Entscheidungsstichwort (Thema)
nikotinhaltige Liquids
Leitsatz (amtlich)
1. Nach dem Gebot des Art. 32 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung), die Gefahrenpiktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise auf dem Kennzeichnungsetikett zusammen anzuordnen, muss zwischen diesen einzelnen Kennzeichnungselementen ein Kennzeichnungszusammenhang dergestalt hergestellt werden, dass sie in einem unmittelbaren visuellen Zusammenhang stehen.
2. Der in der CLP-Verordnung verwendete Begriff der breiten Öffentlichkeit ist nicht im Sinn von "jedermann", sondern in Abgrenzung von den Fachkreisen zu verstehen.
Normenkette
EGV 1272/2008 Art. 32 Abs. 1, Art. 35 Abs. 2 UAbs 1 Hs. 1
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 31.10.2023; Aktenzeichen I-4 U 150/21) |
LG Essen (Entscheidung vom 15.09.2021; Aktenzeichen 44 O 2/20) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 31. Oktober 2023 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist ein in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Überwachung und Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs, gehört.
Rz. 2
Die Beklagte stellt unter anderem nikotinhaltige Flüssigkeiten für elektronische Zigaretten her, sogenannte Liquids, und vertreibt diese deutschlandweit. Zu ihrem Sortiment gehören Liquids in den Geschmacksrichtungen "Karamell", "Beeren Mix", "Schokolade" und "Vanille". Die Flüssigkeiten werden in kleinen Kunststofffläschchen mit einem Fassungsvermögen von 10 ml in den Verkehr gebracht, die sich in Faltschachteln aus Karton befinden.
Rz. 3
Die Faltschachteln wiesen jedenfalls innerhalb eines nicht genau eingrenzbaren Herstellungszeitraums vor dem 9. Oktober 2019 folgende äußere Gestaltung auf (Anlagenkonvolut 3):
Rz. 4
Die Geschmacksrichtungen der nikotinhaltigen Flüssigkeiten werden auf den Faltschachteln auch durch Abbildungen dargestellt (Beeren Mix: verschiedene Beerensorten; Vanille: Vanilleblüte, Vanilleschote, Vanilleeis; Schokolade: Schokoladenstücke und -raspeln; Karamell: Karamellbrocken).
Rz. 5
Auf der Faltschachtel "Beeren Mix" ist auf einer Seitenfläche das Gefahrenpiktogramm und darunter das Signalwort "Achtung" abgebildet. Auf einer anderen Seitenfläche der Faltschachtel finden sich unter anderem folgende Hinweise:
Darf nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangen.
Gesundheitsschädlich bei Verschlucken!
Rz. 6
Auf den Faltschachteln der Geschmacksrichtungen "Beeren Mix", "Schokolade" und "Karamell" finden sich außerdem folgende Angaben:
Dieses eLiquid enthält keine suchtverstärkenden Zusatzstoffe, keinen Teer und kein Kohlenmonoxid
Das Aroma enthält keine krebserregenden Stoffe gemäß REACH Verordnung EG 1907/2006
Dieses eLiquid enthält natürliches Nikotinkonzentrat in gereinigter Arzneimittelqualität (Ph. Eur. Qualität)
Rz. 7
Der Kläger hält die Kennzeichnung und die Gestaltung der Faltschachteln der Beklagten für unlauter. Die Beklagte verstoße damit gegen die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung) und das Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG) sowie gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot.
Rz. 8
Nach erfolgloser Abmahnung hat der Kläger - soweit für die Revision relevant - zuletzt mit dem Klageantrag I beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr nikotinhaltige Nachfüllbehälter für elektronische Zigaretten
1. in einer Faltschachtel in den Verkehr zu bringen, ohne Gefahrenpiktogramm, Signalwort, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise im Sinne der CLP-VO zusammen auf der Faltschachtel angeordnet zu kennzeichnen, wenn das geschieht wie folgt abgebildet:
,
2. an und/oder für die breite Öffentlichkeit abzugeben, welche ein Design haben, das die aktive Neugier von Kindern weckt, wenn das geschieht wie auf einem der folgenden Bilder abgebildet:
,
und/oder
3. mit der Angabe "Keine suchtverstärkenden Zusatzstoffe" zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen
und/oder
4. a) mit der Angabe "kein Teer und kein Kohlenmonoxid" zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen
und/oder
b) mit der Angabe "keine krebserregenden Stoffe" zu kennzeichnen und inden Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen
und/oder
5. mit der Angabe "Nikotinkonzentrat in gereinigter Arzneimittelqualität (Ph. Eur. Qualität)" zu bewerben, einschließlich zu kennzeichnen,
6. …,
jeweils, wenn dies geschieht wie in den Anlagenkonvoluten K3 und … wiedergegeben.
Rz. 9
Mit dem Klageantrag II hat der Kläger die Erstattung vorgerichtlicher Kosten nebst Rechtshängigkeitszinsen verlangt.
Rz. 10
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und den Anträgen I 1 bis I 5 sowie dem Antrag II stattgegeben (OLG Hamm, GRUR-RR 2024, 156). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, begehrt die Beklagte die vollständige Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Rz. 11
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stünden gegen die Beklagte wegen des Inverkehrbringens, der Abgabe und der Bewerbung nikotinhaltiger Nachfüllbehälter für elektronische Zigaretten lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche sowie ein Anspruch auf Abmahnkostenerstattung zu.
Rz. 12
Die Klage sei zulässig und überwiegend begründet. Die Unterlassungsansprüche gemäß den Klageanträgen I 1 und I 2 fänden ihre Grundlage in einem Verstoß gegen die CLP-Verordnung. Das Gefahrenpiktogramm, die Signalwörter, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise auf der Faltschachtel des "Beeren-Mix"-Liquids seien entgegen Art. 32 Abs. 1 CLP-VO nicht zusammen angeordnet. Die bildlichen Darstellungen der Aromastoffe stellten Designs dar, die entgegen Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 CLP-Verordnung die aktive Neugier von Kindern wecken oder anziehen könnten. Die mit den Klageanträgen I 3 und I 4 a geltend gemachten Unterlassungsansprüche bezüglich der Angaben, das Liquid enthalte "keine suchtverstärkenden Zusatzstoffe" sowie "keinen Teer und kein Kohlenmonoxid", seien wegen Verstößen gegen Vorschriften des Tabakerzeugnisgesetzes begründet. Bei der mit dem Klageantrag I 4 b beanstandeten Angabe "keine krebserregenden Stoffe" handle es sich um eine lauterkeitsrechtlich unzulässige Werbung mit einer Selbstverständlichkeit. Der mit dem Klageantrag I 5 verfolgte Unterlassungsanspruch sei jedenfalls wegen eines Verstoßes gegen das Tabakerzeugnisgesetz begründet, weil die Beklagte mit der Aussage "Nikotinkonzentrat in gereinigter Arzneimittelqualität (Ph. Eur. Qualität)" im Ergebnis damit werbe, dass ihr Produkt wegen der besonderen Reinheit des verwendeten Nikotinkonzentrats weniger schädlich sei als die Liquids anderer Hersteller.
Rz. 13
B. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
Rz. 14
I. Die Klage ist zulässig.
Rz. 15
1. Das Berufungsgericht ist mit Recht von der Klagebefugnis des Klägers ausgegangen und hat eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Klageansprüche abgelehnt. Das wird von der Revision nicht mehr in Zweifel gezogen.
Rz. 16
2. Die Klageanträge, die sich jeweils auf die konkrete Verletzungsform gemäß Anlage K3 beziehen, sind auch hinreichend bestimmt (zu den Anforderungen vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 145/23, GRUR 2024, 1129 [juris Rn. 16] = WRP 2024, 939 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III, mwN).
Rz. 17
Soweit sich auf der abgebildeten Faltschachtel der Geschmacksrichtung "Vanille" weder die mit dem Antrag I 3 beanstandete Angabe "keine suchtverstärkenden Zusatzstoffe" noch die Angabe "kein Teer und kein Kohlenmonoxid" gemäß Antrag I 4 a oder die Angabe "Nikotinkonzentrat in gereinigter Arzneimittelqualität (Ph. Eur. Qualität)" gemäß Antrag I 5 findet, führt dies nicht zur Unbestimmtheit dieser Anträge. Die auch vom Revisionsgericht vorzunehmende Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 - IX ZR 238/22, GRUR 2024, 404 [juris Rn. 12] mwN) der Anträge I 3, I 4 a sowie des Antrags I 5 ergibt, dass sie sich nur auf diejenigen in der Anlage K3 abgebildeten Faltschachteln beziehen, die die mit diesen Anträgen beanstandeten Angaben enthalten, so dass die abstrakte Antragsfassung der konkreten Verletzungsform nicht widerspricht (vgl. dazu BGH, GRUR 2024, 1129 [juris Rn. 148] - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III).
Rz. 18
II. Die Klage ist in dem vom Berufungsgericht zugesprochenen Umfang auch begründet.
Rz. 19
1. Dem Kläger steht der mit dem Antrag I 1 verfolgte Anspruch auf Unterlassung des Inverkehrbringens nikotinhaltiger Liquids in Faltschachteln, ohne dass Gefahrenpiktogramm, Signalwort, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise zusammen auf der Faltschachtel angeordnet sind, aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (aF) sowie § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG in der ab dem 28. Mai 2022 geltenden Fassung (nF) in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 CLP-VO zu.
Rz. 20
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist nicht § 3a UWG anwendbar, sondern der Anspruch ergibt sich vielmehr aus dem Vorenthalten einer wesentlichen Information (dazu B II 1 a). Mit Recht hat das Berufungsgericht dagegen angenommen, dass die CLP-Verordnung anwendbar ist (dazu B II 1 b), die Faltschachtel "Beeren Mix" die Anforderungen des Art. 32 Abs. 1 CLP-VO nicht erfüllt (dazu B II 1 c) und auch keiner Ausnahmeregelung in der CLP-Verordnung unterfällt (dazu B II 1 d).
Rz. 21
a) In Fällen der Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation ist die Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung allein nach § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG aF (§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF) zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19, BGHZ 233, 193 [juris Rn. 16 und 23] - Knuspermüsli II; Urteil vom 26. Oktober 2023 - I ZR 176/19, GRUR 2023, 1704 [juris Rn. 17 f.] = WRP 2024, 65 - Zigarettenausgabeautomat III, mwN).
Rz. 22
aa) Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG aF handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, (Nr. 1) die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und (Nr. 2) deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5a Abs. 1 UWG nF handelt unlauter, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, (Nr. 1) die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und (Nr. 2) deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Gemäß § 5a Abs. 4 UWG aF und § 5b Abs. 4 UWG nF gelten als wesentlich im Sinn des § 5a Abs. 2 UWG aF beziehungsweise des § 5a Abs. 1 UWG nF auch Informationen, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.
Rz. 23
Die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG aF (§ 5a Abs. 1 UWG nF) dient der Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt. Die Regelung in § 5a Abs. 4 UWG aF (§ 5b Abs. 4 UWG nF) hat ihre unionsrechtliche Grundlage in Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 111/22, GRUR 2023, 585 [juris Rn. 58] = WRP 2023, 576 - Mitgliederstruktur, mwN).
Rz. 24
bb) Das für den Antrag I 1 maßgebliche Gebot der gemeinsamen Anordnung der Kennzeichnungselemente auf den Kennzeichnungsetiketten oder der Verpackung des als gefährlich eingestuften und verpackten Gemisches gemäß Art. 32 Abs. 1 CLP-VO betrifft Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation im Sinn von § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG aF und § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF (zum Begriff der kommerziellen Kommunikation vgl. BGH, GRUR 2023, 1704 [juris Rn. 22 bis 24] - Zigarettenausgabeautomat III).
Rz. 25
(1) Nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. d bis g CLP-VO trägt - soweit hier einschlägig - ein Gemisch, das als gefährlich eingestuft und verpackt ist, ein Kennzeichnungsetikett mit - wo zutreffend - Gefahrenpiktogrammen gemäß Art. 19 CLP-VO, Signalwörtern gemäß Art. 20 CLP-VO, Gefahrenhinweisen gemäß Art. 21 CLP-VO und geeigneten Sicherheitshinweisen gemäß Art. 22 CLP-VO.
Rz. 26
Nach Art. 31 Abs. 1 Halbsatz 1 CLP-VO wird ein Kennzeichnungsetikett fest auf einer oder mehreren Flächen der Verpackung angebracht, die das Gemisch unmittelbar enthält. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 2 CLP-VO heben sich die Kennzeichnungselemente nach Art. 17 Abs. 1 CLP-VO deutlich vom Untergrund ab, sind hinreichend dimensioniert und so angeordnet, dass sie leicht lesbar sind. Nach Art. 31 Abs. 5 CLP-VO ist ein Kennzeichnungsetikett nicht erforderlich, wenn die Kennzeichnungselemente nach Art. 17 Abs. 1 CLP-VO auf der Verpackung selbst deutlich dargestellt sind. In solchen Fällen gelten die Vorschriften dieses Kapitels für Kennzeichnungsetiketten für die auf der Verpackung angebrachten Informationen.
Rz. 27
Nach Art. 32 Abs. 1 CLP-VO werden die Gefahrenpiktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise zusammen auf dem Kennzeichnungsetikett angeordnet.
Rz. 28
(2) Das Gebot der gemeinsamen Anordnung der Kennzeichnungselemente des Art. 17 Abs. 1 Buchst. d bis g CLP-VO auf der Verpackung gemäß Art. 32 Abs. 1 CLP-VO in Verbindung mit Art. 31 Abs. 5 CLP-VO fällt in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG aF, § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF. Die Kennzeichnungs- und Verpackungsvorschriften dienen gemäß Erwägungsgrund 18 Satz 1 der CLP-Verordnung der Information der Verbraucher über die Gefahren von - als gefährlich eingestuften und verpackten - Gemischen.
Rz. 29
Dem steht nicht entgegen, dass die Kennzeichnungselemente des Art. 17 Abs. 1 Buchst. d bis g CLP-VO gerade nicht die unmittelbare oder mittelbare Förderung des Absatzes der nikotinhaltigen Liquids bezwecken, sondern im Interesse des Schutzes der menschlichen Gesundheit auf Risiken der Gemische hinweisen. Bei den Unlauterkeitstatbeständen gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG aF, § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF sowie Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG geht es darum zu verhindern, dass dem Verbraucher in der kommerziellen Kommunikation eine wesentliche Information vorenthalten wird, die er nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Das können auch Informationen sein, die Verbraucherinnen und Verbraucher - wie die Kennzeichnungselemente im Streitfall - von einem Vertragsschluss abhalten können (zur Nährwertdeklaration bei Lebensmitteln vgl. BGHZ 233, 193 [juris Rn. 33 und 35] - Knuspermüsli II; vgl. auch BGH, GRUR 2023, 1704 [juris Rn. 27] - Zigarettenausgabeautomat III).
Rz. 30
b) Die Kennzeichnungsvorschriften der CLP-Verordnung finden im Streitfall Anwendung.
Rz. 31
aa) Die Annahme des Berufungsgerichts, bei den nikotinhaltigen Liquids handle es sich um Gemische im Sinn der CLP-Verordnung und die Faltschachteln stellten "Verpackungen" im Sinn des Art. 2 Nr. 36 CLP-VO dar, weist keine Rechtsfehler auf und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
Rz. 32
bb) Die Revision wendet sich auch nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Vorschriften der CLP-Verordnung würden nicht durch tabakrechtliche Vorschriften verdrängt. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
Rz. 33
(1) Die Richtlinie 2014/40/EU zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG dient gemäß ihrem Art. 1 Buchst. b und f unter anderem der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für bestimmte Aspekte der Kennzeichnung und Verpackung von Tabakerzeugnissen sowie für das Inverkehrbringen und die Kennzeichnung bestimmter Erzeugnisse, die mit Tabakerzeugnissen verwandt sind, nämlich elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter sowie pflanzliche Raucherzeugnisse. Nach ihrem Erwägungsgrund 47 werden mit der Richtlinie 2014/40/EU allerdings nicht sämtliche Aspekte der elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehälter harmonisiert. Nach Art. 20 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/40/EU sorgen die Mitgliedstaaten deshalb dafür, dass elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn sie der Richtlinie und allen anderen einschlägigen Rechtsvorschriften der Union genügen. Im Einklang damit sieht § 1 Abs. 2 TabakerzG vor, dass Bestimmungen über den Schutz der menschlichen Gesundheit oder zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Täuschung aufgrund anderer Gesetze und der aufgrund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen unberührt bleiben.
Rz. 34
(2) Die dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienenden Vorgaben der CLP-Verordnung (vgl. Art. 1 Abs. 1 und Erwägungsgründe 1 und 3 CLP-VO) bleiben danach auf Gemische in Form von nikotinhaltigen Flüssigkeiten für elektronische Zigaretten neben den tabakrechtlichen Vorschriften ergänzend anwendbar (so auch OVG Lüneburg, StoffR 2023, 320 [juris Rn. 39]; LG Düsseldorf, Urteil vom 12. Januar 2023 - 14c O 95/22, juris Rn. 93; kritisch Lutzhöft, GRUR-RR 2024, 161).
Rz. 35
c) Das Berufungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Kennzeichnung der Faltschachtel der Geschmacksrichtung "Beeren Mix" gegen Art. 32 Abs. 1 CLP-VO verstößt, weil die relevanten Kennzeichnungselemente nicht zusammen angeordnet sind.
Rz. 36
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Kennzeichnung der Faltschachtel für das "Beeren Mix"-Liquid genüge den Anforderungen des zwingenden Art. 32 Abs. 1 CLP-VO nicht. Die Gefahrenpiktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise seien auf der Faltschachtel nicht zusammen angeordnet. Das Gefahrenpiktogramm und das Signalwort befänden sich zwar unmittelbar nebeneinander. Die Gefahren- und Sicherheitshinweise befänden sich aber auf einer anderen Fläche der Schachtel. Art. 31 Abs. 1 CLP-VO erlaube zwar, dass sich das Kennzeichnungsetikett über mehrere Flächen der Verpackung erstrecke. In einem solchen Fall sei jedoch zu fordern, dass zwischen den einzelnen Kennzeichnungselementen ein Kennzeichnungszusammenhang bestehe. Daran fehle es hier.
Rz. 37
Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.
Rz. 38
bb) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorgaben des Art. 32 Abs. 1 CLP-VO zwingend sind. Die Annahme einer bloß unverbindlichen Empfehlung widerspräche nicht nur dem Zweck der CLP-Verordnung, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu gewährleisten (vgl. Art. 1 Abs. 1 CLP-VO), sondern auch dem klaren Wortlaut des Art. 32 Abs. 1 CLP-VO, der ausdrücklich vorschreibt, dass die Informationen zusammen auf dem Kennzeichnungsetikett angeordnet werden.
Rz. 39
Der Hinweis der Revision auf die als Anlage B2 vorgelegten "Einführenden Leitlinien zur CLP-Verordnung" der Europäischen Chemikalienagentur führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach "sollten" die Gefahrenpiktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise zwar nur zusammen auf den Kennzeichnungsetiketten angeordnet werden (vgl. Seite 59). Auf Seite 2 der Leitlinien wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nur der Wortlaut der CLP-Verordnung rechtlich verbindlich sei und es sich bei den Informationen in den Leitlinien nicht um Rechtsauskünfte handle.
Rz. 40
cc) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Kennzeichnung der Faltschachtel für das "Beeren Mix"-Liquid genüge den Anforderungen des Art. 32 Abs. 1 CLP-VO nicht, lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 41
(1) Nach den Vorgaben der CLP-Verordnung über den Inhalt des Kennzeichnungsetiketts genügt es nicht, Gefahrenpiktogramm, Signalwort, Gefahrenhinweis und Sicherheitshinweis beliebig auf der Verpackung zu verteilen. Die Anordnung hat gemäß Art. 32 Abs. 1 CLP-VO vielmehr "zusammen" auf dem Kennzeichnungsetikett zu erfolgen, welches fest auf einer oder mehreren Flächen der Verpackung angebracht werden kann. Für den Fall, dass ein solches Kennzeichnungsetikett - wie hier - nicht erforderlich ist, weil die Kennzeichnungselemente auf der Verpackung selbst dargestellt sind, gelten dafür die Vorschriften des Kapitels für Kennzeichnungsvorschriften entsprechend. In das Ermessen des Lieferanten wird allein die Reihenfolge der Gefahren- und Sicherheitshinweise gestellt (vgl. Art. 32 Abs. 2 und 3 CLP-VO), nicht aber deren (gemeinsame) Anordnung auf dem Kennzeichnungsetikett.
Rz. 42
(2) Danach ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass zwischen den einzelnen Kennzeichnungselementen ein Kennzeichnungszusammenhang dergestalt hergestellt werden muss, dass sie in einem unmittelbaren visuellen Zusammenhang stehen, um die in Art. 31 Abs. 3 Satz 2 CLP-VO geforderte leichte Lesbarkeit zu gewährleisten. Dem entspricht Erwägungsgrund 50 der CLP-Verordnung, wonach nicht nur Vorschriften für das "Anbringen" des Kennzeichnungsetiketts, sondern gerade auch für die "Anordnung" der Informationen auf diesem Schild erforderlich sind, damit sichergestellt werden kann, dass die Angaben auf dem Kennzeichnungsetikett leicht verständlich sind.
Rz. 43
In diesem Sinn hat auch der Gerichtshof der Europäischen Union zum Verständnis des "Beifügens" gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Health-Claims-VO) entschieden, dass es dafür unter anderem eines unmittelbaren visuellen Zusammenhangs bedürfe, was grundsätzlich eine räumliche Nähe oder unmittelbare Nachbarschaft oder zumindest einen ausdrücklichen Hinweis wie etwa einen Sternchenhinweis erfordere (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2020 - C-524/18, GRUR 2020, 310 [juris Rn. 47 f.] = WRP 2020, 296 - Schwabe).
Rz. 44
(3) Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben genügt die von der Beklagten vorgenommene Anordnung der Kennzeichnungselemente auf mehreren Flächen der Faltschachtel "Beeren Mix" nicht den Vorgaben des Art. 32 Abs. 1 CLP-VO. Warum bei den streitgegenständlichen Verpackungen eine Anordnung aller Kennzeichnungselemente in einem unmittelbaren visuellen Zusammenhang - gegebenenfalls unter Umgruppierung nicht zwingend gebotener rein werblicher Elemente - nicht möglich sein sollte, ist nicht ersichtlich und wird von der Revision auch nicht dargelegt.
Rz. 45
d) Das Berufungsgericht ist weiter mit Recht davon ausgegangen, dass die Faltschachtel "Beeren Mix" nicht der Ausnahmeregelung in Anhang I Ziffer 1.5.2.1.1 Buchst. a und b Nr. 11 CLP-VO unterfällt.
Rz. 46
aa) Nach dieser Regelung müssen die Gefahrenhinweise und die Sicherheitshinweise, die sich auf bestimmte Gefahrenkategorien beziehen, die nach Art. 17 CLP-VO vorgeschriebenen Kennzeichnungselemente nicht aufweisen, (Buchst. a) sofern die Verpackung nicht mehr als 125 ml enthält und (Buchst. b Nr. 11) das Gemisch in die Gefahrenkategorie akute Toxizität der Kategorie 4 eingestuft ist, sofern das Gemisch nicht an die breite Öffentlichkeit abgegeben wird.
Rz. 47
bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, auf diese Ausnahmeregelung könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die Liquids an jede volljährige Person und damit an die breite Öffentlichkeit abgegeben würden. Der Bundesgerichtshof habe in der Entscheidung "Unser wichtigstes Cigarettenpapier" bereits den "Mitgliederbestand einer großen Volkspartei" als "breite Öffentlichkeit" angesehen (BGH, Urteil vom 18. November 2010 - I ZR 137/09, GRUR 2011, 631 [juris Rn. 14] = WRP 2011, 870). Das müsse erst recht für einen Abnehmerkreis gelten, der alle Volljährigen umfasse. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 48
cc) Der Begriff der "breiten Öffentlichkeit" wird in der CLP-Verordnung nicht definiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch umfasst er nicht die Öffentlichkeit im Sinn von "jedermann", sondern einen (breiten) Ausschnitt der Bevölkerung, der nicht notwendigerweise sämtliche Altersgruppen umfassen muss. Der Begriff der "breiten Öffentlichkeit" ist vielmehr in Abgrenzung von den Fachkreisen zu verstehen.
Rz. 49
Diese Differenzierung wird gestützt von Erwägungsgrund 49 der CLP-Verordnung, wonach im Allgemeinen Stoffe und Gemische, insbesondere jene, die an die breite Öffentlichkeit abgegeben werden, verpackt und mit den erforderlichen Kennzeichnungsangaben versehen sein sollten (Satz 1). Satz 2 betrifft dagegen den Austausch zweckdienlicher Angaben zwischen Fachleuten, der - auch für unverpackte Stoffe und Gemische - durch die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH-VO) gewährleistet wird. An die breite Öffentlichkeit können dagegen Stoffe und Gemische nach Satz 3 nur in Ausnahmefällen unverpackt abgegeben werden.
Rz. 50
Diese Abgrenzung zu Fachkreisen findet sich auch im Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2003/33/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen. Danach muss Tabakwerbung auf diejenigen Magazine und Zeitschriften beschränkt werden, die sich nicht an die breite Öffentlichkeit wenden. Als Beispiel werden Veröffentlichungen genannt, die ausschließlich für im Tabakhandel tätige Personen - mithin Fachleute - bestimmt sind.
Rz. 51
Dem entspricht die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der bei der Beurteilung eines nationalen Verbots von an die breite Öffentlichkeit gerichteter Werbung für bestimmte Biozidprodukte im Rahmen der Erforderlichkeit der Regelung darauf hingewiesen hat, dass diese nur an die breite Öffentlichkeit gerichtete Werbung verbiete, nicht aber Werbung, die sich an Fachleute richte (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Januar 2023 - C-147/21, GRUR 2023, 354 [juris Rn. 83] = WRP 2023, 551 - CIHEF ua).
Rz. 52
Ein anderes Verständnis des Begriffs der breiten Öffentlichkeit konterkarierte zudem den von der CLP-Verordnung verfolgten Zweck der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit (vgl. Art. 1 Abs. 1 und Erwägungsgrund 1 der CLP-VO), weil dann die zwar nicht von Kindern und Jugendlichen zu beziehenden, gleichwohl nach der Abgabe in private Haushalte gelangenden, besonders gefährlichen chemischen Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, die in den Anwendungsbereich der CLP-Verordnung fallen, von deren strengen Kennzeichnungspflichten ausgenommen wären.
Rz. 53
dd) Die Liquids der Beklagten, die in öffentlich zugänglichen Verkaufsstellen wie Supermärkten jedem Erwachsenen, nämlich aktuellen und potentiellen Konsumenten elektronischer Zigaretten, angeboten werden, werden danach an die breite Öffentlichkeit - und nicht nur an einen beschränkten Kreis von Fachleuten - abgegeben (vgl. auch OLG Hamburg, LMRR 2009, 88 [unter II 3 f bb und dd], das eine Internetwerbung für Tabakerzeugnisse als an alle volljährigen Raucher und damit an die breite Öffentlichkeit gerichtet eingestuft hat).
Rz. 54
ee) Vor diesem unionsrechtlichen Hintergrund steht dem auch die Senatsentscheidung "Unser wichtigstes Cigarettenpapier" nicht entgegen. Das maßgebliche Kriterium für die Ausrichtung an eine "breite Öffentlichkeit" war auch dort, dass die fragliche Publikation - die Mitgliederzeitung einer großen Volkspartei - unabhängig von ihrem tatsächlichen Verbreitungsgrad unter anderem an Kiosken und in Zeitschriftenläden für jedermann erhältlich war (vgl. BGH, GRUR 2011, 631 [juris Rn. 14]), wobei sich auch Parteizeitungen typischerweise nicht an Kinder und Jugendliche richten.
Rz. 55
Soweit der Senat in Randnummer 25 der Entscheidung ausgeführt hat, Tabakwerbung sei auch in speziell für die beschränkte Öffentlichkeit der Raucher bestimmten Magazinen zulässig, bezog sich dieser Hinweis ausdrücklich auf § 21a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 des bis zum 19. Mai 2016 geltenden Vorläufigen Tabakgesetzes. Danach durfte für Tabakerzeugnisse in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung geworben werden, die (Nr. 3 Buchst. a) in ihrem redaktionellen Inhalt weit überwiegend Tabakerzeugnisse oder ihrer Verwendung dienende Produkte betraf und (Nr. 3 Buchst. b) nur für eine sich aus Buchstabe a ergebende Öffentlichkeit bestimmt war und an diese abgegeben wurde. Diese Regelung wurde in das geltende Werbeverbot in Druckerzeugnissen nicht übernommen. Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 TabakerzG ist die Werbung nur noch in einer gedruckten Veröffentlichung erlaubt, die ausschließlich für im Handel mit Tabakerzeugnissen oder elektronischen Zigaretten oder Nachfüllbehältern tätige Personen - und damit für Fachleute - bestimmt ist.
Rz. 56
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die bildlichen Darstellungen der Aromastoffe auf den Faltschachteln stellten Designs dar, die die aktive Neugier von Kindern wecken oder anziehen könnten, verstießen deshalb gegen Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 Halbsatz 1 CLP-VO und begründeten damit einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG (Klageantrag I 2), hält der - eingeschränkten - revisionsrechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand.
Rz. 57
a) Nach Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 Halbsatz 1 CLP-VO dürfen, soweit hier einschlägig, Verpackungen eines gefährlichen Gemisches, das an die breite Öffentlichkeit abgegeben wird, kein Design haben, das die aktive Neugier von Kindern wecken oder anziehen könnte.
Rz. 58
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, für die Beurteilung der bildlichen Darstellungen auf den Faltschachteln bedürfe es keines Sachverständigengutachtens. Die Senatsmitglieder könnten aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen als Elternteile beurteilen, ob die Darstellungen die aktive Neugier von Kindern wecken oder anziehen könnten. Die auf den Faltschachteln in ansprechenden Arrangements und in ansprechender Farbgebung abgebildeten Süßigkeiten (Karamell, Schokolade, Vanilleeis) und sonstigen Lebensmittel (frisch und appetitlich aussehende Beeren) gehörten zu den Gegenständen, die für Kinder, insbesondere kleinere Kinder, typischerweise besonders interessant seien. Dass die Faltschachteln daneben weitere Design- und Kennzeichnungselemente aufwiesen, die für Kinder unverständlich und unattraktiv seien, sei ohne Belang. Diese Elemente seien nicht derart "abschreckend", dass Kinder in jedem Fall von einer näheren Befassung mit der Verpackung und dem darin befindlichen Produkt Abstand nähmen. Dass auf dem Markt zahlreiche Produkte - insbesondere im Kosmetika- und Reinigungsmittelbereich - existierten, die gefährliche Inhaltsstoffe hätten und gleichwohl mit auf Kinder interessant wirkenden Designelementen aufgemacht seien, sei ohne Bedeutung. Die dagegen gerichteten Rügen der Revision greifen nicht durch.
Rz. 59
c) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen das vom Berufungsgericht zur Beantwortung der Frage, ob die Darstellung der Aromastoffe auf den Faltschachteln die aktive Neugier von Kinder wecken oder anziehen könnten, ermittelte Verkehrsverständnis.
Rz. 60
aa) Die Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüfbar, ob das Tatgericht einen zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verstoßen und keine wesentlichen Umstände unberücksichtigt gelassen hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 - I ZR 146/20, GRUR 2022, 399 [juris Rn. 60] = WRP 2022, 426 - Werbung für Fernbehandlung; Urteil vom 10. Januar 2024 - I ZR 95/22, GRUR 2024, 310 [juris Rn. 26] = WRP 2024, 471 - Peek & Cloppenburg V, jeweils mwN). Da es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung im eigentlichen Sinn, sondern um die Anwendung spezifischen Erfahrungswissens handelt, kann ein Rechtsfehler auch darin bestehen, dass die festgestellte Verkehrsauffassung erfahrungswidrig ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2023 - I ZR 68/21, GRUR 2023, 1637 [juris Rn. 40] = WRP 2023, 1459 - Bakterienkulturen, mwN). Dieser eingeschränkten Nachprüfung halten die Ausführungen des Berufungsgerichts stand.
Rz. 61
bb) Das Berufungsgericht ist von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Weder hat es den Tatbestand des Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 Halbsatz 1 CLP-VO unzutreffend erfasst noch war es gehalten, zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Rz. 62
(1) Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 Halbsatz 1 CLP-VO fordert nach seinem klaren Wortlaut keine gezielte Ansprache von Kindern (aA Lutzhöft, GRUR-RR 2024, 161, 162). Für den Verbotstatbestand reicht es vielmehr aus, wenn ein Design die aktive kindliche Neugier wecken oder anziehen "könnte" (in der englischen Fassung "likely to attract or arouse the active curiosity of children"). Davon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
Rz. 63
(2) Das Berufungsgericht konnte das Verkehrsverständnis entgegen der Rüge der Revision auch aufgrund eigener Sachkunde beurteilen.
Rz. 64
(a) Die Feststellung der Wirkung einer Werbung auf die angesprochenen Verkehrskreise stützt sich auf die Anwendung von Erfahrungswissen, das gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen zu ermitteln ist. Ermittelt das Tatgericht das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise ohne sachverständige Hilfe, so geht es davon aus, aufgrund eigenen Erfahrungswissens selbst über die erforderliche Sachkunde zu verfügen. Ob diese Beurteilung zutrifft, bestimmt sich grundsätzlich nach den Regeln, die auch sonst bei Beantwortung der Frage gelten, ob ein Gericht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichten und stattdessen aufgrund eigener Sachkunde entscheiden kann (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250 [Rn. 18] - Marktführerschaft, mwN; Urteil vom 22. Januar 2014 - I ZR 218/12, GRUR 2014, 682 [juris Rn. 28] = WRP 2014, 835 - Nordjob-Messe).
Rz. 65
(b) Hat das Berufungsgericht das Verständnis des Verkehrs ohne Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe beurteilt, obwohl es selbst nicht hinreichend sachkundig ist, oder hat es eine mögliche, aber keineswegs selbstverständliche eigene Sachkunde nicht dargelegt, handelt es sich um einen Verfahrensfehler nach § 286 ZPO, der im Revisionsverfahren uneingeschränkt gerügt werden kann (vgl. BGHZ 156, 250 [Rn. 19] - Marktführerschaft, mwN). Im Streitfall liegt ein solcher Verfahrensfehler nicht vor.
Rz. 66
(c) Die Mitglieder des Berufungsgerichts gehören zwar nicht selbst dem Verkehrskreis der Kinder an, deren Verkehrsverständnis für Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 Halbsatz 1 CLP-VO zu ermitteln ist. Das Berufungsgericht hat aber unter Hinweis darauf, dass die erkennenden Senatsmitglieder aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen als Elternteile das entsprechende Verkehrsverständnis beurteilen könnten, dargelegt, aufgrund welcher Umstände es sich für hinreichend sachkundig gehalten hat. Entgegen der Auffassung der Revision geht es insofern nicht um möglicherweise veraltete Erfahrungswerte aus der eigenen Kindheit der Senatsmitglieder.
Rz. 67
cc) Das Berufungsgericht hat den Tatsachenstoff auch verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft. Es hat sich insbesondere mit dem Vorbringen der Beklagten befasst, dass auf dem Markt Produkte - insbesondere Kosmetika und Reinigungsmittel - existierten, die ebenfalls mit auf Kinder interessant wirkenden Designelementen aufgemacht seien. Den vom Oberlandesgericht Zweibrücken (Urteil vom 16. Mai 2002 - 4 U 162/01, juris Rn. 36) in anderem Zusammenhang angenommenen Gewöhnungseffekt hat es für den Streitfall verneint. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten zur (tabakrechtlichen) Beurteilung von Verpackungsdesigns der Beklagten durch die Lebensmittelüberwachungsämter nicht zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung über die aus seiner Sicht daneben einzuhaltenden Vorschriften der CLP-Verordnung nicht erwogen hätte.
Rz. 68
dd) Die Annahme des Berufungsgerichts, die beanstandeten bildlichen Darstellungen der Aromastoffe auf den Faltschachteln könnten die aktive Neugier von Kindern wecken oder anziehen, ist auch nicht erfahrungswidrig, sondern angesichts des vom Berufungsgericht festgestellten ansprechenden Arrangements der dort abgebildeten verzehrfertigen Süßigkeiten und Naschbeeren naheliegend. Mit der gegenteiligen Würdigung versucht die Revision lediglich, die Würdigung des Berufungsgerichts durch ihre eigene zu ersetzen, ohne dabei einen Rechtsfehler aufzuzeigen.
Rz. 69
ee) Die Beurteilung des Berufungsgerichts führt auch nicht zu einem Wertungswiderspruch zu § 21 Abs. 1 Nr. 2 TabakerzG, der Werbung für Tabakerzeugnisse verbietet, die ihrer Art nach besonders dazu geeignet sind, Jugendliche oder Heranwachsende zum Konsum zu veranlassen oder darin zu bestärken. Diese Vorschrift verfolgt mit dem Verbot, den Konsum von Tabakerzeugnissen durch Jugendliche und Heranwachsende mit an sie gerichteter Werbung zu fördern, ein anderes Ziel als die dem Schutz von Kindern vor dem versehentlichen Verzehr gefährlicher Stoffe oder Gemische dienende Vorschrift des Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 Halbsatz 1 CLP-VO (aA Lutzhöft, GRUR-RR 2024, 161 f.).
Rz. 70
d) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt der Einwand der Revision, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die bildliche Darstellung von Geschmacksrichtungen auf der Außenverpackung von Liquids nach der Richtlinie 2014/40/EU ausdrücklich erlaubt sei. Das Verbot des Art. 13 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2014/40/EU (§ 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 TabakerzG), wonach - soweit hier relevant - die Kennzeichnung der Außenverpackung weder Elemente noch Merkmale aufweisen darf, die sich auf eventuelle Aromastoffe beziehen, ist zwar nach Art. 20 Abs. 4 Buchst. b Ziffer ii der Richtlinie 2014/40/EU (§ 18 Abs. 4 TabakerzG) nicht auf elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter anzuwenden. Das Berufungsgericht hat aber zutreffend darauf hingewiesen, dem könne nicht entnommen werden, dass eine (bildliche) Darstellung der Aromastoffe in jedweder Form - insbesondere in einem den Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 Halbsatz 1 CLP-VO widersprechenden Design - zulässig wäre. Wie bereits ausgeführt (siehe oben Rn. 33 f.) müssen elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter nach Art. 20 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/40/EU nicht nur dieser Richtlinie, sondern auch allen anderen einschlägigen Rechtsvorschriften der Union genügen, soweit nicht nur durch die Richtlinie 2014/40/EU abschließend geregelte tabakspezifische Besonderheiten betroffen sind. Bei der Verwendung von Abbildungen für Aromastoffe muss die Beklagte mithin auch die Vorgabe des Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 Halbsatz 1 CLP-VO beachten.
Rz. 71
e) Soweit die Revision geltend macht, die Beklagte habe mittels Vorlage von Bescheiden der Lebensmittelüberwachungsämter den Nachweis geführt, dass die streitgegenständlichen Verpackungsdesigns mit ihren Abbildungen von Früchten beziehungsweise Obst seitens der Behörden stets als unproblematisch beurteilt worden seien, und damit möglicherweise auf die Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten hinweisen will (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. September 2018 - I ZR 26/17, GRUR 2018, 1166 [juris Rn. 27] = WRP 2018, 1452 - Prozessfinanzierer I, mwN), hat sie damit keinen Erfolg. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Aufmachung der beanstandeten Faltschachteln von der zuständigen Verwaltungsbehörde durch einen wirksamen Verwaltungsakt - auch mit Blick auf die CLP-Verordnung - ausdrücklich erlaubt worden wäre. Die von der Revision in Bezug genommenen Anlagen B3 und BK1 sind "Gutachten" über "Liquids Banane", die nicht nur umfangreiche Schwärzungen enthalten, sondern als Beurteilungsgrundlage ausdrücklich allein tabakrechtliche Vorschriften anführen. Hinsichtlich der als Anlagen B28 bis B30 vorgelegten "Informationen über die Entnahme einer amtlichen Probe" ist bereits nicht ersichtlich, dass oder inwieweit damit die (streitgegenständliche) Aufmachung von Verpackungen nikotinhaltiger Liquids als unproblematisch beurteilt worden sein soll.
Rz. 72
3. Das Berufungsgericht hat mit Recht auch den Antrag I 3 betreffend die Angabe "keine suchtverstärkenden Zusatzstoffe" nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3, Abs. 4 TabakerzG für begründet erachtet.
Rz. 73
a) Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 TabakerzG, der Art. 13 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2014/40/EU umsetzt, ist es verboten, Tabakerzeugnisse unter Verwendung irreführender werblicher Informationen auf Packungen, Außenverpackungen oder auf dem Tabakerzeugnis selbst in den Verkehr zu bringen, wobei eine Irreführung insbesondere dann vorliegt, wenn sich die werblichen Informationen auf Geschmack, Geruch, Aromastoffe oder sonstige Zusatzstoffe oder auf deren Fehlen beziehen. Damit werden diese werblichen Informationen unabhängig von einer Irreführungsgefahr vom Gesetzgeber als irreführend eingestuft und verboten (vgl. Horst in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, 186. Ergänzungslieferung [Stand März 2023], § 18 TabakerzG Rn. 49 f. und 59; Boch, TabakerzG, 3. Aufl., § 18 Rn. 6).
Rz. 74
Nach § 18 Abs. 4 TabakerzG gelten für elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter die Verbote des § 18 Abs. 2 TabakerzG mit Ausnahme der Informationen über die Aromastoffe und den Nikotingehalt entsprechend. Nach § 2 Nr. 4 TabakerzG sind werbliche Informationen unter anderem Angaben zu Zwecken der Werbung.
Rz. 75
b) Bei der Angabe "keine suchtverstärkenden Zusatzstoffe" handelt es sich um eine zum Zweck der Werbung auf der Produktverpackung aufgebrachte Angabe im Sinn des § 2 Nr. 4 TabakerzG. Das Berufungsgericht ist auch mit Recht davon ausgegangen, dass die Angabe gegen das von § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 TabakerzG ausdrücklich genannte Verbot werblicher Informationen verstößt, die sich auf das Fehlen sonstiger Zusatzstoffe beziehen.
Rz. 76
aa) Soweit die Revision eine einschränkende Auslegung des § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 TabakerzG befürwortet, wonach die dort genannten "sonstigen Zusatzstoffe" mit den ausdrücklich genannten Beispielsfällen - Geschmack, Geruch, Aroma - vergleichbar sein müssten, findet diese Auffassung weder im Wortlaut noch im Sinn und Zweck der genannten Regelung eine Stütze.
Rz. 77
bb) Ihre Behauptung, die Angabe "keine suchtverstärkenden Zusatzstoffe" stelle eine wesentliche Information dar, wird von der Revision nicht näher begründet. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Pflichtinformation im Sinn von § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 Tabakerzeugnisverordnung (TabakerzV), der Art. 20 Abs. 4 Buchst. b Ziffer i der Richtlinie 2014/40/EU umsetzt. Danach sind Hersteller und Importeure von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern vor dem Inverkehrbringen zur Aufbringung einer Liste auf Packungen und Außenverpackungen von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern verpflichtet. Diese Liste muss insbesondere alle Inhaltsstoffe in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils enthalten. Daraus folgt nicht, dass entgegen § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 TabakerzG nicht enthaltene Inhaltsstoffe anzugeben wären.
Rz. 78
4. Der Antrag I 4 a betreffend die Angabe "kein Teer und kein Kohlenmonoxid" ist wegen eines Verstoßes gegen § 18 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 TabakerzG ebenfalls nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG begründet.
Rz. 79
a) Nach § 18 Abs. 3 Nr. 1 TabakerzG, der Art. 13 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/40/EU umsetzt, ist es verboten, Tabakerzeugnisse in den Verkehr zu bringen, wenn die Packung, die Außenverpackung oder werbliche Informationen Angaben über den Gehalt des Tabakerzeugnisses an Nikotin, Teer oder Kohlenmonoxid enthalten. Für elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter gilt das Verbot des § 18 Abs. 3 TabakerzG nach § 18 Abs. 4 TabakerzG mit Ausnahme der Informationen über den Nikotingehalt entsprechend.
Rz. 80
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, mit der Angabe auf den Faltschachteln, das Liquid enthalte "keinen Teer und kein Kohlenmonoxid", werbe die Beklagte mit einem Teer- und Kohlenmonoxidgehalt von "Null" und verstoße damit gegen das Verbot des § 18 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 TabakerzG. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 81
c) Die Revision stellt nicht in Abrede, dass die Beklagte faktisch mit einem Teer- und Kohlenmonoxidgehalt von "Null" wirbt. Sie macht jedoch geltend, § 18 Abs. 3 Nr. 1 TabakerzG sei nach seinem Sinn und Zweck einschränkend auszulegen und verbiete nur Angaben über den gemessenen Gehalt an Nikotin, Teer und Kohlenmonoxid.
Rz. 82
d) Diese einschränkende Auslegung des § 18 Abs. 3 Nr. 1 TabakerzG findet im Wortlaut keine Stütze und folgt auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Norm. Nach der Gesetzesbegründung haben sich die früher vorgeschriebenen Angaben über den Teer-, Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalt im Rauch von Zigaretten auf Zigarettenpackungen als irreführend erwiesen, weil solche quantitativen Angaben suggerieren, dass bestimmte Zigaretten weniger schädlich sind als andere. Eine entsprechende Beschriftung soll daher nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers nicht mehr zulässig sein (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse, BT-Drucks. 18/7218, S. 42; Erwägungsgrund 25 der Richtlinie 2014/40/EU; vgl. auch Boch aaO § 18 Rn. 9). Anhaltspunkte dafür, dass insoweit zwischen gemessenen und nicht gemessenen Emissionen zu differenzieren wäre, sind nicht ersichtlich. Soweit die Revision meint, E-Zigaretten enthielten per se weder Teer noch Kohlenmonoxid, was wegen der relativen Neuheit der Produkte eine relevante Information sei, verkennt sie, dass das Verbot des § 18 Abs. 3 Nr. 1 TabakerzG von Angaben über den (fehlenden) Gehalt an Teer oder Kohlenmonoxid nach § 18 Abs. 4 TabakerzG ausdrücklich auch für elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter gilt. Auch daraus ergibt sich, dass die Angabe über das vollständige Fehlen von Teer und Kohlenmonoxid vom Verbot erfasst ist, weil § 18 Abs. 4 TabakerzG sonst insofern keinen Anwendungsbereich hätte.
Rz. 83
5. Das Berufungsgericht hat den mit dem Klageantrag I 4 b geltend gemachten Unterlassungsanspruch betreffend die Angabe "keine krebserregenden Stoffe" mit Recht wegen einer irreführenden Werbung mit einer Selbstverständlichkeit gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG aF, § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG nF zugesprochen.
Rz. 84
a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG aF (§ 5 Abs. 1 UWG nF) handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist unter anderem dann irreführend nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG aF (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG nF), wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware wie Vorteile, Risiken oder Zusammensetzung enthält.
Rz. 85
Eine Werbung, die Selbstverständlichkeiten herausstellt, kann trotz objektiver Richtigkeit der Angaben gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG aF (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG nF) verstoßen, wenn dem angesprochenen Verkehr nicht bekannt ist, dass es sich bei der betonten Eigenschaft um einen gesetzlich vorgeschriebenen oder zum Wesen der Ware gehörenden Umstand handelt, und der angesprochene Verkehr deshalb annimmt, dass mit der Werbung ein Vorzug gegenüber anderen Erzeugnissen der gleichen Gattung und den Angeboten von Mitbewerbern hervorgehoben wird (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - I ZR 120/85, GRUR 1987, 916 [juris Rn. 19] = WRP 1988, 28 - Gratis-Sehtest; Beschluss vom 23. Oktober 2008 - I ZR 121/07, juris Rn. 2; Urteil vom 28. November 2013 - I ZR 34/13, GRUR 2014, 498 [juris Rn. 13] = WRP 2014, 556 - Kostenlose Schätzung).
Rz. 86
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG, der Art. 20 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2014/40/EU umsetzt, dürfen elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter nur in den Verkehr gebracht werden, wenn bei der Herstellung der zu verdampfenden Flüssigkeit außer Nikotin nur Inhaltsstoffe verwendet werden, die in erhitzter und nicht erhitzter Form kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen.
Rz. 87
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, bei der Werbeaussage "keine krebserregenden Stoffe" handle es sich um eine unzulässige Werbung mit einer Selbstverständlichkeit. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG dürften bei der Herstellung von Liquids nur Inhaltsstoffe verwendet werden, die in erhitzter und nicht erhitzter Form kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellten. Genau dahin - bezogen auf das Gesundheitsrisiko "Krebs" - verstehe der angesprochene Verkehr die Werbeaussage. Sie laute zwar vollständig "keine krebserregenden Stoffe gemäß REACH Verordnung EG 1907/2006". Ob die Beklagte bei der Herstellung ihrer Liquids tatsächlich "überobligationsmäßig" handle, weil sie auf alle krebserregenden Stoffe im Sinn der REACH-Verordnung verzichte, könne dahinstehen. Es komme (allein) darauf an, wie der angesprochene Verkehr die Werbeaussage verstehe. Der durchschnittlich informierte Verbraucher habe aber keine vertieften Kenntnisse über den Inhalt der REACH-Verordnung. Er verstehe die Werbeaussage vielmehr (lediglich) dahin, dass in dem Liquid in erhitzter und nicht erhitzter Form keine Stoffe in einer Menge oder Konzentration enthalten seien, die für ihn ein Gesundheitsrisiko im Hinblick auf eine Krebserkrankung darstellten; genau das sei der Regelungsgehalt des § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG. Die von der Revision gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts erhobenen Rügen bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
Rz. 88
c) Soweit die Revision meint, es sei revisionsrechtlich zu unterstellen, dass die Beklagte mit dem Verzicht auf alle krebserregenden Stoffe im Sinn der REACH-Verordnung über die Vorgaben des § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG hinausgehe, weil das Berufungsgericht diese Frage offengelassen habe, verkennt sie, dass es sich dabei nicht um eine mangels hinreichender Feststellungen des Berufungsgerichts zu unterstellende Tatsache, sondern um eine vom Revisionsgericht gegebenenfalls selbst vorzunehmende rechtliche Würdigung handelt.
Rz. 89
d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann auch nicht offenbleiben, ob mit der streitgegenständlichen Aussage über die Vorgaben des § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG hinausgegangen wird. Nur wenn das nicht der Fall ist, hebt die Angabe ein gesetzlich vorgeschriebenes Merkmal der angebotenen Liquids gesondert hervor und verstößt damit gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG aF (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG nF). So verhält es sich hier.
Rz. 90
aa) Die Auffassung der Revision, § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG erfasse nur die Verwendung solcher Inhaltsstoffe, bei denen bereits eine Menge, die im Rahmen des Konsumierens einer E-Zigarette vom Körper aufgenommen wird, ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstelle, findet im Wortlaut keine Stütze. § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG stellt abstrakt auf die bei der Herstellung elektronischer Zigaretten und Nachfüllbehälter verwendeten Inhaltsstoffe ab und schreibt vor, dass diese weder in erhitzter noch in nicht erhitzter Form ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen dürfen, ohne dass an eine Mindestmenge oder den konkreten Konsum angeknüpft wird. Auch Stoffe, die nach der REACH-Verordnung als krebserregend eingestuft werden, dürfen daher nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG nicht verwendet werden.
Rz. 91
bb) Der Verweis der Revision auf die Anlage 2 Nr. 5 zu § 28 TabakerzV greift ebenfalls nicht durch. Elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter müssen sowohl den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG als auch den Vorgaben der nach § 13 Abs. 2 TabakerzG erlassenen Rechtsverordnung und damit Anlage 2 zu § 28 TabakerzV genügen.
Rz. 92
(1) Nach § 28 TabakerzV dürfen elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter nicht in den Verkehr gebracht werden, wenn sie einen der in Anlage 2 aufgeführten Inhaltsstoffe enthalten. Damit wird Art. 20 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2014/40/EU umgesetzt, wonach die nikotinhaltige Flüssigkeit bestimmte, in Art. 7 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40/EU aufgeführte Zusatzstoffe nicht enthalten darf. Die Anlage 2 zu § 28 TabakerzV geht in Nr. 5 allerdings insofern über Art. 7 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40/EU hinaus, als dort mit Ausnahme von Nikotin bestimmte Aromastoffe und aus Pflanzen gewonnene Stoffe als verbotene Inhaltsstoffe aufgelistet werden, die in erhitzter oder nicht erhitzter Form ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen.
Rz. 93
(2) Soweit die Revision geltend macht, Anlage 2 Nr. 5 zu § 28 TabakerzV nenne weniger Stoffe als die REACH-Verordnung, weshalb der Verzicht auf jegliche krebserregenden Stoffe gemäß der REACH-Verordnung in den Produkten der Beklagten keine Selbstverständlichkeit sei, kann sie damit nicht durchdringen. Sie übersieht, dass die für den Klageantrag I 4 b maßgebliche Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG selbständig neben § 28 in Verbindung mit Anlage 2 Nr. 5 TabakerzV steht. Die dort enthaltene Liste verbotener Inhaltsstoffe kann die Regelung in § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG schon deshalb nicht einschränken, weil damit Art. 20 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2014/40/EU umgesetzt wird, der explizit vorsieht, dass außer Nikotin in der nikotinhaltigen Flüssigkeit keinerlei Inhaltsstoffe verwendet werden dürfen, die in erhitzter oder nicht erhitzter Form ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen.
Rz. 94
6. Das Berufungsgericht hat dem Kläger auch den mit dem Antrag I 5 geltend gemachten Unterlassungsanspruch, nikotinhaltige Nachfüllbehälter für elektronische Zigaretten mit der Aussage "Nikotinkonzentrat in gereinigter Arzneimittelqualität (Ph. Eur. Qualität)" zu bewerben, einschließlich zu kennzeichnen, im Ergebnis mit Recht zugesprochen. Der Anspruch ergibt sich allerdings nicht aus § 3a UWG wegen eines Verstoßes gegen § 18 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 TabakerzG; es liegt vielmehr eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 UWG aF, § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG nF vor.
Rz. 95
a) Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 TabakerzG, der Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2014/40/EU umsetzt, ist es verboten, Tabakerzeugnisse unter Verwendung irreführender werblicher Informationen auf Packungen, Außenverpackungen oder auf dem Tabakerzeugnis selbst in den Verkehr zu bringen, wobei eine Irreführung insbesondere dann vorliegt, wenn der Eindruck erweckt wird, dass ein Tabakerzeugnis weniger schädlich als andere sei oder auf die Reduzierung schädlicher Bestandteile des Rauchs abziele. Für elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter gelten die Verbote des § 18 Abs. 2 TabakerzG nach § 18 Abs. 4 TabakerzG mit Ausnahme der Informationen über die Aromastoffe und den Nikotingehalt entsprechend.
Rz. 96
§ 18 Abs. 2 TabakerzG enthält damit ein Verkehrsverbot für Tabakerzeugnisse unter Verwendung irreführender werblicher Informationen auf Packungen, Außenverpackungen oder auf dem Tabakerzeugnis selbst. Die Werbung als solche, auf deren Unterlassen der Antrag I 5 zielt, wird dagegen von der Vorschrift nicht erfasst (vgl. Boch aaO § 18 Rn. 3; Lutzhöft, GRUR-RR 161, 162).
Rz. 97
b) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG aF (§ 5 Abs. 1 UWG nF) handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist unter anderem dann irreführend nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG aF (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG nF), wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware wie Vorteile, Risiken oder Zusammensetzung enthält.
Rz. 98
c) Das allgemeine Irreführungsverbot des § 5 UWG ist anwendbar. Das ergibt sich aus Erwägungsgrund 24 Satz 2 der Richtlinie 2014/40/EU, nach dem die Bestimmungen dieser Richtlinie über irreführende Informationen das generelle Verbot irreführender Praktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern gemäß der Richtlinie 2005/29/EG (nur) ergänzen (und nicht ersetzen) sollen. Darüber hinaus sieht Erwägungsgrund 48 der Richtlinie 2014/40/EU vor, dass mit dieser Richtlinie die Vorschriften über heimische Werbung nicht harmonisiert werden.
Rz. 99
In Umsetzung dessen bestimmt § 1 Abs. 2 TabakerzG, dass neben Bestimmungen über den Schutz der menschlichen Gesundheit (dazu bereits oben Rn. 33 f.) auch Bestimmungen zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Täuschung aufgrund anderer Gesetze und der aufgrund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen unberührt bleiben. Zu den Bestimmungen zum Schutz vor Täuschung zählen die Irreführungsverbote des Art. 6 der Richtlinie 2005/29/EG, die § 5 UWG in nationales Recht umsetzt.
Rz. 100
d) Im Streitfall liegt eine irreführende geschäftliche Handlung vor.
Rz. 101
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der angesprochene Verkehr verstehe die beanstandete Werbeaussage dahin, dass es sich bei dem von der Beklagten verwendeten Nikotinkonzentrat um ein besonders reines Nikotinkonzentrat handle, das in besonderem Maße frei von möglicherweise schädlichen Beimengungen oder Rückständen anderer Stoffe sei. Im Ergebnis werbe sie damit, dass ihr Produkt wegen der besonderen Reinheit des von ihr verwendeten Nikotinkonzentrats weniger schädlich als die Liquids anderer Hersteller sei.
Rz. 102
bb) Die Feststellungen des Berufungsgerichts zu § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 TabakerzG begründen auch eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 UWG aF, § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG nF. Diese auf Erfahrungswissen basierenden Feststellungen kann der Senat selbst treffen, weil seine Mitglieder den angesprochenen Verkehrskreisen angehören (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2021 - I ZR 126/19, GRUR 2021, 746 [juris Rn. 46] = WRP 2021, 604 - Dr. Z., mwN).
Rz. 103
7. Die weiteren Voraussetzungen der Unterlassungsansprüche sind erfüllt.
Rz. 104
a) Die vom Kläger mit den Unterlassungsanträgen jeweils beanstandete Kennzeichnung der Faltschachteln für die nikotinhaltigen Liquids stellt eine geschäftliche Handlung der Beklagten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar.
Rz. 105
b) Die streitgegenständlichen Designvorgaben der CLP-Verordnung (Antrag I 2) sowie die Verbote des § 18 TabakerzG (Anträge I 3 und 4 a) sind Marktverhaltensregelungen im Sinn von § 3a UWG, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die Verstöße sind auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Hinsichtlich der lauterkeitsrechtlichen Irreführung (Anträge I 1, I 4 b und I 5) liegt jeweils die erforderliche geschäftliche Relevanz vor.
Rz. 106
c) Das Berufungsgericht ist auch mit Recht davon ausgegangen, dass die Wiederholungsgefahr gegeben ist.
Rz. 107
Die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr nach einem Wettbewerbsverstoß entfällt nicht etwa durch Zeitablauf, sondern grundsätzlich nur dann, wenn der Schuldner eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, ein rechtskräftiger Unterlassungstitel in der Hauptsache ergangen ist oder nach Erlass eines Verbotstitels im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Abschlusserklärung abgegeben wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 7. März 2024 - I ZR 83/23, GRUR 2024, 699 [juris Rn. 21] = WRP 2024, 701 - Vielfachabmahner II, mwN). Insbesondere wird die Wiederholungsgefahr entgegen der Auffassung der Revision nicht schon durch die Aufgabe der beanstandeten Tätigkeit beseitigt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - I ZR 189/07, GRUR 2010, 754 [juris Rn. 24] = WRP 2010, 869 - Golly Telly; zum Markenrecht vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2024 - I ZR 95/22, GRUR 2024, 310 [juris Rn. 41] = WRP 2024, 471 - Peek & Cloppenburg V, mwN).
Rz. 108
8. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Unterlassungsansprüche seien nicht verjährt, lässt keinen entscheidungserheblichen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 109
a) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Unterlassungsansprüche gemäß den Klageanträgen I 1, I 2, I 4 a und b sowie I 5 seien nicht verjährt, wird von der Revision nicht angegriffen und enthält auch keine entscheidungserheblichen Rechtsfehler.
Rz. 110
b) Allerdings kann der Verjährungseintritt des erst mit dem Klageerweiterungsschriftsatz vom 12. Mai 2020 geltend gemachten Anspruchs (Antrag I 4 b) nicht mit dem Verweis auf eine Dauerhandlung abgelehnt werden. Das Inverkehrbringen der Faltschachteln mit der beanstandeten Angabe "keine krebserregenden Stoffe" stellt keine Verletzungshandlung dar, von der eine fortwährende, vom Verletzer pflichtwidrig aufrechterhaltene Störung ausgeht, sondern eine fortgesetzte (wiederholte) Handlung (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1973 - I ZR 136/71, NJW 1973, 2285 [juris Rn. 17] - Brünova). Insoweit läuft jedoch für jeden Teilakt eine gesonderte Verjährung, auch wenn die einzelnen Akte von einem einheitlichen Verletzerwillen getragen sind (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 11 Rn. 1.22 mwN).
Rz. 111
c) Hinsichtlich des mit dem Klageantrag I 3 verfolgten Unterlassungsanspruchs rügt die Revision vergeblich, das Berufungsgericht habe der Behauptung der Beklagten, die angegriffene Angabe sei seit über einem Jahr vor der Abmahnung nicht mehr benutzt worden, keine rechtliche Bedeutung beigemessen.
Rz. 112
aa) Die Beklagte trägt als Unterlassungsschuldnerin die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Unterlassungsgläubigers. Nur soweit es um Umstände aus der Sphäre des Unterlassungsgläubigers geht, hat dieser an der Sachaufklärung mitzuwirken und erforderlichenfalls darzulegen, was er zur Ermittlung der Voraussetzungen seiner Ansprüche und der Person des Unterlassungsschuldners getan hat (zu § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2016 - V ZR 134/15, NJW 2017, 248 [juris Rn. 12]).
Rz. 113
bb) Dieser sekundären Darlegungslast ist der Kläger nachgekommen, indem er vorgetragen hat, von einem Beschwerdeführer am 13. September 2019 Kenntnis von den wesentlichen Eckdaten der streitgegenständlichen Wettbewerbsverstöße erhalten zu haben. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, die Behauptung der Beklagten, die Werbeaussage werde "seit mindestens einem Jahr" nicht mehr verwendet, genüge nicht, um eine frühere Kenntnis durch den Kläger zu beweisen, weil Produkte auch noch längere Zeit mit einem alten Verpackungsdesign bei Groß- und Einzelhändlern im Umlauf sein könnten.
Rz. 114
9. Der Anspruch des Klägers auf Ersatz der Abmahnkostenpauschale für die Abmahnung vom 9. Oktober 2019 ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG aF. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Rz. 115
III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 [juris Rn. 21] = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 [juris Rn. 43] - Doc Generici; Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 32 f.] - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi, mwN). Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass sich im Streitfall keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts stellt, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist.
Rz. 116
C. Danach ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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