurteil die Verjährungsfrist nicht nur hinsichtlich solcher Ansprüche auf 30 Jahre verlängert, die in der Zukunft z.B. durch Arbeitsunfähigkeit der Witwe entstanden wären, sondern auch hinsichtlich ihrer Ansprüche, die ihr, wie in dem Urteil des Senats vom 11. Februar 1969 klargestellt, von Anfang an zustanden. Das Risiko, daß der Feststellungsanspruch in der Zukunft ein größeres Gewicht haben könnte, als dies bei Erhebung der Klage vorauszusehen war, hätte nicht die Klägerin, sondern der Beklagte getragen. Daher hätte sich auch noch die Witwe, deren Ersatzansprüche die Klägerin geltend macht, auf das neue Urteil stützen können. Das gleiche Risiko hätte der Beklagte getragen, wenn er seine Haftung dem Grunde nach anerkannt hätte, dann aber der Wirkungsumfang dieses Anerkenntnisses infolge Änderung der Rechtsprechung größer als von ihm erwartet geworden wäre. Infolgedessen fordern Treu und Glauben, daß im hier zu entscheidenden Fall, in welchem die Klägerin wegen des Verhaltens des Versicherers von dieser Feststellungsklage abgesehen hatte, nichts anderes gilt. Das muß jedenfalls deshalb als billig und gerecht gelten, weil die Klägerin nicht mit dem Beklagten persönlich verhandelt hatte, sondern mit seinem Haftpflichtversicherer, dessen Verhalten er sich zurechnen lassen muß (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1970 - VI ZR 148/68 - VersR 1970, 549). Als Sozialversicherungsträger stand sie mit dem Versicherer des Beklagten in einem laufenden Abrechnungsverkehr, bei dem sie, dies auch im Interesse des Versicherers, ihre Anforderungen immer erst nach Ablauf eines Jahres stellte und dabei stets die Renten für Witwen und Waisen zusammenfaßte. Auch diese Zusammenfassung entsprach dem Interesse des Versicherers an vereinfachtem Abrechnungsverfahren und wurde in allen Regreßfällen, also nicht nur im vorliegend zu entscheidenden Fall so gehandhabt. Dann aber ist es mit Treu und Glauben nicht mehr vereinbar, wenn der Versicherer seine Verjährungseinrede daraus herleitet, daß es hier im rechtlichen Sinne nicht nur um die "Höhe" des Ersatzanspruchs geht, sondern um den der Witwe zustehenden Anspruch überhaupt. Dieser lediglich formale Unterschied reicht nicht aus, um deshalb die Verjährungseinrede durchgreifen zu lassen.
IV.
Das Berufungsgericht durfte daher die Klage nicht schon wegen Verjährung abweisen. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Klägerin damit recht hat, daß der Witwe in Anwendung der Grundsätze, die der Senat in seinem Urteil vom 11. Februar 1969 aufgestellt hat, der von ihr erzielte Arbeitsverdienst nicht angerechnet werden durfte, und für welche Zeiträume dies gelten würde. Zur Klärung dieser Frage war der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Dr. Weber,
Dr. Bode,
Nüßgens,
Sonnabend,
Scheffen
Fundstellen